Die Wölfin

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Es gab zu jener Zeit viele Schulen: den Kindergarten mit der Tante, die zeigte, wie man sang und betete, dann die Schule, wo man lesen, schreiben und rechnen lernte, dann die Sekundarschule der Großen, die schrecklich lang wa­ren, eine picklige Haut und einen viel zu großen Kehlkopf hatten und halb erwachsen rochen, und dann noch die Schule des Lebens. Von dieser erzählte der Lehrer am meisten. Sie werde jenen den Kopf zurechtrücken, denen der Lehrer die Hörner nicht genügend habe abstoßen können.

Großvater hatte etwas anderes gesagt. Die Schule des Le­bens sei ein Kindergarten. Das habe ich erst mit vierzig begriffen.

Die Mädchen rochen in den ersten Klassen noch wie wir. Nicht besser, nicht schlechter, und ihr Atem war derselbe. Das sollte sich ändern, gründlich.

Eine Stubenecke war mit Heiligenbildern voll gehängt. Über dem Kanapee schaute ein großer heiliger Josef von der Wand. Der Bub stellte sich vor, dass er die ­Au­gen rolle. Manchmal sah man das Weiße, manchmal streckte er auch die Zunge heraus, aber nur wenn Großmutter ihm den Rücken gekehrt hatte. Manchmal hatte er auch ein Blümchen im Mundwinkel. Er krampfte wie ein Kuli, war über die Maßen solid. Wenn es sein musste, konnte er sich auch beeilen. Das hätte man ihm eigentlich gar nicht zugetraut. Schwupps den Esel und seine Siebensachen und die Muttergottes und den Herrgott nehmen und nach Ägypten verschwinden.

Tscholi oder Held, Handlanger oder Ziehvater, dieser Heilige hat ihn immer beschäftigt. Fast noch mehr als jener, den sie an den Marterpfahl gebunden und über und über mit Pfeilen gespickt hatten, als ob er unter die Indianer gefallen wäre.

Wenn sie als Knirpse Verstecken spielten, schloss er fest die Augen, und keiner konnte ihn sehen. Dann haben sie ihm diesen Glauben genommen.

Jeglichen Glauben haben sie ihm genommen: das Christkind, den Nikolaus, den Hasen, den Aberglauben und den richtigen. Haben deutlich gemacht, dass es nur den einen gebe: den Glauben ans Geld, der sie umtreibt wie die dicken Fliegen um die Lampe.

Eines Tages hieß es, der Pfarrer sei Kanonikus geworden. Was das genau ist, weiß ich bis heute nicht. Großvater sagte, das habe etwas mit der Postur zu tun, vor allem mit dem Nacken, und quittierte die Nachricht mit dem Reim:

«Kanonikus Kanaster

stiehlt Maudimutz den Zaster.»

Das trug ihm einen wenig freundlichen Seitenblick von Großmutter ein. Da begann Großvater des Langen und Breiten zu dozieren über Kanoniker und Kanoniere, Kanonisten und Kanonissen, bis wir nicht mehr wussten, wo uns der Kopf stand. Großvater war ein großer Freund der Wörter und wusste, woher sie kamen. Er sagte, die Wurzel all dieser Wörter sei babylonisch, und schüttelte dann allein für das Wort Kanon dreizehn verschiedene Bedeutungen aus dem Ärmel, bis Großmutter Hör auf! sagte, worauf er seine Ausführungen mit dem Wort Kanone beendete, das er von canna, Spazierstock aus Meerrohr, herleitete, sodass er auf seinem tour d’horizon, wie immer, bei einer seiner bevorzugten Gerätschaften angelangt war: bei einem Ding mit einer Krümmung.

«Eins, zwei, drei

das Huhn sitzt auf dem Ei.»

Was war zuerst, das Ei oder das Huhn?, wollte Groß­vater wissen, während er mit zwei Eiern in der Hand aus dem Hühnerstall trat und sein Schnauz sich hin und her bewegte. Am einen Ei klebte ein Endchen Stroh, und in seinem Mundwinkel klebte ein Zentimeter erloschene Toscani. Man musste gut hinschauen, um sie zu sehen.

Am Anfang war das Wort, il vierv, hatte es im Religionsunterricht geheißen. Also muss das Ei, igl iev, vor dem Huhn da gewesen sein, denn vierv und iev klingen gleich, machte sich der Bub seine Gedanken. Aber es kam drauf an, ob man im Hühnerstall war oder im Religionsunterricht oder sonstwo.

Am Anfang des Lesebuches war der Gnom. Er hielt eine Tafel, die mit Blättern und Blumen umkränzt war – wie jene, die am Musikfest am Eingang und am Ausgang des Dorfes über der Straße hingen. Der Gnom trug einen schwar­zen Mantel und auf dem Kopf einen Riesenhut. Darunter hingen die Haare weit über die Ohren, und der Bart, den er mit der Faust unter dem Kinn zusammenhielt, war so lang wie der Mantel. Er hatte eine runde Brille auf, die Augen waren zwei kleine Knöpfe. Er war etwas zwischen Sankt Nikolaus und einem Dompteur. Die rechte Hand bedeutete einem, still zu sein, der Zeigefinger war mahnend erhoben. Unterm linken Arm war der Stock bereit, und auf der Tafel stand blau geschrieben, was er gesagt hätte, wenn er aus dem Buch gestiegen wäre:

«Kleiner Knirps, nimm dich in acht,

behandle nicht das Büchlein schlecht!

Machst du ihm Ohren, Risse, Flecken,

musst du fürchten meinen Stecken.»

Am Anfang des Lesens war die Drohung.

Der Schwarzrock hatte den Kindern verboten, ohne Grund durch den Friedhof zu gehen, nur weil es die Ab­kürzung war auf dem Weg in den Dorfladen. Er wolle ab sofort keinen mehr erwischen. Und die Gittertore seien geschlossen zu halten, damit keine Hunde hin­eingingen.

Er fürchtete den Herrn Kanonikus. Von da an nahm er nur noch zusammen mit Großvater und Großmutter die Abkürzung durch den Friedhof. Die Großen, so hatte er festgestellt, machten nicht immer, was der Schwarzrock sagte. Jedes Mal schaute er zum Chris­tophorus hinauf, der groß wie ein Ochse neben dem Portal an die Kirchturmmauer gemalt war. Jedes Mal, wenn man durch den Friedhof ging, musste man an ihm vorbei. Jedes Mal bekreuzigte sich Großmutter und sagte leise ein Gebet. Jedes Mal fuchtelte Groß­vater in der Luft herum und deklamierte laut:

«Heiliger Stoffel groß und fest,

Hat getragen Jesum Christ.

Peter Paule fest und groß,

Hat getragen Holz fürs Floß.»

Der Bub schaute auf die Riesenfüße des Christiefel, wie Großvater den Riesen mitunter auch nannte, kniff die Augen zu einem schmalen Schlitz zusammen, schaute höher und höher, sah, wie sich der Kopf in einen Hunde­kopf verwandelte, nicht böse, nur schräg und irgendwie vertraut. Erblickte plötzlich den Kynokephalus.

Der Kynokephalus ist nicht zu verwechseln mit dem Kephalophoren. Der eine ist ein Hundeköpfiger, und der andere ist der Kopfträger, dozierte Großvater, der in der Ikonografie der Heiligen um einiges besser Bescheid wusste als der Pfarrer. Und wenn niemand mehr folgen konnte, sagte er, dass er ‹ad usum delfini› und ‹in maiorem dei gloriam› zusammenfasse: Der eine ist Sankt Christophorus, und der andere ist Sankt Plazi.

Und die Leute schauten einander dümmlich an und nickten bestätigend.

Die Asylanten sind eine Brut, sagte Onkel Blau, beziehen jeden Monat eine schöne Stange Geld vom Staat. Während viele Schweizer Familien mehr schlecht als recht durchkommen, halten die den ganzen Tag Maulaffen feil, spazieren mit teuren Lederjacken herum. Wir könnten uns so etwas nicht leisten. Im Mercedes fahren sie herum, betrügen die Leute, bringen Schweizer um. Ich werde halb verrückt, wenn ich durch Chur gehe. Man sieht fast nur noch solche Typen.

Der Großvater bewegte den Schnauz hin und her, zwinkerte dem Bub zu und pfiff: «Cur che jeu tras Cuera mavel ...»

Es war die Zeit der kurzen Haare, und nur wenige Privilegierte durften mit Erlaubnis der Eltern so aussehen wie die Beatles.

Der Bub steht in der Tür, klingeling, der Vater hats befohlen. Der Frisör sagt aaaalsodann, nimmt ein qua­dratisches Lederkissen aus einem Wandkasten, haut das steife Stück mit der Faust in den Sessel, damit der Bub hoch genug zu sitzen kommt. Der Frisör hebt ihn in den Sessel. Mit seiner Sandale pumpt er einen He­bel, der aussieht wie das Startpedal an einem Töff. Der Sessel hebt sich. Der Frisör macht jedes Mal dieselben Sprüche, er ist gleichzeitig auch ein Kiosk, klingeling, sagt, er sei gleich wieder da, verschwindet durch den Vorhang, verkauft ein Päckli Stella Filter und eine Rolle Pfefferminz, schwatzt eine Ewigkeit, klingeling, kommt durch den Vorhang, sagt aaaalsodann, heißt ihn den Kopf nach vorne beugen, bindet ihm den langen Fri­sörslatz um – der Bub hat jetzt keine Arme mehr und ist dafür breiter geworden –, reisst glattes Papier von einer Rolle hinter dem Stuhl und schiebt ihm das steife Zeug zwischen Hals und Kragen. Der Frisör geht hinüber und blickt durchs Schaufenster auf die Straße ­hinaus.

Srrr fuhr die Maschine, am Anfang noch kalt, gna­denlos den Nacken hoch durchs Haar, fräste, au, eine verschorfte Stelle weg – tu nicht so zimperlich! –, fuhr weiter und machte ihre Arbeit so lange, bis am Schluss alles, was du hattest, am Boden lag. Dort wurdest du zu einem Häufchen gewischt, zahltest einsfünfzig und ergriffst die Flucht, nackt, verraten, dem Gelächter der andern ausgeliefert. Das waren die Momente, wo ich ein Mädchen hätte sein wollen.

Schulbänke sind Joche, die immer zwei und zwei zu­sammenhalten. Kirchenbänke sind Joche, die immer zehn und zehn zusammenhalten. Reihe um Reihe, und wenn man einmal in der Reihe sitzt, gibt es weder Hin noch Her noch Ein noch Aus. Reihen, Pferche, und man konzentriert sich auf Gott den Allmächtigen. Aber die Bänke knarren. Das ist der Teufel, der in ihnen steckt.

Wer ist Gott? Ein Patriarch mit weißem Bart, den man immer nur sitzend erblickt hat. Blaue Augen. Ein weißer Großvater mit menschlichen Zügen.

Sein geheimer Gott hatte ein anderes Ebenbild. Geheim deshalb, weil er niemandem sagen durfte, wie der aussah: Hundeohren, also zweifellos ein Ägypter. Er hat das seine ganze Kindheit lang für sich behalten müssen. Der Pfarrer hätte das nicht begriffen. Das wäre für den zu viel gewesen. Der hätte ihn am Kragen gepackt und seinen Kopf fünfmal, zehnmal auf die Bank geknallt, bis er aus der Nase geblutet hätte. Hätte ihn geohrfeigt, bis er erledigt in einer Ecke gelegen wäre. Hätte ihm mit dem Evangelienbuch eins über den Kopf gezogen, dass er wie ein Sack zu Boden gegangen wäre. Hätte ihn – Herr, gib mir Flügel! – an den Ohren hochgehoben und schreien lassen wie am Spieß. Aber das Schlimmste wäre gewesen, dass er ihn die Geschichte gar nicht hätte zu Ende erzählen lassen. Die Erwachsenen hören nicht bis am Schluss zu. Sie verpassen die vollständigen Geschichten.

 

Harrrjesssas war der Ausdruck, den Großvater am häufigsten brauchte. Der Lehrer hatte behauptet, dass es keine Wörter gebe mit dreimal demselben Buch­staben hin­tereinander. Und da hatte der Bub Groß­vaters Beispiel, das er jeden Tag hörte, mit sogar zweimal drei Buch­staben hintereinander. Die korrigierte Schreibweise des Lehrers, Herr Jesus, war absurd. Von da weg war die Schule für den Enkel ein Saftladen. Waren Lehrer solche Hosenscheißer, dass es für sie keinen Harrr­jesssas geben durfte, nur weil das Wort nicht im Wörterbuch stand?

Überhaupt, das Wörterbuch. Es war in der Schule die absolute Autorität. Es fixierte die Wörter, da gab es nichts zu markten. Die Wörter waren darin festgenagelt, so und nicht anders musste man sie schreiben. Der Lehrer hielt zum Wörterbuch, hörte nicht auf uns. Und das Wörterbuch hielt zum Lehrer. Es war eine heilige Allianz. Das Wörterbuch nannten wir nur voc und den Lehrer scoli. Denn da pflegten wir gerade den Spleen, alles abzukürzen. So wie es eine Phase gab, wo wir über ganze Seiten hin unsere Unterschriften trainierten, und eine Phase, wo wir uns die Namen unserer Idole auf die Arme malten. Und der scoli war das voc und das voc der scoli. Das war uns einerlei, gegen diesen Filz hatten wir ohnehin keine Chance. Unsere Diktate kamen über und über rot zurück. Der scoli, völlig verstört, vertrug in diesen Momenten keinen Pieps, sorgte mit dem voc für Disziplin, wenn dieses – harrrjesssas – mit flatternden Seiten quer durch die Schulstube dem Nachkommen in die Fresse flog.

Alle hatten einen Übernamen in unserer Gemeinde. Groß­vater war der Harje. Ich weiß nicht, ob er es wuss­te. Es hät­te ihm wehgetan. Es tat auch mir weh. Sie sag­ten nicht Großvaters Harrrjesssas, das wohltönende, das ein­mal Verwunderung ausdrückte, ein andermal eine Klage war und dann wieder das Pünktchen auf dem i – ganz je nach­dem, wann und wo Großvater es brauchte. Sie sagten ein kurzes, trockenes Harje, beglei­tet von einem boshaften Grinsen, das für Sekunden in einem Mundwinkel hängen blieb.

Mitunter sagten sie die Übernamen nur, um sie auszusprechen, besonders wenn sie noch neu waren, und sie sagten sie nur, wenn die Betreffenden nicht da waren. Es gab Leute mit zwei oder drei Übernamen.

Sie blühte in unserer Gemeinde, die Kultur der Übernamen. Da waren viele Tiere Afrikas unterwegs und fast alle Karten aus dem Tarockspiel. Maribarla Sa­foia: die Päpstin; Clau Spinas: die Kuh; Landammann Castelbert: Becher-König; Giacun Ten: das Huhn. Bar­la­mengia Ba­ron­­chelli war die Rakete, weil man sie immer nur in Eile sah. Giacasep Castrischer war der Bescht­ziit, seit er das Clubrennen am Ziel kommentiert und immer wieder dieses Wort ins Megafon gebrüllt hatte. Den Dumeni Cala­berg nannten zuerst die Buben, später auch die Er­wach­se­nen nur noch Dumeni Deckel, weil er den Buben immerzu sagte: Wenn ihr damit nicht aufhört, gibt’s eins auf den Deckel. Fanezi Talianer war der Maggagliini, seit er seinen Hund auf die Alp gegeben und zum Hirten gesagt hatte: Und wenn er magga Gliini, du sslaga tot!

Ganze Familien kannte man nur noch beim Übernamen, es war eine Pest, und man musste überlegen, wer nun gemeint sei, wenn einmal ein Fremder sich erkundigte, wo der und der wohne, und dabei den richtigen Namen nannte. Unsere Sippe wurde die Harjes genannt, dann gab es die Hopsis, die Hüschthotts, die Jokaschtänka, die Kann­alles und viele mehr, und immer wieder gab es neue Namen und kuriose Erfindungen ohne Ende und Erbarmen.

In der Scheune gab es nur Gerümpel: Einen Wisch altes Heu, Holzkisten und kaputte Körbe, die wir zu einer Hütte zusammengebastelt hatten, altes Werkzeug, Dach­ziegel – zehn verschiedene Sorten, eine Anzahl alter Sprossenfenster, aneinander gelehnt und alle mit einem Loch in der obersten Scheibe rechts, seit Du­meni (den Onkel Blau nur Demuni nannte) mit dem Flobert eine .22 Standard durch die Reihe gejagt hatte, ferner alte Pflüge, Eggen, Feldgerät. Was davon wertvoll gewesen war, hatten sie dem Cadusch in den sieb­ziger Jahren halb umsonst gegeben. Der Kessler hatte die Hunderter auf den Tisch gelegt, schon bevor der Handel abgeschlossen war, und da hatten sie gedacht, es sei wer weiß wie viel. Dann gab’s da noch zwei Beigen Bretter, Spinnweben, Heublumenstaub, Vogelnes­ter im Gebälk, Mäusenester unterm Tenn.

Am Scheunentor hing ein Vorhängeschloss.

Sakkerment Buben!, machte Onkel Blau, früher hätte man so was einmal versuchen sollen. Ihr könnt etwas erleben, wenn ich nochmals einen sehe, der die Scheunenwand hochklettert. Und das Gebiss stand ihm ein wenig vom Gaumen ab, sodass er aussah wie ein kranker Tiger mit einer Schublade in der Schnauze.

In der Scheune spielten wir Tomsoier und Hackelberifin, mit den Mädchen Blindekuh und sonst noch allerlei, und vor der Scheune rumpelte Onkel Blau sein Sakkerment. Denn in die Scheune kam er nicht mehr, seit er einmal den Dumeni hatte packen wollen, dieser auf die Tennreite geflüchtet war, Onkel Blau wütend hinterher, der Knirps hob flugs zwei Ziegel hoch und war hopp! ab durch die Latten auf dem Dach. Blau musste zwei weitere Ziegel wegnehmen, um folgen zu können, dachte schon, jetzt habe er diesen Lump. Der Lump aber stand zuunterst an der Traufe und – Wenn du herunterkommst, spring ich.

Das war dem Onkel Blau doch in die Knochen gefahren, sakkerment. Ein letztes – Wart, wenn ich dich kriege! – und dann Abgang durch die Ziegel und hinunter aufs Tenn und zur Scheune hinaus, von oben bis unten verdreckt.

Einmaleins rückwärts

man hat einen Vater und eine Mutter

man hat zwei Großväter und zwei Großmütter

man hat vier Urgroßväter und vier Urgroßmütter

man hat acht Ururgroßväter und acht Ururgroßmütter

man hat sechzehn Urururgroßväter und sechzehn

Urururgroßmütter

man hat zweiunddreißig

vierundsechzig

Was die Deutschsprachigen Stammbaum nennen und wir stemma oder genealogia, ist ein Eichenwald, sagte in bedeutungsschwerem Ton Onkel Riget, Bruder der Großmutter väterlicherseits. Und er fuhr mit dem Gedächtnis eines Elefanten fort:

Einer deiner zweiunddreißig Ururururgroßväter, der Urgroßvater deiner Urgroßmutter, Mutter von Groß­mut­ter Fina, Crest Adalbert Genelin, geboren am 1.12.1730, war Landeshauptmann gewesen. Er war verheiratet mit Maria Baselgia, geboren am 16.9.1735, von Sumvitg. Sie hatten zwei Söhne und drei Töchter: Gia­chen Antoni, Maria Amarita, Maria Madleina und Bistgaun Andriu. Die Familie deiner Ururururgroßmutter Baselgia war in Laus-Sumvitg sehr begütert. Bistgaun Andriu, dein Urururgroßvater, wurde am 18.4.1814 mit Barla Turtè Faller von Sumvitg getraut. Dein Urururgroßvater ließ sich also in Laus nieder, um dort die Güter seiner Mutter zu bestellen. Die Eheleute Genelin-Faller hatten drei Kinder: Maria Margreta, Maria Barla Catrina und Giachen Adalbert. Giachen Adalbert ist der Vater deiner Urgroßmutter. Maria Margreta, geboren am 5.3.1815, ist am am 28.8.1841 ins Kloster St. Johann in Müstair eingetreten und hat die heilige Profess am 10.8.1843 abgelegt. Sie lebte im Kloster unter dem Namen Maria Ignazia und starb in Müstair am 24.7.1867. Die zweite Schwester deines Ururgroßvaters, Maria Barla Catrina Genelin, war mit Giu­sep Mattias Violand von Sumvitg in Cumpadials verhei­ratet. Sie hatten zwei Töchter und einen Sohn: Giulia, Giusep und Paula. Giulia war die Patin deiner Urgroßmutter und ist in Valdauna gestorben. Giusep war in Cumpadials verheiratet und hatte eine große Familie. Landammann Violand war ein Sohn von diesem Giusep. Paula, die zweite Tochter, hatte Emanuel Schmid de Grüneck in Bubretsch-Surrein geheiratet. Er war der Bruder des späteren Bischofs von Chur. Onkel Emanuel war der Pate meiner Schwester Josefina.

Was die Deutschsprachigen ‹Rätoromanen› nennen und wir ils Romontschs, ist ein Zoo, sagte Großvater mit gewichtiger Stimme, als ob er die Weisheit mit dem großen Löffel aus einem mächtigen Kessel geschöpft hätte. Vater!, sagte Großmutter mit einem drohenden Blick. Aber mein Großvater fuhr fort: «Ich sage immer, lieber neu-gotisch als romanisch-depressiv.»

Er hatte sich die Hosen aus Trunser Tuch bis fast unter die Achseln hochgezogen, und das gab den Buben das Gefühl, im Zirkus zu sein.

«Kajin erkannte sein Weib, sie wurde schwanger und gebar den Chanoch. Er aber wurde Erbauer einer Stadt und rief den Namen der Stadt nach seines Sohnes Namen Chanoch.

Dem Chanoch wurde Irad geboren, Irad zeugte Mechujael, Mechujael erzeugte Metuschael, Metuschael zeugte La­mech.

Lamech nahm sich zwei Weiber, der Name der ­einen war Ada, der Name der zweiten Zilla. Ada gebar den Jabal, der wurde Vater der Besitzer von Zelt und Herde. Der Name seines Bruders war Jubal, der wurde Vater aller Spieler auf Harfe und Flöte. Und auch Zilla gebar, den Tubal-Kajin, Schärfer allerlei Schneide aus Erz und Ei­sen. Tubal-Kajins Schwester war Naama. Lamech sprach zu seinen Weibern: Ada und Zilla, hört meine Stimme, Weiber Lamechs, lauscht meinem Spruch: Ja, einen Mann töt ich für eine Wunde und ­einen Knaben für eine Strieme! Ja, siebenfach wird Kajin geahndet, aber siebenundsiebzigfach Lamech!

Adam erkannte nochmals sein Weib, und sie gebar einen Sohn. Sie rief seinen Namen, Schet, Setzling! Denn: gesetzt hat Gott mir einen anderen Samen für Habel, weil ihn Kajin erschlug.

Auch dem Schet wurde ein Sohn geboren, er rief seinen Namen Enosch, Menschlein.

Damals begann man den namen auszurufen.

Das ist die Urkunde der Zeugungen Adams, des Menschen.»

Genesis 4,17 – 5,1

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