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Wenn Gott wirklich antwortet

Ich war schon immer überzeugt, dass es einen Gott geben musste. Als Kind hatte ich mit ihm geredet, wenn es mir nicht gut ging.

Doch nach sechs Jahren katholischem Internat, Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre, wollte ich mit dem Thema „Gott“ nichts mehr zu tun haben. Diese Zeit war von strengen Regeln, harten Strafen und ständigem Druck geprägt gewesen. Am Ende dieser Internatszeit verbrannte ich mit ein paar Freunden feierlich unsere Bibeln und Gesangbücher.

Wieder zu Hause, wollte ich mein Leben nur noch in vollen Zügen genießen. Die Haare wurden länger, die Musik rauer. Nach kurzer Zeit war ich in der Heavy-Metal-Szene angekommen! Das Motto „Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll“ wurde zu meinem Lebensinhalt. Ich wollte um jeden Preis leben, einfach frei sein, meine wahre Identität finden! Dafür habe ich quasi alles mitgenommen, was geht. Die harten, ekstatischen und motorischen Beats der Rockmusik und ihre (meist satanischen und gottesfeindlichen) Texte übten immer mehr Macht über mich aus.


Während ich mich anfangs noch mit Bands wie Metallica, AC/DC und Böhse Onkelz begnügte, wurde der Musikstil später immer krasser. Bands wie Sepultura (Beerdigung) und Slayer (Mörder) gaben mir ein unglaubliches Gefühl von Selbstbewusstsein. Gepaart mit Drogenkonsum, hatte dies alles zur Folge, dass meine Leistungen in der Berufsschule massiv sanken und ich das ein oder andere Mal mit der Polizei in Konflikt geriet.

Doch während dieser Zeit fing auch Gott an, bei mir anzuklopfen, zum Beispiel durch einen Autounfall, bei dem ich während der Fahrt unter Alkohol eingeschlafen war und auf einem Acker landete. Wie durch ein Wunder passierte mir nichts! Auch geriet ich unter Alkohol und Drogen mehrmals in Polizeikontrollen, doch waren die Polizisten wie blind und ließen mich weiterfahren.

Und das dickste Ding war schließlich, dass der Staatsanwalt ein Verfahren gegen mich einfach einstellte. Ich war mit einem nicht angemeldeten bzw. unversicherten Auto unterwegs gewesen, hatte das Kennzeichen manipuliert, mir einen Beinahe-Frontalcrash und eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geleistet. Wie konnte es nun sein, dass ich nicht zur Verantwortung gezogen wurde? Irgendjemand schien mich zu schützen, jemand, der mich zum Nachdenken bringen wollte.

Alle die Dinge, von denen ich mir Freiheit und Erfüllung erhoffte, hatten mich stattdessen zunehmend im Griff! Ich war kein bisschen frei, sondern leer, unglücklich und einsam!

Ich interessierte mich wieder für das Übernatürliche. Es musste doch mehr geben? Durch das Beschäftigen mit Gläserrücken, Kartenlegen, Geisterbeschwörung usw. machte ich dann tatsächlich übersinnliche Erfahrungen, die mich anfangs total faszinierten.

Doch es dauerte nicht lange, bis ich immer öfter Alpträume hatte, tagsüber Angstzustände und Verfolgungsängste. Wenn sich Gegenstände bewegten oder ich Dinge voraussehen konnte, fand ich es nun nicht mehr lustig! Und plötzlich dachte ich permanent an meinen eigenen Tod! Die Geister, die ich gerufen hatte, wurde ich nun nicht mehr los!

Es kam mir vor, als wäre ich der einzige Mensch, der diese geheime Welt wahrnahm! Egal, wem ich mich anvertraute, keiner nahm mich für voll, jeder belächelte mich! Ich war kurz davor durchzudrehen!

Dann, als ich gefühlt am tiefsten Punkt angelangt war, erinnerte ich mich wieder an Gott. Aus tiefstem Herzen schrie ich zu ihm: „Gott, wenn es dich wirklich gibt, wenn du da bist, dann hilf mir bitte, ich kann nicht mehr!”

Nach einem anstrengenden Arbeitstag lief ich über eine große Wiese zu meiner Wohnung, das Gewicht meines Rucksacks auf der Schulter und meinen Kopf nach unten gesenkt! Plötzlich lag etwas direkt vor meinen Füßen. Es war ein kleines Kreuz aus Pappe, mit Worten darauf: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! (Jesaja 43,1 ELB).

Es war, als würde der lebendige Gott vor mir stehen! Die Worte fielen direkt in mein Herz! Ich war überwältigt und berührt! Gott selbst hatte mir geantwortet! Es war einfach übernatürlich! Eine unglaubliche Ehrfurcht ergriff mich, und ich fing an zu weinen. Trost und Hoffnung begannen mich zu erfüllen … Ich betete weiter: „Und jetzt? Was soll ich tun? Wie geht es weiter?”

Einige Tage später war ich in der Stadt. Mitten auf dem Marktplatz stand ein Bus, der als Café ausgebaut war, mit der Aufschrift LEBEN IST MEHR. Ich ging zu meinem Auto, doch es war seltsam: Ich konnte einfach nicht einsteigen. Es war, als würde eine Stimme sagen: „Geh zu dem Bus!“ Er zog mich an wie ein Magnet.

Ich schlich um den Bus herum. Es war mitten im Sommer, die Stadt war voll mit Leuten. Auf einmal sah ich durch die Menschenmenge hindurch einen jungen Mann, auf den ich irgendwie fixiert war. Auch er lief durch alle die Leute direkt auf mich zu.

Er hieß Markus, gehörte zu dem Café-Bus und war Christ. Ich ließ mich auf ein fünfstündiges Gespräch ein! Markus stellte mir eine Tasse Kaffee hin, auf der stand:

Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen (Jeremia 29,14 LUT).

Wow! Ich war sprachlos! Gott selbst hatte mich hierhergeführt.

Markus war der Erste, der mich ernstnahm. Anhand der Bibel zeigte er mir, dass es diese unsichtbare Welt wirklich gibt. Und er sprach von Jesus. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen und mein Herz war ganz weit offen! Ich wusste auf einen Schlag:

„All das ist wahr!”

An diesem Tag noch lud ich Jesus in mein

Leben ein und den ganzen Schutt und Dreck meines bisherigen Lebens bei ihm ab! Ich bekam ein neues Herz, ein neues Leben! Eine unbeschreibliche Erleichterung, tiefe Freude und Geborgenheit erfüllten mein Herz! Ich hatte Frieden mit Gott gefunden! Ich muss nicht mehr ziel- und orientierungslos durch das Leben stolpern!

Ich möchte dir Mut machen: Gott antwortet, wenn wir nach ihm fragen und ihn suchen! Nicht irgendeine unpersönliche Kraft oder ein höheres Wesen, Gott ganz persönlich! Sei mutig und vertraue ihm! Dein Leben wird zum wahren Abenteuer, wenn du es wagst! Jesus wartet auf dich. Worauf willst du noch warten?


Holger Zielonka | Jg. 1976 | verheiratet | 3 Kinder | Ravensburg | Heilerziehungspfleger

Im Trauma verloren – im Leben gefunden

Es kann viel passieren in einem Leben. Theoretisch kann man sich auf alles vorbereiten. Und dann passiert es doch – das Unerwartete.

Es war das Jahr 1991. Die Geburt unserer zweiten Tochter, Daniela, war nicht einfach. Die Ärzte nannten das in ihrem Fachjargon „Sturzgeburt“. Zuerst kam der Geburtsprozess nur sehr schleppend voran, und dann ging alles zu schnell. Meine Frau erlitt einen sehr hohen Blutverlust mit lebensbedrohlicher Ausdehnung. Die Ärzte handelten schnell, und dadurch wurde die Situation zu einem guten Ausgang gedreht.

Was damals nicht gedreht werden konnte, war das Trauma, in das ich gestürzt war. Ich stand in dem Kreissaal, und ein überwältigendes Gefühl von Hilflosigkeit überflutete mich – die Angst vor dem Verlust meiner Frau und die Ohnmacht, nichts an der Situation ändern zu können.

Mit Jesus hatte ich seit 1988 eine lebendige Beziehung. Er war mir in dem Jahr persönlich begegnet, so wie damals den Jüngern nach der Auferstehung. Wir hatten längere Zeit miteinander gesprochen. Und dennoch stand ich nun mit diesem Gefühl der Gottverlassenheit tief in meiner Seele da. Mein Herz war wie betäubt. Da verstand ich im Kern den Satz „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“. Es ist ein erschütterndes Gefühl, aus dem man nicht fliehen kann.

Nachdem sich die Situation äußerlich beruhigt hatte, kam die Hebamme mit Daniela auf mich zu. „Wollen Sie Ihre Tochter auf den Arm nehmen?“, fragte sie mich. „Danke, kein Bedarf!“, war meine harte und ablehnende Antwort. Mein Verstand wusste zwar, dass Daniela für den Verlauf der Geburt nicht verantwortlich war. Aber meine zutiefst verletzte Seele und mein verlassenes Herz sprachen andere Gedanken aus. Der Schock und die innere Erstarrung waren meine Schutzreaktion. Der Körper schaltete auf „Funktionsmodus“ um, und ich funktionierte nur noch über den Verstand.

Dieser Zustand hatte leider ein Problem zur Folge: Ich war nicht mehr beziehungsfähig gegenüber Daniela. Aus meinen Emotionen heraus warf ich ihr vor: „Was hast du meiner Frau angetan! Das hat sie nicht verdient, und es ist nicht fair!“ Ich war nicht fähig, diese Emotion zu verdrängen. Die Beziehungslosigkeit zwischen Daniela und mir wurde zu einer permanent vorhandenen Mauer. Meine Frau litt unter diesem Umstand, aber sie machte mir keinen Vorwurf und klagte mich nicht an; sie verstand.

Auch nach einem halben Jahr hatte sich mein emotionaler Zustand noch nicht geändert. Ich hatte das Trauma in mir verkapselt. Keiner kam da heran, auch Jesus nicht, denn beim Öffnen dieser Kammer hätte ich mit offenem Visier dagestanden. Eine Aufarbeitung und die Verarbeitung der Wut auf das Leben hätte mir den „Sinn“ für das Leben genommen, denn dazu war meine Wut geworden!

Dann musste nachträglich ein operativer Eingriff bei meiner Frau vorgenommen werden. Während sie im Krankenhaus war, passierte es.

Ich brachte Daniela und ihre ein Jahr ältere Schwester abends ins Bett. Beide schliefen in einem Zimmer. Die Nacht verlief ruhig und ohne Probleme. Am nächsten Morgen beim Aufwachen hatte ich vor meinen inneren Augen den Schriftzug: „Daniela ist tot!“ Es war eine absolute Gewissheit, ohne jeden Zweifel! Ein weiteres Trauma ...

 

Ich stand auf und ging leise ins Kinderzimmer. Es war alles ruhig, die ältere Schwester schlief. Dann hob ich die Kinderbettdecke von Daniela hoch. Sie lag mit blauem Gesicht und heraushängender Zunge auf dem Bauch. Es war glasklar, sie war tot!

Erneut schaltete mein innerer Mensch in den erwähnten Funktionsmodus. Ich verließ das Zimmer und rief meine Eltern an. „Könnt ihr bitte die ältere Schwester in einer halben Stunde abholen?“ Auf die Frage „Warum?“ gab ich keine Antwort. Der nächste Schritt war das Aufwecken und Anziehen der älteren Schwester. „Daniela schläft noch. Oma und Opa holen dich jetzt ab. Sie passen auf dich auf.“ Meine Eltern kamen und nahmen sie mit. Ich ließ sie nicht in die Wohnung. Danach informierte ich den Notarzt. Meine Emotionen befanden sich erneut in einer Erstarrung (der Fachausdruck dafür ist „frozen state“, übersetzt „Totstellreflex“). Und wieder konnte ich der Situation nicht entfliehen.

Der Notarzt versuchte Daniela zu reanimieren, ohne Erfolg. Bei der

Obduktion wurde der Todeszeitpunkt auf Mitternacht festgelegt. Die

„Reanimation“ eines Menschen ist eine entwürdigende Handlung. Der Notarzt holte den toten Körper aus dem Bett. Er drückte und kniete sich darauf, bis die ersten Knackgeräusche auftraten.

In den Folgejahren, bis vor etwa sechs Jahren, war ich unfähig, in einen Trauerprozess einzutreten. Was ich nach wie vor spürte, waren Wut, Enttäuschung, Schuld und die unbeantwortete Frage „Warum?“. In mir reifte die Erkenntnis, dass mein Leben so nicht weitergehen durfte! Ich wollte wieder leben: in innerer Freiheit, in Versöhnung mit meiner Biographie – auch bezüglich der dritten und behinderten Tochter. Ich wollte in innerer Gemeinschaft mit meiner Frau leben und in Versöhnung mit dem lebendigen Gott.

Mein Weg führte mich zu einer Verhaltenstherapie bei einer Psychotherapeutin. Meine Versuche mit christlicher Seelsorge im Vorfeld waren fehlgeschlagen. Warum? Zu schnell kam der im Kern richtige und gut gemeinte Ausspruch: „Lege es an das Kreuz. Gib es an Jesus ab. Lade das Schuldgefühl ab!“

Die Verhaltenstherapie half mir, hinzusehen und meine Emotionen bewusst wahrzunehmen, die Gefühle auszuhalten und die tief empfundene Schuld auszusprechen. Und schließlich konnte ich mich mit mir selbst und meiner Biographie aussöhnen! Auch die Beziehung zu meiner Frau erfuhr eine tiefgreifende Heilung. Bezüglich der Beziehung zu dem dreieinigen Gott erlebte ich ihn neu als Vater in meinem Herzen. Er zeigte und schenkte mir seinen Frieden, der über alle Vernunft hinausgeht. Das habe ich erlebt!

Heute bin ich ein fest in mir und in der Gottesbeziehung gegründeter Mensch. Vergebung, Barmherzigkeit, Gnade, die Wahrnehmung meiner eigenen Person und die von anderen sowie eine neu gewonnene Liebe zu Menschen und zum Leben sind meine neue Lebensqualität. Die herzliche, tiefe Vaterbeziehung zu Gott gibt mir Hoffnung, Zuversicht und den Glauben an neue Perspektiven für jeden Menschen.

Meine Überzeugung ist: Jeder im Herzen zur Veränderung bereite Mensch kann auch Veränderung erleben! Es kann seine Zeit dauern. Prozesse sind notwendig. Manchmal sind sie auch schmerzhaft. Ich möchte Menschen zu dieser Bereitschaft verhelfen, ohne ihnen meine Lösungen überzustülpen. Der betroffene Mensch ist selbst Teil der Lösung. Das Problem liegt im „System“ und nicht in dem Menschen selbst. Deshalb kann eine tragfähige Lösung nur aus dem Betroffenen selber kommen.

Meine Lebenswunden sind heute vernarbt wie die Wundmale von Jesus, aber sie bluten nicht mehr! Es kann keine Verbitterung, Wut usw. mehr eindringen. Die Narben erinnern mich, und gleichzeitig ist eine unendliche Dankbarkeit gegenüber Gott da. Meine Tochter ist in meinem Herzen. Eine positive Traurigkeit kommt ab und zu auf, aber darüber freue ich mich. Sie zeigt mir: Ich vergesse nicht!

Deshalb setze ich mich für Menschen ein!


Holger Harsch | Jg. 1967 | verheiratet | 3 Töchter (eine verstorben) | Aalen | Lebensberater | www.lebensberatung-ostalb.de

Der Autor unserer Lebensgeschichte

Ich habe mich gefragt, ob es etwas Besseres gibt, als nur ein spannendes Buch zu lesen oder zu hören. Tatsächlich ist mir etwas eingefallen, und zwar den Autor selbst kennenzulernen und ihn Schritt für Schritt auf seinem Weg bis zum fertigen Buch zu begleiten. Ich stelle mir das richtig spannend vor!

Ich kann mir denken, dass es dich genauso faszinieren könnte, vor allem, wenn es um die realste Geschichte geht, die du dir vorstellen kannst: deine persönliche Lebensgeschichte! Stell dir vor du dürftest den Autor deines Lebens kennenlernen. Welcher Autor? Sind wir nicht selbst die Autoren unserer Geschichte?

Ich möchte dir schildern, wie ich das erlebe:

Seit vielen Jahren schreibe ich Tagebuch. Der Auslöser war ein Einsatz in Rostock. Ich wollte Gottes tägliches Wirken festhalten. Eigentlich erwartete ich spektakuläre Dinge, wie z. B. Heilungen oder Bekehrungen, aber es verlief ganz anders. Meine Einträge beschrieben oft normale Begegnungen mit Menschen, welche wenig von Gott wussten, und erzählten auch von peinlichen Momenten. Am Ende des Einsatzes hatte ich viele kleine Geschichten zu Papier gebracht, und obwohl die meisten davon unseren „stinknormalen“ Alltag beschrieben, entdeckte ich Gottes wunderbare Handschrift darin. Damals war ich so begeistert, dass ich meinen Alltag weiterhin in Tagebüchern festhielt. Ich weiß, das ist nicht „jederMANNs Sache“! Für mich persönlich ist es eine meiner liebsten Beschäftigungen.

So habe ich Gottes Handschrift in meinem Leben entdeckt und wie sie meine Geschichte auf wundersame Art und Weise gestaltet. Je mehr ich mein eigenes Leben verfolge und aufschreibe, desto deutlicher wird das. Gott selbst ist der große Geschichtenschreiber – der mich ins Schreiben meiner Lebensgeschichte mit hineinnimmt. In der Bibel macht er nichts anderes. Mit einzelnen Menschen schreibt er Geschichte, welche Auswirkungen für den engen Bekanntenkreis, für ein ganzes Volk und letztendlich für die ganze Welt hat. Gott schreibt Weltgeschichte, und du und ich sind Teil davon. Ja, wir dürfen diese sogar mitgestalten. Was für ein Privileg!

Je tiefer ich das erkenne, desto mehr liebe ich es, den großen Geschichtenschreiber in den kleinen und unscheinbaren Dingen zu entdecken und mir so meinen Alltag wertvoll zu machen.

Beim Schreiben vor ein paar Tagen tauchte beispielsweise die Frage in mir auf, für was ich Sportwissenschaften studiert hatte. Auslöser war die E-Mail einer ehemaligen Mitstudentin. Sie arbeitete mittlerweile in der Sportbranche, wie viele andere Mitstudenten auch. Ich selbst konnte mir damals nicht so richtig vorstellen, im Sportsektor zu arbeiten und machte mich auf die Suche, wie es weitergehen könnte. Über „Umwege“ bin ich an die Evangelische Missionsschule Unterweissach gekommen und mache nun eine Ausbildung zum Jugendreferenten.

Es wird also noch ein paar Jahre länger dauern, bis ich arbeite, mehr als mir lieb ist. Wieso hatte sich der Verlauf meiner Geschichte so drastisch geändert, und wo wird sie nun hinführen? So kam es, dass ich in meinem Tagebuch meinen Gefühlen nachging.

Immer wieder erinnert Gott mich daran, dass es einfach unsinnig ist, meine Geschichte mit anderen zu vergleichen. In den meisten Fällen scheinen die anderen besser abzuschneiden, und ich bin mal wieder entmutigt und stelle Gottes Wege in Frage. In solchen Momenten hilft es mir immer wieder, mich daran zu erinnern, dass wir schon einige Kapitel Lebensgeschichte geschrieben haben. Mal ging ich aus Angst, einen falschen Weg einzuschlagen, keinen Schritt weiter. An einem anderen Punkt ging ich ein Risiko ein und stellte im Nachhinein fest, dass Gott meine Wege irgendwie doch vorbereitet hatte. So ist das mit den Geschichten – man kann meistens nur erahnen, wo es hingehen könnte.

Das begeistert mich an Lebensgeschichten, und deshalb würde ich auch gerne deine Geschichte hören. Egal wo du stehst, was du erlebt oder (noch nicht) erreicht hast … deine Geschichte lohnt sich, gehört zu werden. Und solange der große Geschichtenschreiber noch am Schreiben ist, wird deine Geschichte weitergehen.

Wenn du dir schon mal überlegt hast, Tagebuch zu schreiben, dann möchte ich dich dazu ermutigen, damit anzufangen. Es ist egal, ob du das jeden Tag machst, einmal die Woche oder einmal im Monat. Falls du nicht so gerne schreibst, verfasse ein Audio, mache eine Bilderkollage etc. Wie du Gottes Wege mit dir reflektierst, ist dir überlassen, es wird sich auf jeden Fall lohnen.

Ich will dich dazu ermutigen, die kleinen und oft unbedeutenden Geschichten deines Alltags wahrzunehmen, denn in diesen wirst du den Autor deiner persönlichen Geschichte entdecken. Ja, du wirst Gottes Handschrift in deinem Leben mehr und mehr erkennen.


Emmanuel Kyeremeh | Jg. 1995 | ledig | Weissach im Tal | Schüler (Evang.

Missionsschule Unterweissach)

Freiheit für andere

Ende Juni 2014 erreichte mich eine ganz und gar unerwartete Nachricht, bei der ich nicht anders konnte, als ein paar stille Tränen zu verdrücken: „Die vietnamesische Gewerkschafterin Do Thi Minh-Hanh ist freigelassen worden!“ Für solche viel zu seltenen Momente arbeiten wir bei Parlamentarier schützen Parlamentarier und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag. Und ich war mitbeteiligt, dass es dazu kommen konnte. Was für ein überwältigendes Gefühl! Doch der Reihe nach.

Der Einsatz für Gefangene gehört bereits jahrzehntelang zu meinem Leben. Bis ich Bundestagsabgeordneter wurde, habe ich mich dabei weder als Politiker noch als Aktivist gefühlt. Es hatte sich einfach so ergeben. Meine Eltern hatten mich schon in ziemlich jungen Jahren auf ihre Reisen hinter den „Eisernen Vorhang“ nach Rumänien oder in die DDR mitgenommen. Natürlich lernte ich dort Leute in meinem Alter kennen. Als unser Freund Manni von der Securitate verhaftet und ins Gefängnis geworfen wurde, ging ich mit auf eine Demonstration vor der rumänischen Botschaft in Köln, auf der wir seine Freilassung forderten. Dass wir uns für ihn einsetzten, ermutigte wiederum eine ganze Reihe Mitglieder in Mannis Gemeinde, die Prozesse gegen Christen zu besuchen. Leise betend saßen sie fortan hinten im Gerichtssaal. Das war gelebte Solidarität. Viele der Angeklagten wurden durch diese Unterstützung ermutigt. Mich hat das beeindruckt. Oft sind es die kleinen, scheinbar unbedeutenden Gesten, die anderen Menschen in bedrängten Situationen Kraft geben. Dafür reicht es zu signalisieren: Du bist nicht allein, ich bin für dich da. Denn für einen Gefangenen beginnt Freiheit, wenn er weiß: Ich bin zwar weggesperrt, aber nicht vergessen.

Anfang der 1980er-Jahre hatte ich einen Brieffreund in der DDR. Lange und schon gar allzu offene Briefe verboten sich von selbst, weil wir wussten, dass alle Briefwechsel zwischen West und Ost kontrolliert wurden. Die Stasi las sozusagen mit. Aber alleine der Kontakt an sich war wertvoll. Er schlug für uns beide eine Brücke in das jeweils so ganz andere Deutschland.

Manchmal erfordert der Einsatz für Menschen in schwierigen Situationen Mut, aber im Großen und Ganzen hat es mich nicht viel gekostet. Mir scheint es so, dass wir uns viel zu oft abschrecken lassen, weil wir unsere Möglichkeiten für zu klein halten. Oder wir warten vergeblich auf die Gelegenheit zu der einen ganz großen Aktion. Dabei ist das Wichtigste nach meinem Dafürhalten, dass wir einfach nur die kleinen Chancen ergreifen, die sich uns auf unserem Weg bieten. Nicht Strohfeuer, sondern Glut, kein kurzfristiger Aktionismus, sondern Kontinuität – wenn ihr versteht, was ich meine.

Beruflich hatte ich lange Zeit mit Mathematik oder Technik geliebäugelt, aber ich entschied mich schließlich für ein Studium der Sozialarbeit. Über das Café der Heilsarmee in Freiburg führte mich mein Weg zwölf Jahre in die „Heilse“ nach Chemnitz. Von Anfang an habe ich mich für die Vorgänge im Stadtteil interessiert und mich eingemischt, wenn ich die Chance sah, dass etwas besser werden könnte. Mir war gar nicht bewusst, dass das schon als „politisch“ angesehen werden kann. Irgendwann trat ich in die CDU ein, weil ich spürte, dass mein Engagement dadurch möglicherweise wirkungsvoller werden könnte. Kurz darauf entschied ich mich, für den Bundestag zu kandidieren. Eigentlich ein aussichtsloses Unterfangen. Dass ein völliger Newcomer überhaupt von der Basis nominiert wird, ist die absolute Ausnahme. Und ich habe es tatsächlich geschafft, das Direktmandat für meine Partei in Chemnitz zurückzugewinnen. All das kommt einem Wunder gleich.

 

Als Bundestagsabgeordneter habe ich nun eine ganze Reihe von Möglichkeiten, für die Freiheit von Gefangenen zu kämpfen. Das sehe ich als Privileg und als Verpflichtung zugleich. Der öffentliche Einsatz von uns Parlamentariern hat für die vietnamesische Gewerkschafterin MinhHanh einen Unterschied gemacht.

Als Mitglieder des Menschenrechtsausschusses bekommen wir regelmäßig Informationen zu politischen Gefangenen. Immer wieder kommt es auch zu Besuchen von deren Freunden oder Angehörigen im Deutschen Bundestag, wo die Besucher uns Abgeordneten die jeweilige Lage der Betroffenen schildern.

Anfang 2014 wendete sich die Menschenrechtsorganisation VETO! an uns. Sie bat um einen Gesprächstermin mit Abgeordneten für die Mutter von Frau Minh-Hanh und gab uns in einem Brief folgende Hintergrundinformationen: Frau Do Thi Minh-Hanh, geb. 1985, ist Buchhalterin in der vietnamesischen Provinz Lam Dong. Schon im jungen Alter von 16 Jahren engagiert sie sich für die „Opfer der sozialen Ungerechtigkeit“, die sich gegen die unrechtmäßige Beschlagnahmung ihrer Grundstücke und Häuser wehrten. Später tritt sie in das Komitee zum

Schutz der Arbeiter in Vietnam ein. Nach einem von ihr mitorganisierten Streik in einer Schuhfabrik in der südvietnamesischen Provinz Tra Vinh wird sie Anfang 2010 verhaftet und im Oktober wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Rechtsbeistand zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie wird im Gefängnis mehrmals gefoltert und brutal misshandelt, nur weil sie kein Geständnis ablegen will. Der Haftort von Frau Minh-Hanh wechselt ständig, um Besuche zu erschweren. Dadurch kann sie kaum von ihrer Familie mit Lebensmitteln versorgt werden, was jedoch für sie als unterernährte Gefangene lebensnotwendig ist.

Der Menschenrechtsausschuss nahm die Bitte von VETO! auf und lud Frau Minh-Hanhs Mutter in den Bundestag ein. Eine bewegende, aufrüttelnde Begegnung. Da der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in dem ich ebenfalls Mitglied bin, bald darauf eine Reise nach Vietnam plante, versprach ich der Mutter, während meines Aufenthaltes einen Besuch bei ihrer Tochter zu beantragen. Die Aussichten waren gering, in den Jahren davor hatte kein einziger europäischer Abgeordneter ein vietnamesisches Gefängnis besuchen dürfen. Doch mir war bewusst: Auch wenn das Treffen nicht zustande kommen würde, war allein der Antrag auf diesen Besuch eine politische Botschaft. Die vietnamesischen Behörden würden erfahren: Wir schweigen nicht!

Die erste Antwort bekam ich vor Ort: Abgelehnt, es sei nicht möglich, die Gefangene zu treffen. Am nächsten Morgen kommt die überraschende Kehrtwende: Mir wird die Erlaubnis erteilt, die junge Frau im Gefängnis zu besuchen. Die Gesprächsatmosphäre ist positiv, Frau Minh-Hanh berichtet sehr offen. Sie spricht über Gewalt, die ihr persönlich zugefügt wurde. Am Ende des Gesprächs übergebe ich ihr in einem unbemerkten Moment meine Visitenkarte mit einer schnell hingeworfenen Nachricht und verspreche ihr zum Abschied, ihren Fall auch öffentlich zur Sprache zu bringen. Das tat ich mit einer Pressemitteilung.

Um ehrlich zu sein: Meine Hoffnung, dass dieser Besuch und die Pressemitteilung zu einer baldigen Freilassung führen könnten, war nicht allzu groß. Doch es ist allemal besser, einen Strohhalm zu ergreifen, als tatenlos zuzusehen. Und hatte nicht der Besuch selbst schon jeder Wahrscheinlichkeit widersprochen? Als dann nach ziemlich genau zwei Monaten die Nachricht von Do Thi Minh-Hanhs Freilassung eintraf, war das einer der Gänsehautmomente in meiner Zeit im Deutschen Bundestag.

Ich mache es kurz: Frau Minh-Hanh wollte nach Österreich ausreisen, um ihre kranke Mutter zu besuchen. Zunächst bekam sie ein Visum, wurde aber am Flughafen erneut verhaftet. Im Dezember 2015 hielt ich bei meiner Rede im Plenum zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern ein Bild von ihr in die Höhe. Ich war überrascht, welche Kreise diese Rede zog.

Wenige Tage danach schrieb mir ein vietnamesischer Menschenrechtsaktivist, dass er mit einigen anderen eine kleine Aktion zu meiner Rede gemacht hatte: Sie wurde ins Vietnamesische übersetzt und durch ein Interview mit mir ergänzt.

Lange Rede, kurzer Sinn, mittlerweile hat mich Frau Minh-Hanh im Bundestag besucht. Ich kann es kaum beschreiben, was mir das bedeutet. Ganz klar, mein Einsatz war nicht der einzige Grund, warum Frau Minh-Hanh freigelassen wurde. Besonders Michael Brand, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Pate von Frau Minh-Hanh bei „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ hat sich ebenfalls stark engagiert. Neben guter Zusammenarbeit braucht es eben doch viel Vorbereitung, damit ein Wunder geschehen kann. Viel wichtiger als „das Wunder zu feiern“ ist mir jedoch, dass wir den Mut haben, das anzupacken,

was uns vor die Füße fällt. Nicht jedes Mal etwas Neues versuchen, sondern kontinuierlich in dieselbe Kerbe schlagen. Wenn dann „eine Frau Minh-Hanh“ dabei herauskommt, umso besser! Das wünsche ich uns zwar, aber darauf kommt es letztendlich nicht an.

Zum Abschluss möchte ich noch betonen: Mir geht es ganz und gar nicht darum, dass sich jeder von euch für Gefangene engagiert, ich möchte euch aber Mut machen, das anzupacken, was ihr vor euren Füßen findet.


Frank Heinrich | Jg. 1964 | verheiratet | 4 Kinder, 6 Enkelkinder | Sozialpädagoge, Theologe und direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Chemnitz | www.frankheinrich.de

Eine ausführlichere Darstellung der Ereignisse um die Freilassung von Frau Do Thi Minh-Hanh findet sich in meinem Buch „Frank und Frei: Warum ich für die Freiheit kämpfe".

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