Harka

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»Legst du Wert auf meine Freundschaft, du Hohlkopf?«

»Großen.«

»Das ist dein Glück. Komm!«

Halb betäubt ließ sich Ben durch den Wald führen. Es war ein weiter und beschwerlicher Weg, den ihn der andere mitschleppte. Mehr als einmal stolperte Ben aus Erschöpfung, denn seine vierzig Sommer und Winter hatte er schon auf dem Buckel, und seine Kräfte reichten auch in normalem Zustand nicht mehr an diejenigen des jungen rothaarigen Burschen heran. Als die beiden endlich zu den Pferden kamen, machte Ben sofort die Satteltasche auf und griff gierig nach seiner eisernen Ration von Trockenfleisch.

»Das hab ich dir gelassen«, sagte der andere spöttisch, »und jetzt mach dich davon!«

»Ich hab keine Waffen ...«

»Mir doch egal; warum hast du sie verloren? Ab mit dir und schau in deinem ganzen Leben die Black Hills nicht mehr an, kapiert?«

»Kapiert.« Ben seufzte sehr tief. Dann bestieg er sein Pferd und lenkte es vorsichtig durch den Wald, um sich schließlich südostwärts durch die Prärie davonzumachen. Er fror jämmerlich in seinen nassen Kleidern, aber er kannte nur noch einen Gedanken: aus dem Machtbereich des anderen zu entkommen. Es hatte ihn jedoch eine derartige Furcht vor diesem Menschen gepackt, dass er im tiefsten Innern entschlossen war, die Handelsstation am Niobrara, die dem anderen nützlich schien, aufzumachen. Mit so einem Teufelskerl musste man sich gutstellen ... und vielleicht konnte er am Niobrara wirklich wieder etwas verdienen, mit weniger Risiko als in dieser Höhle, die mit ihren wirren Gängen und wilden Wassern eine einzige große Menschenfalle war.

Der andere lachte vor sich hin, sobald er von einem Baum aus beobachtet hatte, dass Ben tatsächlich im Galopp das Weite suchte. »Der Hohlkopf«, sagte er noch einmal. »Einer allein wird das Gold finden ... und der eine bin ich.«

Er lief zu seinem Pferd zurück, aß den Rest einer Jagdbeute vom Vortag, ohne Feuer zu machen, und legte sich dann bei seinem Tier für ein paar Stunden schlafen. So, wie er es sich vorgenommen hatte, wachte er wieder auf. Es war schon dunkel. Das störte ihn bei seinem Vorhaben nicht. Da er wusste, dass die Bärenbande mit ihren Zelten fortgezogen war, begab er sich ohne viel Vorsichtsmaßregeln zu dem Waldhang, an dem sich der Felsen mit jenem Höhleneingang befand, den Mattotaupa und Harka benutzt hatten. Auch der Fremde gelangte mit Hilfe des Lassos zu der Öffnung und stieg vorsichtig ein. Er tastete sich weiter und hörte das Wasser rauschen, das Ben zum Verhängnis geworden war. Als er den unterirdischen Bach erreicht hatte, setzte er sich auf den Höhlenboden und schlug Feuer, um sich die Umgebung genau zu betrachten. Immer wieder musterte er den Seitengang rechter Hand, aus dem das Wasser herauskam, um dann nach links hin in die Tiefe zu stürzen.

»Verdammt noch mal«, sagte er zu sich selbst, »und noch mal verdammt und dreimal verdammt – hier ist das Einzige, was der dumme Hund mir nicht gestanden hat – warum er durchaus da hinauf wollte, wo das Wasser herunterkommt – da muss doch was dran sein.«

Er betrachtete wieder die Felsen. »Da kommt aber keiner hinauf, nicht mal ich, der Rote Jim, schaffe das ... Aber dreimal verdammt, was wollten die Rothaut und die kleine Rotznase hier? Ausgerechnet hier? Da muss was dran sein, aber ich komme nicht auf den Trick, Himmel und Hölle ... Und der dumme Hund hat den Trick auch nicht gekannt, sonst wäre er nicht mit dem Wasserfall runtergesegelt ...«

Der Funken erlosch.

»Also aus für heute. Muss anders eingefädelt werden, irgendwie ganz anders. Aber es wird mein Revier, und es soll sich kein anderer hier blicken lassen. So wahr ich der Rote Jim bin.«

Grimmig machte er sich auf den Rückweg und schlief noch eine Stunde bei seinem Pferd.

Am kommenden Morgen befand sich Red Jim mit seinem Pferd am Waldrand und betrachtete hier die Fährte des Wanderzuges der Bärenbande, die noch deutlich sichtbar war. Er blinzelte in die Sonne und sonnte sich innerlich noch einmal an dem Erfolg, den er über den zahnlosen Ben davongetragen hatte. Er war überzeugt, dass dieser Händler und Schmuggler und Goldsucher und was er sonst noch alles in seinem Leben gewesen sein mochte, ihm, dem Roten Jim, gehorchen würde. Die Sache mit der Handelsstation am Niobrara, die der zahnlose Schwarzhaarige aufmachen sollte, war ein plötzlicher Einfall Jims gewesen, aber nicht ganz ohne Zusammenhang. Als er zu den Black Hills ritt, hatte ihm in den vorgeschobenen Grenzgegenden eine Gelegenheit zum Einkauf gefehlt. Diesem Mangel konnte ein unternehmungslustiger Handelsmann wie Ben abhelfen. Er sollte nur nicht zu unvorsichtig werden. Aber die Lust zu selbständigen Abenteuern war ihm wohl vergangen.

Eine solche Macht, wie Jim sie über Ben gewonnen hatte, hatte er schon als Junge über seine Altersgenossen ausgeübt, denn er war schlau, stark und gewissenlos, und sie fürchteten ihn alle. Er freute sich seiner bösen Macht, aber es wurmte ihn auch, dass er in der Höhle nichts gefunden hatte und auch nicht im Flusssand. Nicht ein Staubkorn Gold! Und doch ging das Gerücht um von ungeheuren Schätzen, und er wollte der Erste sein – er musste der Erste sein – er würde der Erste sein! Er allein. Es war sein Revier geworden.

Als er mit seinen Entschlüssen so weit gekommen war, tat er etwas, was gar keinen Zusammenhang mit den eben gehegten Gedanken zu haben schien: Er lenkte sein Pferd aus dem Wald und ritt gemächlich der Fährte nach, die der Zug der Bärenbande zurückgelassen hatte.

Feindliche Nachbarn

Der zweite Tagesmarsch der Bärenbande führte wiederum südwärts. Harka saß auf seinem lebhaften Scheckenpferd. Er ließ die Augen immer wieder in die Runde gehen. Vor allem aber spähte er nach Süden in Richtung der neuen Jagdgründe, in denen man Büffel zu finden und wieder satt zu werden hoffte. Es wurde nicht gesprochen. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken und Beobachtungen beschäftigt. Hoch oben in den Lüften zog ein Raubvogel seine Kreise. Hawandschita und Mattotaupa lenkten gegen Mittag stärker nach rechts, also südwärts, und unter schimmernden Schneekronen, von der Sonne gleißend beleuchtet, tauchten die Umrisse des fernen Felsengebirges im Gesichtskreis auf.

Als die Sonne sank, war eine Strecke von siebenundfünfzig Kilometern bezwungen. Männer, Frauen und Kinder kümmerten sich nicht um die Pracht des roten Sonnenballs, der Himmel und Prärie noch einmal mit seinen Strahlen übergoss, ehe er unter dem Horizont entschwand. Sie fröstelten leicht in der Kälte, die mit der Dunkelheit kam, und die Frauen und Mädchen hantierten so schnell und gewandt wie je, um die dreißig Zelte aufzuschlagen, die Schutz für die Müden versprachen.

Die Jungen und Mädchen schliefen in ihren Decken sofort ein und erwachten erst wieder, als die Sonne im Osten mit verjüngter Herrlichkeit aufging. Man hatte auch in dieser Nacht an einem kleinen Wasser gelagert, und es zeigte sich in der Frühe, dass es zwei geeignete Badeplätze gab. Zu dem einen gingen die Frauen und Mädchen, zum anderen die Männer und Jungen. Harka bedauerte sehr, dass der Wasserlauf sogar jetzt im Frühling so seicht war, dass man nicht darin schwimmen konnte. Im Sommer musste dieser Bach wohl ganz versickern. Der Junge legte sich in das Rinnsal, tummelte sich und spritzte sich mit dem jüngeren Harpstennah. Nach dem Bad rieben sich die Kinder mit Sand ab und salbten sich mit Bärenfett ein; das machte die Haut geschmeidig und unempfindlich gegen Sonne, Wind und Kälte. Im Tipi gab es an diesem Morgen Wolfsfleisch zu essen; es schmeckte schlecht, war aber besser als gar nichts.

Nach dem Frühstück bis zum Aufbruch blieb noch ein wenig Zeit. Untschida, die Großmutter, saß bei der Feuerstelle und sortierte einige Kräuter, die sie am Bachufer gesammelt hatte. Harka schaute mit seiner Schwester Uinonah zu. Die Großmutter erklärte den Kindern die Heilkräuter: Diese, sagte sie, seien gut, um auf offene Wunden gelegt zu werden, jene aber dienten zum Verheilen der Narben. Uinonah war sehr aufmerksam, denn sie wollte einmal eine ebenso angesehene Geheimnisfrau werden, wie es die Großmutter war. Harka hatte weniger Geduld. Er fragte Untschida, ob sie glaubte, dass die Krieger der Bärenbande bald Wunden empfangen würden, für die sie die Heilkräuter brauchten.

»Du liest meine Gedanken, Harka Wolfstöter«, antwortete die Mutter Mattotaupas. »Wir ziehen dorthin, wo die Sonne gegen Mittag steht. Dort aber wohnen die Pani, die den Dakota feind sind. Auch sie wollen Büffel jagen, und wenn wir ihnen begegnen, müssen unsere Männer kämpfen.«

»Das Dakotaland reicht bis zu einem großen Fluss, hat mein Vater gesagt, und die Pani haben kein Recht, diesen zu überschreiten!«

»Das sagen die Häuptlinge und Krieger der Dakota. Die Häuptlinge und Krieger der Pani aber denken anders über die Grenzen der Jagdgefilde.«

Untschida hatte noch mehr sagen wollen, aber sie unterbrach sich, denn die Mutter der Kinder kam herein. Sie war erregt und berichtete, dass die Späher Spuren gefunden hätten, fremde Fährten in der Nähe des Zeltlagers.

Harka lief daraufhin sofort aus dem Tipi. Er wollte Näheres darüber erfahren, um was für Spuren es sich handelte.

Er sah, wie Mattotaupa und Sonnenregen zusammen vor dem Zauberzelt standen, als ob sie zu Hawandschita hineingehen wollten. Die beiden Männer hatten den Schritt kurz vor dem Tipi des Zaubermannes angehalten. Sonnenregen sprach auf Mattotaupa ein. Es schien, als ob er den Häuptling für seine Auffassung schon gewinnen wollte, noch ehe die Beratung mit dem Zaubermann begann. Die beiden Männer konnten sich anscheinend nicht einigen. Sie brachen schließlich ihr Gespräch ab und gingen zusammen in das Tipi des Zaubermannes. Damit waren sie für Harka verschwunden.

 

Der Junge stellte sich auf die Zehenspitzen, unschlüssig, ob er zu dem eigenen Zelt zurückgehen oder Tschetan suchen oder sich mit einigen Jungen Hunden zusammenfinden sollte. Da wurde ihm die Entscheidung abgenommen, denn Tschetan fand sich überraschend ein.

»Was stehst du da wie ein Büffel, der die Herde verloren hat?«, fragte er den Jungen.

»Sie beraten in Hawandschitas Zelt.«

»Weißt du, worüber?«

»Über die Fährten«, riet Harka.

»Und was denkst du?«

»Unsere Kundschafter haben Spuren gefunden. Was soll ich darüber denken, da ich die Spuren doch nicht gesehen habe? Erst muss ich sie sehen, dann kann ich über sie nachdenken.«

»Hau. Soll ich dir die Spuren zeigen?«

»Ja!« Harkas ganzer Körper spannte sich wie eine Bogensehne unter der Hand eines Kriegers.

»So komm.«

Tschetan lief mit Harka im Dauerlauf in die Prärie hinaus.

Schonka stand bei seinem verwaisten Zelt und schaute den beiden nach.

Tschetan und Harka hatten nicht weit zu laufen. Etwa dreihundert Meter vom Zeltplatz entfernt befand sich eine der flachen Bodenwellen, in denen die ganze Prärie verlief, und an ihrem Seitenhang, an einer kleinen Senke zwischen dieser und der nächsten Bodenwelle, war eine der Spuren zu sehen, die Tschetan Harka zeigen wollte. Tschetan wartete, was der Junge sagen werde.

Harka betrachtete die Stelle lange und sorgfältig. Er wusste, dass er geprüft wurde.

»Die Halme haben sich schon wieder ein wenig aufgerichtet«, sagte er schließlich, »aber nur sehr wenig, denn die meisten sind welk und schwach vom Winter. Hier hat ein Mensch im Gras gelegen, und er war vorsichtig, denn beim Niederlegen und Aufstehen hat er kaum eine Spur gemacht. Doch hat er sich beim Aufstehen wahrscheinlich etwas rascher bewegt und nicht ganz so überlegt, denn hier – siehst du – ist eine Zehenspur am Rande des Grasbüschels im Sand. Es ist eine matte Spur, nicht von nackten Zehen, sondern von Zehen in Mokassins. Diese Spur ist frisch, ihre Ränder sind noch scharf. Der Späher ist zu Ende der Nacht aufgestanden. Es war ein roter Mann. Vielleicht wollte oder sollte er sich schnell zurückziehen. Ihr habt ihn nicht gesehen?«

»Nein«, antwortete Tschetan mit einem bedrückten, fast schuldbewussten Unterton, »wir haben weder ihn noch seinen Begleiter zu Gesicht bekommen. Es kann sein, dass es nicht nur zwei, sondern sogar drei waren, aber wir haben sie nicht gesehen. Sie müssen an uns vorbei fast bis zum Lager gelangt sein, und als wir eine Fährte fanden und zurückeilten, haben auch sie sich zurückgezogen. Sie sind wieder an uns vorbeigelangt, ohne dass wir sie sahen, aber ich glaube, dass auch sie uns nicht gesehen haben. Wahrscheinlich hat einer von ihnen aber unsere Spur gefunden, so wie wir die ihren, und wir sind hin und zurück aneinander vorbeigelaufen.«

»Das ist zum Lachen und nicht sehr rühmlich! Wir wissen also nicht, welchem Stamme die fremden roten Männer angehören?«

»Nein, das wissen wir nicht, aber die unbekannten Krieger müssen gesehen haben, dass unsere Zelte Zelte der Dakota sind.«

Harka betrachtete die Spur weiterhin in Gedanken. »Es könnten Dakota sein, die hier auf Erkundung waren, oder Cheyenne.«

»Dakota oder Cheyenne oder Pani, aber wir wissen es nicht.«

»Beobachten wir diese unbekannten Späher jetzt?«

»Ihre Spuren sind unterbrochen, wir können ihnen nicht ohne mühsames Suchen folgen. Das kostet viel Zeit. Darum ist mein Vater zu den Zelten gegangen, um mit unserem Kriegshäuptling zu beraten. Unterdessen liegen die Späher, die Sonnenregen und Schonka und mich abgelöst haben, weiter südwärts und halten Ausschau, ob sich etwas Verdächtiges rührt. Sie konnten uns aber noch keine neue Nachricht geben.«

»Wenn diese fremden Späher einem der Dakotastämme angehören würden, wären sie doch offen zu unseren Tipis gekommen, sobald sie erkannten, dass auch wir Dakota sind«, überlegte Harka weiter. Die Dakota gliederten sich in sieben große Stammesabteilungen – »Sieben Ratsfeuer« –, die wieder in zahlreiche Gruppen und kleine Banden zerfielen, wie es die Lebensweise der Jäger bedingte. Die Bärenbande gehörte zu den im westlichen Gebiet lebenden Teton-Dakota und unter diesen zur Gruppe der Oglala.

»Auch wenn es Dakota sind, wollten sie vielleicht erst ihrem Häuptling berichten, ehe sie sich uns zeigen.«

Harka widersprach. »Das glaube ich nicht. Vielleicht waren es Pani.«

»Die Pani sind Kojoten und feige Präriehunde!«, erklärte Tschetan verächtlich. »Sie wohnen unten am Plattestrom. Wie sollten sie es wagen, so weit nördlich in die Jagdgründe der Männer vom Stamme der Dakota einzudringen!«

»Vielleicht haben sie auch Hunger.«

»Da wir bisher keine Büffel gefunden haben, müssen die Büffelherden unten am Platte weiden, und die Pani haben Fleisch genug.«

»Woher weißt du das? Büffel ›müssen‹ überhaupt nicht. Wer soll ihnen befehlen?«

»Der Hunger, der auch uns befiehlt. Aber wozu streiten wir uns? Die Fährten geben nicht genug Auskunft. Ich weiß nicht viel, und du weißt auch nicht viel. Es wird sich vielleicht sehr bald zeigen, wer richtig vermutet. Denn eins ist gewiss: Diese fremden Krieger sind erst vor kurzem hier gewesen.«

»Sie sind nicht zu Pferde, sondern zu Fuß gekommen, und also werden sie auch jetzt noch nicht weit fort sein, mögen sie auch so schnell laufen, wie sie nur können.« Harka brach ab, denn er sah, dass sein Vater mit Sonnenregen aus dem Zauberzelt kam. Der Häuptling rief noch zwei Krieger heran, Alte Antilope und den Raben, und ging mit diesen und Sonnenregen zu seinem eigenen Tipi. Das ergab für Harka die Gelegenheit, die kommende Besprechung mit anzuhören. Im väterlichen Zelt durfte er sich immer aufhalten, wenn er nicht geradezu hinausgeschickt wurde.

Er verließ daher Tschetan, lief schnell im Kreis um das Häuptlingszelt, um nicht zu sehr aufzufallen, und schlüpfte noch vor der Gruppe der Krieger durch den Zeltschlitz hinein. Im Zelthintergrund setzte er sich zu Mutter, Großmutter und Geschwistern.

Mattotaupa und die drei Krieger traten ein. Der Häuptling eröffnete keine feierliche Beratung. Die Männer stopften nur die kurzen Pfeifen, die zu einer kurzen Besprechung passten.

»Ihr wisst, worum es geht«, begann Mattotaupa. »Wir vermuten alle, dass es Pani sind, die uns auskundschaften. Wenn eine Schar dieser Spürnasen und Kläffer in unserer Nähe ist, werden sie uns angreifen.«

»Sie werden sich blutige Nasen holen, und ihre Skalpe hängen bald an unseren Stangen!«, prahlte Alte Antilope.

Mattotaupa warf ihm einen strafenden Blick zu, denn es war nicht üblich, dass der an Ansehen Geringste im Beratungskreis als erster dem Häuptling antwortete. Alte Antilope schaute beschämt zu Boden.

»Wir müssen auf einen Kampf gefasst sein«, sprach nun der Rabe. »Vielleicht werden diese stinkenden Ratten uns schon beißen wollen, noch ehe das Kriegsbeil nach der Sitte der Väter ausgegraben ist. Wenn sie in unseren Jagdgründen umherschwärmen, so wissen sie, dass auch wir nach jedem von ihnen, den wir erblicken, den Pfeil senden.«

»So ist es«, bestätigte Alte Antilope. »Wenn wir auf Pani treffen, werden nicht die Zungen, sondern die Pfeile und Speere sprechen. Ich frage dich aber, Häuptling Mattotaupa: Warten wir hier in diesem Lager, bis die Feinde kommen, oder ziehen wir weiter?«

»Wir ziehen weiter!«, rief der Rabe zornig. »Sind wir nicht in den Jagdgefilden der Dakota? Sollen wir uns vor einigen frechen Kojoten schon verkriechen, noch ehe wir überhaupt wissen, ob sie da sind? Ist das die Art der Söhne der Großen Bärin?«

Alte Antilope runzelte die Stirn. »Du redest vorschnell, Rabe. Was sagt der Geheimnismann, Mattotaupa? Du hast mit ihm gesprochen.«

»Ja«, bestätigte der Häuptling, »Sonnenregen und ich haben mit Hawandschita gesprochen. Er rät uns, weiterzuziehen und noch mehr Späher auszusenden.«

»Und was denkst du selbst, Mattotaupa? Wenn wir ziehen, sind unsere Weiber und Kinder leichter anzugreifen als in den Zelten.«

Sonnenregen nahm das Wort. »Wir sind genug Krieger, um die Frauen und Kinder zu schützen. Mich juckt es, die Pani zu bestrafen, wenn sie frech genug sind, in unsere Prärien zu kommen. Lasst uns weiterziehen!«

Die Meinung drang durch. Alle brannten darauf, ihr eigenes Recht ohne Rücksicht wahrzunehmen und den Pani eine Lehre zu erteilen, wenn diese es überhaupt wagten, sich sehen zu lassen.

»Wir ziehen also weiter«, schloss Mattotaupa.

Alte Antilope verließ das Tipi, um draußen als Herold allen Zelten laut zu verkünden, was beschlossen worden war.

Mattotaupa wählte unterdessen sechs Späher aus, drei zu Pferd, um die größtmögliche Schnelligkeit zu entwickeln, und drei zu Fuß, die sich leichter verbergen konnten. Sonnenregen, Tschetan und Schonka waren es, die zu Fuß als Kundschafter ausgesandt wurden. Der Rabe, sein ältester Sohn und ein weiterer Krieger machten sich zu Pferd auf den Weg.

Untschida löste die erste Zeltplane. Die Frauen begannen daraufhin, die Tipis abzuschlagen. Die Drosseln, ständige Begleiter der Pferdeherde, flüchteten, als die Jungen und Mädchen die Pferde holten. Mit jenen drei Spähern, die schon als Ablösung vorausgesandt waren, befanden sich nun neun Männer und Burschen auf Kundschaft. Das waren, der gefährlichen Situation entsprechend, ungewöhnlich viele.

Bald nachdem die erste Zeltplane geflattert hatte, war auch der ganze Zug wieder in Bewegung. Über allen Wandernden lag eine unausgesprochene Spannung. Jeder Krieger hatte zwei, drei Pfeile aus dem Köcher genommen und sie als Bündel zur Hand, um sofort anlegen zu können, wenn ein Feind auftauchte. Hin und wieder schwenkte einer die Hieb- und Wurfwaffe, die aus einer umgebogenen, mit den Enden zusammengebundenen Weidengerte bestand; in der Weidenschlinge war ein eiförmiger Stein befestigt. Ein Schlag mit dieser elastischen Keule wirkte tödlich, wenn er den Kopf des Gegners traf.

Harka behielt seine Jagdpfeile im Köcher. Kriegspfeile, mit Widerhaken versehen, besaß er noch nicht. Es würde sich auch nicht geziemt haben, dass er sich aufspielte, als ob er wie ein Krieger kämpfen könne. Aber er war entschlossen, es zu tun, wenn etwaige Feinde nahe genug kamen, um auch Frauen und Kinder anzugreifen. Der Junge ritt an der Seite des Zuges in der Nähe der Mutter und der Schwester. Die beiden hatten zusammen auf einem Pferd aufsitzen müssen.

Der Zug war erst eine halbe Stunde unterwegs, als schon die Warnrufe der Kundschafter gellten. Verabredet waren als Warnungszeichen einige Töne des Liedes der Drossel, die dem Feind nicht auffallen konnten. Aber die Kundschafter hielten sich nicht an die Abrede. Das war ein Zeichen dafür, dass ihnen Eile jetzt wichtiger schien als Vorsicht. Die Warnrufe wurden aus immer größerer Nähe abgegeben. Die Späher kehrten offenbar schnell zum Zug zurück. Harka lauschte gespannt und blickte dabei auf den Vater, den stolzen Kriegshäuptling zu Pferde, den die Federn des Kriegsadlers vor allen anderen auszeichneten. Mattotaupa musste die Befehle geben, was zu tun sei. Niemand zweifelte mehr daran, dass ein Kampf bevorstand.

Als erster der rückkehrenden Jäger wurde Sonnenregen sichtbar. Er erschien auf einer Anhöhe; seine Haltung ließ darauf schließen, dass er schwer keuchte. Er musste so schnell wie um sein Leben gelaufen sein. Seine Handzeichen machten allen die drohende Gefahr klar: Eine Schar von über sechzig berittenen Pani war im Anzug, offenbar mit feindlichen Absichten. Gleich nachdem Sonnenregen seinen stummen Bericht gegeben hatte, ertönten rings noch einmal die warnenden Kundschafterrufe. Alle Männer und Burschen aus dem Spähdienst kehrten zu Fuß im Dauerlauf, zu Pferd im Galopp zurück, um sich in die Krieger- und Wanderschar einzugliedern. Dort wurden sie jetzt am dringendsten gebraucht.

Harka horchte auf, als er ein neues Geräusch vernahm. Es war noch sehr fern, aber es kam näher, und es war unverkennbar das dumpfe Geräusch einer im Galopp befindlichen Reiterschar. Die Feinde, die von den Kundschaftern angekündigt waren, kamen schon!

Die Frauen nahmen auf Befehl des Häuptlings alle Kinder aus den Rutschen zu sich aufs Pferd und hängten die Rutschen ab. Es war besser, Zelt und Habe zu verlieren als das Leben. Ohne das Gepäck waren auch die Frauen mit ihren Kindern im Notfall rasch bewegliche Reiterinnen. Getrocknetes Büffelfleisch und getrocknete Wurzeln und Beeren, diese Notvorräte, trugen die Frauen in Ledersäcken verwahrt bei sich.

Das gefahrdrohende Geräusch der feindlichen Reiterschar kam mit enormer Geschwindigkeit näher. Auf dem Grasland konnten die Mustangs ihre volle Schnelligkeit entwickeln. Harka, der sich bei den Frauen und Kindern befand, spähte angestrengt nach Westen. Von dorther war das Geräusch der herangaloppierenden Reiterschar zu vernehmen. Die fremden Reiter erschienen auf dem Kamm einer Bodenwelle, in wohlgeordneter Linie. Auch Harka konnte sie erkennen, wenn auch nur sehr fern und in der Perspektive klein und noch undeutlich. Die scharfen und geübten Augen der Jäger erspähten aber doch, dass die fremden Krieger die Pferde hochrissen und die Speere drohend schwenkten.

 

Noch waren sie für einen Pfeilschuss nicht erreichbar.

Da geschah etwas Erschreckendes und Grausames. Es knallte auf eine Art, die Harka noch nie im Leben gehört hatte. Harkas Mutter griff nach der Brust und machte eine Bewegung, als ob sie halb umgerissen sei, der Zügel entfiel ihr. Harka drängte sein Pferd an die Seite des Tieres, auf dem Mutter und Schwester saßen, und wollte die Mutter stützen. Da musste er begreifen, dass eine Tote mit gebrochenen Augen in seine Arme sank. Er vermochte sie kaum zu halten, aber es musste sein. Er sprang ab, griff mit dem linken Arm durch den Zügel des eigenen Pferdes und ließ dann mit aller Anstrengung die tote Mutter ins Gras gleiten. Da lag sie, und obgleich dem Jungen nur eine Sekunde blieb, um die Mutter anzusehen, wie sie so dalag, prägte sich ihm dieser Anblick für sein ganzes Leben ein. Aus der Brust lief nur ein dünner Blutfaden. Das ebenmäßige, noch junge Gesicht war fahl.

Uinonah schrie laut auf und wollte auch vom Pferd gleiten, aber Harka zwang sie, oben zu bleiben und sich an der Seite der Frauen zu halten. Er selbst sprang wieder auf seinen Schecken. Seine Augen waren heiß und trocken. Es knallte schon wieder, auf die gleiche Weise wie das erste Mal, und Harka hörte etwas pfeifen. Zugleich brüllte Sonnenregen: »Mazzawaken, Mazzawaken!« Das hieß »Geheimniseisen«, und Harka erschrak, aber zugleich erfüllte ihn eine maßlose und furchtbare Erbitterung, weil die Feinde seine Mutter getötet hatten. Er schaute auf den Vater und die anderen Krieger, die seine Mutter rächen sollten.

Die Feinde waren inzwischen auf einen Pfeilschuss nahe gekommen. Der Reiterkampf stand bevor. Auch die Männer der Bärenbande hatten sich in einer Linie ausgerichtet. Jede Partei konnte die andere leicht übersehen und zählen. Mit zweiundvierzig Kriegern standen die Dakota siebenundsechzig Kriegern der Pani gegenüber.

Die Männer der Bärenbande mussten sich hüten, dass sie in dem bevorstehenden Kampf von der Übermacht nicht überflügelt wurden.

Harka starrte die Schar der Feinde an. Die Pani waren ebenso wie die Dakota in dem Augenblick, in dem sie in den Kampf zogen, nur mit dem Gürtel bekleidet. Die eingesalbte Haut glänzte in der Sonne. Die rote Bemalung, die den Kampfwillen bezeugte, verzerrte die Gesichter. Die Schädel waren, im Unterschied zur langen Haartracht der Dakota, kahl geschoren. Nur am Wirbel jedes Pani wippte herausfordernd die Skalplocke. Einige der feindlichen Reiter spannten die Bogen und legten die Pfeile an, andere schwenkten wieder drohend die Speere.

Harka spähte nach dem Häuptling der Feinde und erkannte ihn auch rasch an dem Bündel von Adlerfedern, das er im Schopfe trug, und an der gefährlichen Waffe, mit der er Harkas Mutter getötet hatte. Es war ein langes Rohr mit einem großen Holzgriff, und Harka beobachtete, wie der feindliche Häuptling mit einem Stock etwas in das Rohr stieß. Der Junge sah hier zum ersten Mal eine Feuerwaffe, einen Vorderlader.

Mattotaupa erhob als Antwort auf den Schuss des Pani den schrillen Kriegsruf der Dakota: »Hi-jip-jip-jip-hi-jaah!«

Alle Krieger der Bärenbande stimmten ein, so dass das Geschrei die stille Luft der Prärie aufregte wie ein Windstoß das Wasser. Die Feinde antworteten brüllend, und die Schreie brandeten widereinander. Die Hundemeute jaulte und verstärkte den allgemeinen Lärm.

»Ihr Hunde der Pani!«, schrie Sonnenregen und übertönte mit seiner Stimme das unartikulierte Brüllen. »Glaubt nicht, dass ihr uns mit eurem Mazzawaken schrecken könnt! Ihr Feiglinge und räudigen Kojoten! Ihr Weibermörder! Kommt heran! Wir wollen euch zeigen, wie Männer kämpfen!«

»Ihr schmutzigen Oglala!«, antwortete der Panihäuptling herausfordernd. »Geht dahin, wo ihr hergekommen seid, oder wir wollen euch den Rückweg weisen! Eure Zöpfe werden unsere Trophäenstangen zieren, und ihr werdet euch winselnd in Löchern verkriechen wie kleine Präriehunde!«

Darauf erhob sich wieder das Kriegsgeschrei, mit dem sich jeder selbst Mut machen und den anderen erschrecken wollte.

Der Panihäuptling hatte eine neue Kugel ins Rohr gestoßen und wollte die Flinte an die Wange nehmen. Da stürmte Mattotaupa schon auf seinem Schecken voran, im gestreckten Galopp direkt auf den Gegner zu.

Alle begriffen, dass zuerst die furchtbare und geheimnisvolle Waffe des gegnerischen Häuptlings, mit der er auf eine so weite Strecke einen Menschen töten konnte, unschädlich gemacht werden musste. Wenn es gelang, sie zu erbeuten, war der Erfolg ungeheuer! Alle blickten mit äußerster Spannung auf Mattotaupa. Der Häuptling schleuderte mitten im Reiten den Speer, noch ehe der Pani zum Schuss kam. Der Speer traf den Pani an der Schulter. Der Getroffene verlor den Halt, und die Flinte entfiel ihm. Fast wäre er rücklings vom Pferd gefallen. Ein herbeigaloppierender Reiter stützte ihn. Mattotaupa drang weiter vor, um seinen Sieg zu vollenden. Alte Antilope, der Rabe und dessen ältester Sohn ritten zu ihm heran. Auf der anderen Seite fanden sich weitere Pani bei ihrem Häuptling ein, um diesen und die wertvolle Waffe zu schützen. Die Reiterlinien gerieten dadurch in Unordnung. Diese Situation erkannte Sonnenregen schnell und nützte sie aus. Er brach mit einigen Kriegern durch die entstandenen Lücken in die Linie der Feinde ein und griff die Pani im Rücken an. Er schoss mit dem gefiederten Pfeil einen Feind vom Pferd herunter, und ein Triumphgeschrei der Dakota begleitete diesen Kampferfolg.

Die beiden Häuptlinge und ihre Gefolgschaft waren unterdessen aneinandergeraten und kämpften brüllend miteinander. Antilope hatte die Flinte, die dem Pani entfallen war, vom Boden aufgehoben und an sich genommen. Aber von dem Gebrauch dieser Waffe verstand er nichts. Sie erschien ihm unhandlicher als seine Keule, und er warf sie wieder weg.

Harka ließ sich keine Bewegung in dem Kampfgewoge entgehen. Er beobachtete, wie die gefährliche und ihm verhasste Waffe des Panihäuptlings wieder ins Gras fiel. Die Mustangs der Kämpfenden trampelten mit ihren Hufen darauf herum. Schnell entschlossen warf der Junge Untschida den Zügel seines Schecken zu und glitt von dem Mustang herab. Geduckt rannte er zu der kämpfenden Gruppe; niemand hielt ihn auf. Er wagte sich zwischen die Hufe der zornig und wirr stampfenden Pferde, deren Fell vom Blut der kämpfenden Reiter bespritzt war. Er erhielt einen Hufschlag gegen den Arm, aber die Wirkung überwand er in der Erregung rasch, und er hob die Flinte vom Boden auf. Sie war viel schwerer, als er geglaubt hatte. Mit einem Riemen war sie nicht versehen. Er nahm sie unter den Arm und rannte damit weg, so schnell wie noch nie in seinem Leben. Er sprang auf sein Pferd und stieß einen hellen höhnischen Siegesruf aus. Im selben Augenblick gab er dem Pferd die Fersen, so dass es mit einem großen Satz zum Galopp ansetzte und über die Prärie davonstob. Harka war sich klar darüber, dass er mit seiner Beute jetzt das Ziel eines Angriffs der feindlichen Krieger werden musste. Eben das bezweckte er; er wollte auf diese Weise dazu beitragen, die Feinde in Einzelaktionen zu zerstreuen und ihre Übermacht wirkungslos zu machen.

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