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Armadale

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Mr. Bashwood stand auf und sah seinem Sohne fest ins Gesicht.

»Wenn ich könnte, wie ich wollte«, sagte er, »so würde ich sie jetzt heirathen.«

Bashwood der Jüngere trat einen Schritt zurück. »Nach alledem, was ich Dir erzählt habe?« fragte er in äußerstem Erstaunen.

»Noch alledem, was Du mir erzählt hast.«

»Mit der Auss t, das erste Mal, daß Du sie beleidigt hättest, verg« « t zu werden P«

»Mit der Aussicht«, erwiderte Mr. Bashwood, »nach vierundzwanzig Stunden vergiftet zu werden.«

Der Spion des geheimen Nachforschungscomptoirs sank, von den Worten und den Blicken seines Vaters überwältigt, in seinen Sessel zurück.

»Verrückt!« sprach er für sich. »Toll und verrückt, beim Teufel!«

Mr. Bashwood sah nach seiner Uhr und nahm eiligst seinen Hut von einem Nebentische.

»Ich möchte auch noch das Weitere hören«, sagte er; »ich möchte jedes Wort von dem hören, was Du mir noch von ihr erzählen kannst. Aber die Zeit, die schrecklich galoppiren Zeit verstreicht. Soviel ich weiß, können sie schon in diesem Augenblicke auf dem Wege sein, ihre Heirath zu vollziehen!«

»Was hast Du vor?« fragte Bashwood der Jüngere, sich zwischen seinem Vater und der Thür aufstellend.

»Ich will mich nach dem Gasthofe begeben«, sagte der Vater, indem er an ihm vorbeizukommen versuchte. »Ich will Mr. Armadale aussuchen.«

»Wozu?«

»Um ihm Alles mitzutheilen, was Du mir erzählt hast.« Das fürchterliche Lächeln des Triumphes, das sich schon einmal in seinem Gesichte gezeigt, umspielte abermals seine Lippen. »Mr. Armadale ist jung; er hat noch sein ganzes Leben vor sich«, flüsterte er pfiffig, indem seine zitternden Finger den Arm seines Sohnes umkrallten. »Das, was für mich keine Schrecken hat, wird ihn erschrecken!«

»Warte einen »Augenblick«, sagte Bashwood der Jüngere. »Bist Du noch immer ganz sicher, daß Armadale der Mann ist?«

»Welcher Mann?«

»Der Mann, der sie zu heirathen im Begriff steht.« »Ja, ja, ja! Laß mich gehen, Jemmy, laß mich gehen!«

Der Spion lehnte sich mit dem Rücken gegen die Thür und überlegte einen Augenblick. Mr. Armadale war reich. Mr. Armadale, wenn er nicht auch toll und verrückt war, mochte dazu zu bewegen sein, daß er einer Auskunft, die ihn vor der Schande bewahrte, Miß Gwilt zu heirathn den rechten Geldwerth beilegte. »Wenn ich selbst handle, kann mir die Sache hundert Pfund eintragen«, dachte Bashwood der Jüngere. »Und keinen Heller, wenn ich es meinem Vater überlasse.« Er nahm seinen Hut und seine Ledertasche. »Kannst Du das Alles in Deinem eigenen verdrehten alten Kopfe allein tragen, Väterchen?« fragte er mit seiner unbefangensten Frechheit. »Ganz gewiß nicht! Ich will mit Dir gehen und Dir helfen. Was meinst Du dazu?«

Voll Entzücken umschlang der Vater seinen Sohn. »Ich kann mir nicht helfen, Jemmy«, sagte er mit gebrochener Stimme. »Du bist so gut gegen mich. Nimm die andere Banknote, mein Sohn, ich will schon ohne sie fertig werden! Nimm die andere Banknote!«

Der Sohn stieß die Thür mit einem Schwunge auf und wandte der dargebotenen Banknote großmuthsvoll den Rücken. »Zum Henker, alter Herr! So habsüchtig bin ich doch nicht«, sagte er mit einer Miene des tiefsten Gefühls. »Stecke Dein Taschenbuch ein und laß uns machen, daß wir fortkommen. Wie kann ich wissen«, dachte er bei sich, während sie die Treppe hinuntergingen, »ob er nicht, nähme ich ihm jetzt seine letzte Fünfpfundnote, die Hälfte verlangt, wenn er Mr. Armadale’s Geld sieht? Komm, Alter!« fuhr er laut fort. »Wir wollen einen Fiaker nehmen und den glücklichen Bräutigam abfangen, ehe er nach der Kirche fährt!«

Sie riefen auf der Straße einen Fiaker an und fuhren nach dem Gasthofe, in dem Midwinter und Allan während ihres Aufenthalts in London logirt hatten. Sowie sich die Wagenthür hinter ihnen geschlossen hatte, nahm Mr. Bashwood die Unterhaltung über Miß Gwilt wieder auf.

»Erzähle mir das Weitere«, sagte er, die Hand seines Sohnes fassend und sie zärtlich streichelnd »Laß uns während der ganzen Fahrt nach dem Hotel von ihr sprechen. Hilf mir über die Zeit hinweg, Jemmy, hilf mir über die Zeit hinweg.«

Bashwood der Jüngere war durch die Aussicht, mit Mr. Armadales Gelde Bekanntschaft zu machen, in der vortrefflichsten Laune. Bis zuletzt spielte er mit seines Vaters sorgenvoller Aufregung.

»Laß sehen, ob Du Dich des Dir schon Erzählten noch erinnerst«, begann er. »In der Geschichte ist eine Persönlichkeit, die aus derselben ganz und unerklärt verschwunden ist. Nun, kannst Du mir sagen, wer das ist?«

Er hatte darauf gerechnet, daß sein Vater dies nicht beantworten könne. Aber Mr. Bashwood’s Gedächtniß war über Alles, was mit Miß Gwilt in Verbindung stand, ebenso scharf und klar wie das seines Sohnes. »Der ausländische Schurke«, sagte er, ohne einen Augenblick zu zaudern, »der sie in die Versuchung führte und sich dann mit Gefahr ihres Lebens von ihr schützen ließ. Sprich nicht von ihm, Jemmy, sprich nicht wieder von ihm!«

»Ich muß von ihm sprechen«, erwiderte der Andere. »Du möchtest wissen, was aus Miß Gwilt ward, nachdem sie das Gefängniß verlassen, nicht wahr? Sehr gut, ich bin in der Lage, Dir dies zu erzählen. Sie ward Mrs. Manuel. Es nützt gar nichts, daß Du mich so anstierst, alter Herr. Ich weiß dies officiell. Zu Ende des vorigen Jahres kam eine ausländische Dame mit Zeugnissen auf unser Comptoir, um zu beweisen, daß sie sich früher, als er zum ersten Male in London gewesen, gesetzlich mit Kapitän Manuel verheirathet hätte. Sie hatte erst kürzlich die Entdeckung gemacht, daß er sich abermals in diesem Lande aufgehalten, und hatte Grund zu glauben, daß er sich in Schottland mit einer andern Frau verheirathet habe. Unsere Leute mußten die erforderlichen Erkundigungen einziehen. Ein Vergleich der Daten ergab, daß die schottische Verbindung, wenn es überhaupt eine Heirath und nicht ein Betrug war, genau um die Zeit stattgefunden hatte, wo Miß Gwilt ihre Freiheit wiedererlangt, und einige weitere Nachforschung lehrte uns, daß die zweite Mrs. Manuel Niemand anders war als die Heldin des berüchtigten Criminalfalls, von der wir damals nicht wußten, wohl aber jetzt, daß sie mit Deiner bezaubernden Freundin Miß Gwilt eine und dieselbe Person ist.«

Mr. Bashwood ließ das Haupt auf die Brust sinken. Er preßte seine zitternden Hände fest zusammen und wartete schweigend auf das Ende der Erzählung.

»Muth gefaßt!« fuhr sein Sohn fort. »Sie war ebenso wenig mit dem Kapitän verheirathet wie Du, und was noch mehr, der Kapitän selbst ist Dir jetzt aus dem Wege geräumt. Seit sie das Gefängniß verlassen ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren – hatte er Mrs. Manuel’s ganzes Vermögen von fünftausend Pfund vergeudet, und das einzige Erstaunliche blieb nur, woher er das Geld zu den Reisekosten genommen. Es erwies sich, daß er es von der zweiten Mrs. Manuel selbst erhalten hatte. Sie hatte seine Taschen gefüllt und wartete dann geduldig in einer erbärmlichen Londoner möblirten Wohnung, bis sie von ihm hören werde, daß er sich sicher im Auslande niedergelassen habe und sie zu ihm kommen solle. Du wirst die ziemlich natürliche Frage thun, wo sie das Geld herbekommen? Dies konnte damals Niemand sagen. Meine Ansicht ist jetzt die, daß sich ihre ehemalige Herrin noch am Leben befand und sie endlich im Stande war, aus ihrer Kenntniß des Blanchard’schen Familiengeheimnisses Geld zu machen. Dies ist natürlich eine bloße Vermuthung, aber ein Umstand steht damit in Verbindung, der dieselbe meiner Ansicht nach zu einer ziemlich begründeten macht. Sie hatte damals eine ältliche Freundin, die gerade die Person dazu war, die Adresse ihrer ehemaligen Herrin auszukundschaften. Kannst Du den Namen dieser ältlichen Freundin errathen? Ganz gewiß nicht! Nun, sie heißt Mrs. Oldershaw!«

Mr. Bashwood blickte plötzlich auf. »Warum wäre sie wohl zu dem Weibe zurückgekehrt, das sie in der Kindheit verlassen hatte?« fragte er.

»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte der Sohn, »es sei denn, daß sie im Interesse ihres prachtvollen Haares zu ihr gegangen. Ich brauche Dir nicht zu sagen, daß die Gefängnißscheere mit Miß Gwilt’s Locken sehr energisch verfahren war, und Mrs. Oldershaw, erlaube ich mir zu bemerken, ist die ausgezeichnetste Wiederherstellerin von alternden weiblichen Köpfen und Gesichtern in ganz England. Rechne zweimal zwei zusammen und dann wirst Du mir in diesem Falle vielleicht beistimmen, daß dies vier macht.«

»Ja, ja, zweimal zwei macht vier«, wiederholte sein Vater ungeduldig. »Aber ich möchte noch eins wissen. Hat sie wieder von ihm gehört? Ließ er sie zu sich kommen, nachdem er ins Ausland gegangen war?«

»Der Kapitän? Ei, woran denkst Du! Hatte er nicht jeden Heller ihres Geldes durchgebracht, und befand er sich auf dem Festlande nicht außer ihrem Bereiche? Ich glaube wohl, daß sie von ihm zu hören hoffte, denn sie glaubte an ihn. Aber ich will jede beliebige Wette mit Dir eingehen, daß sie seine Handschrift niemals wiedersah. Wir thaten im Comptoir unser Möglichstes, ihr die Augen zu öffnen, wir sagten ihr geradezu, daß seine erste Frau am Leben sei und sie keine Spur von einem Anrechte an ihn besitze Sie wollte uns nicht glauben, wiewohl wir ihr die Beweise vorlegten. Halsstarrig, verdammt halsstarrig! Ich möchte behaupten, daß sie Monate lang wartete, ehe sie die Hoffnung aufgab, ihn wiederzusehen.«

Mr. Bashwood sah schnell seitwärts aus dem Wagenfenster hinaus. »Wo konnte sie nur zunächst eine Zuflucht suchen?« sagte er, nicht zu seinem Sohne, sondern für sich. »Was in aller Welt konnte sie anfangen?«

»Nach meiner Erfahrung in der Frauenwelt«, sagte der Sohn, der ihn gehört, »möchte ich zu behaupten wagen, daß sie versuchte, sich zu ertränken. Allein das ist eine bloße Vermuthung, ja in diesem Theile ihrer Geschichte ist Alles nur Vermuthung. Kommst Du zu Miß Gwilt’s Thun und Treiben während des Frühlings und Sommers des laufenden Jahres, Väterchen, so siehst Du mich am Ende meiner Kenntniß. Vielleicht ist sie verzweifelt genug gewesen, um einen Selbstmordversuch zu machen, oder auch nicht, und vielleicht war sie bei jenen Nachforschungen betheiligt, die ich für Mrs. Oldershaw anstellte. Du wirst sie heute Morgen wahrscheinlich sehen und, wenn Du Deinen Einfluß zu benutzen verstehst, vielleicht bewegen können, daß sie ihre Geschichte selbst vollends erzählt«

 

Noch immer aus dem Fenster sehend, legte Mr. Bashwood plötzlich die Hand auf den Arm seines Sohnes.

»Still! Still!« rief er in heftiger Aufregung. »Wir sind endlich angelangt. O,Jemmy, fühle nur, wie mir das Herz schlägt! Hier ist der Gasthof.«

»Der Henker hol’ Dein. Herz«, sagte Bashwood der Jüngere. »Warte hier, während ich Erkundigungen einziehe.«

»Ich will mit Dir gehen!« rief sein Vater. »Ich kann nicht warten! Ich sage Dir, ich kann nicht warten!«

Sie traten zusammen in den Gasthof und fragten nach Mr. Armadale.

Die Antwort lautete nach einigem Zögern und Verziehen, daß Mr. Armadale vor sechs Tagen abgereist sei. Ein zweiter Kellner fügte hinzu, daß Mr. Armadale’s Freund, Mr. Midwinter, erst diesen Morgen fortgegangen sei. Wo Mr. Armadale hingereist sei? Irgendwohin aufs Land. Wo Mr. Midwinter hingereist sei? Das wisse Niemand.

Mit sprachlosem Schrecken sah Bashwood seinen Sohn an.

»Unsinn!« sagte der jüngere Bashwood, seinen Vater wieder in den Fiaker schiebend. »Er ist uns sicher genug. Wir werden ihn bei Miß Gwilt finden.«

Der alte Mann faßte die Hand seines Sohnes und küßte sie. »Ich danke Dir, mein Sohn«, sagte er, »ich danke Dir für den Trost, den Du mir gibst.«

Der Fiaker fuhr darauf nach der Wohnung, die Miß Gwilt in der Nähe von Tottenham-Court-Road innegehabt.

»Bleibe hier«, sagte der Spion, seinen Vater im Wagen einsperrend. »Ich denke diesen Theil unseres Geschäfts allein abzumachen.«

Er klopfte an die Hausthür. »Ich habe einen Brief für Miß Gwilt«, sagte er, sowie die Thür sich öffnete, in den Gang eintretend.

»Die ist fort «, sagte das Dienstmädchen. »Sie ist gestern Abend abgereist.«

Bashwood der Jüngere vergeudete kein Wort weiter an das Dienstmädchen. Er verlangte ihre Herrin zu sehen. Die Herrin bestätigte die Angabe hinsichtlich Miß Gwilt’s gestern Abend geschehener Abreise. Wo sie hingereist? Das könne sie nicht sagen. Wie sie fortgegangen? Zu Fuße. Um welche Zeit? Zwischen neun und zehn Uhr. Was sie mit ihrem Gepäck angefangen? Sie habe kein Gepäck gehabt. Ob sie gestern ein Herr besucht? Von keiner Seele habe Miß Gwilt Besuch erhalten.

Das Gesicht des Vaters sah bleich und verstört zum Wagenfenster heraus, als der Sohn wieder die Stufen herabkam.

»Ist sie nicht da, Jemmy?« fragte er mit matter Stimme.

»Halte Dein Maul«, rief der Spion, dessen angeborene Rohheit endlich hervorbrach. »Noch bin ich mit meinen Nachforschungen nicht zu Ende.«

Er ging über die Straße und trat in ein Kaffeehaus, das dem so eben verlassenen Hause gerade gegenüber lag.

In dem Verschlag am Fenster befanden sich zwei Männer, die eifrig mit einander sprachen.

»Wer von Euch hatte gestern Abend zwischen neun und zehn Uhr den Dienst?« fragte Bashwood der Jüngere, plötzlich zu ihnen tretend, mit einem schnellen, gebieterischen Flüstern.

»Ich, Sir«, sagte einer der Männer zögernd.

»Habt Ihr das Haus aus den Augen gelassen? Ja! Ich sehe es Euch an.«

»Nur auf einen Augenblick, Sir. Ein Verdammter Halunke von einem Soldaten kam hier herein —«

»Genug«, sagte Bashwood der Jüngere. »Ich weiß, was der Soldat that und wer ihn dies thun hieß. Sie ist uns abermals entschlüpft. Ihr seid der größte Esel, den es gibt. Ihr könnt Euch als entlassen betrachten.« Mit diesen Worten und einem Fluche, um denselben Nachdruckzu verleihen, verließ er das Kaffeehaus und kehrte zum Fiaker zurück.

»Sie ist fort!« rief der Vater. »O Jemmy, Jemmy, ich sehe es Deinem Gesichte an!« Er sank mit einem jammervollen Schrei in eine Ecke des Wagens zurück. »Sie sind verheirathet,« stöhnte er vor sich hin, indem seine Hände machtlos auf seine Kniee sanken und der Hut ihm vom Kopfe fiel. »Thut ihnen Einhalt!« rief er, sich plötzlich aufraffend und seinen Sohn wüthend am Rockkragen packend.

»Fahrt zum Gasthofe zurück«, schrie Bashwood der Jüngere dem Kutscher zu. »Laß Dein Geschrei!« fügte er barsch zu seinem Vater gewendet hinzu. »Ich muß nachsinnen.«

Der glatte Firniß war jetzt ganz von ihm gewichen. Seine Leidenschaft war erregt. Sein Stolz – selbst ein solcher Mensch besitzt seinen Stolz! – war aufs tiefste verletzt Zweimal hatte er seine Schlauheit mit der eines Weibes gemessen, und zweimal war er von dem Weibe überlistet worden!

Als sie zum zweiten Male vor dem Gasthofe hielten, stieg er aus und suchte heimlich die Dienstboten zu bestechen. Der Erfolg dieses Experiments überzeugte ihn, daß sie diesmal in aller Wirklichkeit keinerlei Auskunft zu verkaufen hatten. Nach kurzem Nachsinnen blieb er stehen, ehe er den Gasthof verließ, und erkundigte sich nach dem Wege zur Kirche des Sprengels. »Es verlohnt sich vielleicht der Mühe, dies zu versuchen«, dachte er bei sich, während er dem Kutscher die Adresse angab. »Schneller!« rief er, nach seiner Uhr und dann seinen Vater ansehend. »Die Minuten sind heute Morgen kostbar und der Alte beginnt schwach zu werden.«

Dies war der Fall. Obgleich noch zu hören und zu verstehen fähig, war der ältere Bashwood doch jetzt außer Stande zu sprechen. Er klammerte sich mit beiden Händen an den Widerstrebenden Arm seines Sohnes und ließ den Kopf auf dessen Schulter sinken.

Die Kirche des Sprengels stand von der Straße etwas zurück auf einem freien Platze, der von einem Eisengitter umgeben war und dessen Eingang ein eisernes Thor bildete. Der jüngere Bashwood machte sich von seinem Vater frei und ging geradeswegs in die Sakristei. Als er eintrat und bat, das Trauungsregister des Tages sehen zu dürfen, war Niemand zugegen als der Küster, der eben die Kirchenbücher verschließen wollte, und sein Gehilfe, der den Priesterrock aufhing.

Der Küster öffnete ernst das Buch und trat von dem Pulte zurück, auf dem dasselbe lag.

In dem Tagesregister standen drei Heirathen verzeichnet und die beiden ersten Namen auf der Seite waren: Allan Armadale – Lydia Gwilt.

Selbst der Spion, obwohl er nichts von der Wahrheit ahnte, oder von den fürchterlichen Folgen, zu denen das an diesem Morgen Stattgefundene führen konnte, selbst der Spion fuhr erschrocken zurück, als sein Auge auf das Geschriebene fiel. Es war geschehen! Was auch danach kommen mochte – es war geschehen. Da stand Schwarz auf Weiß die Heirath verzeichnet, die an sich eine Wahrheit, in den Schlußfolgerungen aber, zu denen sie Anlaß gab, eine Lüge war. Da stand durch die unglückselige Namensgleichheit in Midwinter’s eigener Handschrift der Beweis, der Jeden überzeugen mußte, daß nicht etwa Midwinter, sondern Allan Armadale Miß Gwilt’s Gatte sei.

Bashwood der Jüngere machte das Buch zu und gab es dem Küster zurück. Die Hände ärgerlich in die Taschen steckend und in seiner Selbstachtung ernstlich erschüttert, stieg er die Stufen der Sakristei hinab.

An der Kirchenmauer traf er den Kirchendiener. Einen Augenblick überlegte er, ob es einen Schilling werth wäre, den Mann auszufragen, dann entschied er sich dafür. Konnte man ihre Spur finden und sie einholen, so war noch immer eine Möglichkeit vorhanden, mit Mr. Armadale’s Geld Bekanntschaft zu machen.

»Wie lange ist es her«, fragte er, »seit ds erste Paar, das hier heute Morgen getraut worden ist, die Kirche verlassen hat?«

»Ungefähr eine Stunde«, sagte der Kirchendiener.

»Wie verließen sie die Kirche?«

Der Kirchendiener verschob die Antwort auf diese Frage, bis er sein Honorar in die Tasche gesteckt hatte. »Sie werden ihre Spur von hier nicht verfolgen können, Sir«, sagte er, sowie er seinen Schilling erhalten. »Sie gingen zu Fuße fort.«

»Und mehr wissen Sie nicht?«

»Das ist Alles, Sir, was ich darüber weiß.«

Als er allein war, zauderte selbst der Spion des geheimen Nachforschungscomptoirs einen Augenblick, bevor er zu seinem vor dem Thore wartenden Vater zurückkehrte. Diesem Zögern ward er durch das plötzliche Erscheinen des Fiakerkutschers innerhalb des Kirchengitters entrissen.

»Ich fürchte, der alte Herr wird krank, Sir«, sagte der Mann.

Bashwood der Jüngere runzelte zornig die Stirn und ging nach dem Wagen. Als er die Wagenthür öffnete, sah er seinen Vater vorwärts gebeugt und mit sprachlos sich bewegenden Lippen dasitzen, während auf seinem Gesichte eine bleiche Ruhe lag.

»Sie hat uns überlistet «, sagte der Spion.

»Sie haben sich heute Morgen hier trauen lassen.«

Der Körper des alten Mannes schwankte einen Augenblick von einer Seite zur andern, im nächsten schlossen sich seine Augen und sein Kopf sank auf den Vordersitz des Wagens. »Fahrt nach dem Hospital!« rief der Sohn. »Er hat eine Ohnmacht. Das habe ich dafür, daß ich meinem Vater zu Gefallen aus meinem Wege gehe«, murmelte er, indem er verdrießlich Mr. Bashwood’s Kopf aufrichtete und seine Cravatte löste. »Ein hübscher Morgen, fürwahr, ein hübscher Morgen!«

Das Hospital war in der Nähe und der Hausarzt auf seinem Posten.

»Wird er sich erholen?« fragte Bashwood der Jüngere barsch.

»Wer sind Sie?« fragte seinerseits der Arzt.

»Ich bin sein Sohn.«

»Das hätte man kaum glauben sollen«, erwiderte der Arzt, indem er die Belebungsmittel von der Wärterin entgegennahm und sich mit einer Miene der Erleichterung, die er sich nicht zu verbergen bemühte, vom Sohne ab und dem Vater zuwandte. »Ja«, sagte er nach ein paar Minuten, »diesmal wird sich Ihr Vater noch erholen.«

»Wann kann er von hier fortgeschafft werden?«

»In etwa zwei Stunden kann er das Hospital verlassen.«

Der Spion legte eine Karte auf den Tisch. »Ich will wiederkommen, um ihn abzuholen oder ihn abholen lassen«, sagte er. »Ich kann wohl jetzt gehen, wenn ich meinen Namen und meine Adresse hier lasse?« Mit diesen Worten setzte er seinen Hut auf und ging hinaus.

»Ein Ungeheuer!« sagte die Wärterin. »Nein«, sagte der Arzt gelassen, »ein Mensch.«

Zwischen neun und zehn Uhr abends erwachte Mr. Bashwood in seinem Bette im Gasthofe des Borough. Seit er vom Hospital zurückgebracht worden war, hatte er einige Stunden geschlafen und Geist und Körper begannen sich allmälig gleichzeitig zu erholen.

Auf dem Tischchen am Bette stand eine brennende Kerze und neben derselben lag für ihn ein Brief bereit, sobald er erwachte. Derselbe war in der Handschrift seines Sohnes und enthielt folgende Worte:

»Mein lieber Alter! Da ich Dich sicher aus dem Hospital nach Deinem Gasthofe zurückgeschafft habe, denke ich billigerweise behaupten zu dürfen, daß ich meine Pflicht an Dir gethan habe und jetzt meinen eigenen Angelegenheiten nachgehen kann. Geschäfte verhindern mich, Dich heute Abend zu besuchen, und es scheint mir durchaus nicht wahrscheinlich, daß ich mich morgen Vormittag in Deiner Gegend befinde. Mein Rath an Dich geht dahin, daß Du nach Thorpe-Ambrose zurückkehrst und Dich Deinen dortigen Geschäften widmest. Wo Mr. Armadale sich auch aufhält, früher oder später muß er in Geschäftssachen an Dich schreiben. Ich wasche – das laß Dir gesagt sein – von diesem Augenblicke an bezüglich der ganzen Geschichte meine Hände in Unschuld. Doch willst Du darin weitergehen, so ist meine amtliche Meinung die, daß Du, obwohl Du die Heirath nicht zu verhindern vermocht hast, ihn doch von seiner Frau trennen kannst.

Bitte, nimm Deine Gesundheit in Acht
Dein Dich liebender Sohn
James Bashwood.«

Der Brief fiel dem schwachen alten Manne aus der Hand. »Ich wollte, Jemmy hätte heute Abend zu mir kommen können«, dachte er. »Aber es ist immer sehr freundlich von ihm, mir seinen Rath zu geben.«

Mülde drehte er sich auf seinem Kissen um und las den Brief zum zweiten Male. »Ja«, sagte er, »nichts weiter bleibt mir übrig, als zurückzukehren. Ich bin zu arm und zu alt, um ihnen ganz allein nachzujagen« Er schloß die Augen und Thränen rannen über seine gefurchten alten Wangen. »Ich bin Jemmy zur Last gefallen«, murmelte er matt; »ich fürchte, ich bin dem armen Jemmy sehr zur Last gefallen.« Eine Minute später übermannte ihn seine Schwäche und er schlief wieder ein.

Vom nahen Kirchthurme schlug es zehn Uhr. Als die Schläge ertönten, näherte sich der Zug, auf dem sich Midwinter und seine Gattin als Passagiere befanden, rasch Paris. Um dieselbe Zeit hatte die Wache auf Allan’s absegelnder Yacht den Leuchtthurm auf der Höhe von Landsend erspäht und den Curs des Schiffes nach Ushant und Finisterre gerichtet.