Cloverlane Farm

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Cloverlane Farm
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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Cloverlane Farm

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Tag 9

Tag 10

Tag 11

Tag 12

Tag 13

Tag 14

Nachwort und Danksagungen

Über das Buch

Hannah steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Neben Überstunden im Büro und einer schwierigen Beziehung wird auch ihr Hobby, der Reitsport, immer zeitintensiver, anstrengender und nervenzehrender.

Der spontane, zweiwöchige Reiturlaub in Westirland, zu dem eine Bekannte aus dem Reitstall sie überredet hat, wird jedoch schon kurz nach der Anreise zur reinen Nervensache.

Hannah findet zwar keine Erholung in Irland, aber dafür zwei Iren, die sie gar nicht gesucht hat: Einen Zwei- und einen Vierbeiner.

Ein Roman für Irland- und Tierfreunde

Zeitliche Einordnung

Die Handlung in diesem Buch spielt ca. 2017.

Über die Autorin

1977 geboren in Frankfurt am Main, aufgewachsen und hängengeblieben in Oberursel/Taunus.

Nach einem abgebrochenen Studium landete sie im Büro, wo sie bis heute feststeckt. Ihre Liebe zum Schreiben lebt sie seit 2015 aus und bringt immer einen Funken Hoffnung und Humor in ihre Geschichten. Sie reist gerne, liebt Tiere und Kuchen. Und sogar das Essen der britischen Inseln.

Waltraud Batz

Cloverlane Farm

Roman

1. Auflage 2021

Texte und Umschlag

© 2021 Claudia Wissemann

Verantwortlich

Claudia Wissemann, Stettiner Str. 23, 61440 Oberursel

Druck

epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Tag 1

„Also so langsam hab ich ein ungutes Gefühl“, sagte Hannah und folgte ihrer Bekannten Nora durch den irischen Nieselregen die Straße entlang.

„Ach, warum? Wir kriegen dich schon unter. Komm, wir fahren noch mal in den Ort mit der Kirche zurück! Irgendeine Pension wird schon noch offen haben!“

Hannah seufzte innerlich und stapfte im Dunkeln weiter hinter Nora her in Richtung Auto. Hoffentlich würde sie recht behalten. Das war jetzt schon die fünfte Pension gewesen, bei der sie angefragt hatten. Alle waren aufgrund des Saisonendes schon geschlossen. Hannah schwankte zwischen Wut auf Nora, weil diese die Buchung der Reiturlaubunterkunft vergeigt hatte, und Verzweiflung darüber, wie sie es nun schaffen würde, Ende September hier an der Westküste Irlands noch eine Unterkunft zu finden. Vorzugsweise mit Halbpension, und zudem noch bezahlbar.

„Komm schon, steig ein!“ rief Nora Hannah zu. „Andere Seite!“ ergänzte sie überflüssigerweise und kicherte. Hannah war in Gedanken mal wieder auf die ‚falsche‘ Seite des Autos gegangen.

„Guten Abend, Ladies“, hörte Hannah eine ruhige Stimme neben sich und erschrak. Hatte der alte Mann eben auch schon auf dem Mäuerchen gelehnt?

„Oh, Hallo!“ grüßte Nora fröhlich zurück. Hannah war es unbegreiflich, wie Nora immer noch so gute Laune haben konnte. Nun gut, sie hatte ja ihr Bett für die nächsten zwei Wochen bereits sicher.

„Kann ich euch helfen? Ist etwas mit dem Auto nicht in Ordnung?“ fragte der Mann mit starkem, regionalem Dialekt.

„Nein, danke“, flötete Nora zuckersüß und öffnete die Fahrertür. Hannah hatte gar keine Zeit, sich darüber aufzuregen und außerdem hatte der Mann ja vielleicht eine Idee.

„Vielleicht können Sie uns wirklich helfen. Wissen Sie, welche Pension hier in der Nähe um diese Jahreszeit noch offen hat? Ich brauche ein Zimmer für vierzehn Tage.“

Der Mann sah Hannah hellwach an und überlegte. „Zimmer, hm?“ Er strich sich über die Bartstoppeln an seinem Kinn und überlegte. Er machte ein kleines Brummgeräusch. „Vielleicht ... nein, Pat hat auch schon zu ...“ Er kratzte sich im Nacken, die Stirn immer noch in Falten gelegt. „Was macht ihr beiden Hübschen eigentlich hier? Die Touristensaison ist vorbei.“

„Wir machen einen Reitkurs“, informierte Nora ihn knapp.

Seine Augen funkelten. „Ach. Oben, bei ...“

„Bei der Clovermore Riding Academy“, sagte Nora und ihre Stimme klang stolz.

Er grinste und nickte. Hannah kam es vor, als würde er sich über Nora amüsieren. „Und warum wohnt ihr da nicht?“ fragte er.

„Tun wir ja – ich zumindest. Leider gab es Probleme mit der Buchung. Wissen Sie noch eine Möglichkeit, wo meine Freundin unterkommen könnte, für zwei Wochen?“

Der alte Mann sah von Nora zu Hannah und musterte sie von oben bis unten. Er lächelte und sprach dann direkt zu Hannah. „Ja, ich glaube, ich weiß etwas. Dreht hier und fahrt zurück. Gleich auf der rechten Seite kommt die Cloverlane Farm, versucht es dort. Sag, Dan hat dich geschickt. Viel Erfolg und schönen Abend noch.“

„Danke, dann werden wir es dort mal versuchen“, sagte Hannah.

Dan nickte Hannah freundlich zu und tippte sich an seine Wollmütze. „Viel Erfolg und schönen Urlaub.“

„Danke.“ Hannah hoffte, ein Lächeln zustande gebracht zu haben und stieg zu Nora ins Auto.

„Na dann mal los. Woah, ich hab Hunger und mir ist kalt.“ Nora drehte die Heizung des gemieteten Kleinwagens hoch und startete den Motor. Sie wendete ohne Probleme auf der breiten Landstraße und fuhr wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Es war weit und breit kein anderes Auto zu sehen.

„Meinst du, das da ist es schon?“ fragte Hannah, als auf der rechten Seite einige Gebäude in Sicht kamen.

„Nee, bestimmt nich. Außerdem haben die im Reitstall gesagt, da sollen wir nicht fragen.“ Nora gab Gas und rauschte an der Farm vorbei.

„Nora! Jetzt dreh bitte um! Der alte Mann hat gesagt, wir sollen da fragen. Mir egal, was die in dem Reitstall sagen! Ich will jetzt irgendwo ein Zimmer finden und noch was essen und dann ins Bett. Ich bin seit heute früh um vier wach und mir ist immer noch kotzübel von den sechs Stunden Landstraße!“

Nora schnaubte unwillig und hielt mit einem Ruck am Straßenrand an, sodass die Kieselsteinchen gegen die Radkästen wirbelten. „Meinst du echt? Was, wenn es da nicht gut ist? Die im Reitstall haben gesagt, fragt überall, nur nicht da!“

„Ach ja? Die im Reitstall haben uns auch zu diversen Pensionen geschickt, die schon zu hatten! Die hätten auch mal für uns da anrufen können, dann hätten wir hier nicht fast zwei Stunden rumkurven müssen. Und schlimmer als dein Zimmer im Reitstall kann es wohl nicht werden.“

Nora riss beide Augen auf. „Wie meinst du das denn jetzt?“

„Naja, dein Bett in dem Vierbettzimmer mit Klo auf dem Gang und Selbstversorgung ist jetzt auch nicht gerade das, was ich mir unter ‚gemütliche Unterkunft im alten Gutshaus’ vorstelle.“

Nora presste die Lippen aufeinander und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Na gut. Aber wehe, du beschwerst dich hinterher!“ Sie startete den Motor und würgte ihn gleich wieder ab. „Verdammte Dreckskarre!“ fluchte sie und schlug wütend auf das Lenkrad. Es ertönte ein kurzes Hupgeräusch, welches klang, als hätte man eine Ente überfahren. Nora lenkte das hoppelige, kleine Auto zurück auf die Straße und drehte ruppig.

„Nora, bitte. Beruhig dich wieder.“ Hannah war zum Heulen zumute. Dieser Urlaub war schon jetzt eine Katastrophe. Sie hätte nicht mitfahren sollen. Warum zum Teufel hatte sie sich von Nora dazu überreden lassen? Sie fuhren schweigend das kurze Stück wieder zurück, bis die Farm erneut ins Sichtfeld kam.

„Da steht Cloverlane Farm und B&B dran“, sagte Hannah.

„Ja, das seh ich auch“, zischte Nora. Sie verzichtete auf das Blinken und hielt vor dem mittleren der drei geschlossenen, hüfthohen Holztore. Hannah stieg aus, atmete durch und schlug die Autotür hinter sich zu, etwas fester, als es nötig gewesen wäre.

Hannah hatte ein Déjà-vu, als sie an der Tür klingelten und im Nieselregen auf eine Reaktion warteten. Auch bei den anderen Pensionen hatten sie wie begossene Pudel im Dunkeln vor der Tür gewartet, entweder völlig umsonst oder um kurz angebunden darüber informiert zu werden, dass es kein Zimmer für Hannah geben würde.

Die Lampe neben der Tür des Hauses ging an, man hörte einen Hund bellen und durch die dicken, braunen Glasscheiben neben der Eingangstür sah man nun auch das Licht im Flur angehen. Jemand näherte sich und die schwere Holztür öffnete sich nach innen. Ein großer, hellbrauner Hund quetschte sich durch den Türspalt nach draußen und schob die Schnauze unter Hannahs Jacke. Wie automatisch streichelte sie ihm über den Kopf. Nora wurde mit einem kurzen Knurren bedacht.

 

„Arrow, komm rein“, sagte eine Stimme aus dem Haus und der Hund verschwand wieder nach drinnen. Die Tür öffnete sich nun etwas weiter und eine nicht ganz so schlanke, ältere Frau mit grauen Locken kam zum Vorschein. „Ja, bitte?“ Sie klang ernst und skeptisch und war definitiv nicht zu Späßen aufgelegt.

„Wir, ähm, ich ... bräuchte ein Zimmer für zwei Wochen. Wir machen hier einen Reitkurs und hatten Probleme mit der Buchung, und jetzt habe ich kein Zimmer.“

Die Frau musterte Hannah und starrte sie an. „Das ist doch nicht mein Problem. Wir haben schon geschlossen, die Saison ist vorbei!“

„Dan hat gesagt, wir sollen hier nachfragen“, sagte Hannah leise.

Die Frau hatte die Tür schon fast wieder geschlossen, als sich nun der hinter ihr stehende Mann einmischte. Sie murmelten miteinander und die Tür öffnete sich wieder.

„Na gut. Kommen Sie rein, wir besprechen das“, sagte die Frau und bedachte den Mann mit einem tadelnden Blick.

„Danke“, sagte Hannah, trat in den steingefliesten Flur und machte Platz, damit Nora die Tür schließen konnte. Der Hund knurrte Nora erneut an und wurde von der Frau weggeschickt.

„Nur Sie?“ fragte die Frau. Nora setzte zu einer Antwort an, aber Hannah antwortete zuerst. „Nur ich, ja. Sie hat noch eine Unterkunft im Reitstall bekommen.“

„Kommen Sie mal hier rein“, sagte die Frau und schlug auf den Lichtschalter eines kleinen, fensterlosen Raumes auf der linken Flurseite. „Sie nicht“, fauchte sie Nora an, die sich auch noch in den Raum quetschten wollte. „Hier ist nicht genug Platz!“

Nora rollte mit den Augen und verschränkte die Arme, blieb aber im Flur stehen.

Hannah betrat den kleinen Raum, der fast vollständig von einem Schreibtisch und einigen vollgestopften Regalen ausgefüllt wurde. Von der Decke baumelte eine einzelne Glühbirne. Wohlfühlatmosphäre pur.

„Setzen!“ befahl die Frau und Hannah gehorchte. Der Mann, der vorhin schon mit an der Tür gewesen war, schob sich nun auch noch in den Raum. „Hallo, Guten Abend!“

Er klang etwas freundlicher als die Frau und streckte Hannah seine Hand hin. Sie ergriff sie. „Hallo.“

„Was sind das für Probleme, die du mit dem Reitstall hattest?“ fragte er, während die Frau den Computer startete. Der Mann war sehr groß und wirkte mit seinem wirren, rotblonden Vollbart auf Hannah etwas ungepflegt. Er hatte aber freundliche Augen und ein nettes Lächeln. Bevor Nora, die nun am Türrahmen lehnte, loslegen konnte, ergriff Hannah das Wort. „Wir ... äh ... meine Freundin hat den Reitkurs für uns gebucht, es gab aber Probleme bei der Buchung und für mich war dann doch kein Bett mehr frei.“

Eine senkrechte Falte bildete sich zwischen den Augen des Mannes. „Und im Hotel auch nicht? Oder war das zu teuer?“

„Hotel?“ fragte Hannah. „Welches Hotel?“

„Du weißt doch, sie haben nicht gerne Reitgäste im Hotel“, sagte die Frau. „Außerdem ist es viel zu teuer.“ Er nickte. Es gab ein Hotel? Hannah sah zu Nora, die ihrem Blick auswich.

„Wie lange wollen Sie genau bleiben?“ fragte die Frau, die mittlerweile eine Lesebrille auf der Nase hatte und konzentriert auf den Computermonitor schaute.

„Zwei Wochen.“ Hannah nannte ihr das Abreisedatum.

„Mit Frühstück?“

„Ja, bitte, das wäre prima.“

Die Frau nickte und tippte etwas ein.

„Besteht die Möglichkeit, ein Abendessen zu bekommen?“

„Heute noch?“ fragte die Frau und schaute alarmiert auf.

„Ja, nein, ich meine allgemein.“

„Nein, heute auf keinen Fall mehr. Es ist schon nach zehn! Das geht nicht!“

„Das ist schon in Ordnung. Wissen Sie, wo man hier in der Gegend heute noch ein Abendessen bekommen könnte?“ fragte Hannah vorsichtig.

„Moment bitte, erst mal das mit dem Zimmer!“ Die Frau tippte erneut etwas ein und zeigte darauf. Der Mann lehnte sich rüber und sie flüsterten aufgebracht miteinander. Dem Gesichtsausdruck der Frau nach zu urteilen hatte der Mann die Auseinandersetzung gewonnen.

Zehn Minuten später holte Hannah ihr Gepäck aus dem Auto. Ihre Unterkunft für die nächsten vierzehn Tage war gesichert, sogar mit Lunchpaket mittags und Abendessen nach Absprache.

„Mein Sohn zeigt dir dein Zimmer und dann schaut mal, ob ihr unten im Ort gegenüber der Bushaltestelle beim Dönerstand noch was zu essen bekommt, das sind die Einzigen, die jetzt noch offen haben.“ Die Frau schüttelte Hannah die Hand. „Dann ... Willkommen. Ich bin Mary Sullivan, mir gehört diese Pension.“

„Ich bin Hannah.“ Hannah kam es erzwungen vor, und außerdem kannte Mary ja schon ihren Namen, aber das spielte jetzt keine Rolle. Sie hatte eine Unterkunft und sogar mit Hund! Das Haus machte einen sehr gemütlichen Eindruck und war um Längen einladender und auch wärmer als die schuppenartige Betonbaracke, in der Nora nächtigen musste und das für mehr Geld, als Hannah hier mit Abendessen zahlte. Sie stieg hinter dem Mann die enge Treppe hoch in den ersten Stock.

„Warten Sie doch im Auto draußen“, hörte Hannah Mary noch zu Nora sagen und kurz darauf fiel die Haustür zu. Hannah hoffte, dass Nora wirklich im Auto warten und nicht wutentbrannt davonrauschen würde.

Der Sohn der Pensionsbesitzerin blieb im Flur des Obergeschosses stehen und öffnete einen Wäscheschrank. Er nahm drei Handtücher heraus und öffnete die nächstgelegene Zimmertür. „Du kannst hier wohnen“, sagte er und ging hinein. Hannah folgte ihm in den Raum.

Das Zimmer war recht groß und in freundlichen Farben eingerichtet. Die unaufdringliche, hellgrün-hellgelb gestreifte Tapete, der goldfarbene, flauschige Teppichboden sowie der große, cremefarbene, runde Teppich neben dem Bett machten das Zimmer sehr gemütlich und wohnlich. An der Wand stand ein breites Bett mit wunderschön gemustertem Patchworkbettüberwurf in Naturtönen. Es war kalt im Zimmer, die Luft roch frisch und nach Holz. Der Mann drehte die Heizung ein wenig hoch.

„Hier ist das Bad“, hörte Hannah ihn sagen und schaute in das kleine Zimmer. Wow, ein eigenes Badezimmer!

„Das hier ist deins. Draußen gegenüber der Treppe ist noch eins, aber bitte benutze das hier. Mom teilt ihr Bad nicht gerne.“ Er brachte ein schräges Grinsen zustande.

„Ok“, sagte Hannah. Das Badezimmer sah frisch renoviert aus und hatte sogar ein Fenster. Der Boden bestand aus schwarzen und weißen Fliesen und die auf Antik getrimmten Armaturen an den modernen Sanitärobjekten passten hervorragend dazu. Hier konnte man sich wirklich wohlfühlen, so einen Luxus hatte Hannah definitiv nicht erwartet.

„Das ist super schön hier, vielen Dank noch mal“, sagte Hannah. Der Mann nickte und ein dumpfes Hupen ließ sie beide aufschauen.

„Da wird jemand ungeduldig“, stellte er fest. „Übrigens, ich bin Colin.“ Sie schüttelten sich erneut die Hände. „Fahrt jetzt erst mal etwas essen, wir sind nachher noch unten im Kaminzimmer, die Tür neben dem Büro, falls du noch Fragen hast. Ach, und, guter Tipp: Iss keinen Burger bei der Imbissbude. Die Döner sind ganz okay.“ Er lächelte aufmunternd und hielt Hannah die Zimmertür auf.

„Warum hat das denn so ewig gedauert?“ fauchte Nora Hannah an, als diese sich neben ihr auf den Beifahrersitz fallen ließ. „Ging halt nicht schneller“, entgegnete Hannah. Sie verzichtete darauf, Nora auch nur ein einziges Detail ihres fantastischen Zimmers zu verraten. Nora startete mit zusammengepressten Lippen das Auto und fuhr zügig los. Die Fahrt verlief in angespannter Stille.

Eine Viertelstunde später saßen sie in der von Neonröhren erhellten Imbissbude an einem klebrigen, dunkelbraunen Plastiktisch. An der Theke standen einige leicht verwahrlost wirkende Männer und schauten immer wieder zu den beiden Frauen herüber, wenn sie nicht gerade der Sportsendung auf dem winzigen, unter der Decke montierten Röhrenfernseher folgten oder sich gegenseitig mit ihren Pappbechern zuprosteten.

„Weißt du schon, was du nimmst?“ fragte Nora über den Rand der fleckigen Speisekarte hinweg.

„Döner wahrscheinlich“, sagte Hannah leise.

„Ich nehm einen Burger. Warum nimmst du keinen? Du magst doch Burger?“

„Ich mag auch Döner“, erwiderte Hannah.

Nachdem sie ihr Essen an der Theke bestellt und kurze Zeit später auch gebracht bekommen hatten, aßen beide schweigend einige Minuten lang.

„Na, haben wir‘s doch noch geschafft! Ich hab doch gesagt, es findet sich was!“ verkündete Nora fröhlich und biss in ihren Burger, der vor Fett nur so triefte. Hannah war kurz davor, sie anzuschreien, hielt sich aber zurück. „Ja, ich bin echt froh, dass die da noch ein Zimmer hatten. Wann geht’s denn morgen eigentlich los mit dem Kurs?“ fragte sie und war Colin sehr dankbar für den Tipp, Döner zu essen. Der war nämlich sehr lecker und um Längen fettärmer als das, was Nora da gerade verspeiste.

„Um zehn in der Reithalle. Ich freu mich schon. Wir können da auch einen richtigen Springkurs machen, Cross-Country oder wie die das hier nennen, sowas haste ja in Deutschland nich. Das will ich auf jeden Fall machen. Und Verkaufspferde haben die auch! Vielleicht find ich da eins und du auch. Du suchst doch schon so lange. Boah, du, ich bin gleich wieder da.“ Nora warf beim Aufstehen fast ihren Stuhl um und verschwand neben der Theke in einem kleinen Flur.

Hannah aß in Ruhe ihren Döner fertig, beobachtete nebenher das Fußballspiel auf dem Fernseher und konnte sich ein gewisses Gefühl der Genugtuung nicht verkneifen. Seit ihrer Ankunft in Dublin und der Mietwagenübernahme war Nora zwischen fast schon hyperaktiver Vorfreude auf den Reiturlaub und boshaftem Schikanieren von Hannah hin- und hergewechselt. Nichts hatte sie ernst genommen. Weder Hannahs Kartenlesekünste, noch die Hinweise, dass sie doch bitte etwas weniger ruckartig fahren solle. Und jetzt – Springkurs? Hätte Nora das vielleicht mal früher sagen können? Hannah gegenüber hatte sie es als netten, erholsamen Ausreiturlaub angepriesen. Und auch noch Verkaufspferde? Ja, sie suchte ein neues Pferd, als Nachfolger für ihren Wallach, der mit ihr fünfzehn Jahre lang durch Dick und Dünn gegangen war. Immer nur die Pferde ihres Freundes zu reiten, war auf Dauer nichts für sie. Aber genauso wenig wusste sie, ob sie seine Turnier- und Erfolgsbesessenheit weiterhin mitmachen wollte. Ja, ein junges Pferd mit einem gewissen Maß an Dressurtalent und Turniereignung hätte sie gerne, aber nicht um jeden Preis. Und dass sie das hier finden würde, erschien ihr unrealistisch. Hätte sie sich doch bloß nicht von Nora zu diesem Urlaub überreden lassen! Vor drei Tagen noch hatte sie nicht gewusst, was sie in den von ihrem Chef angeordneten zwei Wochen Urlaub machen sollte und heute saß sie hier am Ende von Irland in einer illustren Imbissbude im Nirgendwo.

Hannah fühlte sich alleine gelassen, verloren und auch unwohl. Sie kannte Nora nicht besonders gut, man sah sich zwar fast täglich im Reitstall, aber sie hätte sich das schon denken können, dass sie aneinander geraten würden. Sie waren über fünf Stunden in dem knarzenden Kleinwagen quer über die Insel hierher geschaukelt, im Regen, und hatten sich mehrfach verfahren, weil Nora ihr Navi zu Hause vergessen hatte und Hannahs Richtungsempfehlungen nicht hatte glauben wollen. Und dann noch die Katastrophe mit der fehlenden Unterbringungsbuchung. Nora hatte die Informationen auf der Internetseite des Reitstalls nicht richtig gelesen. Manchmal konnte man glauben, Noras Aufmerksamkeitsspanne entsprach der eines Goldfisches. Der Reitstall war für diesen Reitkurs ausgebucht und hatte nur noch ein Bett frei gehabt, das Nora natürlich sofort für sich beansprucht hatte. Und das Hannah auch gar nicht hätte haben wollen. Ein schmales Etagenbett in einem Vierbettzimmer, mit fleckiger Matratze und fragwürdig aussehender Leihbettwäsche in einem kargen, zugigen Betonbau, der im Flur schon verdächtig nach Schimmel roch. Da hatte sie es mit der Pension schon besser getroffen.

„Na, geht’s besser?“ fragte Hannah Nora, die gerade eben arg bleich zurück an den Tisch gekommen war und ihren Teller gleich von sich wegschob. „Bist du fertig? Mir is echt nich gut“, sagte sie und setzte ein leidendes Gesicht auf.

„Du bist auch ganz blass. Komm, wir gehen an die frische Luft.“ Die beiden brachten ihre Teller an die Theke zurück und standen dann wieder draußen in der kalten Nachtluft.

„Geht’s oder soll ich fahren?“ fragte Hannah.

 

„Nee, geht schon“, sagte Nora zerknirscht.

Hannah fand den Haustürschlüssel und schloss die Tür der Pension auf. Sie stellte ihre Schuhe zu den anderen neben die Haustür und hängte ihre Jacke auf. Kaminzimmer, hatte Colin gesagt, wo war das gewesen? Zweite Tür links?

Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Eine Hundeschnauze schob die Tür neben dem Büro auf und Hannah wurde herzlich mit Schwanzwedeln begrüßt.

„Ja, hallo, ist ja gut“, sagte sie zu dem fröhlichen Hund, der sich benahm, als sei er wochenlang nicht gekuschelt oder auch nur angefasst worden und als sei Hannah seine lang vermisste Freundin und die Einzige, die ihm jetzt noch helfen konnte.

Hannah schaute in das Zimmer hinein, aus dem der Hund gekommen war. Colin war nicht zu sehen, aber die Hausherrin saß in einem großen, geblümten Ohrensessel und strickte. Sie sah über den Rand ihrer schmalen Brille hinweg zur Tür und ließ das Strickzeug sinken. „Ach, du“, sagte sie, strickte einige Maschen weiter und schaute erneut zu Hannah. „Ja, bitte?“

„Ähm ... wann gibt es denn Frühstück morgen? Ich muss um zehn drüben beim Stall sein.“

„Um acht wäre es gut, gute Nacht“, sagte die Frau und strickte sehr konzentriert weiter.

„Danke, gleichfalls“, sagte Hannah und verabschiedete sich von Arrow, der ihr nachsah, als sie die Treppe hochstieg.

Im Zimmer angekommen ließ sie sich erst einmal auf das Bett fallen. Nachdem sie einige Minuten ohne zu denken dort gelegen hatte, machte sie sich bettfertig. Sie schlief sofort ein, der Tag war mehr als anstrengend gewesen.