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Armadale

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Der Zwischentag verging, aber schon der folgende Morgen brachte die Verwirklichung von Mrs. Milroy’s Drohung in Gestalt eines Briefes von ihrem Gatten. Der Major schrieb weniger förmlich, als seine Gemahlin geschrieben hatte, doch waren seine Fragen unbarmherzig direct.

»Parkhäuschen. Thorpe-Ambrose.
Freitag, den 11. Juli 1851.

»Werther Herr! Als Sie mir vor einigen Tagen die Ehre Ihres Vesuchs schenkten, richteten Sie hinsichtlich meiner Erzieherin, Miß Gwilt, eine Frage an mich, die mir damals etwas seltsam erschien und, wie Sie sich vielleicht erinnern, eine momentane Verlegenheit zwischen uns herbeiführte.

Heute Morgen bin ich an unser Gespräch über Miß Gwilt wieder in’ einer Weise erinnert worden, die mich in das größte Erstaunen versetzt hat. Um mich deutlich auszudrücken, Mrs. Milroy unterrichtet mich, daß Miß Gwilt verdächtig ist, uns durch eine gefälschte Empfehlung hintergangen zu haben. Als ich über eine so außerordentliche Mittheilung meine Verwunderung zu erkennen gab und um unverzügliche Beweise für dieselbe bat, vernahm ich zu meinem noch größern Erstaunen, daß ich mich wegen aller Einzelnheiten an Niemand anders als an Mr. Armadale zu wenden hätte. Vergebens habe ich Mrs. Milroy um weitern Aufschluß ersucht; sie beharrt bei ihrem Schweigen und verweist mich an Sie.

Unter diesen außerordentlichen Umständen sehe ich mich, um allen Parteien gerecht zu werden, genöthigt, gewisse Fragen an Sie zu richten, die ich so klar wie möglich zu stellen suchen will und von denen ich nach meiner bisherigen Bekanntschaft mit Ihnen überzeugt bin, daß Sie dieselben Ihrerseits offen beantworten werden.

Ich bitte erstens um Erlaubniß, Sie fragen zu dürfen, ob Sie Mrs. Milroy’s Behauptung, daß Sie sich von gewissen Einzelnheiten unterrichtet haben, die Miß Gwilt oder die Dame betreffen, welche Miß Gwilt empfahl, und über die ich in vollkommener Unwissenheit bin, als richtig anerkennen. Zweitens, wenn Sie die Wahrheit von Mrs. Milroy’s Angabe zugeben, ersuche ich Sie, mir mitzutheilen, wie Sie diese Einzelnheiten erfahren haben. Zum Dritten und Letzten erlaube ich mir, Sie zu fragen, worin diese Einzelnheiten bestehen.

Wenn es irgend einer Rechtfertigung für diese Fragen bedarf, was ich einzig und allein als eine Sache der Höflichkeit Ihnen gegenüber einräumen will, so muß ich Sie daran erinnern, daß das Kostbarste, was ich besitze, meine Tochter, Miß Gwilt’s Obhut anvertraut ist und daß Mrs. Milroy’s Angabe Sie allem Anscheine nach in die Lage setzt, mir sagen zu können, ob unser Vertrauen gerechtfertigt ist oder nicht.

Ich habe nur noch hinzuzufügen, daß ich, da bis jetzt nichts geschehen ist, was den geringsten Argwohn in mir gegen Miß Gwilt oder die Dame begründet, die sie empfahl, warten werde, bis ich Ihre Antwort, der ich mit umgehender Post entgegensehe, erhalten, ehe ich gegen Miß Gwilt ein Wort von der Sache erwähne.

Getreu der Ihre
David Milroy.«

Dieser durchsichtig offene Brief machte sofort der Verwirrung, die bisher in Allan’s Geiste geherrscht, ein Ende; er erkannte die Schlinge, in der er gefangen worden, wie er sie bisher noch nicht erkannt hatte. Mrs. Milroy hatte ihn offenbar zwischen zwei Alternativen gestellt, die Alternative, sich in eine falsche Stellung zu bringen, wenn er sich weigerte, die Fragen ihres Gatten zu beantworten, und jene andere, feigerweise seine Verantwortlichkeit durch die eines Weibes zu decken, wenn er dem Major geradezu gestand, daß seine eigene Gattin ihn hintergangen habe. Wie immer handelte Allan auch in dieser heiklen Lage, ohne zu zögern. Sein Versprechen, die Correspondenz zwischen Mrs. Milroy und ihm geheim zu halten, band ihn noch immer, wie schmachvoll sie selbst dasselbe auch mißbraucht hatte. Und sein Entschluß, sich durch keine Rücksicht von der Welt dazu verleiten zu lassen, Miß Gwilt zu verrathen, stand so fest wie je. »Vielleicht habe ich wie ein Narr gehandelt«, dachte er, »aber mein Wort werde ich nicht brechen, und nicht die Ursache sein, daß das unglückliche Geschöpf wieder in die Welt hinausgestoßen wird.«

Er schrieb einen ebenso ungekünstelten und kurzen Brief an den Major, wie er schon an dessen Gattin geschrieben hatte. Er versicherte ihm, wie schwer es ihm ankomme, einem Freunde und Nachbar eine Enttäuschung zu bereiten. Doch bleibe ihm diesmal keine andere Wahl. Die Fragen, die der Major ihm vorlege, seien der Art, daß er sie nicht beantworten könne. Ersei nicht sehr gewandt in Erklärungen und hoffe, der Major werde ihn deshalb entschuldigen, wenn er sich solchergestalt ausdrücke und weiter nichts hinzufüge.

Die Post am Montag brachte die Erwiderung des Majorin welche die Cortespondenz schloß.

»Parkhäuschen. Thorpe Ambrose.
Sonntag.

»Sir! Ihre Weigerung, auf meine Fragen zu antworten, die selbst nicht einmal von einem Schatten einer Entschuldigung für ein solches Benehmen begleitet ist, kann nur in einer Weise gedeutet werden. Sie ist nicht nur eine stillschweigende Anerkennung der Richtigkeit von Mrs. Milrotys Angabe, sondern auch ein stillschweigender Vorwurf für den Charakter meiner Erzieherin. Aus Gerechtigkeit gegen eine Dame, die sich unter dem Schutze meines Daches befindet und die mir nicht die geringste Veranlassung zu einem Verdachte gegeben, werde ich jetzt Miß Gwilt unsern Briefwechsel zeigen und ihr die Unterhaltung, die ich über diesen Gegenstand mit Mrs. Milroy gehabt habe, in deren Gegenwart wiederholen.

Noch ein Wort hinsichtlich unserer zukünftigen gegenseitigen Beziehungen und ich bin zu Ende. Meine Ansichten über gewisse Dinge sind wahrscheinlich die Ansichten eines altmodischen Mannes. Zu meiner Zeit hatten wir ein Ehrengesetz, nach dem wir unsere Handlungen regulirten. Diesem Gesetz zufolge unterlag ein Mann, der heimliche Nachfragen über eine Dame anstellte, zu der er nicht in der Beziehung eines Vaters, Gatten oder Bruders stand, der Verpflichtung, sein Benehmen vor Andern zu rechtfertigen, und wenn er dieser Verpflichtung auswich, verzichtete er damit auf die Stellung eines Gentleman. Es ist sehr wohl möglich, daß diese alterthümliche Ansicht nicht mehr existirt, aber in meinen Jahren ist es zu spät, sich noch zu neumodischern Ansichten zu bekehren. Da wir in einem Lande und zu einer Zeit leben, wo das einzige Ehrengericht das Polizeigericht ist, so liegt mir ganz besonders daran, mich in diesem Punkte unsers Verkehrs mit der größten Mäßigung auszudrücken. Gestatten! Sie mir deshalb blos die Bemerkung, daß unsere Ansichten von dem Benehmen, das einem Gentleman geziemt, ernstlich von einander abweichen, und erlauben Sie mir deshalb noch die Bitte hinzuzufügen, daß Sie sich in Zukunft für mich und meine Familie als einen Fremden betrachten wollen.

Ihr gehorsamster Diener
David Milroy.«

Der Montagmorgen, an dem sein Client den Brief des Majors erhielt, war der schwärzeste, der noch in Pedgifks Kalender vermerkt stand. Als Allan’s erster Zorn über den verächtlichen Ton verraucht war, in dem sein Freund und Nachbar ihn verurtheilt hatte, verharrte er dennoch in einem Zustande der Niedergeschlagenheit, aus dem keine Bemühungen seines Gefährten ihn für den Rest des Tages herauszureißen vermochten. Da er sich sehr natürlicherweise jetzt, wo seine Verbannung ausgesprochen, seinen frühem Verkehr mit den Bewohnern des Parkhäuschens vergegenwärtigte, fo gedachte er Neelie’s schmerzlicher und reuiger, als er es bisher noch gethan. »Hätte sie, anstatt ihres Vaters, mir die Thür verschlossen«, war der bittere Gedanke, mit dem Allan jetzt in die Vergangenheit zurückblickte, »so hätte ich kein Wort dagegen sagen können; ich würde gefühlt haben, daß mir Recht geschehe.«

Der nächste Tag brachte abermals einen Brief, diesmal einen willkommenem und zwar von Mr. Brock.

Allan hatte vor einigen Tagen wegen der Neutakelung der Yacht nach Sommersetshire geschrieben. Beim Empfange des Briefes war der Pfarrer – wie er sich in seiner Unschuld einbildete – beschäftigt gewesen, seinen ehemaligen Zögling vor dem Weibe zu schützen, das er in London beobachtet hatte und das, wie erwähnte, ihm jetzt bis in seine Heimat gefolgt sei. Mrs. Oldershaw’s Stubenmädchen hatte, nach den ihr ertheilten Instructionen handelnd, Mr. Brock vollständig mystificirt. Alle fernere Besorgniß des Pfarrers hatte sie eingeschläfert, indem sie ihm – als Miß Gwilt – ein schriftliches Versprechen gegeben hatte, sich niemals, weder persönlich noch schriftlich, an Mr. Armadale zu wenden! Fest überzeugt, daß er endlich den Sieg errungen, beantwortete der arme Mr. Brock Allan’s Brief in der heitersten Stimmung, drückte einige begreifliche Verwunderung darüber aus, daß Allan Thorpe-Ambrose verlassen wolle, versprach jedoch mit größter Bereitwilligkeit die Neutakelung der Yacht anzuordnen und bot auf das herzlichste die Gastfreiheit seines Pfarrhauses an.

Dieser Brief heiterte Allan wunderbar auf. Er gab ihm ein neues Interesse, das mit seinem seitherigen Leben in Norsolk gar nichts gemein hatte. Schon begann Allan die Tage zu zählen, die bis zu der Rückkehr seines Freundes noch verstreichen mußten. Es war jetzt Dienstag. Kehrte Midwinter, wie er versprochen hatte, in vierzehn Tagen von seiner Fußreise zurück, so mußte er am Sonnabend in Thorpe-Ambrose anlangen. Wenn er dem Reisenden dorthin einen Brief entgegensandta so konnte Midwinter noch an demselben Abend in London sein, und ging Alles gut, so waren sie schon, ehe noch eine Woche verlief, wieder zusammen in der Yacht auf dem Wasser.

Der folgende Tag verging, ohne, zu Allan’s Erleichterung, irgend welche Briefe zu bringen. Die Stimmung des jungen Pedgift verbesserte sich mit der seines Clienten Um die Essenszeit spielte er auf das mens sana in corpore sano der Alten an und ertheilte dem Oberkellner königlichere Befehle denn je.

 

Der Donnerstag kam und mit ihm der unglückselige Briefträger mit fernern Neuigkeiten aus Norfolk. Nunmehr erschien ein Correspondent auf dem Schauplatze, der sich bisher noch nicht darauf gezeigt hatte, und Allan’s Pläne wegen seines Besuche in Sommersetshire waren augenblicklich über den Haufen geworfen.

Zufällig war an diesem Morgen Pedgift junior zuerst am Frühstücksstische. Als Allan hereintrat, verfiel er wieder in seine Geschäftsmanier und überreichte seinem Gönner mit einer in schauerlichem Schweigen ausgeführten Verbeugung einen Brief.

»Für mich?« fragte Allan, instinctmäßig vor einem neuen Correspondenten zurückweichend.

»Für Sie, Sir, von meinem Vater«, antwortete Pedgift, »einem Schreiben an mich eingelegt. Vielleicht gestatten Sie mir, um Sie auf etwas ein wenig Unangenehmes vorzubereiten, den Vorschlag zu machen, daß wir ein besonders gutes Diner bestellen und, wenn man nicht etwa heute Abend eine neue deutsche Oper gibt, den Abend melodiös in der Oper beschließen.«

»Ist in Thorpe-Ambrose etwas passirt?« fragte Allan.

»Ja, Mr. Armadale; es ist etwas in Thorpe-Ambrose passirt.«

Mit Ergebung setzte sich Allan nieder und las den Brief.

»Hochstraße, Thorpe-Ambrose.
Den 17. Juli 1851.

(In Privatsachen und im Vertrauen)

Geehrtester Herr! Ich kann es mit meiner Sorge für Ihre Interessen nicht vereinigen, wenn ich Sie noch länger in Unwissenheit lasse über gewisse in der Stadt und der Umgegend in Umlauf gesetzte Gerüchte, die, wie ich zu sagen bedaure, Sie betreffen.

Die erste Andeutung von einer Unannehmlichkeit drang am vorigen Montag zu mir. Es hieß in der ganzen Stadt, daß im Hause des Majors Milroy mit der neuen Gouvernante etwas passirt sei, worein Mr. Armadale verwickelt sei. Ich achtete nicht weiter darauf, weil ich es für eine jener Klätschereien hielt, an denen wir hier beständig Ueberfluß haben und die den Bewohnern dieses höchst respectabeln Ortes so unentbehrlich sind wie die Luft, welche sie athmen.

Am Dienstag aber erschien die Sache in einem neuen Lichte. Aus untrüglichster Quelle wurden die interessantesten Einzelnheiten verbreitet. Am Mittwoch erfuhr die umwohnende Gentry die Sache und nahm allgemein die Ansicht an, welche die Stadt darüber ausgesprochen hatte. Heute hat die öffentliche Meinung ihren Höhepunkt erreicht, und ich sehe mich genöthigt, Sie von dem zu unterrichten, was sich zugetragen hat.

Um von vorn zu beginnen, so wird behauptet, daß vorige Woche zwischen Ihnen und Major Milroy eine Correfpondenz stattgefunden, in der Sie einen starken Verdacht gegen Miß Gwilt’s Achtbarkeit ausgesprochen, ohne Ihre Beschuldigung deutlich zu erklären und, obschon dazu aufgefordert, Beweise für Ihre Beschuldigung beizubringen. Hierauf scheint es der Major für seine Pflicht erachtet zu haben, seiner Erzieherin unter Versicherung seiner eigenen festen Ueberzeugung von ihrer Achtbarkeit von dem Geschehenen Mittheilung zu machen, damit sie sich in Zukunft nicht beklagen könne, daß er ihr in einer ihren Ruf betreffenden Sache irgend etwas verheimlicht habe. Sehr großmüthig von dem Major; aber Sie werden sogleich sehen, daß Miß Gwilt noch großmüthiger war. Nachdem sie dem Major in der bescheidensten Weise ihren Dank ausgedrückt, bat sie ihn um die Erlaubniß, seinen Dienst verlassen zu dürfen.

Ueber die Gründe, welche die Gouvernante zu diesem Schritte hatte, erzählt man sich Verschiedenes.

Die autorisirte, von den umwohnenden Honnratioren angenommene Version ist die, daß Miß Gwilt erklärt habe, sie könne aus Gerechtigkeit gegen sich selbst und gegen die höchst achtbare Dame, die sie empfohlen, sich nicht herablassem ihren Ruf wider die vagen Verunglimpfungen eines Mannes zu vertheidigen, der ihr verhältnißmäßig fremd sei. Zu gleicher Zeit könne sie unmöglich so verfahren, wenn sie nicht eine Freiheit ihres Thuns und Lassens besitze, wie diese mit ihrer abhängigen Stellung als Erzieherin völlig unvereinbar sei. Aus diesem Grunde fühle sie sich gezwungen, ihre Stelle aufzugeben. Indem sie dies thue, sei sie indeß ebenso entschlossen, nicht etwa durch ein Fortgehen aus der Gegend zu Mißdeutungen ihrer Beweggründe Anlaß zu geben. Wie unbequem ihr dies immer sein möge, sie wolle so lange in Thorpe-Ambrose bleiben, bis die Beschuldigungen ihres Charakters klarer ausgesprochen worden seien, und diese dann, sowie sie eine deutliche Gestalt angenommen, öffentlich zu widerlegen.

Dies die Haltung, welche die hochherzige Dame mit vortrefflichem Effect auf die ösfentliche Meinung unserer Gegend angenommen hat. Offenbar liegt es aus irgend einem Grunde in ihrem Interesse, aus ihrer Stellung, nicht aber aus der Gegend hier zu scheiden. Am vorigen Montag hat sie ein billiges Logis in der Vorstadt bezogen und am selben Tage schrieb sie vermuthlich an die Dame, die sich für sie verbürgt hat, denn gestern lief von dieser ein Brief an den Major ein, der voll tugendhafter Entrüstung war und die umständlichsten Nachforschungen forderte. Dieser Brief ist öffentlich gezeigt worden und hat Miß Gwilt’s Stellung außerordentlich befestigt. Sie wird jetzt als eine wahre Heldin betrachtet. Der »Mercur von Thorpe-Ambrose« hat einen Leitartikel über sie, worin er sie mit der Jungfrau von Orleans vergleicht. Man hält es für wahrscheinlich, daß ihrer am nächsten Sonntag in der Predigt Erwähnung geschieht. Wir zählen fünf starkgeistige Damen in der Umgegend und alle fünf haben ihr ihren Besuch gemacht. Ein Ehrenzeugniß ward vorgeschlagen, auf Miß Gwilt’s eigenes Ersuchen indeß wieder aufgegeben, und jetzt werden allseitige Versuche gemacht, ihr Beschäftiung als Musiklehrerin zu verschaffen. Schließlich habe ich die Ehre eines Besuchs von der Dame selbst genossen, bei welcher Gelegenheit sie mir mit dem lieblichsten Wesen von der Welt zu wissen that, daß sie Mr. Armadale nicht tadle und ihn nur als unschuldiges Werkzeug in den Händen übelwollender Leute betrachte. Ich war ihr gegenüber wohl auf meiner Hut, denn ich traue Miß Gwilt nicht besonders und ich habe meinen Advocatenverdacht über den Beweggrund, der ihrem augenblicklichen Verhalten zu Grunde liegt.

Bis hierher habe ich ohne Anstand, ohne Verlegenheit geschrieben, mein lieber Herr. Die Sache hat aber unglücklicherweise sowohl eine ernste als eine lächerliche Seite, und ich muß, ehe ich meinen Brief schließe, so ungern ich es thue, von jener reden.

Es scheint mir ganz unmöglich zu sein, daß Sie in einer Weise von sich reden lassen, wie man jetzt von Ihnen spricht, ohne persönlich etwas in der Sache zu thun. Leider haben Sie sich hier zahlreiche Feinde gemacht, und unter diesen steht mein College Mr. Dareh obenan. Ueberall hat er einen von Ihnen etwas unvorsichtig abgefaßten Brief in Betreff der Vermiethung des Parkhäuschens an Major Milroy, anstatt an ihn selbst, umhergezeigt, und dieser Brief hat dazu beigetragen, die öffentliche Meinung noch mehr gegen Sie zu stimmen. Es wird geradezu behauptet, daß Sie aus den unehrenhaftesten Beweggründen nach Miß Gwilt’s Familienangelegenheiten spionirt, daß Sie aus einem Ihnen nicht zum Lobe gereichenden Zwecke ihren Ruf zu beflecken und ihr den Schutz zu entziehen gesucht hätten, den sie unter Major Milroy’s Dache genossen, und daß Sie, aufgefordert, den Verdacht, den Sie auf den Ruf eines schutzlosen Weibes geworfen, durch Beweise zu rechtfertigen, ein Schweigen beobachtet hätten, das Sie in der Achtung aller Ehrenmänner verdamme.

Ich hoffe, es bedarf durchaus keiner Versicherung von meiner Seite, daß ich diesen schändlichen Gerüchten nicht den mindesten Glauben schenke. Doch sind dieselben zu weit verbreitet und werden zu allgemein als wahr angenommen, als daß wir sie mit Verachtung behandeln dürften. Ich ersuche Sie deshalb dringend, unverzüglich hierher zurückzukehren und mit mir, als Ihrem Rechtsfreunde, die nothwendigen Maßregeln zur Vertheidigung Ihres guten Namens zu treffen. Ich habe mir seit meiner Unterredung mit Miß Gwilt über diese Dame meine eigene Ansicht gebildet, die ich nicht dem Papiere anvertrauen will. Es genüge, wenn ich sage, daß ich zur Beschwichtigung der verleumderischen Zungen Ihrer Nachbarn ein Mittel vorzuschlagen habe, für dessen Erfolg ich mit meinem Rufe als Sachwalter einzustehen bereit bin, wenn Sie mich nur durch Ihre Anwesenheit und Ihre Autorität unterstützen wollen.

Vielleicht trägt es dazu bei, Ihnen die Nothwendigieit Ihrer Rückkehr darzuthun, wenn ich erwähne, was von Jedermann über Sie gesagt wird. Ihre Abwesenheit wird – ich erröthe, es auszusprechen – dem niedrigsten aller Beweggründe zugeschrieben. Es heißt, Sie blieben in London, weil Sie in Thorpe-Ambrose sich zu zeigen fürchteten.

Ich verbleibe,

mein werther Herr,
Ihr ergebenster Diener
A. Pedgift Senior.

Allan war alt genug, um den Stachel zu fühlen, der in dem letzten Satze des Briefes lag. In einem Grade von Entrüstung der Pedgift junior einen ganz neuen Einblick in seinen Charakter verschaffte, sprang er auf.

»Wo ist der Fahrplan?« schrie er. »Mit dem nächsten Zuge muß ich nach Thorpe-Ambrose zurück! Geht dieser nicht sogleich ab, so werde ich einen Extrazug nehmen. Ich muß und will zurückfahren und frage nicht nach den Kosten!«

»Gesetzt, wir schickten meinem Vater eine telegraphische Depesche, Sir?« sagte der verständige Pedgift. »Das ist die schnellste Art und Weise, Ihren Gefühlen Ausdruck zu geben, und zugleich die wohlfeilste.«

»Das ist wahrt« sagte Allan. »Ich danke Ihnen, daß Sie mich daran erinnert. Telegraphiren Sie! Sagen Sie Ihrem Vater, er möge Jeden in Thorpe-Ambrose in meinem Namen einen Lügner heißen. Mit großen Buchstaben, Pedgifh schreiben Sie’s mit großen Buchstaben!«

Pedgift lächelte und schüttelte den Kopf. Wäre er auch mit keiner andern Sorte der menschlichen Natur bekannt gewesen, mit der, welche in kleinen Provinzialstädten wohnt, war er vollkommen vertraut.

»Das wird nicht den geringsten Eindruck auf sie machen, Mr. Armadale«, bemerkte er ruhig. »Sie werden darum nur noch ärger lügen. Wenn Sie die ganze Stadt in Aufruhr bringen wollen, so wird eine einzige Zeile dazu genügen. Für fünf Schillinge menschlicher Arbeit und elektrischen Fluidums – ich beschäftige mich nach den Geschäftsstunden ein wenig mit den Wissenschaften – soll eine Bombe in Thorpe-Ambrose platzen!« Er zeigte die Bombe bei diesen Worten auf einem Streifen Papier: »A. Pedgift junior an A. Pedgift Senior. – Verbreite im ganzen Orte das Gerücht, daß Mr. Armadale mit dem nächsten Zuge kommt!«

»Mehr Worte«, sagte Allan, ihm über die Schulter blickend. »Machen Sie’s stärker.«

»Ueberlassen Sie das meinem Vater, Sir«, entgegnete der kluge Pedgift »Mein Vater ist am Orte, und die Gewalt seiner Rede ist etwas ganz Erstaunliches.« Er klingelte und sandte die Depesche ab.

Jetzt, da etwas gethan war, begann Allan allmälig seine Fassung wiederzugewinnen. Nochmals durchlief er Mr. Pedgifks Brief und überreichte ihn dann dessen Sohne.

»Können Sie errathen, wie mich Ihr Vater in den Augen der Nachbarschaft zu rechtfertigen gedenkt?« fragte er.

Pedgift der Jüngere schüttelte sein weises Haupt. »Mir scheint, daß sein Plan so oder so mit seiner Meinung von Miß Gwilt zusammenhängt, Sir.«

»Ich möchte wissen, wie er von ihr denkt«,sagte Allan.

»Es sollte mich nicht überraschen, Mr. Armadale«, erwiderte Pedgift junior, »wenn seine Ansicht, sobald Sie dieselbe hören, Sie einigermaßen in Erstaunen setzte. Mein Vater hat große juristische Erfahrungen bezüglich der Schattenseiten des weiblichen Geschlechts und seinen Beruf in Old-Bailey studirt.«

Allan fragte nicht weiter. Er schien dem Gegenstande, nachdem er ihn selbft zur Sprache gebracht, jetzt auszuweichen. »Lassen Sie uns etwas thun, um die Zeit zu tödten«, sagte er. »Wir wollen einpacken und die Rechnung bezahlen.«

Sie packten ein und bezahlten die Rechnung. Die Stunde kam und der Zug, fuhr endlich nach Norfolk ab.

Während die Reisenden sich auf der Rückfahrt befanden, ward ein etwas längeres Telegramm als das Allan’s in der entgegengesetzten Richtung auf den Drähten an ihnen vorbei von Thorpe-Ainbrose nach London geblitzt. Es war in Chiffern abgefaßt und lautete verdolmetscht folgendermaßen:

»Lydia Gwilt an Maria Oldershaw

Gute Nachrichten! Er kommt zurück. Ich denke eine Zusammenkunft mit ihm zu haben. Alles läßt sich vottrefflich an. Liegt, da ich das Parkhäuschen verlassen, habe ich keine spionirenden Frauenaugen zu fürchten und kann gehen und kommen, wie mir’s beliebt. Glücklicherweise ist Mr. Midwinter aus dem Wege. Noch verzweifle ich nicht daran, Mrs. Armadale zu werden. Was sich immer ereignen mag, verlaß Dich darauf, daß ich mich von London fern halten werde, bis ich die Gewißheit habe, nicht von Spionen bis zu Deinem Hause verfolgt zu werden. Ich habe durchaus keine Eile, Thorpe-Ambrose zu verlassen. Zuvor will ich an Miß Milroy Vergeltung üben.«

 

Bald nachdem diese Depesche in London in Empfang genommen war, langte Allan wieder zu Hause an. Es war Abend. Pedgift junior hatte ihn soeben verlassen, und Pedgift Senior sollte in einer halben Stunde in Geschäften bei ihm erscheinen.