Operation Terra 2.0

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Operation Terra 2.0
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Operation Terra 2.0

Impressum

Was in Band 1,2 und 3 geschah …

Tiberia, etwa 1 TUN nach Rückkehr der Jehova Suspension

Terra, Zeit: 13. August 2117 nach Christus, Freitag

Terra, immer noch 13. August 2117 nach Christus, Freitag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.8.15.6, Freitag

Terra, 20. Mai 2120 nach Christus, Montag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.9.0.5, Montag

Terra – rund 570 Jahre nach Geburt des tiberianischen Missionars,

Tiberia, 3 KIN nach Beendigung der Operation Terra 2.1

Terra, 27. November 1095 nach Christus, Mittwoch

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.9.13.16, Samstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.10.16.6, Mittwoch

Terra, 26. Dezember 2014 nach Christus, Freitag

Terra, 29.Mai 2018 nach Christus, Dienstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.12.5.8, Montag

Terra, immer noch 29.Mai 2018 nach Christus, Dienstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.12.9.11, Sonntag

Terra, 06. Februar 2019 nach Christus, Mittwoch

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.12.17.11, Samstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.13.5.3, Mittwoch

Terra, 14. Februar 2019 nach Christus, Donnerstag

Terra, 10. März 2020 nach Christus, Dienstag

Terra, 12. September 2020 nach Christus, Samstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.14.12.19, Donnerstag

Terra, 30. April 2020 nach Christus, Donnerstag

Terra, 19. Dezember 2020, Samstag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.15.5.2, Donnerstag

Terra, 19. Juli 2023 nach Christus, Mittwoch

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.15.14.15, Montag

Tiberia, KIN-Zeit: 13.5.15.15.17, Dienstag

Terra, 28. Juli 2023 nach Christus, Freitag

Die erschütternde Odyssee der Menschheit wird sich fortsetzen

Rechtlicher Hinweis:

Anhang

Quellennachweise

Danksagungen

Die Autorin:

Operation Terra 2.0

4 | Von kollabierten Träumen

Andrea Ross

XOXO Verlag

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-036-1

E-Book-ISBN: 978-3-96752-536-6

Copyright (2019) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: XOXO Verlag

© Alexander Etz, Lemon Art Design www.lemonartdesign.com

© Lizenz Foto Umschlag: 123rf.com

© „Abstract background of deep space“ von Martin Benes

Buchsatz: Alfons Th. Seeboth

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Was in Band 1,2 und 3 geschah …

Operation Terra 2.0 – Menschheit im Exil (1)

Die Evolutionsgeschichte des Menschen nahm einst auf dem Mars ihren Anfang, als dort die ersten Keime des Lebens durch einen Asteroideneinschlag angelangten und gediehen.

Über Jahrmillionen hinweg entwickelten sich aus diesen Einzellern hochintelligente, widerstandsfähige Hominiden, die ihre Welt zunehmend technisierten und damit allmählich den Respekt vor den Kräften der Natur verloren. Es handelte sich um einen schleichenden Prozess, in welchem sich die Menschen ihre Lebensgrundlage durch leichtsinnige Zerstörung der Umwelt nach und nach selbst entzogen.

Eines schicksalsträchtigen Tages machte die lebensbedrohliche Strahlung, die nun nahezu ungefiltert durch die marode Schutzhülle des Planeten dringen konnte, eine Existenz an der Oberfläche schließlich völlig unmöglich. Ein Häuflein Überlebender flüchtete sich in die weit verzweigten Lavaröhren jenes riesigen Schichtvulkans, welchen die irdischen Astronomen heutzutage Olympus Mons nennen.

Buchstäblich in letzter Sekunde vor einem drohenden Vulkanausbruch gelingt es einer relativ kleinen Anzahl von Menschen, ihrer sterbenden Welt zu entkommen. Zwei Raumschiffe brechen hastig auf, um anderswo den Grundstein für neue Zivilisationen zu legen.

Eines davon reist zum Nachbarplaneten Erde, welcher von den einstigen Marsianern »Terra« genannt wird. Das technisch viel modernere Generationenraumschiff fliegt mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit ins Sternbild Cygnus, das ca. 2.700 Lichtjahre vom Mars und seinem Sonnensystem entfernt liegt. Dort wartet ein erdähnlicher Planet auf Besiedlung, der nach seiner Entdeckerin Tiberia getauft wurde.

Während auf Terra ein aggressives Revierund Verdrängungsverhalten zu ständigen Konflikten führt, entwickelt sich auf Tiberia dank des Fehlens konkurrierender Primaten und eines milden Klimas eine geradezu paradiesische Hochkultur. Es entsteht unter diesen günstigen Bedingungen neben einer ausgeklügelten Infrastruktur eine zwar ziemlich restriktive, aber gleichwohl stabile und hochfunktionale Gesellschaftsund Staatsform, die über viele Jahrtausende hinweg nahezu unverändert Bestand hat.

Voller Abscheu beobachten die Tiberianer, was auf Terra an ständigen Gewalttätigkeiten, bodenloser Ungerechtigkeit und sinnlosem Streben nach materiellen Gütern vor sich geht. Stellenweise sieht man sich genötigt, höchstpersönlich in den Verlauf der Geschichte einzugreifen, um das Schlimmste für die dort lebenden Menschen zu verhindern. Schließlich handelt es sich um marsianische Brüder und Schwester, die einst denselben Wurzeln entsprungen sind!

Sämtliche Versuche scheitern. Im Grunde hätten die Tiberianer nach dieser bitteren Erkenntnis einfach ihre halbherzigen Versuche einstellen und die Terraner guten Gewissens sich selbst und ihrem unausweichlichen Schicksal überlassen können. Wenn … ja, wenn da nicht zwischenzeitlich diverse Probleme auf dem eigenen Planeten aufgekeimt wären … !

Die Obrigkeit ist gezwungen zu handeln, sofern sie die Kontrolle nicht verlieren will. Die Unruhestifter sollen Tiberia verlassen und nach Terra deportiert werden, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Das Problem dabei ist nur, dass man niemandem zumuten könnte, zwischen diesen emotional entarteten Hominiden zu siedeln … schon gar nicht freiwillig!

So entsteht nach endlosen Beratungen zwischen den Vordersten sämtlicher Sektionen und der Regentenfamilie Tiberias ein wahnwitziger Plan:

Noch ein allerletztes Mal soll auf Terra im richtigen Moment in die Geschichte eingegriffen werden, und das mittels einer sorgfältig durchdachten Zeitreise! Wenn der Hauptgrund für irdische Kriege schon in der latenten Aggressionsbereitschaft der dort lebenden Individuen sowie einer unterschiedlichen, meistens religionsoder kulturbedingten Weltanschauung zu sehen sind – bitte, dann muss man eben genau dort den Hebel zur Regulierung ansetzen!

 

Noch bevor die Menschheit auf Terra ihre industrielle Revolution erlebt und vollends dem rücksichtslosen Kapitalismus erliegt, wird sie sich mit seiner Hilfe hoffentlich an eine sanftmütige, friedliche Form des Zusammenlebens gewöhnen. Solaras soll zu diesem Zweck eigens eine neue Denkweise ins Leben rufen, die hehre Werte wie Respekt vor dem Leben, Duldsamkeit, Liebe und Mitgefühl favorisiert, um die terrestrische Weltgeschichte nachhaltig zu verändern.

Operation Terra 2.0 – Verhängnisvoller Optimismus (2)

Im Jordanland angekommen, sorgt die Crew des tiberianischen Raumgleiters für einigen Wirbel. Die Landung in einer spärlich besiedelten Wüste verläuft nicht wie geplant, Improvisationstalent ist gefragt. Die technikverwöhnten Außerirdischen haben mit ihrem stark veränderten Alltag und den terrestrischen Kulturgepflogenheiten zu kämpfen. Es gilt, das mitgebrachte Ungeborene namens Jesus in den Unterleib der Terranerin Maria einzusetzen, ohne dass jemand aus der Bevölkerung dabei etwas Ungewöhnliches bemerkt. Leider geht so einiges schief und Mediziner Gabriel gilt den Terranern fortan als heiliger Himmelsbote, der Maria eine Jungfrauenempfängnis des Königs der Juden angekündigt haben soll.

Zwischen eitlem Machtgerangel unter den Crewmitgliedern und anderen unvorhergesehenen Schwierigkeiten laufen die Dinge zunehmend aus dem Ruder. Die Gegend ist von einem kriegstreiberischen Volk besetzt. Der Großteil der Bevölkerung fristet bettelarm ein karges Dasein, während sich die Herrscher dekadent im Luxus baden.

Ausgerechnet in diesem Spannungsfeld voller sozialer Ungerechtigkeit soll der künftige Messias aufwachsen und unbeirrbar seine Mission im Dienste der Menschheit durchziehen!

Währenddessen stellen auf dem fernen Planeten Tiberia zwei Geschichtsschreiber fest, dass die machtgeile Vorderste Alanna wohl seit längerer Zeit ein falsches Spiel betreibt. Doch diese gewiefte Schlange hat sich mittlerweile den zukünftigen Regenten Tiberias geangelt und wird schon bald vollständige Immunität genießen, wodurch sich gewisse Ungereimtheiten nicht mehr so leicht aufklären lassen.

Solaras alias Jesus wird geboren, bekommt Besuch von drei merkwürdigen Gestalten und muss sofort in Sicherheit gebracht werden, denn die Geburt eines so genannten Königs der Juden kann der herrschenden Dynastie natürlich nicht gelegen kommen.

Der Junge wächst als introvertierter Einzelgänger auf, vertritt zunehmend neuartige Ansichten zu Gott und der Welt. Als junger Erwachsener durchlebt er eine extrem revolutionäre Phase, die seine Eltern ängstigt. Häufig spricht er nebulös davon, sich eines Tages für seine Mitmenschen opfern zu müssen. Eines Tages ist es so weit: Jesus zieht predigend durch die Lande, schließt sich mit Gleichgesinnten zusammen und vollbringt Wunder am laufenden Band – nicht ahnend, dass Kalmes alias Maria Magdalena ihn tatkräftig mit technischen Geräten von Tiberia unterstützt.

Nach einigen Monaten Dauerstress zeigt Jesus erste Ermüdungserscheinungen, denn die Erwartungshaltung unter seinen Jüngern und in der Bevölkerung ist sehr hoch. Er muss fast nonstop Heilen, Taufen, Dämonen austreiben, für Speis und Trank sorgen – und den Menschen eindringlich vom Himmelreich predigen, um möglichst viele Schäfchen des Herrn vor dem herannahenden Endgericht zu erretten.

Die Obrigkeit trachtet schließlich voller Arglist danach, den vom Volk geliebten Messias nach nicht einmal zwei Jahren des mildtätigen Wirkens aus dem Verkehr zu ziehen, bevor seine Philosophie größere Umwälzungen mit sich bringt.

Im prunkvollen Palast des Sanhedrins zu Jerusalem kommt es kurz vor dem Passahfest zu einer folgenschweren Entscheidung, welche alsbald durch die weltliche Gerichtsbarkeit vollzogen werden soll. Die tiberianische Crew hat indessen längst die Kontrolle verloren, muss tatenlos zusehen und den Ereignissen ihren geschichtsträchtigen Lauf lassen.

Operation Terra 2.0 – Schöne neue Welt? (3)

Die Mission steuert auf ihr Ende zu. Kalmes und Solaras haben noch nicht ausgelitten – im Gegenteil! Ausgerechnet zum bevorstehenden Passahfest scheint sich das Schicksal des außerirdischen Messias zu besiegeln. Während »Maria Magdalena« verzweifelt versucht, die Missionskollegen endlich zum Eingreifen zu bewegen, kämpft »Jesus« vor allen Dingen mit beängstigenden Sinneseindrücken. Er ahnt ja noch immer nicht wer er ist, wird aber seit einiger Zeit von Visionen aus seiner früheren Existenz heimgesucht.

Die Machthaber des Jordanlandes nutzen derweil die Causa Jesus dazu, ihre jeweiligen Machtansprüche auszuleben. Während Statthalter Pontius Pilatus‘ zum Christentum konvertierte Frau den unglückseligen Rabbi retten möchte, gibt es für den selbstgefälligen Hohepriester Kaiphas nur ein Ziel; er trachtet hinterhältig danach, den populären Unruhestifter baldmöglichst ans Kreuz zu nageln.

Pontius Pilatus sitzt zwischen den Stühlen, wird beim Schauprozess in Jerusalem wider Willen zur tragischen Figur. Ihm bleibt schließlich nichts anderes übrig, als das Todesurteil des Sanhedrins schweren Herzens zu ratifizieren.

Der plötzliche Schock über seine Verurteilung zum Tode bewirkt bei Jesus/Solaras, dass er sich seiner wahren Identität schlagartig wieder bewusst wird. Seine Lage ist aussichtslos, denn nun muss der schwer geschundene Tiberianer sein Marterinstrument höchstpersönlich zur Hinrichtungsstätte tragen. Man nagelt den König der Juden ans Kreuz und wartet spottend darauf, dass er das Zeitliche segnen möge.

In buchstäblich letzter Sekunde gelingt seiner treuen Gefährtin die Rettung, wobei ihr eine zufällige Sonnenfinsternis zu Hilfe kommt. Man bringt den vorgeblich Verstorbenen zu einem kühlen Felsengrab in der Nähe, welches mit einem massiven Stein verschlossen wird.

Während Kalmes alles dransetzt, ihren Geliebten dort lebend wieder herauszubekommen, bereitet man sich auf Tiberia fieberhaft auf die Rückkehr des Raumgleiters Jehova Suspension vor, welcher gegen Mitternacht erwartet wird.

Die machtgeile Vorderste Alanna bekommt es allmählich mit der Angst zu tun, weil sie die Folgen der Mission noch nicht genau abschätzen kann; ihr Sabotageakt ist jedenfalls misslungen. Es kriselt zunehmend zwischen ihr und dem designierten Regenten Kiloon, dessen Frau sie in Kürze werden soll.

Auf Terra gelingt es der Missionscrew schließlich, ihren Kollegen Solaras zu reanimieren. Kurz vor dem Start zur Heimreise beschließt Leiter Balthasar, den Menschen Terras noch ein Vermächtnis von Jesus zu hinterlassen, um die nachhaltige Wirksamkeit der Mission um ein Vielfaches zu steigern.

Dank geschickt platzierter Holographen werden kurze Zeit nach Jesus‘ unerklärlichem Verschwinden aus dem Grab einige auserwählte Schlüsselpersonen in den Genuss einer meisterhaft inszenierten Geisterscheinung kommen und den Mythos von einem auferstandenen Messias perfekt machen.

Die Operation Terra 2.0 ist damit beendet; der Raumgleiter steuert in den Zeittunnel, der ihn nach Tiberia und zurück in die Gegenwart bringen soll. Dort wartet bereits die Elite Tiberias voller Vorfreude, um die erfolgreiche Crew in einem rauschenden Festakt zu ehren.

Bereits kurze Zeit nach der Ankunft stellt sich jedoch heraus, dass auf Tiberia Intrigen im Gange sind. Auch auf Terra entwickelt sich die Geschichte nicht zur Zufriedenheit. Dort entsteht nämlich eine christliche Diktatur, deren raffgierige Maschinerie den Bewohnern mit der Zeit alle Freiheiten nimmt. Jesus‘ Botschaft von selbstloser Liebe und Mitgefühl wird rücksichtslos pervertiert und nach Bedarf umgedichtet.

Solaras‘ alter Freund Arden, der frischgebackene Vorderste der Sektion Geschichte, Archiv und Schrift, wird unfreiwillig zum Drehund Angelpunkt bei der Aufdeckung eines folgenschweren Skandals, welcher von Alanna initiiert und von der nichtsahnenden Regentenfamilie protegiert wurde.

Beim rituellen Festakt zur Amtseinführung Kiloons und dessen Eheschließung mit der schönen Alanna stellt sich heraus, dass die nagelneue Regentengattin mit den uralten Traditionen bricht und sehr eigensüchtige Pläne für die Zukunft Tiberias schmiedet. Schon bald sind geheime Bauvorhaben, konspirative Treffen und gezielte Desinformation an der Tagesordnung.

Während Regent Kiloon die Fehler aus der vergangenen Mission schuldbewusst mithilfe einer neuerlichen Entsendung von tiberianischen Missionaren nach dem fernen Terra korrigieren möchte, verfolgt Alanna einen ehrgeizigen Plan:

Sie will den Stammplaneten Mars wieder als habitable Welt reaktivieren, um »ihrem« Volk dort in nicht allzu ferner Zukunft eine neue Heimat zu bieten und sich selbst damit ein Denkmal zu setzen. Für die Erreichung dieses Zieles geht sie skrupellos über Leichen.

Solaras plagen derweil ganz andere Probleme. Er muss sein Dasein seit der Rückkehr getrennt von seiner geliebten Kalmes fristen, denn nach Beendigung der gemeinsamen Mission darf das Paar nicht mehr sektionsübergreifend kommunizieren.

So steuert das Schicksal der Liebenden, genau wie dasjenige der beiden Planeten, einer ungewissen Zukunft entgegen …

***

Liebe Leser,

im Anhang finden Sie ein Glossar, das auch eine Kurzanleitung für das verwendete KIN-Zeitsystem enthält. Wissenswertes über den Planeten Tiberia ist in Band 1 – Menschheit im Exil beschrieben. Jetzt wünsche ich Ihnen gute Unterhaltung beim Weiterlesen!

Ihre Autorin Andrea Ross

Tiberia, etwa 1 TUN nach Rückkehr der Jehova Suspension

Die Mitteilung auf Gabriels Kommunikator stammte aus der Sektion Ideologie und Bildung. Es sei eine Frau an ihrem Arbeitsplatz plötzlich ohnmächtig zusammengebrochen; die Ursache dafür liege bislang noch im Dunkeln, hieß es in der gebotenen Kürze.

Der alternde Mediziner überlegte nicht lange, bestätigte den Erhalt der Nachricht und meldete sich spontan freiwillig zu diesem Routineeinsatz.

Freilich, er hätte auch einen jüngeren Kollegen dorthin schicken können – aber schließlich arbeitete sie in genau dieser Sektion. Gabriel gab sich der törichten Hoffnung hin, vielleicht wenigstens einen Blick auf seine Angebetete erhaschen zu können. Seit dem KIN der gemeinsamen Rückkehr nach Tiberia hatte er sie bedauerlicherweise nicht mehr zu Gesicht bekommen.

So schnappte er sich voller Vorfreude seine Ausrüstung und eilte fliegenden Fußes zum nächstbesten Magnetfahrzeug, um schnell beim Einsatzort anzugelangen. Die bewusstlose Frau schwebte sicherlich nicht in akuter Lebensgefahr … und falls dem wider Erwarten doch so wäre, könnte sie das jüngst verbesserte Modell des Chaktivator, welches er in seinem Fundus mit sich führte, immer noch rechtzeitig reanimieren.

Nein, die außergewöhnliche Eile hing genau wie seine Nervosität vielmehr mit einer gewissen Kalmes zusammen, das musste Gabriel sich unumwunden selbst eingestehen.

Vielleicht jagte er nur traumtänzerisch einem Hirngespinst nach, einem romantischen Wachtraum – aber sooft er sich in der Vergangenheit auch einen verliebten Esel gescholten hatte, war der ernüchternde Effekt ausgeblieben. Gefühle ließen sich eben niemals allein mithilfe der nüchternen Verstandeskraft abstellen. Nicht einmal bei älteren, ansonsten recht disziplinierten Herren, die es eigentlich besser wissen sollten.

Kalmes, die einstige Gefährtin von Solaras beziehungsweise Jesus … ihm war zu Ohren gekommen, dass man die Liebenden auf Alannas Geheiß getrennt und in ihre jeweiligen Sektionsbereiche zurückverbannt hatte. Es war auf Tiberia eben üblich, die Kommunikationswege jedes Einzelnen streng zu kontrollieren. Nicht einmal Mediziner durften sich frei überall hinbegeben – es sei denn temporär, sofern sie zu einem Notfall gerufen wurden.

Konnte ihm dieser Wink des Schicksals womöglich nach all den TUN des vergeblichen Hoffens die lang ersehnte Chance bieten, endlich ihr Herz zu gewinnen? Gabriels Kreislaufsystem schlug während dieses kühnen Gedankengangs besorgniserregende Kapriolen, ließ ihn vor lauter Aufregung hyperventilieren. Es fehlte nicht viel, bis er selbst einer Behandlung bedurft hätte.

 

Als er beim Parkareal des fremden Sektionsgeländes angelangt war, setzte er das kleine Magnetfahrzeug versehentlich gegen das noch nicht vollständig zurückgeglittene Schwebetor, welches das Gelände von der öffentlichen Magnetpiste trennte. Der überwältigende Anblick eines wahrhaft monumentalen Neubaus hatte ihn total abgelenkt, seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.

Der staunende Mediziner stellte das nur leicht beschädigte Fahrzeug achtlos auf einer hierfür markierten Fläche ab, wo es augenblicklich rundherum gescannt, von einem magnetischen Greifarm in Empfang genommen und vollautomatisch zur nächstgelegenen freien Parkbox verschoben wurde. Dort zeigte ein leuchtend roter Balken an, dass dieses Magnetmobil derzeit aufgrund eines Defekts nicht einsatzfähig war.

Wer auf Tiberia ein Fahrzeug benutzen wollte, musste sich stets mit dem Abdruck seines rechten Daumens identifizieren, bevor er überhaupt den Startknopf betätigen konnte. So stand der jeweils letzte Fahrer fest, falls es während der Fahrt zu einem Unfall kam.

Das System würde Gabriels Vorderstem nun also die standardisierte Meldung zusenden, dass sein Untergebener heute einen ärgerlichen Schadensfall zu Lasten der Gemeinschaft verursacht hätte. Was jenen unachtsamen Fahrer allerdings kaum bekümmerte, denn mehr als einen Rüffel konnte er sich hierbei nicht einhandeln.

Spätestens am Abend würde das Fahrzeug sowieso von Kollegen der Sektion Transport und Verkehr abgeholt und über Nacht repariert werden, damit es der Allgemeinheit schon am Morgen wieder zur Verfügung stand. Ein schlechtes Gewissen konnte man sich also getrost ersparen, denn die Mechaniker brauchten schließlich auch eine sinnvolle Beschäftigung.

Gabriels letzter Besuch in diesem Sektionsbereich lag bereits zwei oder drei TUN zurück, und dazwischen lag zumindest für ihn ja auch noch der lange Terra-Aufenthalt, welcher mehr als 30 terrestrische Jahre gedauert hatte. Dennoch, die zwischenzeitlichen Veränderungen waren unübersehbar.

Das bootsförmige Hauptgebäude der Sektionsverwaltung erhob sich nahezu unverändert aus dem Morgennebel. Doch anstelle der flachen Seitenarme zur Linken und Rechten, wo sich früher Schlafsäle, Speiseräume, Spielzimmer und Sporthallen befunden hatten, ragten nun mehrstöckige Gebäude in Pyramidenform in die Höhe. Die semitransparenten Fassaden dieses Prachtbaus waren vollständig mit matten Plantolaanplatten verkleidet, wobei die warme Farbpalette von Zartgelb an der Basis bis hin zu dunklem Braunorange an der Spitze der Gebäude reichte.

Gabriel stutzte, blieb für einen Moment ratlos stehen. Wo befanden sich hier eigentlich die Schulungsräume? Er würde jemanden danach fragen müssen, denn dort wartete seine Patientin auf ärztliche Behandlung.

»Wo willst du denn hin? Kann ich weiterhelfen?«, riss ihn ein halbwüchsiges blondes Mädchen aus seinen Grübeleien.

Natürlich, die kühle gelbgrüne Farbe seines Gewandes wies ihn als sektionsfremden Besucher aus! Er fiel zwischen all diesen ausschließlich in Gelb oder Orange gekleideten Menschen jedermann auf Anhieb als unpassender Farbtupfer auf, was durchaus so beabsichtigt war. Auf diese Weise gelang es Unbefugten aus anderen Sektionen nicht so ohne weiteres, sich einfach unter die Bevölkerung zu mischen.

»Kannst du mich bitte gleich zum Schulungstrakt bringen? Ich wurde zu einem medizinischen Notfall gerufen und kenne mich hier kaum aus! Ohne dein Auftauchen wäre ich in dieser leuchtenden Pyramidenansammlung glatt verlorengegangen«, erklärte Gabriel lächelnd und tippte vielsagend auf seinen Kommunikator.

»Gerne! Aber zuerst musst du dich ordnungsgemäß bei der Verwaltung anmelden, damit sie dort deine Kennung überprüfen können. Oder eilt dein Einsatz sehr? Dann könnte ich diese Pflicht gerne an deiner Stelle übernehmen!« Die Kleine setzte sich in Bewegung und bedeutete ihm, ihr zu folgen.

»Nein danke, ich erledige das lieber selbst. So viel Zeit muss schon sein!«, lachte Gabriel augenzwinkernd und bekam einige Mühe, mit ihren flinken Beinen Schritt zu halten.

In Wirklichkeit verspürte er natürlich keine gesteigerte Lust, sich vorab mit lästigem Verwaltungskram zu befassen. Doch je länger er sich auf diesem Gelände aufhalten könnte, desto größer wären zwangsläufig seine Chancen, zufällig auf »seine« Kalmes zu treffen. Er kannte deren Tagesablauf als Dozentin nicht und besaß somit keinerlei Anhaltspunkte, wo er gezielt hätte suchen sollen.

Gabriel erledigte hektisch seine Formalitäten und erhielt zu seinem Erstaunen einen wendigen gelben Magnetroller ausgehändigt; anschließend geleitete ihn ein freundlicher Hilfsdozent, der sich in seinen mittleren Lebensjahren befinden mochte, quer durch das Gebäude und hinaus ins Freie.

Wieder fiel es dem Mediziner schwer, einem Angehörigen dieser Sektion in angemessener Geschwindigkeit hinterherzukommen, denn er stellte sich mangels Fahrpraxis mit Zweirädern ein bisschen ungeschickt an. Er wagte es nicht, sich schräg in die Kurven hineinzulegen, sondern eierte steif und reichlich ungeschickt um alle Ecken. Als sein Führer sein eigenes Gefährt endlich abbremste und stehenblieb, atmete er erleichtert auf. Die Quälerei hatte ein Ende.

»Jetzt verstehst du sicher, weshalb wir Älteren diese Dinger benutzen, anstatt zu Fuß zu gehen, nicht wahr? Es würde auf diesem weitläufigen Gelände sonst einfach viel zu lange dauern, von A nach B zu gelangen! Für die Kinder ist das hingegen vollkommen egal, weil die sich noch über jede Gelegenheit zur Bewegung freuen!«, schmunzelte Dozent Yannas und zwirbelte das Ende seines perfekt gestutzten Spitzbartes.

»Das habe ich vorhin schon ganz von selbst bemerkt!«, bestätigte Gabriel und sah sich verwundert um. »Wo befinden wir uns hier? Ist das ein Erholungspark für Pausen oder so etwas Ähnliches? Ich dachte eigentlich, du bringst mich jetzt schnurstracks zu meiner Patientin!«

»Exakt, richtig vermutet. Wir sind nämlich gleich da. Was du hier in deiner unmittelbaren Umgebung bewunderst, ist bereits der Schulungsraum! Siehst du? Weil die umgebenden Gebäude allesamt in gelblichen Farben gehalten sind, wirkt es bei jedwedem Wetter, als würde hier drin das Zentralgestirn ungetrübt leuchten«, grinste Yannas verschmitzt.

Mit externen Besuchern war es immer das Gleiche – keiner bemerkte auf Anhieb die riesige Plantolaan-Kuppel, die den monströsen, zwischen Pyramidenbauten gelegenen »Außenbereich« unauffällig zum vollklimatisierten Innenraum machte. Yannas beobachtete amüsiert, wie sein hagerer Begleiter geradewegs nach oben starrte und offensichtlich kaum fassen konnte, was er da sah.

»Dies ist dank unserer besten Ingenieure eine freitragende Konstruktion, die federleicht wirkt und entgegen der Optik äußerst stabil ist!«, erklärte der Dozent sachlich, als hätte er eine Schar von wissbegierigen Novizen vor sich.

»Und obgleich es hier aussieht, als befände man sich draußen in wilder Natur, ist unter oder stellenweise auch hinter

der Vegetation eine vollständige Ausstattung für Schulungsräume versteckt. Es ist die perfekt gelungene Simulation einer ungezwungenen Atmosphäre, die unserem Nachwuchs das Lernen etwas versüßen sollte, möchte ich meinen! Deine Patientin liegt übrigens im dritten Schulungsgarten hier drüben, wo die ganz Jungen unterrichtet werden.«

Yannas bog um eine tadellos getrimmte Hecke und wies auf etwas leuchtend Gelbes, das verkrümmt auf einer wattierten Decke im Gras lag. Gabriel konnte zunächst nichts Genaueres erkennen, denn die zirka fünfzehn Schüler der bedauernswerten Dozentin standen gestikulierend und schwatzend rings um ihren reglos hingestreckten Körper herum. Ein Mädchen kniete in Kopfhöhe, schien beruhigend auf die Bewusstlose einzureden. Erst als die Kinder den Arzt als solchen erkannten, gewährten sie bereitwillig Platz zum Durchgehen.

»Darf ich um ein wenig Ruhe bitten? Ich möchte eure Do-

zentin untersuchen, damit ich ihr … !«

Gabriel stockte der Atem. Er kannte diese Frau. Und wie er sie kannte! Er liebte sie mehr als sein Leben. Ach was, sogar mehr als alle Lebenden auf sämtlichen bewohnbaren Planeten dieses Universums!

Spätestens in diesem Moment war er felsenfest davon überzeugt, dass hier das Schicksal seine unberechenbaren Finger im Spiel gehabt hatte. Seit seinem Aufenthalt auf Terra glaubte er nämlich fest an Mysterien aller Art, auch wenn er das niemandem offen eingestanden hätte.

*

Terra, Zeit: 13. August 2117 nach Christus, Freitag

Swetlana Emmerson saß erschöpft auf der fadenscheinigen Couch und weinte leise. Ihr zwei Monate alter Säugling lag in einem dick mit Kissen und Decken ausgepolsterten Pappkarton zu ihren Füßen, weil sie sich innerhalb der letzten zweieinhalb Monate seit Geburt ihrer jüngsten Tochter noch nicht hatte aufraffen können, die alte Familienwiege aus dem verstaubten Kellerabteil der Wohnanlage zu holen. Die russischstämmige Frau fühlte sich ausgelaugt und antriebslos, konnte ihren Mutterpflichten nur mit viel Überwindung nachkommen.

»Swetlana?! Heulst du etwa schon wieder? Reiß dich gefälligst zusammen! Glaubst du etwa, mir hätte damals jemand mit den Kindern geholfen? Im Gegenteil, dein Vater hat mich grün und blau geschlagen, sobald er zwischendurch sturzbesoffen nach Hause gefunden hat. Das war kein gottesfürchtiger Mann, und deswegen hat ihn auch schon frühzeitig der Teufel geholt!

Du hast es mit Philipp viel besser getroffen, bist aber trotzdem dauernd bloß am Lamentieren. Vergiss dein Selbstmitleid und kümmere dich jetzt zur Abwechslung mal um mich, denn ich benötige dringend die Bettpfanne!«, jammerte ihre nach einem Schlaganfall bettlägerige Mutter mit vorwurfsvollem Unterton in der Stimme.

»Ja, Mamuschka! Ist schon gut, ich komme, hab bitte nur noch einen kurzen Augenblick Geduld. Dann bringe ich dir auch gleich etwas Leckeres zu Essen mit!«, seufzte Swetlana ergeben und trocknete sich die Tränen mit einem Zipfel der Babydecke ab.

Während sich die völlig überforderte Mutter langsam aufrappelte, um ihren heiligen Tochterpflichten nachzukommen, nörgelte die Alte derweil stetig vor sich hin. Scheinbar hatte sie an ihrer Ankündigung etwas auszusetzen und echauffierte sich wortreich auf Russisch darüber, wie man als junge, unter vielen Entbehrungen erzogene Frau nur so geschmacklos sein konnte, Bettpfanne und Lebensmittel in ein und demselben Anlauf zu seiner alten, hilflosen Mutter bringen zu wollen.

Swetlana versuchte verzweifelt, nicht hinzuhören. Sie klapperte in der Küche absichtlich laut mit Töpfen und Tellern, um mit dieser Geräuschkulisse das vor Spott triefende Gemecker ein wenig zu übertönen. Anschließend blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als mit einem beladenen Tablett und der unter einen Arm geklemmten Bettpfanne ins Schlafzimmer zu gehen, um ihre übellaunige Mutter zu versorgen.