Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Das leuchtete auch dem General ein. Auch wenn er von Zielverteilung, Countdown und Schuss-Code noch nie etwas gehört hatte: Ihm blieb gar keine andere Wahl. Der Präsident hatte die GIGN geschickt. Und damit musste er nun umgehen können.

Der junge Leutnant der GIGN sah hinüber zu Capitaine Soubirou. Das war der einzige anwesende Offizier, der ihn ernst zu nehmen schien. In der Tat, für Soubirou zählte der äußerliche Aspekt wenig. Das Aussehen der Männer war ihm deshalb völlig egal. Für ihn zählten Taten.

»Von dem Augenblick, an dem der erste Schuss fällt, bis zu dem, in dem Ihre Legionäre den Bus erreichen …?«

»Eine Minute«, unterbrach ihn Soubirou. »Wenn es das ist, was Sie wissen wollten. Das ist viel Zeit, ich weiß. Aber es gilt fast zweihundertfünfzig Meter schwieriges Gelände zu überwinden.«

Prouteau nickte anerkennend. Mit Männern wie diesem Capitaine der Fallschirmjäger der Legion, so dachte er, war die Zusammenarbeit kein Problem. Er wusste das zu schätzen.

»Perfekt. Doch was ist, wenn die Grenzsoldaten der Somalis eingreifen?«

»Dann sprechen die Kanonen der AML«, antwortete der General wie aus der Pistole geschossen. Der Plan, den die Chefs ausheckten, war verwegen. Die Scharfschützen der GIGN sollten die Terroristen mit gezielten Schüssen zur Strecke bringen, während in der gleichen Sekunde die Legionäre vorstürmten, mit einem Team in den Bus eindrangen, die Kinder herausholten und aus der Gefahrenzone brachten. Ein Legionärszug „neutralisierte“ den somalischen Grenzposten, ein weiterer die Soldaten, die in einem Palmenhain unmittelbar daneben in Stellung lagen. Die Kanonen der AML Panzerwagen würden die ganze Aktion mit ihrem Feuer decken. Diese Art Vorgehen erforderte eine sachkundige, sekundengenaue Koordination. Leutnant Prouteau kannte die Legionäre nicht, wusste also kaum, wozu diese fähig waren. Umgekehrt verhielt es sich genauso. Für Capitaine Soubirou stellte die GIGN eine große Unbekannte dar. Er selbst hatte in seinen Reihen einige exzellente Scharfschützen, einlenken musste er dennoch. Das 2. REP, auch die Kompanie Soubirou, verfügte zwar über die neuen Scharfschützengewehre FR-F1, diese aber waren in Calvi zu Händen der vierten Kompanie zurückgeblieben. Es handelte sich um wertvolle, brandneue Gewehre. Bedient von einem guten Schützen repräsentierten sie modernste Technik und Effizienz. Aber sie waren in der Testphase und womöglich anfällig. Das Regiment wollte nicht das Risiko eingehen, sie jetzt schon in Afrika einzusetzen. Vor allem nicht in Dschibuti, wo die extreme Hitze gepaart mit der hohen Feuchtigkeit die Kanonen innerhalb weniger Zeit von innen regelrecht zerfraß. Die Scharfschützen der „Roten“ verfügten also nur über die alte MAS 1949-56. Auch wenn diese Waffe haarscharf mit derselben Optik, dem Zielfernrohr APXL-806, ausgestattet war wie auch die nagelneue FR-F1, so ließ die Präzision über die Dreihundert-Meter-Grenze hinaus doch zu wünschen übrig. Das alles wusste Capitaine Soubirou.

General Brasarts Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken hoch.

»An die Arbeit, meine Herren. Viel Erfolg und Gott mit den Kindern!«

»Wie viele Terroristen sind in dem Bus?«

»Vier. Höchstens fünf!«

Leutnant Doucet hatte sich das grüne Barett tief in den Nacken geschoben und beobachtete mit seinem Feldstecher die somalische Grenze. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Wenn die da drüben ernst machen, wird’s zappenduster.«

Soubirou nickte. Jenseits der Grenze tat sich was. Einheiten der regulären somalischen Armee brachten dort ein gut aussortiertes Waffenarsenal in Stellung.

»Da brat mir doch einen ’nen Storch«, sagte Leutnant Andrieu. »Das sind deutsche MG-42. Und die sind auch noch richtig gut platziert.« Sein Zug lag einsatzbereit dreihundert Meter hinter ihm und genoss die Ruhe vor dem Sturm. Auch Soubirou kannte diese MGs, wusste um deren Feuerkraft.

»Ja, les Boches! Wenn sie was herausbringen, dann ist es tipptopp.« Er sah sich im Gelände um, entdeckte jedoch nur eine Stelle, die ihm als Ausgangsbasis für einen Sturm auf den Bus und den Grenzposten geeignet schien.

»Doucet. Links von uns, einhundert. Am Strand, die leeren Tonnen mit dem Stacheldraht.«

»Gesehen.«

»Bringen Sie dort Ihren Zug in Stellung. Maximale Diskretion bei der Annäherung. Die Banditen sollen noch nicht mitbekommen, dass wir hier sind.«

Der Leutnant nickte humorlos.

»Die anderen Sturmgruppen positionieren sich rechts davon. Jorand Mitte, Raoul äußerst rechts. Den Befehl zum Sturm gebe ich, sobald die GIGN loslegt. Für alle aber gilt: Sollte auch nur ein einziger Schuss auf eine der Geiseln abgegeben werden, egal in welcher Phase, gehen wir sofort zum Angriff über.«


Ein FR-F2 der zweiten Kompanie der Paras Legion im Einsatz in Afrika.

Die Zugführer sahen sich an. Was das hieß, wussten sie. Die Legionäre mussten ihre Sturmausgangsstellung robbend erreichen, und es konnte durchaus sein, dass sie die ganze Nacht und den darauf folgenden Tag dort draußen lagen. Nachts war das kein Problem, tagsüber aber knallte die Sonne mit über 50 Grad gnadenlos vom Himmel und die kleinste Bewegung konnte sie verraten.

»Ihre Männer, Raoul, knöpfen sich den somalischen Grenzposten vor. Egal was Ihnen auf dem Weg dorthin um die Ohren fliegt, Sie halten nicht an, bevor Sie das Ziel erreicht und „gereinigt“ haben. Jorand und Doucet attackieren die Palmenreihe und Sie, Andrieu, beziehen auf dem Dach des Grenzpostens der Nomaden hinter uns Position und geben von dort aus Deckungsfeuer.«

»Ich werde hauptsächlich Leuchtspurmunition verschießen«, nickte der Leutnant. »Wäre gut, wenn mir die Züge ihre MGs hierlassen. Die stören eh nur beim Sturm, und wir können sie hier gut gebrauchen. Sobald die Sturmgruppen auf Höhe des Busses sind, muss ich das Feuer wohl aufheben oder nach rechts verlegen. Es wird sonst zu gefährlich.«

»Seh ich genauso, mon lieutenant«, warf Sergent-chef Raoul ein. »Aber trotzdem. Den Sicherheitsabstand zu meinen Männern können Sie getrost auf ein Minimum beschränken.«

Soubirou konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er fand die Rivalität unter seinen Unteroffiziers- und Offiziers-Zugführern amüsant. Zumindest erwies sie sich im Einsatz als recht förderlich, weil jeder versuchte, das Maximum aus der Situation und aus den Soldaten herauszuholen. Es war wie eine Art Wettkampf.

»Grünes Licht, was die MGs betrifft«, sagte er. Und an Leutnant Andrieu gewandt: »Sagen Sie aber Ihren Legionären, sie sollen die einzelnen Feuerstöße so kurz wie möglich halten. Vier, fünf Schuss, keinen einzigen mehr. Bezüglich des Sicherheitsabstandes haben Ihre Männer sicher ein gutes Gespür.« Es war eine Warnung, die der Leutnant sehr wohl verstand. Doucet meldete sich zu Wort.

»Um den Grenzposten zu säubern, werden wir DF-Splitterhandgranaten brauchen. Wer übernimmt?«

Raoul antwortete sofort.

»Ich! Meine Männer sind wohl am nächsten dran. Zwanzig Meter oder so, wenn ich richtig kalkuliere.«

»Gut«, sagte Capitaine Soubirou. »Dann wäre das geklärt. Bis zum Bus sind’s genau zweihundertfünfzig Meter, eventuell etwas weniger. Das ist viel, aber näher kommen wir nicht ran, ohne zu riskieren, gesehen zu werden.«

»Oui, mon Capitaine, das denke ich auch«, warf Doucet vorsichtig ein. »Aber was ist mit den Terroristen im Bus, mit den Kindern?«

»Na endlich einer, der die Frage stellt. Die Männer der GIGN sollen die Terroristen ausschalten. Unser Job ist es, die Kinder dann aus der Gefahrenzone zu holen. Ich denke da an Lemoine und Larkin. Stellen Sie den beiden einen kleinen Sturmtrupp zur Verfügung. Und nun los!«

Doucet und Andrieu sahen sich an. Von einer GIGN hatten sie noch nie gehört.

»Na wenn das mal gut geht«, zischte Andrieu und robbte nach hinten, um seine Befehle zu geben.


Situation am Morgen des 04. Februar 1976.

Bis zum frühen Morgen ergab sich für die Schützen der GIGN dreimal die Gelegenheit, das Feuer gleichzeitig zu eröffnen, doch die Beamten im Élysée hatten dem Einsatz noch nicht zugestimmt. Eine weitere Erschwernis war, dass Paris angeordnet hatte, dass die GIGN erst dann das Feuer eröffnen durfte, wenn sich nur ein einziger Terrorist im Bus befand. Das war absurd. Gegen Mittag, und auf Drängen Prouteaus, änderte Paris seine Meinung jedoch und drängte plötzlich auf ein schnelles Ende.

»Golf India an alle. Wir legen los!«, tönte es blechern aus den Funkgeräten. Das Signal kam von Leutnant Prouteau. Die Paras Legion erstarrten in ihren Positionen. Die Waffen eng am Mann, machten sie sich fertig zum Sprung. Punkt 15 Uhr 45, nur zehn Sekunden nach dem Funkspruch, kam grünes Licht von allen Schützen. Über ein fein ausgeklügeltes Code-System gaben sie per Funk durch, dass sich ihr „Ziel“ im Fadenkreuz befand. Einer sah zwar nur den Kopf seines Opfers, doch das genügte ihm vollauf. Ein weiterer Schütze konnte die Sache gelassener angehen, denn Leutnant Prouteau hatte sein Ziel gedoppelt: Ein Terrorist, zwei Schützen!

»Fahrt alle zur Hölle«, flüsterte Prouteau, zählte den Countdown und gab das vereinbarte Signal. Die sechs Schüsse fielen auf die Sekunde genau, klangen wie ein einziger. Vier Terroristen fielen im Bus, einer außerhalb davon zu Boden.

»Vorwärts«, brüllte Capitaine Soubirou in sein Funkgerät. Wie ein Mann erhoben sich die Legionäre des Leutnants Doucet sowie der Sergent-chefs Raoul und Jorand und stürmten geduckt nach vorne, während die MGs der AML die Stellungen der Somalier mit brutalem Dauerfeuer belegten.

 

Einer der GIGN Schützen schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte sein „Ziel“, das sich außerhalb des Busses befand, nur ins Bein getroffen. Sofort ließ sich der Terrorist zu Boden fallen und robbte unter den Bus in Deckung, nur um zwei Sekunden später auf der anderen Seite wieder zu erscheinen. Dort erhob er sich und rannte humpelnd, seine MP-44 schussbereit in den Händen, auf die Grenze und in Sicherheit zu. Während der ganzen Zeit behielt ihn der GIGN Schütze im Fadenkreuz. Er wartete ungeduldig auf seine zweite Chance. Und er betete, dass der Terrorist „den“ Fehler beging. Als hätte Gott sein Gebet erhört, hielt der Bandit eine halbe Sekunde in seinem wilden Lauf inne und drehte sich herum.

„Insch Allah“, stieß der GIGN Schütze hervor, nahm Druckpunkt und zog langsam den Abzug durch. Die Kugel wirbelte den Terroristen herum. Er war schon tot, bevor er hart auf dem Wüstensand aufschlug. Die Männer der GIGN luden systematisch nach und nahmen jeden ins Visier, der von Somalia aus auf die Legionäre schoss, die völlig ungedeckt auf die Grenze zuhuschten. Unweit vom somalischen Grenzposten warfen sich die Legionäre in Stellung. Von dem Moment an gingen sie vor, wie ihre Zugführer es ihnen eingebläut hatten. Unentwegt schossen sie auf das dichte Laubwerk des Palmenhains, hinter dem der Feind kaum sichtbar agierte. Hundert Meter rechts von ihnen: gleiches Spiel. Dort waren Raouls Männer am Werke. Ihre Handgranaten krepierten im Sekundentakt im Grenzposten, und das so lange, bis das Feindfeuer schwieg und die plötzlich eintretende Stille Freund und Feind gleichermaßen verblüffte.

Zwei der Terroristen waren noch am Leben, als die Legionäre, Larkin allen voraus, den Bus stürmten. Einer davon, schwer verletzt, hatte noch Zeit, seine Waffe zu heben und sie auf die Geiseln zu richten, bevor Larkin ihm mit seiner MP Mat-49 den Gnadenstoß versetzte. Sergent-chef Jorand, der den Bus mittlerweile von hinten betreten hatte, fand sich dem letzten überlebenden Terroristen gegenüber. Die Kugel eines Scharfschützen der GIGN hatte ihm das halbe Kinn weggerissen, doch er war bei vollem Bewusstsein und hellwach. Als ihre Blicke sich kreuzten, wurde beiden in derselben Sekunde klar, dass nur einer überleben durfte. Alle zwei rissen ihre Waffe im selben Augenblick hoch, der Legionär aber zog als Erster am Abzug. Seit dem Countdown der GIGN waren drei Minuten und fünfzehn Sekunden vergangen. Es war vorbei! Die Aktion war umso bemerkenswerter, als GIGN, Legionäre verschiedener Waffengattungen sowie die Gendarmerie eng zusammengearbeitet hatten. Die Bilanz jedoch war tragisch. Ein Mädchen, Nadine, starb noch vor Ort. Ein zweites Kind, Valérie, wurde schwer verletzt. Sie erlag ihren Verletzungen kurz darauf im Pariser Militärhospital Val-de-Grâce. Fünf andere Kinder sowie der Fahrer und die Sozialarbeiterin stiegen leicht verletzt aus dem Bus. Eines der Kinder verschleppte man nach Somalia. Es wurde später freigelassen. In den Reihen der Legionäre gab es einen Verwundeten. Noch im Feuer der somalischen Grenzsoldaten liegend, musste Leutnant Doucet vom Legionskrankenpfleger, dem Hauptgefreiten Grimberger, im Wüstenstaub verarztet werden. Man sprach zu Recht nicht von einem Erfolg, dafür war der Tod der beiden Mädchen zu tragisch. Für diejenigen, die an der Aktion teilgenommen hatten, war es eine Tragödie. Als solche ging Loyada auch in die Geschichte ein. Leutnant Christian Prouteau und seine erst zwei Jahre zuvor gegründete GIGN wurden jedoch mit einem Schlag berühmt.

Tacaud-4 - 1978

Im Herzen der südlichen Sahara, 800 Kilometer von der Hauptstadt N’Djamena entfernt und zu Füßen des wilden Bembeche Berglandes liegt Faya-Largeau, eine idyllische Oasenstadt. Der höchstens dreizehn Jahre alte Peul, hinter dem sich Staub aufwirbelnd eine Herde M’Bororo-Rinder auf die Stadt zubewegte, blieb urplötzlich stehen. Er blinzelte der untergehenden Sonne entgegen und kniff die Augen dabei mehrmals zusammen. Was er sah, stimmte ihn missmutig. Überall waren Soldaten zu sehen. Sie trugen die Uniform der zweiten Armee; alte, ausgediente Kampfhosen und lange, verbleichte, bis auf die Knie fallende braune Röcke. Ihre Gesichter waren vom nicht wegzudenkenden Chéche halb verdeckt. In ihren Händen hielten sie nagelneue Kalaschnikows, um die Schultern schlangen sich schwere Munitionsgurte. Die dreihundert Rebellen unter Goukouni Oueddei (auch Goukouni Weddeye) hielten, was sie einst versprachen. Von Libyen unterstützt, waren sie über die Armee hergefallen und hatten nacheinander Ounianga, Fada und Koro-Toro eingenommen. Und nun, im Rahmen der Operation „Ibrahim Abatcha“, standen sie mitten in Faya-Largeau. Rings um die Stadt lagen ihre Schützen mit SAM-7 Luftabwehrraketen in Stellung. Die Reihen ihrer Kämpfer füllten sich von Stunde zu Stunde mit Überläufern aus der regulären Armee; einer Armee, die von den Libyern in diesen Tagen des Januar 1978 systematisch zusammengeschossen wurde. Sie hatten vor, schnurstracks nach N’Djamena zu marschieren, um sich den Kopf von Staatspräsident Félix Malloum zu holen!


Oberst Gaddafi, Drahtzieher des internationalen Terrorismus mit Expansionsgelüsten, war ein Ärgernis. Zumindest tat er stets, wie es ihm beliebte. In dieser Eigenschaft erklärte er den Aouzou- Streifen, ein 1000 Kilometer langes und hundert Kilometer breites Band im Norden, zu Libyens Eigentum. Mit seinen Söhnen der Wüste besetzte er das Objekt der Begierde, in dem reiche Bodenschätze vermutet werden. Um das zu bewerkstelligen, musste er sich mit der FROLINAT überwerfen. Das war Teil des angeblichen Vertrages mit Tombalbaye. Doch die Wende kam rasch. Der grobschlächtige, mit Narben übersäte „Südstaaten-Präsident“ Tombalbaye wurde bereits 1975 ermordet und durch Félix Malloum ersetzt, worauf Gaddafi die Unterstützung der FROLINAT wieder aufnahm.

Deswegen die neuen Gewehre!

Deswegen die SAM-7 Raketen!

Nur deswegen fiel Faya Largeau!

Während Goukouni Oueddei, Sohn von Kichidemi, dem Derdé, dem Oberhaupt aller Toubous, den die Kolonisation all seiner Rechte beraubt hatte, nach Süden, auf N’Djamena zumarschierte, hatte sich Malloum einen einstigen Gegner zum Freund gemacht: Hissène Habré! Habré war ein hochgeschossener, hagerer Bursche und ein absoluter Gegner der libyschen Idee. Seine FAN Truppen wurden in die tschadische Armee (FAT) eingegliedert, doch reichte das aus, gegen Goukouni, den staatenlosen Verräter, wie Habré ihn zu nennen pflegte, zu bestehen? Malloum zweifelte daran. Er war sich des Ernstes der Situation vollkommen bewusst. Hilfesuchend wandte er sich an Frankreichs Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing, der prompt reagierte. Zu dieser Zeit gab es in der französischen Armee fast nur Wehrpflichtige. Diese gegen die kriegserfahrenen und von den Libyern unterstützen Guerilla-Toubous in den Krieg zu schicken wäre das sinnloseste Unterfangen gewesen, das man sich hätte vorstellen können. Sobald die ersten Zinksärge mit jungen französischen Wehrpflichtigen darin die Metropole erreicht hätten, hätte die „Opinion Publique“ lautstark Skandal geschrien. Das Waffenarsenal, das die Toubou Rebellen ins Gefecht führen konnten, war eindrucksvoll. Brandneue AK-47, die verbesserte Version der Panzerfaust RPG-2 (RPG-7), robuste 81-mm-Mörser, rückstoßfreie Kanonen vom Kaliber 106mm und 14,5-mm-MGs, wissend aufgebaut auf den Lafetten der schnellen Toyotas. Nicht zu vergessen die von den Franzosen gefürchteten SAM-7-Raketen. Sogar die ersten Thomson-Brandt 120-mm-Mörser traten beim Feind in Erscheinung. Profis mussten es also richten, auch wenn diese im Vergleich mit den Toubous unterbewaffnet waren. Ihre Professionalität sah man ihnen schon von weitem an der Farbe ihrer Barette an. Blau und Grün, wie Marineinfanterie und Fremdenlegion. Die Legion schickte ihre Panzersoldaten und das zweite Infanterieregiment. Ahnte man in den Stäben bereits, dass für die Fallschirmjäger der Legion der ganz große Coup noch unmittelbar bevorstand? Wurden sie deshalb geschont? Nun, das würde zumindest erklären, warum zunächst nur eine kleine Handvoll Legionäre des 2. REP an der Operation Tacaud teilnahm. Diese fünfundzwanzig Mann jedoch vertraten die Paras Legion, wie es sich gehörte, streng nach der Devise More Majorum, „wie unsere Vorgänger“. Sie hatten eine reine Ausbildungs- und Trainingsmission, sollten die lustlos und ineffizient gewordene Armee auf Vordermann bringen. Weg vom Buschkrieg, hin zur modernen Anti-Guerilla. Dass sie die Truppe im Kampf gegen die Rebellen anführen sollten, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ, gehörte natürlich nicht explizit zu den Vertragsbedingungen. Es war aber, wenn man die Umstände berücksichtigte, nicht ganz und gar auszuschließen. Und genau so kam es dann auch mehrmals.

Mongo, 19. Mai 1978

Die Stadt im Schatten des Telfan schlief. Nur ein Mann wachte. Er machte sich Sorgen. Oberstleutnant Lhopitallier, der stellvertretende Regimentskommandeur des 2. REP und Chef des Détachement Tacaud-4, hatte zwei Probleme. Eines konnte und wollte er nicht ändern. Das ganze Regiment sollte an diesem Tag nur einen Katzensprung weiter entfernt, in Zaire, Geschichte schreiben. Man sprach darüber. Jeder Legionär wusste Bescheid, sogar hier in Mongo, mitten in der Wüste. Für Oberstleutnant Lhopitallier war es ein, sagen wir, „moralisches“ Problem, denn Kolwesi, das roch nach einem Großeinsatz nach Maß, während es hier in Mongo höchstens nach feuchtem Wüstensand und nach schrecklicher Langeweile müffelte. Das zweite Problem war ganz anderer Natur. Hier konnte und wollte er gerne Abhilfe schaffen und das tat er mit seiner ganzen Autorität. Ati, eine hundertfünfzig Kilometer nördlich von Mongo gelegene Stadt, ist in der vergangenen Nacht von den Rebellen angegriffen und eingenommen worden. Luftaufnahmen einer Jaguar-Patrouille bestätigten am frühen Morgen, was Lhopitallier längst befürchtete. Goukouni hatte schwere Geschütze auffahren lassen! Die Befehle aus N’Djamena waren an Klarheit nicht zu übertreffen. Das Fallschirmjäger-Element Tacaud-4 sollte Ati zurückerobern, und zwar auf schnellstem Wege. Fünfundzwanzig Mann gegen Goukounis ganze Armee? Unmöglich! Oberstleutnant Lhopitallier hatte in Mongo freie Hand. Er konnte verfügen. Und das tat er. Zu den Elementen, die er sofort auf dem Weg nach Ati beorderte, gehörten eine Kompanie Marineinfanterie des 3. RIMA, ein Zug der FAT (Forces Armées Tchadiennes – tschadische Armee) und natürlich seine Männer aus Calvi. Ein Détachement „Panzermänner“ des 1. REC sollte, von Moussoro aus kommend, zu ihnen stoßen. Ati lag jenseits des Wadi Batha, eines teils unterirdischen Flusses, der seine Wassermassen aus dem Wadai-Massiv heranführte und damit den Fitri See östlich von Ati speiste. Man musste kein Carl von Clausewitz sein, um zu wissen, was dieser tiefe, vor der Stadt liegende Fluss bedeutete. Und tatsächlich: Kaum stiegen die vorauseilenden Aufklärer in das halb ausgetrocknete Flussbett, schlug ihnen ein wütendes Abwehrfeuer entgegen. Der Hauptfeldwebel Allouche und der Obergefreite Leneveu, beide Soldaten des 3. RIMA, starben im Kugelhagel. Ati, das war nun sicher, befand sich fest in der Hand der Rebellen. Oberstleutnant Lhopitallier reagierte sofort und forderte Luftunterstützung an. In Mongo standen ein Allouette bewaffnet mit SS11- Luft-Boden-Raketen und ein Hubschrauber Puma mit einer 20-mm-Bordkanone bereit. In N’Djamena machte sich derweil eine Jaguar-Patrouille fertig. Ihrem Eingreifen verdankten die Bodentruppen, dass sie sich nahe am Feind in Stellung bringen konnten. Doch die Nacht fiel schnell herein. Noch war die Panzerkolonne des 1. REC aus Moussoro nicht eingetroffen, und so fühlten sich die Marineinfanteristen in der absoluten Dunkelheit nicht sicher. Schon jetzt gab es viele Ausfälle. Mehr als ein Dutzend von ihnen waren nicht mehr einsatzbereit, zu heiß brannte Afrikas Sonne vom Himmel. Viele hatten einen Hitzschlag erlitten. Spätestens jetzt bedauerte Lhopitallier, dass er nicht über eine Kompanie des 2. REP verfügen konnte. Mit nur hundert Legionären des 2. REP, so war er überzeugt, hätte er Ati noch in derselben Nacht freigekämpft. Er dachte an Kolwesi, fluchte wie ein Rohrspatz, wünschte sich, er wäre dabei. Um 5 Uhr früh, noch lange vor Sonnenaufgang, sprachen die Waffen. Dieses Mal waren es die schweren Kanonen der Panzerwagen des 1. REC. Gleichzeitig gingen die fünfundzwanzig Fallschirmjäger der Legion mit den Marineinfanteristen zum Angriff über. Vereint schlugen sie die Rebellen nach einem zweistündigen Feuergefecht in die Flucht. Es war eine schnelle und entschlossene Aktion, ein Wermutstropfen aber blieb. Ein Legionär des 1. REC fiel an diesem Morgen.

 

Da draußen auf dem Schießplatz, da gab s ne Schweinerei.

Der Legionär schoss zwölfer, der Leutnant schoss vorbei.

Aus einem Lied der Legionäre des 1. REC

Nachdem man die Verwundeten geborgen und die Toten gezählt hatte, war jedem klar, dass die Schlacht um Ati in die Geschichte des Landes eingehen würde. Die Rebellen hatten mehr als 80 Tote zu beklagen. Sieben ihrer Fahrzeuge waren zerstört, hunderte von Waffen fielen den Franzosen als Kriegsbeute in die Hände. Es war schon eine Ironie des Schicksals, dass es sich bei den beiden Transall, die das Détachement Tacaud-4 in Dakar aufnahm und nach Calvi zurückbrachte, genau um die Maschinen handelte, die am 19. Mai, also gerade eben erst, die Kompanien des 2. REP in der ersten Welle über Kolwesi abgeworfen hatten. Das 2. REP kehrte danach mehrmals in den Tschad zurück. So zum Beispiel im Jahr 1983, in dem das Regiment in seiner Totalität an der Operation Manta-Echo teilnahm, oder auch noch 1987 und 1991, um an der Operation Épervier teilzunehmen. Zwei Einsätze der Fallschirmjäger der Legion in Folge haben besonders von sich Reden gemacht, ja sie sorgten in der ganzen Welt für Aufregung. Die Schlacht um Kolwesi 1978 und der Einsatz im Libanon 1982.