Ungelöste Rätsel

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Die Pyramide von Falicon

Pyramiden in Frankreich? Da fällt einem zuerst die Glaspyramide im Innenhof des Louvre in Paris ein. Sie ist fast 22 Meter hoch und wurde Mitte der 1980er-Jahre errichtet. Weltberühmtheit wurde das Kunstwerk mit dem Kinothriller „The Da Vinci Code – Sakrileg“ aus dem Jahre 2006. In der Verfilmung nach dem gleichnamigen Roman von Dan Brown markiert die Pyramide genau jene Stelle, wo sich laut Drehbuch tief unter der Erde die Gruft Maria Magdalenas verbirgt.


In der Hügellandschaft nahe der südfranzösischen Gemeinde Falicon versteckt sich ein Pyramidenrätsel.

Fantasy, gewiss. Wie aber verhält es sich mit jenem sonderbaren Pyramidenbau nahe Nizza, der von irgendjemand irgendwann bewusst über unterirdischen Hohlräumen errichtet wurde? Die Fachliteratur kennt das Denkmal unter der Bezeichnung „Pyramide von Falicon“. Ein recht großzügig gefasster Begriff … Wer das Dorf Falicon anpeilt, wird ernüchtert feststellen, dass man sich zwei Kilometer östlich vom tatsächlichen Standort entfernt befindet. Erstmals hatte ich als Jugendlicher bei Robert Charroux (1909 – 1978) über die französische Pyramide gelesen. In seinem Buch „Meister der Welt“ vermerkt der französische Schriftsteller: „100 Meter vom Gipfel entfernt erhebt sich die Pyramide. Sie ist aus Quadersteinen errichtet, die mit Zement verbunden sind. Die Qualität des Zements ist besser als jene des römischen. Die Kanten der Pyramide sind ungleich, da sie auf einem steilen Abhang liegt. Sie erhebt sich über einer großen Höhle, die sich gleich einem riesigen, abgrundtiefen Rachen mit einem Durchmesser von 2 bis 3 Metern öffnet.“

Der in den Stein aufgebrochene Eingang an der südostseitigen Front soll ursprünglich mit einem Eisentor versiegelt gewesen sein. Es heißt, dass bis 1921 ein hakenkreuzartiges Swastika-Symbol über dem Giebel sichtbar war, das zerstört oder geraubt wurde. Ältere Erzählungen wissen außerdem von einer „unlesbaren“ antiken Inschrift, die seit 1901 fehlt. Wer war der Baukünstler?

Die Ratapignata-Grotte

Die Lage der Pforte erlaubt einen besonderen Lichteffekt. An Sommertagen beleuchten Sonnenstrahlen zwischen zehn und zwölf Uhr eine mächtige Kalzitsäule, die das Gewölbe des unterirdischen Saales trägt. Sie zeigt mit etwas Fantasie das Porträt eines Mannes im Profil. Das Betreten der Höhle Ratapignata, wörtlich „Fledermaus-Grotte“, ist nicht ungefährlich. Die Pforte wurde vom Pyramidenerbauer so angelegt, dass ungebetene Besucher sofort mehrere Meter senkrecht hinunter in den Grottenschlund stürzen. Hier kommt man nur mit Strickleiter, Höhlen- und Bergsteigerausrüstung weiter.

Pforte in die Grotte Ratapignata

Das Innere gleicht einer Kathedrale aus Stalagmiten und Stalaktiten, die in bizarren Formationen vom Boden und der Decke wachsen. Sie dienen heute ausschließlich Schwärmen von Fledermäusen als Behausung. Das war nicht immer so. Eine Art Tabernakelstein, schachtartige Vertiefungen und sieben Stufen, die gezielt von Menschenhand aus dem Fels herausgehauen wurden, geben Zeugnis davon. Der tempelartige Raum ist 22 Meter lang und misst an der breitesten Stelle etwa 15 Meter. Durch schmale Öffnungen gelangt man zu kleineren Hohlräumen, die eine Etage tiefer liegen. Zahlreiche Felsspalten, teils verschüttet, teils zu eng für Erkundungen, nähren die Gerüchteküche, wonach es noch etliche bisher unerforschte Geheimgänge geben soll, die bis an die Riviera führen. Die lokale Bevölkerung weiß von einer Volkssage, wonach einst eine Katze in die Höhle geworfen wurde, die schließlich über die Kanalisation im Hafen von Nizza wieder ans Tageslicht kam. Ein Ammenmärchen? Indes vielleicht mit wahrem Kern?

Die Unterwelt der Pyramide von Falicon führt 17 Meter in die Tiefe.

Tollkühne Spekulationen


Domenico Rossetti: Pyramiden-Entdecker oder Bauherr im Auftrag der Freimaurer?

Über das Alter und den Zweck des Bauwerkes wurden viele kühne Thesen verbreitet. Fantasten glaubten, es handle sich um das Grab eines ägyptischen Pharaos, der in Südfrankreich im Exil lebte. Andere erklärten, römische Legionäre wären die Bauherren gewesen und hätten im Inneren der Grotte einen Tempel zur Einweihung und Anbetung des Sonnenheros Mithras errichtet. Im Mittelalter soll die Stätte Leprakranken und Eremiten als Zufluchtsort gedient haben. Erzählt wird, der heilig gesprochene Ordensgründer Étienne de Muret alias Stephan von Thiers (um 1044 – 1124) hätte in der Höhle als Einsiedler gelebt. Da im 12. Jahrhundert angeblich Tempelritter in Falicon gewohnt haben sollen, wurde auch darüber spekuliert, die Felsgrotte beherberge geheime Verstecke mit einem Schatz des Ordens. Bis heute hält sich das Gerücht, im Untergrund seien Einweihungsriten für Geheimbünde und esoterische Mysterienkulte zelebriert worden.

Nichts von alldem lässt sich stichhaltig belegen. Und doch ist die Bestimmung der Stätte bis heute ungeklärt. Als historisch gesichert gilt, dass der italienische Literat, Anwalt und Forscher Domenico Rossetti (1772 – 1816) – nicht zu verwechseln mit seinem Namensvetter Graf Domenico Rossetti de Scander – bei seinem Aufenthalt in Nizza die Stätte entdeckt und erforscht hat. Das war anno 1803. Die Begeisterung darüber hat der Gelehrte im Gedicht „La Grotta di Monte Calvo“ zu Papier gebracht und 1811 in Turin veröffentlicht. Darin enthalten ist eine Grafik, die Rossetti mit der Pyramide (damals noch unversehrt mit Spitze) zeigt. In dieser Zeit wurde der Fundort in regionalen Reiseführern aufgelistet. Historische Dokumente belegen, dass Einheimische damals interessierten Besuchern Leitern vermietet hätten, damit diese ins Innere der Grotte Ratapignata steigen konnten. Frühere schriftliche Aufzeichnungen sind nicht bekannt. Für die meisten Archäologen steht daher fest: Das Denkmal kann nicht viel älter sein und wurde vermutlich in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet. Anders die Höhle selbst: Sie ist uralt und könnte bereits Menschen der Vorzeit als Unterschlupf gedient haben.

Manche Forscher unterstellen, Rossetti sei selbst der Architekt der Pyramide gewesen. Der Italiener war Logenbruder der Freimaurer, studierte Hebräisch und Griechisch und könnte – so wird spekuliert – mit dem für den Männerbund bedeutsamen Pyramidensymbol den Höhleneingang markiert haben.

Verzögerte Wertschätzung

Über zwei Jahrhunderte lang interessierte sich kaum ein Archäologe oder Höhlenforscher für die Pyramide und ihr geheimnisvolles Innenleben. Erst im August 2007 folgte die staatliche Anerkennung als „Historisches Gebäude“, seither steht es unter nationalem Denkmalschutz. Die Patenschaft und weitere Untersuchungen haben Wissenschaftler des Instituts IPAAM (Institut de préhistoire et d’archéologie Alpes-Méditerranée) in Nizza übernommen. In einer umfassenden Studie präsentierten die Forscher alle verfügbaren Dokumente zur Falicon-Pyramide und der Ratapignata-Grotte. Dabei drangen die Denkmalschützer, soweit technisch möglich, in die tiefsten noch unerforschten Winkel vor, führten topografische Messungen durch und lieferten faszinierendes Bildmaterial. Und doch bleiben Fragen offen. Niemand vermag mit Gewissheit zu sagen, wohin die vielen schmalen Felsspalten führen, die das Höhlensystem an Gewölben und Seitenwänden wie ein Netzwerk durchziehen. Und der Pyramidenrest? Wurde er inzwischen herausgeputzt, renoviert und ist eine begehrte Touristenattraktion in der Region Provence – Alpes – Côte d’Azur? Nur ein Besuch vor Ort konnte meine Neugierde stillen.

Ein kleines „Schlupfloch“ führt eine Etage tiefer. Manche Bereiche sind noch unerforscht.

Ausflug zum „geschützten Baujuwel“

Bei meinen Mystery-Pyramiden-Exkursionen wie immer mit dabei: meine Lebensgefährtin Elvira. Wir steuern in Nizza das nächste Tourismusbüro an und machen uns über den besten Reiseweg kundig. Was wir ernten sind ein müdes Lächeln und ungläubiges Kopfschütteln: „Eine Pyramide? Hier in der Umgebung von Nizza? Noch nie gehört!“

Eine passende Straßenkarte von Nizza und Umgebung hilft weiter. Wir starten bei der Station Carnuschi im Norden von Nizza. Mit der öffentlichen Buslinie 25 geht es weiter Richtung Falicon. Wir machen einige Stationen vorher halt zwischen Aire Saint-Michel und La Bastide. Laut Plan kann es nicht mehr allzu weit zum ersehnten Zielort sein. Doch selbst hier, nicht unweit des markanten Bauwunders, scheinen Einheimische das „historische Denkmal“ nicht zu kennen. Seltsam, nirgendwo eine Information, die auf das geschützte Monument hinweisen würde. Erst nach mehrmaligem Nachfragen erinnert sich ein Anrainer daran, dass er vor Jahrzehnten im Gelände eine Ruine besichtigt habe, die die gesuchte Pyramide sein müsste. Er weist uns den Weg, der über schmale Gassen an Villen und Gartenhäuschen vorbeiführt. Es geht steil bergauf bis zum Eingang des Naturparks La Vallière. Wir Stadtmenschen kommen ins Schwitzen.

 

Vor uns jede Menge Trampelpfade, aber kein Wegweiser direkt zur Pyramide. Wir wandern allein. Nach einer knappen halben Stunde erblicken wir alte Mauerreste eines Steinhäuschens. Dahinter führt ein schmaler Trampelpfad hinaus ins freie Gelände. Wir marschieren über Privatbesitz (der öffentlich genutzt werden darf) weiter. Nach etwa zehn Minuten Spazierengehen durch wilde Naturlandschaft taucht vor uns ein großes Buschwerk auf und dahinter versteckt endlich die Silhouette der legendären Pyramide! Spätestens hier würde jeder Wandervogel einen Hinweis erwarten, der über das „geschützte Denkmal“ nähere Auskunft gibt. Nichts dergleichen. Das Bauwerk steht völlig isoliert am steilen Hang auf 430 Metern Seehöhe und ist nur mit Mühe zu finden. Selbst der Eingang in die Höhle präsentiert sich uns ungeschützt. Es gibt weder ein Sicherheitsgitter noch warnt ein Schild vor der Gefahr, dass es hier senkrecht in den Kraterschlund geht. Würden Elvira und ich einen Abstieg wagen, Hals- und Beinbruch wären uns garantiert. Langsam dämmert uns, dass die Behörden und Grundstücksbesitzer offenbar kein wirkliches Interesse daran haben, Touristen und Wanderer zum historischen Denkmal zu lotsen. Wer es dennoch bis zum begehrten Ziel geschafft hat, wird nicht enttäuscht. Schon der Panoramablick in die umliegenden Täler und Hügel, bis hin nach Nizza und der Mittelmeerküste, ist atemberaubend und entschädigt für jede Strapaze.

Denkmalgeschützt, aber wenig geehrt: versteckte Pyramidenruine bei Nizza

Blick von der Pyramidenplattform hinunter zum Grottenschlund

Und natürlich die Pyramide! Besser gesagt das, was von ihr übrig geblieben ist. Ihre Hauptkanten und Grundlinien mit Längen zwischen 5 und 6,50 Metern sind noch gut erhalten. Dennoch haben natürliche Erosion und Vandalismus Spuren hinterlassen. An den kleinen abgerundeten Steinplatten, die vielleicht ursprünglich mit einer geglätteten Kalkschicht überzogen waren, wird das im Detail sichtbar. Der obere Abschnitt fehlt. Ob mutwillig zerstört, von Souvenirjägern abgetragen oder als Baumaterial anderweitig verwendet, bleibt ungeklärt. Setzt man voraus, dass die Pyramide oben spitz zulief, muss sie einst neun Meter hoch gewesen sein.

Die unbeachtete „Zwillingsschwester“

Von der Markierung als Höhleneingang oder als Freimaurersymbol einmal abgesehen, haben Historiker noch eine andere nüchterne Erklärung für das Bauwerk parat: Die Falicon-Pyramide sei demnach einfach ein Werk, das an Napoleon Bonapartes Ägyptenfeldzug (1798 – 1801) erinnern soll. Sie wäre nichts weiter als eine Folge und Ausdrucksform der „Ägyptomanie“, die damals als gesamteuropäisches Phänomen populär war. Zeitlich würde das passen. Parks und Gärten des späten 18. Jahrhunderts und Friedhöfe des 19. Jahrhunderts sind übersät mit Denkmälern in Pyramidenform. Imposante Standbilder lassen sich unter anderem auf dem Marktplatz von Karlsruhe, im Barockgarten von Potsdam, im Schlossgarten Garzau oder im Branitzer Park bei Cottbus entdecken. Bleibt man in der Region Côte d’Azur, dann bietet sich ein Ausflug zum Schlosshügel von Nizza an. Hier liegen nebeneinander ein christlicher und ein jüdischer Friedhof (Cimetière du Château) mit sehenswerter Architektur im neoägyptischen Baustil.

Die Falicon-Pyramide hat eine „Zwillingsschwester“ in Marseille: die Pyramide „Roy d’Espagne“ (historisches Foto um 1900).

Was bei der „Ägyptomanie“-These dennoch irritiert: Die Verbindung zwischen Pyramidendenkmal und der Funktion als Höhleneingang. Das ist, wenn man die Bestimmung als Grabmal ausschließt, recht ungewöhnlich. Und ist es wirklich plausibel, dass ein napoleonisches Ehrenmal an einem wenig sichtbaren und schwer zugänglichen Ort errichtet wird? Wäre es nicht Sinn und Zweck eines solchen Gedenksteins, dass man ihn auch sieht und rühmt?

Eine bislang unbeachtete Spur führt 150 Kilometer westlich in die Hafenstadt Marseille. Hier steht versteckt in einer Parkanlage des 8. Stadtbezirks die Zwillingsschwester der Falicon-Pyramide! Sie trägt den Namen „Roy d’Espagne“ („König von Spanien“) und wurde um 1804 in der gleichen Bauweise und Größe wie die Falicon-Pyramide errichtet. Aus den spärlich vorhandenen Chroniken erfahren wir, dass damals ein gewisser Dominique Bastide Besitzer des inzwischen abgerissenen Schlosses Roy d’Espagne war. Er gilt als Architekt der Steinpyramide, die er als Mausoleum für seine Familie errichten ließ. Bastide? Der Name klingt mir im Zusammenhang mit der Falicon-Pyramide im Ohr. Der Ortsteil, wo das Bauwerk und die Ratapignata-Grotte liegen heißt La Bastide!

Die auffälligen Gemeinsamkeiten lassen auf eine vereinte Geschichte schließen. Wieso nahmen Historiker bislang keine Notiz davon? Auch die Frage, woher die Inspiration zum Bau der beiden Pyramiden kam, liegt im Dunkeln. Auswüchse der damals stark verbreiteten „Ägyptomanie“? Denkbar, aber keine zwingende Schlussfolgerung. Für beide Pyramiden charakteristisch ist der extrem schräge Neigungswinkel ihrer Seitenlängen.

Die Pyramidenreste von Autun

Neben den Zwillingsbauten von Falicon und Marseille existiert noch eine weitere außergewöhnliche Pyramide im Département Saône-et-Loire. Ihre Überreste liegen auf einem römischen „Urnenfeld“ nahe der Ortschaft Autun (das frühere Augustodunum) im Osten der Region Burgund. Der Monumentalbau mit steilem Neigungswinkel und elf Quadratmetern Bodenfläche hatte die Höhe von 33 Metern, heute sind es noch 25 Meter. Die Pyramide wurde nach ihrem Entdecker „Pyramide de Couhard“ getauft und ist nachweislich rund 2000 Jahre alt. 1960 wurde am Sockel des Monuments eine Tafel aus Blei gefunden. Sie misst 15,8 mal 5,8 cm und enthält „magische Inschriften“ in Latein und Griechisch. In ihrem Sinn wurden die „verhexten“ Texte bisher nicht verstanden. Der Fund aus der Frühzeit wird im Stadtmuseum Rolin in Autun aufbewahrt.

Wer sie wozu errichtet hat, weiß niemand. Der Bogen ihrer möglichen Funktion ist weit gespannt: Observatorium, Signalturm, Mausoleum, Scheingrab oder Siegesdenkmal lauten die gängigsten Hypothesen. Keine überzeugt wirklich. Im Ziegelmauerwerk wird ein künstlicher Schacht oder eine Aushöhlung vermutet, doch bisher fehlt der Beweis für Hohlräume. Alte Kupferstiche bezeugen, dass die Pyramide bis zum 16. Jahrhundert mit weißen Marmorplatten verkleidet war.

Welche Bedeutung hatte die Autun-Pyramide in römischer Zeit?

Das Verblüffende: Wir finden die gleiche pyramidenförmige Bauart beim 36 Meter hohen Denkmal des Volkstribuns Gaius Cestius Epulo an der Piazza Ostiense in Rom. Es besteht ebenso aus Ziegeln, die mit weißen Marmorplatten verkleidet sind. Ein schmaler, niedriger Gang führt hinein zu einer 4 mal 6 Meter großen Gruft. Als Papst Alexander VII. anno 1663 den Zugang zur Pyramide freilegen ließ, fand man nur ein leeres Grab. Selbst die sterblichen Überreste des hohen römischen Beamten sind verschwunden. Grabräuber im Mittelalter hatten die Kammer geplündert.

Das Monument ist die einzige noch erhaltene römische Pyramidengrabstätte aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert. In jener Zeit soll es in der Ewigen Stadt mindestens vier weitere Standbilder dieser Art gegeben haben. Marmorblöcke aus einer Pyramide, die nahe der heutigen Engelsburg stand, wurden im Bereich des Petersdoms verbaut. Recycling nennt das die Industrie. Anerkennender wäre die Erhaltung gewesen. Ab und zu erinnern romantische Nachbeter an vergangenen Ruhm. Sind die eigenartigen Pyramiden von Falicon und Marseille verkleinerte Kopien der römischen Cestius-Pyramide?


VERHEXTE
VERFORMUNGEN

Heilige Abdrücke, kuriose Kultsteine und der „Thron des Teufels“

Aus jener Zeit, die man „damals“ nennt, die man heute nur mehr aus Märchen kennt, liegt wie ein Bote im Wald ein Stein und so wird’s wohl auch noch in tausend Jahren sein. Roland Kernstock, Schriftsteller und Liedermacher aus dem Waldviertel

Wundersame Souvenirs
DIE FUSSABDRÜCKE VON JESUS UND MOHAMMED

Gibt es verborgene Kräfte, durch die Steine weich wie Butter werden können? Bei eigentümlichen Versteinerungen, die an Fuß-, Knie, Arm- oder Handspuren erinnern, könnte man zu dieser Auffassung gelangen. Solche Funde stehen meist in Verbindung mit Sagen über Hexen, Dämonen, Götter, Helden und Heilige. Die berühmtesten Beispiele sind die angeblichen Fußabdrücke von Jesus in den Kirchen „Quo vadis Domine“ und „San Sebastiano“ an der Via Appia Antica in Rom sowie in der Himmelfahrtskapelle auf der höchsten Stelle des Ölbergs in Jerusalem. Es soll jener Platz sein, wo Christus zum Himmel aufgefahren ist.

Fußabdrücke in der Kirche Santa Maria an der Via Appia Antica in Rom. Stammen sie wirklich von Jesus?

Dagegen gibt es in Srinagar im Himalaja-Staat Kaschmir ebenfalls Fußabdrücke, die Wundmale zeigen und einer Legende zufolge Jesus zugeschrieben werden. Einige Forscher schließen daraus, dass sich dort im Haus „Rozabal“ das Grab des Erlösers befindet. Ebenfalls deutliche Zeichen seiner Existenz soll der islamische Religionsstifter Mohammed im 7. Jahrhundert der Nachwelt hinterlassen haben. Eine Steinplatte mit dem angeblichen Fußabdruck des Propheten wird im Topkapi-Palast in Istanbul aufbewahrt. Und am Tempelberg in Jerusalem sieht man im Fels Fußspuren, die dem Glauben nach von Mohammed verewigt worden sind, als er der Überlieferung nach mit dem geflügelten Luftgefährt Al-Buraq zu einer Himmelsreise aufstieg. Auch Fingerabdrücke, die vom Erzengel Gabriel stammen sollen, sind im Stein zu erkennen.

UNBEACHTETES „CHRISTUS-RELIEF“

Ein einzigartiges Steinexponat stammt aus La Mana in Ecuador. Es ist erzhaltig, zieht Magnete an, misst 24 cm in der Länge, 18 cm in der Breite und ist 6 cm dick. Die Vorderseite zeigt unterschiedliche miteinander verschmolzene Gesteinsformen, die die Konturen eines bärtigen Gesichtes bilden. Manche Betrachter erinnert das Antlitz an das Aussehen jenes Mannes, das auf dem Turiner Grabtuch wiedergegeben ist. Für Gläubige ist es ja das Leichentuch, in dem Jesus von Nazareth nach der Kreuzigung begraben wurde. Die Rückseite des Steinfundes gibt ebenfalls Rätsel auf: Im Gestein ist eine linienförmige Einlegearbeit zu sehen, die in gewundener Schlangenform in die Spitze eines Dreiecks mündet. In den 1980er-Jahren wurde das Relikt gemeinsam mit rund 300 anderen grotesken Kunstobjekten unbekannten Ursprungs in einer verlassenen Goldmine entdeckt und befindet sich heute in Privatbesitz (siehe Farbabbildung S. 57).

Antlitz auf dem Turiner Grabtuch.

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