Mysteriöse Museumsschätze

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Stadtwappen von Vöcklabruck

Der Wolfsegger Eisenklotz

„Die Zeit frisst Stahl und Eisen.“

Deutsches Sprichwort

Bezeichnung: „Salzburger Stahlwürfel“ oder „Eisenwürfel von Wolfsegg“; beides sind irreführende Begriffe, da es sich weder um einen Würfel handelt, noch das Fundstück aus Salzburg stammt.

Besonderheit: Bearbeitetes Eisenartefakt in der Größe von 65 x 60 x 50 mm und einem Gewicht von 730 Gramm. Das Objekt soll aus einer viele Millionen Jahre alten Kohleplatte herausgefallen sein.

Geschichte: Als Fundort wird die Schöndorfer Eisengießerei „Isidor Braun“ in der Stadtgemeinde Vöcklabruck in Oberösterreich genannt. Berichtet wird, dass im Herbst 1885 zum Heizen der Schmelzöfen große Braunkohleplatten aus dem zwölf Kilometer entfernten Wolfsegger Bergbau (1995 stillgelegt, heute ein Industriedenkmal) angeliefert worden sind. Beim Zerschlagen der Platten entdeckte ein Arbeiter namens Riedl den sonderbaren Klumpen, der aus der Kohlemasse herausgefallen sein soll. Seither erlangte der „Wunderwürfel“ zweifelhaften Ruhm in vielen Publikationen der Grenzwissenschaften. Die Erklärungshypothesen reichen von „plumper Fälschung“ über „seltener Meteorit“ bis hin zu „Überbleibsel einer Vor-Zivilisation“ oder „Hinterlassenschaft außerirdischer Erdenbesucher“. Die Fantasie wurde dadurch beflügelt, dass kaum einer der Autoren das „Beweisstück“ jemals selbst zu Gesicht bekommen hatte. Lange Zeit galt der legendäre Metallklotz als verschollen und geriet in Vergessenheit. 2017 wurde er aus dem dunklen Museumsdepot wieder ans Licht gebracht.

Alter: unbekannt

Aufbewahrung: Heimathaus-Stadtmuseum Vöcklabruck in Oberösterreich

Am falschen Ort zur falschen Zeit


Geologisches „Problematikum“

Wie kommt der versteinerte Abdruck einer Reifenspur in die geologische Schicht der Dinosaurierära? Erinnerungen an Familie Feuerstein? Mit diesem Rätsel werden Besucher des Thonetschlössls in Mödling bei Wien konfrontiert. Das historische Gebäude beherbergt einen Teil der Sammlung des städtischen Bezirksmuseums. In der geologischen Abteilung liegen in einer Vitrine Gesteinsbrocken aus der heimischen Kreidezeit, die irritieren. Sie zeigen regelmäßige, wabenähnliche Gittermuster, die verblüffend an Reifenspuren heutiger Mopeds oder Autos erinnern. Daneben ist ein Cartoon mit einem Motorrad abgebildet, mit dem Text: „Entstand diese Lebensspur damals auf ähnliche Weise?“

Was scherzhaft gemeint ist, erklärt aber nicht den Ursprung der Abdrücke. Geologen nennen diese Spuren Paleodictyon. 1850 wurden sie erstmals entdeckt und beschrieben. Als Erklärung wird angeboten, dass die versteinerten Strukturen durch unbekannte Urzeitorganismen, Aktivitäten einzelliger Spurenfossilien oder durch tatsächliche Skelettabdrücke von Körperfossilien entstanden sind. Ebenso werden chemische Umweltfaktoren ins Spiel gebracht. Eine natürliche Erklärung ist die vernünftigste, kurios sind die urzeitlichen „Reifenspuren“ allemal.


Welches Fossil der Urzeit hinterlässt „Reifenspuren“?

Ungeklärte urgeschichtliche und archäologische Funde, die völlig aus der Reihe tanzen, schaffen es immer wieder, die Gemüter der Gelehrtenwelt zu erhitzen. Die Fachwelt bezeichnet diese „regelwidrigen“ Entdeckungen als OOPArt, eine Abkürzung für Out-of-Place Artifact („Artefakte am falschen Platz“).

Der US-Kryptozoologe Ivan Terence Sanderson (1911 – 1973) prägte diesen Begriff für historische, archäologische und paläontologische Funde, die nicht ins vertraute Schema passen. Zu diesen Grenzfällen der Archäologie gehören handwerkliche Gegenstände wie Eisennägel, Schrauben, Gefäße, Schmuck oder menschliche Knochen, die angeblich bei ihrer Auffindung komplett von Gestein umschlossen waren. Aus dem Zeitalter der industriellen Kohlewirtschaft ab dem 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts liegen besonders viele Protokolle vor.

Eine OOPArt-Entdeckung führt in die USA ins Jahr 1880. Damals baute ein Ranger in den Bergen von Colorado Kohle ab. Das Material stammte aus einem Schacht, welcher 90 Meter in die Tiefe führte. Jeden Tag nahm er davon eine Fuhre mit nach Hause. Daheim stellte er fest, dass die Kohlestücke zu groß zum Verbrennen waren. Er zerkleinerte einige davon – und heraus fiel ein eiserner Fingerhut. Das Fragment wurde in der näheren Umgebung bald als „Evas Fingerhut“ berühmt, blieb aber nicht lange erhalten. Das Metall erwies sich als sehr bröckelig. Schließlich ging das Relikt verloren. Die Kohle, in dem der Gegenstand angeblich eingebettet war, war Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren entstanden.

Zweifel am Wahrheitsgehalt solcher Meldungen sind berechtigt. Schon deshalb, weil nur wenige Beweisstücke für Untersuchungen erhalten sind. Zu den bekanntesten Gegenständen aus der Galerie skurriler erdgeschichtlicher Funde zählt ein „fossiler Hammer“, der 1934 bei London in Texas entdeckt wurde. In der Literatur kennt man ihn als „The London Artifact“. Während einer Wanderung im Juni 1934 stieß die 32-jährige Emma Hahn mit ihrer Familie auf das eigentümliche Überbleibsel. Aus einem Felsbrocken ragte ein Stück Holz hervor. Neugierig begutachtete man das Mysterium und versuchte es freizulegen. Dann das Unbegreifliche: Das Holz entpuppte sich als Holzstiel eines Hammers! Staunen und ungläubiges Kopfschütteln überkam die arglosen Wanderer. So etwas konnte es doch nicht geben! Denn das Gestein, in dem der Hammer eingeschlossen war, musste ein Alter von vielen Millionen Jahren aufweisen. Eine urzeitliche Epoche, in der – unserem Weltbild zufolge – kein menschliches Leben existiert haben kann. Wer aber sollte sonst dieses Werkzeug angefertigt und liegen gelassen haben, wenn nicht ein Mensch? Heute wird der Hammer von militanten Verfechtern der Schöpfungslehre als Indiz gegen Darwins Evolutionslehre ins Feld geführt. Skeptiker hingegen halten es für viel wahrscheinlicher, dass ein Bergarbeiter im 19. Jahrhundert das Werkzeug verloren hat. Später sei es dann vom Sedimentgestein umschlossen worden.

Ein anderer bizarrer Fund, der die Geschichte überdauert hat, ist ein Eisenbecher, der, so wird behauptet, 1912 in Arkansas beim Aufschlagen eines Kohlebrockens zum Vorschein kam. Es gibt dazu eine eidesstattliche Erklärung, aus der hervorgeht, dass der Behälter bei seiner Entdeckung in einen Klumpen Kohlegestein eingebettet war. In dem beglaubigten Dokument vom 27. November 1948, das von Finder Frank Kennard aus Sulphur Springs im US-Bundesstaat Arkansas stammt, wird der ungewöhnliche Vorfall bezeugt: „Während ich 1912 für die Municipal Electric Plant (Anm.: Städtisches Elektrizitätswerk) in Thomas, Oklahoma, arbeitete, stieß ich auf einen soliden Brocken aus Kohle, der zu groß war, um ihn weiter zu verwenden. Ich brach ihn mit einem Vorschlaghammer auseinander. Dabei fiel dieser eiserne Topf aus dem Inneren des Brockens und hinterließ seinen Formabdruck in einem Stück aus Kohle. Jim Stull (Anm.: ein Angestellter der Firma) war Augenzeuge in dem Moment, als das Gestein aufgebrochen wurde, und sah ebenfalls den Topf herausfallen. Ich versuchte, den Ursprung der Kohle herauszufinden, und stellte fest, dass sie aus der Oklahoma Mine in Wilburton stammt. Sign. Frank Kennard.“ (C. E. Baugh, „Dinosaur“)

Der Eisenbecher und der Hammer sind Musterbeispiele für kuriose Unikate. Sie waren 2001 in der vom Kulturmanager Klaus Dona realisierten und von mir mitinitiierten Ausstellung „Unsolved Mysteries – Die Welt des Unerklärlichen“ im Wiener Schottenstift zu sehen. Hier wurden Hunderte archäologische Rätselfunde aus aller Welt erstmals im Original präsentiert und zur Diskussion gestellt. 2004 wanderte die Schau weiter in die Schweiz nach Interlaken in den „Jungfrau-Park“, der damals noch „Mystery-Park“ hieß.

Ein großes Sammelsurium solcher OOPArt hortet der US-amerikanische Kreationist Carl Baugh in seinem 1984 gegründeten „Creation Evidence Museum“ in Texas. Vordergründig wohl aus religiöser Überzeugung. Neben dem „fossilen Hammer“, dem „eisernen Becher“ und der Kopie der eidesstattlichen Urkunde des Finders gibt es dort noch jede Menge weitere „Evolutionsfallen“ zu sehen, die am gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Ein versteinerter Schuhabdruck mit einem zertretenen Urzeitkrebs aus dem Erdmittelalter gehört genauso dazu wie ein menschlicher Riesenfinger und Steinplatten mit Hand- und Fußabdrücken, die angeblich aus der Saurierepoche stammen.

Wenn die Fundstücke echt sind und immer wahrheitsgetreu berichtet wurde, die erdgeschichtlichen Zeittafeln stimmen und die Relikte tatsächlich so alt sind wie das Gestein, in dem sie aufgefunden wurden, haben wir ein Problem. Dann wären sie nämlich Abermillionen Jahre vor dem Auftauchen der ersten nachweisbaren menschlichen Vorfahren entstanden. Wie kann das sein? Könnten die Hinterlassenschaften von einer unbekannten Hochkultur stammen, die lange vor unserer Zeit existierte? Damit wäre unser vertrautes Weltbild auf den Kopf gestellt. Geologen und Paläontologen sind skeptisch. Sie halten eine neuzeitliche Herkunft vieler Spielarten von OOPArt für wahrscheinlicher. Aber wie können Objekte innerhalb von nur wenigen Jahrhunderten oder gar Jahrzehnten von Gesteinsmassen völlig umschlossen werden? Eine Theorie der Geowissenschaft besagt, dass ein chemisch-geologischer Prozess der Natur damit zu tun hat, der als Konkretion bezeichnet wird. Wenn mineralreiches Wasser verdampft, hinterlässt es feinkörnige Rückstände, die rasch anwachsen können, bis sie einen Gegenstand umschließen. Ein natürlicher Vorgang, der keine Millionen Jahre überbrücken muss, versichern Geologen.

 

Das Dilemma bei der wissenschaftlichen Überprüfung: Es gibt keine Vergleichsanalysen der Gesteinsarten am Fundort, in denen die entdeckten Artefakte wie behauptet eingeschlossen waren. Gleiches gilt für fehlende Kohlebrocken mit den hinterlassenen Formabdrücken der fraglichen Gegenstände. Wir müssen dennoch nicht gleich an Schwindel und Scherze denken, aber eine Unsicherheit schwingt bei der Beurteilung archäologischer „Verrücktheiten“ immer mit: die überlieferten Fundumstände. Wie zuverlässig sind sie? Und: Ziehen wir aus den vorhandenen Daten immer die folgerichtigen Schlüsse?

OOPArt aus Vöcklabruck


Charles Fort

Die Frage nach der Zuverlässigkeit alter Quellen stellt sich auch beim eingangs erwähnten legendären OOPArt-Fall aus Österreich. Es betrifft einen angeblichen „Würfel aus Stahl“, der historischen Aufsätzen zufolge im Inneren einer Kohleplatte steckte. Der Amerikaner Charles Fort (1874 – 1932), ein emsiger Sammler von Zeitungsberichten über unerklärliche Phänomene, erwähnte den Fall bereits 1919 in seinem „The Book of the Damned“. Die deutsche Übersetzung erschien 1995 unter dem Titel „Das Buch der Verdammten“. Fort schreibt von der Entdeckung eines „Metallwürfels“ und führt mehrere Quellen aus dem 19. Jahrhundert an, darunter Reportagen in den Wissenschaftsjournalen „Nature“ und „L’Astronomie“. Seither wird in Mystery-Kreisen darüber spekuliert, ob das Unikat ein Überbleibsel einer versunkenen Vor-Zivilisation ist.

Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren brachte es der geheimnisumwitterte „Salzburger Eisenwürfel“ zu bemerkenswerter Berühmtheit. Dafür sorgten viele bekannte Mitstreiter alternativer Theorien von Robert Charroux bis Johannes von Buttlar. Sie berichteten darüber in ihren Werken und hatten dabei leider alte Artikel oder Kommentare von Kollegen ungeprüft übernommen. Keiner der grenzwissenschaftlichen Autoren hatte das Corpus Delicti jemals persönlich in Augenschein genommen. Was die Nachforschungen damals erschwerte: Das Artefakt galt zwischenzeitlich als verschollen.

Als Freund fantastischer Ideen muss ich mich selber an der Nase nehmen. In meinem Sachbuch „Geheimnisvolles Österreich“ schrieb ich im Jahre 2006: „Skeptiker halten den ‚Salzburger Würfel‘ eher für eine ‚Laune der Natur‘ oder einen gewöhnlichen Eisenklumpen von einer Industriemaschine. Ein Pech, dass dieses Beweisstück für Untersuchungszwecke nicht mehr zur Verfügung steht. 1886 bis 1910 war es in einem Salzburger Museum ausgestellt. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges verlieren sich die Spuren. Jahrzehnte später soll das Relikt im Oberösterreichischen Landesmuseum Linz und danach im Heimatmuseum von Vöcklabruck aufbewahrt worden sein. Seit einigen Jahrzehnten ist das anormale Ding erneut unauffindbar.“

In Wahrheit befand sich das Metallstück seit 1958 im Heimathaus von Vöcklabruck in Oberösterreich. Was ich damals verabsäumte, holte ich im März 2017 mit einer Anfrage im Museum nach. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kurator Helmut Kasbauer bestätigte, dass sich „der Wolfsegger Eisenfund nach wie vor im Museum befindet, allerdings nicht als Ausstellungsstück, sondern im Depot“. Bei einem persönlichen Treffen, so Helmut Kasbauer ermutigend, könne ich den „Stein des Anstoßes“ selbst unter die Lupe nehmen. Ein Lockruf, dem jeder Sonntagsforscher gerne folgt.

Der älteste Report

Die Odyssee um den deklarierten „Salzburger Stahlwürfel“ ist eine tollkühne Geschichte. Sie ist es wert erzählt zu werden, weil sie uns vor Augen führt, wie leicht die Verzerrung alter Berichte, missverstandene Übersetzungen, falsche Ortsangaben, aber auch ausufernde Fantasie in die Sackgasse führen können. Es ist wie beim Kinderspiel „Stille Post“, bei dem die Nachricht einer Person ins Ohr des Nachbarn geflüstert wird. Dieser gibt dann das Halbverstandene auf die gleiche Weise an andere Teilnehmer weiter. Am Ende der Fahnenstange kommt etwas Irrwitziges heraus, das mit der ursprünglichen Information nur mehr wenig zu tun hat.


Protokoll zum „Salzburger Eisenwürfel“ aus dem Jahr 1886

Um die Spreu vom Weizen zu trennen, ist es wichtig, die Urquelle zu kennen. Sie führt zum Bauingenieur Dr. Adolf Gurlt, der sich als Geologe für das seltsame Eisenrelikt interessierte und dazu am 7. Juni 1886 vor der „Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“ in Bonn referierte. Das Dokument zum Sitzungsbericht des Vereins befindet sich im Archiv der Universität Erlangen. Es ist der älteste Report zum kuriosen Eisenklotz und zugleich Quelle für alle weiteren Berichterstattungen. Das Protokoll ist relevant und hilft bei der Wahrheitsfindung.

„Dr. Gurlt legte einen merkwürdigen Eisenmeteorit, sogenannten Holosiderit, vor, welcher sich in tertiäre Braunkohle eingeschlossen vorfand. Derselbe ist Eigenthum des städtischen Museums Carolino-Augusteum in Salzburg und wurde an dasselbe von Herren Isidor Braun Söhne zu Schöndorf bei Vöcklabruck in Oberösterreich geschenkt. Er wurde um die Zeit von Allerheiligen 1885 in der Gussstahl- und Feilenfabrik dieser Firma von einem Arbeiter zufällig entdeckt, als derselbe einen Block fester Braunkohle, die aus dem Bergwerke zu Wolfsegg, der Wolfsegg-Traunthaler Bergwerksgesellschaft gehörig, stammte, der bequemeren Heizung wegen zerschlug.“

Weiters erfahren wir aus der Akte, dass der Eisenklotz mehreren Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt wurde. Doch deren Expertisen fielen unterschiedlich aus. Einige Gelehrte hielten den Fund für ein „Kunstprodukt“ aus „Meteoriteneisen“, das nachträglich durch Menschenhand bearbeitet wurde. Dafür spräche die „sehr regelmäßige Gestalt“ des Eisenstückes, heißt es. Andere Experten bezweifelten diesen Verdacht und stützten sich auf eine nähere Untersuchung, aus der angeblich deutlich hervorginge, „dass man es hier mit einem nicht bearbeiteten Eisenmeteorit oder einem Holosiderit zu thun hat, der keine steinartige Meteormasse enthält“.

Was besonders interessant ist: In dem Protokoll wird die Form des ominösen Gegenstandes erstmals als „Würfel“ beschrieben: „Der Holosiderit hat einen fast quadratischen Querschnitt und entspricht einem Würfel, an dem zwei gegenüberliegende Flächen, kissenartig, stark abgerundet sind, während die übrigen vier Flächen durch diese Abrundungen viel schmäler geworden und in der ganzen Länge mit einer tiefen Furche versehen sind. Sämmtliche Flächen und Furchen sind mit den für Meteoreisen so sehr charakteristischen Näpfchen oder Aussprengungen bedeckt, daher eine nachträgliche Bearbeitung durch Menschenhand ausgeschlossen ist.“

Irdisch oder außerirdisch? In dem Gutachten werden Größe, Gewicht und Beschaffenheit erstmals genannt, die die These stützen sollten, wonach das Relikt angeblich aus den Tiefen des Alls stamme. „Das Eisen ist mit einer dünnen Haut von magnetischem Eisenoxydoxydul überzogen, welche eine feine Runzelung zeigt. Der Holosiderit hat 67 mm grösste Höhe, 62 mm grösste Breite und 47 mm grösste Dicke; er wiegt 785 gr, hat 7,7566 specifisches Gewicht, die Härte des Stahls und enthält ausser chemisch gebundenem Kohlenstoff eine geringe Menge Nickel, ist aber bisher nicht quantitativ analysirt worden. Eine kleine Schliff-Fläche, welche mit Salpetersäure angeätzt wurde, lässt die bei Meteoreisen sonst gewöhnlichen Widmannstätten’schen Figuren nicht erkennen, wohl aber zwei verschiedene Metalllegierungen. Hierdurch, sowie durch seine kubische Spaltbarkeit, welche auch die Ursache der regelmäßigen Form ist, kommt er den berühmten Meteoreisen von Braunau in Böhmen und Santa Catarina in Brasilien sehr nahe.“

Wie aber sollte ein Meteorit in einer Kohlegrube gelandet sein? Der Bericht zu Adolf Gurlts Studie glaubt die Antwort zu kennen. Sie mutet für heutige Verhältnisse recht skurril an:

„Die Braunkohle, in welcher der Holosiderit gefunden wurde, wird zu Wolfsegg unterirdisch abgebaut; derselbe kann also nur während ihrer Bildung in der Tertiärzeit in dieselbe hineingefallen sein und somit gehört er zu einem der seltensten Funde von Meteoriten aus einer älteren geologischen Epoche.

Die langen Furchen auf den schmalen Flächen hatten besonders an eine nachträgliche künstliche Bearbeitung denken lassen; doch kommen solche rinnenartige Ausfurchtungen neben den Näpfchen bei den meisten Eisenmeteoriten vor. Die ganze äußere Erscheinung lässt sich durch die Annahme leicht erklären, dass der abgesprengte Eisenwürfel bei seinem Fluge durch die Atmosphäre, mit über 30 Kilometer Geschwindigkeit in der Sekunde, eine Rotation besaß, deren Axe rechtwinklig durch die Mitte seiner beiden Seitenflächen ging, daher diese nur an den Kanten abgesprengt wurde, während die ihn der Rotationsperipherie liegenden vier Flächen die tiefen Ausfurchtungen erhielten.“ War damit alles wissenschaftlich geklärt? Mitnichten. Ab diesem Bericht ging die Kontroverse um den „Eisenwürfel“ erst richtig los.

Falsche Fährten

Der Sitzungsbericht über Adolf Gurlts Expertise zum angeblichen Geschoss aus dem All enthält viele Mängel. Sie sind „hausgemacht“, weil der Gelehrte seinen Kollegen nicht das originale Beweisstück vorlegte, so wie das im Auftakt des Protokolls behauptet wird. Es waren lediglich Fotografien, die für eine Prüfung zur Verfügung standen. Ob Gurlt das Eisenrelikt überhaupt jemals selbst in der Hand gehalten hat, ist fraglich. Das geht aus den Recherchen von Hubert Malthaner und Adolf Schneider hervor. Die beiden Ingenieure besuchten 1973 das Heimathaus in Vöcklabruck und gehören zu den wenigen Autoren, die den ominösen Metallklotz tatsächlich im Original gesehen haben. Ihre Reportage über „Das Geheimnis des Salzburger Würfels“ wurde 1974 in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Esotera“ veröffentlicht.


Der „Eisenwürfel“ 1974 als Coverstory im Magazin „esotera“

Schon damals war bekannt, dass etliche Angaben von Adolf Gurlt nicht stimmen. Das Eisenrelikt sieht zwar wie ein geometrischer Körper aus, ist aber kein Würfel. Es entspricht vielmehr einer Trapezplatte mit aufgewölbten Seitenflächen, die etwa 50 dellenförmige Vertiefungen bedecken. Die vier schmalen Seitenflächen rund um das Objekt zeigen eine einheitliche Rinne von etwa 10 mm. Diese Eigenart im Gestein stiftete viel Verwirrung. Besonders nach der Veröffentlichung eines Artikels im französischen Wissenschaftsmagazin „Science & Vie“. In Ausgabe Nr. 516 vom September 1960 beschreibt der Autor Georges Ketman das Eisenrelikt mit den Worten „parallélépipède parfaitement régulier“ (ein „vollkommen regelmäßiger Quader“).

Etwas wirklich Regelmäßiges, quasi ohne Makel, gibt es an dem Fragment nicht. Mit der falschen Übersetzung aus dem Französischen wurde die Verwirrung weiter gesteigert. „Parallélépipède“ mutierte zu „parallel pipes“. Bald darauf erfuhren erstaunte Leser in Zeitschriften aus aller Welt, dass ein russischer Archäologe beabsichtige „nach Salzburg zu reisen, um dort parallel liegende Röhren aus poliertem Stahl zu analysieren, die tief in den Adern eines Kohlebergwerkes eingebettet liegen und auf ein Alter von 30.000 Jahren datiert sind“. Ein Musterbeispiel dafür, dass Fake News kein Phänomen des Internetzeitalters sind.

Was noch auffällt: Je nach Publikation weichen die Größenangaben des Wolfsegger Eisenstücks voneinander geringfügig ab. Das kann man innerhalb der Toleranzgrenze gelten lassen. Was aber hat es mit der immer wieder genannten Ortsangabe „Salzburg“ auf sich? Gemäß der Urquelle von Adolf Gurlt befand sich der Eisenfund im Besitz des Museums Carolino-Augusteum in der Stadt Salzburg. Das Museum existiert bis heute und wurde bis 2007 so genannt, heute heißt es „Salzburg Museum“, aber das Relikt aus Wolfsegg war dort vermutlich nie zu Gast.

 

Sorgte 1960 für Verwirrung: „Fake News“ im Fachmagazin „Science & Vie“

Die „Phänomene-Detektive“ Malthaner und Schneider glauben an eine Verwechslung der ähnlich klingenden Museumsnamen „Carolino“ und „Carolinum“. Belegt ist, dass das Original gemeinsam mit einer Replik aus Gips in den Jahren 1950 bis 1958 im „Museum Francisco-Carolinum“ zu Linz verwahrt wurde. Lag das Fundstück dort kurzfristig schon in früherer Zeit? Verwunderlich wäre das nicht. Im Carolinum-Palais, heute Sitz der Landesgalerie Linz, waren viele Jahrzehnte lang die naturhistorischen Schätze der Region untergebracht. In den 1960er-Jahren wurden die einzelnen Abteilungen in die „Oberösterreichischen Landesmuseen“ ausgelagert. Der Großteil der Sammlungen übersiedelte publikumswirksam ins Linzer Schloss.

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