Affären einer Pharmareferentin

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„Aber Imke, ich denke, Du bist verliebt in Richard?“ fragte Susi.

Sie konterte sofort: „Na und, er muss es doch nicht erfahren. Aber ich wäre wieder eine Erfahrung reicher, was die Männer angeht. Ehrlich gesagt, dieser Kellner könnte mir schon ganz gut gefallen. Man muss kein Architekt sein, um zu sehen, dass auch hinter der Fassade ein solides Mauerwerk steckt. Man Susi, sei doch nicht so prüde, das Leben ist zu kurz, um sich ständig über alles Gedanken machen zu müssen. Weißt Du, dass ich innerhalb von Europa Männer fast aller Nationalitäten ausprobiert habe? Es fehlen mir noch – präzise gesagt – ein Finne, ein Schwede, und natürlich ein Grieche. Sogar zwei Russen habe ich schon vernascht! Wenn ich soweit bin, werde ich meine Erfahrungen mit diesen Männern in einem Buch veröffentlichen. Wie findest Du das? Natürlich benutze ich ein Pseudonym zum Schreiben, bin ja nicht verrückt, und lasse mir von all’ den Kerlen die Rübe einschlagen. ‚Das Sexualverhalten der europäischen Männer‘ so der Titel des Buches. Klingt doch cool – oder?“

Susi sah man ihre Sprachlosigkeit an. Konnte sie das glauben oder bluffte sie nur? Schließlich war Imke ihre beste Freundin und keine Nutte! Oder doch? Nein, sie tat es ausschließlich für ihr Buch, um den Lesern ihre Erfahrungen mitteilen zu können.

Dafür gebührte ihr Respekt, denn mit Sicherheit gab es nicht viele Frauen, die sich wie Imke, dafür aufopferten. Ja, sie war eine Heldin! Susi – von Stolz erfüllt, eine solche Freundin zu besitzen – antwortete: „Warum hast Du mir nie etwas davon erzählt? Wirklich, ich bewundere Dich dafür!“

Imke schmunzelte verwegen und meinte: „Beobachte mal diesen Kellner, er hat angebissen, da bin ich mir sicher! Schade, dass ich ihn nicht wie einen Baum zersägen kann, um seine Jahresringe zählen zu können! Hihihi! Aber ich schätze, er ist noch ein junger Hirsch!“

In diesem Moment kam er mit einem Tablett an den Tisch und servierte beiden Damen einen Verdauungsschnaps. Mit Grazie schwang er die Gläser vom Tablett über seine breiten Schultern.

Seine dunklen Augen blieben an Imkes Bluse hängen. Er lächelte und fragte, ob alles nach Wunsch sei.

Susi sah zu, wie ihre Freundin mit ihm flirtete. Sie tauschten ihre Namen aus und Imke steckte ihm ein Papier zu. Er nahm es an sich, ließ es in seiner schwarzen Hose verschwinden, grinste zufrieden und ging vom Tisch. Imke hatte wieder dieses Funkeln im Gesicht und meinte lässig: „Er hat nun meine Telefonnummer, wetten dass er sich schon morgen bei mir melden wird? Ich finde, er hat einen geilen Knackarsch, und der Rest ist auch nicht schlecht, oder?“

„Mit anderen Worten, Du brauchst ab folgender Woche nur noch zwei Männer für Dein Buch. Den Finnen und den Schweden, richtig?“ so Susi. „Du hast es begriffen, meine Gute. Was würdest Du davon halten, wenn wir beide zusammen eine Urlaubsreise buchen, vielleicht nach Stockholm und dann weiter nach Helsinki? Dann könnte ich theoretisch mit meinem Buch abschließen.“ schmunzelte Imke.

Susi fand diese Urlaubsidee ausgezeichnet, und lenkte das Gespräch auf Dr. Braumeier.

Anschließend erzählte sie von ihrem ABC-Plan, aber was war der schon im Vergleich zu Imkes Buch?

Imke fand Susis Vorhaben, sich einen Doktor zu angeln, genial und bot ihr jegliche Hilfe an.

„Dr. Braumeier solltest Du Dir im Jazz-Cafe gut anschauen! Vielleicht zeigt er sich privat ganz anders“ schlug sie vor „er wird Dir ohne seinen weißen Kittel sicher besser gefallen. Gebe Dich gelassen, und stelle nicht zu viele Fragen, dass könnte ihn abschrecken! Bleib ganz natürlich und warte ab, bis er Dir von seinem Leben erzählt! Zur Kleidung rate ich Dir, keine Jeans zu tragen, sondern etwas Elegantes, aber auch nicht zu schick. Mit wenig Schminke und Schmuck wirst Du Eindruck machen!“ schlug Imke vor. Für all diese Tipps war Susi sehr dankbar.

Nun endlich begann Imke von Richard, dem Grafiker, zu berichten. Ihre Stimme veränderte sich so abrupt, dass dies einem Gesang glich. In allen Fassetten beschrieb sie die gemeinsame Nacht mit ihm. Dabei schien sie auf einer Wolke zu schweben.

‚Sie muss in diesen Mann verliebt sein‘, dachte Susi ‚aber warum treibt sie es dennoch mit anderen Kerlen?‘

Das verstand sie nicht. Und das Buch war sicher nur ein Vorwand, um für alle ihre Affären, eine Entschuldigung zu haben.

Kurz vor Mitternacht verabschiedeten sich die beiden und machten sich auf den Heimweg. Susi fand den Abend super und hatte neue Kraft und Energie getankt. Das brauchte sie auch, um ihren Job zu behalten. Am Morgen fühlte sie sich fit und machte Umsätze, wie schon lange nicht mehr.

‚Dies ist sicher eine Glückssträhne‘ dachte Susi ‚hoffentlich hält sie noch eine Weile an!‘

Auch die kommenden Tage waren erfolgreich.

Jeden Freitagabend mailte sie die Verkaufszahlen an ihren Chef, Herrn Mutz. Diese Woche würde er Augen machen – ganz bestimmt sogar! Die Angst, aus der Firma zu fliegen, war verschwunden. Nun konnte sie sich wieder besser auf ihren ABC-Plan konzentrieren. Von Braumeier hatte Susi noch nichts gehört. Ob er kein Interesse mehr an ihr hatte? Spät abends schrillte das Telefon, aber sie nahm nicht ab und ging zu Bett.

Morgens klingelte es wieder, doch sie ignorierte es und blieb noch wenige Minuten im Bett liegen.

Etwas später hörte sie beim Duschen ihr Handy piepsen. Schnell huschte sie tropfnass ins Wohnzimmer.

Mutz meldete sich: „Hallo Frau Reuther, wie geht es Ihnen?“ Susi antwortete: „Guten Morgen Herr Mutz, danke – mir geht es super!“ „Das glaube ich Ihnen aufs Wort, denn ich kann es an Ihren Zahlen sehen! Nun, Sie haben mich überrascht und ich bin der Meinung, Sie unterschätzt zu haben. Sie sind in diesem Monat die beste Pharmareferentin meiner Region. Während alle anderen mit dem sogenannten „Sommerloch“ zu kämpfen haben, legen Sie noch einen drauf und machen Plus zum Vorjahr. Toll, Frau Reuther! Weiter so!“ schmeichelte Mutz „Ich melde mich kommende Woche wieder bei Ihnen – Auf Wiederhören!“

Susi stand splitternackt und triefend auf dem Teppich, der die Nässe wie ein Schwamm in sich aufnahm.

Nur gut, dass Mutz sie so nicht sehen konnte!

Kaum hatte sie die Duschkabine erneut bestiegen, um ihre Körperpflege fortzusetzen, klingelte schon wieder das Telefon.

„Mein Gott, was für eine Hektik in aller Frühe!“ schrie sie wütend vor sich hin und meldete sich: „Ja!“

Am anderen Ende vernahm sie eine männliche Stimme: „Braumeier hier, guten Morgen! Frau Reuther, kommen Sie mit zum Jazz?“ „Hallo Dr. Braumeier, ja … hm … natürlich gerne … gehe ich mit!“ stammelte sie.

„Okay, dann hole ich Sie gegen 15.00 Uhr ab! Mozartstraße 5, ja?“ vergewisserte er sich.

Ohne ihre Glücksgefühle dabei zu verbergen, verabschiedete sie sich. Auch er schien sich auf diesen gemeinsamen Nachmittag zu freuen. Hinsichtlich ihres Outfits befolgte sie Imkes Rat. Sehr natürlich und adrett sah sie aus, als sie sich im Spiegelbild anschaute. Sie trug ein pastellgrünes Sommerkostüm, kombiniert mit einer weißen Hemdbluse, die ihrem Erscheinungsbild einen sportlichen Charakter gab. Dazu passten ihre neuen hellen Pumps perfekt. Eine kleine Perlenkette schmeichelte ihren Hals und das dazugehörige Armband stellte eine Verbindung zum Fingerring her, der ebenfalls eine kleine Perle umfasste. Ihr Haar trug sie offen und etwas Gel gab der Frisur Form und Halt. Susi war sehr zufrieden.

Mittlerweile war es 15.00 Uhr geworden und pünktlich, wie ein Schneider, stand Dr. Braumeier vor ihrer Tür, um sie abzuholen. Er sprang aus dem silbergrauen Mercedes, um ihr die Tür zu öffnen, und begrüßte sie mit einen charmanten Lächeln.

Im hellen sportlichen Blazer, den er zu einer beigen Cordhose trug, stellte er mehr dar, als im weißen Kittel. Um den Hals schlingerte ein passendes Tuch. Kurzum perfekt gekleidet! Sein Aftershave roch verdammt gut und vor allem teuer!!!

Im Wagen, so eng beieinander sitzend, überströmte Susi ein vertrautes Gefühl. Braumeier schlug vor, sich zu duzen und nannte seinen Vornamen. Sie meinte: „Angenehm Walter, ich heiße Susi!“

Inzwischen lachten sie miteinander und die Atmosphäre lockerte sich.

„Da schau mal, an der Ecke ist der Jazzclub, wir sind schon da!“ so der Doktor.

Er parkte in einer Seitenstraße und sie gingen in den Club. Die Musik war gut, aber laut, ja ohrenbetäubend!

An der Theke konnten beide keinen Platz mehr ergattern, deshalb nahmen sie einen der hinteren Tische in Beschlag und tranken Schwarzbier. Der enormen Lautstärke wegen, konnten sie sich kaum unterhalten. Für einen Moment sah Walter wie ein kleiner Junge aus, der soeben ein neues Spielzeugauto bekommen hatte, so fand sie. Es war diese Musik, die ihn so wahnsinnig faszinierte!

Sie stand eigentlich mehr auf Blues, doch das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden.

Die meisten Gäste in diesem Club trugen graues bis schneeweißes Haar und die Band bestand aus einer handvoll betagter Männer, die tolle Musik machten.

Walter bewegte seinen Kopf im Rhythmus. Auf einer kleinen Tanzfläche inmitten des Lokals fanden sich immer mehr Paare ein, um ihre Beine im Takt zu schwingen.

Plötzlich stand Walter auf und fragte Susi, ob sie es auch einmal probieren sollten. Mit einem kurzen Nicken zeigte sie ihre Bereitschaft. Er hielt sie fest in seinem Arm, und sie fühlte sich geborgen wie ein kleines Mädchen.

Tanzen gehörte zu ihren Hobbys. Doch einen Partner zu finden, der im gleichen Stil tanzen konnte, war stets ein Problem für sie. Nun hatte sie einen erwischt. Zufall?

Die Veranstaltung dauerte bis 21.00 Uhr und sie blieben bis zum Schluss. Danach gingen sie in ein chinesisches Restaurant essen. Walter war ein Mann von alter Schule und zeigte sich von allen Seiten wie ein echter Gentleman. Er rutschte dem Stuhl nach vorn und bat Susi, Platz zu nehmen, erst danach setzte er sich selbst.

 

‚Solche kleine Dinge imponieren den meisten Frauen‘, dachte sie. Aber er machte ihr keinerlei Komplimente, warum auch? ‚Dafür muss die Zeit reifen‘, beschloss sie spontan für sich und zu ihrer eigenen Zufriedenheit. Endlich begann er über sein Privatleben zu erzählen, darauf hatte sie voller Ungeduld gewartet. Dabei stellte sich heraus, dass er in der Tat allein lebte. Seine Frau war vor einigen Jahren verstorben, nun hatte er niemanden mehr, denn die Ehe war kinderlos geblieben.

Eine Haushälterin kam jeden Tag für ein paar Stunden in seine große Villa, um für Ordnung zu sorgen.

„Die Einsamkeit macht mich kaputt, verstehst Du das? Nach dem Tod meiner Frau dachte ich, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, doch bei mir scheint es nicht der Fall zu sein. Nur meine Arbeit erfüllt mich noch, aber kommendes Jahr ist auch das vorbei, denn dann gehe ich in Rente. Für meine Praxis habe ich schon einen Käufer gefunden. Was ich danach tue, weiß ich nicht. Vielleicht gebe ich wöchentlich eine Vorlesung an der Uni, wer weiß? Nur, ob das genügt? Darum möchte ich eigentlich gern wieder eine Frau haben. Gemeinsam die Welt bereisen und jeden Tag genießen, als wäre es der letzte!“ sagte Walter.

Susi empfand Mitleid und Verständnis zugleich und eines war sicher, sie konnte ihm vertrauen!

Mit sanfter Stimme antwortete sie: „Es tut mir leid für Dich, wirklich! Eines Tages wirst Du der Richtigen begegnen, davon bin ich überzeugt. Denn Liebe kann man nicht suchen, man kann sie nur finden!“ „In diesem Punkt gebe ich Dir absolut Recht, in Deinem Alter ergibt sich schnell etwas, wenn auch der erste Griff daneben geht, aber mit Mitte sechzig wird es zum Problem. Da muss schon eine ganze Menge Glück im Spiel sein, ohne den läuft gar nichts, “ beteuerte der Doktor. Vertrauensvoll schaute er in ihre tiefgrünen Augen und berührte kurz ihre rechte Hand, ohne Absicht und doch gewollt.

Darauf wusste Susi nichts mehr zu sagen, und blickte ihn fragend an. Walter räusperte sich und erzählte weiter: „Beantworte mir bitte eine Frage! Könntest Du Dir vorstellen, mit einem alten Knacker – wie mit mir – zu leben? Versteh’ mich nicht falsch, ich will nur gern wissen, ob ich auch für eine jüngere Frau akzeptabel bin! Findest Du mich noch attraktiv genug? Sei ehrlich Susi!“

Nun war sie ganz durch den Wind, und wusste keine Antwort darauf.

Er bemerkte ihre Sprachlosigkeit und entschuldigte sich für die direkte, ja sehr indiskrete, Frage.

Kurz darauf bat er um die Rechnung, zahlte mit einen dicken Trinkgeld und beide verließen das Restaurant.

Dieses Gespräch war so peinlich, dass er ihre Gegenwart nicht länger ertragen konnte.

Susi fühlte seine Gedanken und stammelte nur belanglose Dinge daher. Somit ergab sich im Wagen für beide eine angespannte Situation. Walter verabschiedete sich kurz, bedankte sich für ihre Gesellschaft und entschuldigte sich nochmals für seine Direktheit. Danach setzte er sie vor ihrer Wohnung ab und machte sich aus dem Staub!

‚Das war es!‘ dachte sie, denn er hatte keinen Versuch unternommen, um ein Wiedersehen mit ihr zu vereinbaren. Waren ihre Erwartungen zu groß? Die Schuld für die verpatzte Angelegenheit suchte sie bei sich selbst. Warum war sie so überrascht über seine direkte Frage? Damit hätte sie doch rechnen müssen. Inzwischen wurde ihr klar, dass sie für solche Spielchen, noch nicht clever genug war, denn ihrer Freundin Imke wäre dies mit Sicherheit nicht passiert!

Es stimmte sie traurig, dass sie alles vermasselt hatte. Von einer Weltreise träumte sie ihr ganzes Leben schon und natürlich auch vom Luxusleben in einer großen Villa. Ob sie noch eine Chance hatte bei Walter?

Sie beschloss, ihn am kommenden Tag anzurufen, zuvor musste sie es nochmal überschlafen.

In der Nacht schwitzte sie und wachte immer wieder auf. Sollte sie jetzt schon in die Wechseljahre kommen?

Susi hatte genug Informationen gesammelt zu diesem Thema. Allein der Gedanke war ein Horror für sie und doch erwartete sie diese Zeit. Die fehlenden Östrogene lassen dann ihre Haut schneller altern, Haare und Zähne werden ihr ausfallen usw. usw. usw …

Schwere Depressionen würden zum ständigen Begleiter werden und Nacht für Nacht sollten sie böse Dämonen heimsuchen. Furchtbar!!! Wie sollte sie das alles ertragen bzw. überstehen können, ohne einen geliebten, fürsorglichen Mann an ihrer Seite?

Als sich der Wecker meldete, hatte Susi keine Lust, aufzustehen. Ihr Bett war so kuschelig warm und weich, sie drehte sich auf die andere Seite und dachte: ‚Nur noch fünf Minuten … ‘

Doch sie schlief fester als zuvor und erwachte mit Schrecken als das Telefon schellte. Die Uhr zeigte auf zehn vor zehn.

Sie nahm ab und es meldete sich eine nette Damenstimme: „Guten Morgen Frau Reuther, wir machen eine Umfrage über Fernsehsender. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“

Völlig entnervt antwortete Susi: „Das hat mir gerade noch gefehlt, ich habe verschlafen und keine Zeit für so einen Scheiß!“ und knallte den Hörer auf.

‚Schnell unter die Dusche, anziehen und weg! Das Frühstück muss heute ausfallen‘ dachte sie.

Ihr Terminkalender bestätigte ihr, dass sie schon zwei Termine verpasst hatte und der folgende war 11.00 Uhr bei Dr. Chlement am Rande ihres Bezirkes. Das bedeutete Vollgas für Susi, denn nur so konnte sie noch rechtzeitig erscheinen. Auf der Schnellstraße bemerkte sie kurz das Aufleuchten einer roten Lampe. Das könnte ein Blitzer gewesen sein.

‚Mist! Das kostet mich wieder eine Stange Geld‘ realisierte sie sich eben.

120 km/​h zeigte ihr Tacho in einer 100 km/​h Zone.

Dieser Tag schien von vornherein, nichts Gutes zu bringen. Wäre sie lieber im Bett geblieben und eines war sicher, die Schuld daran trug einzig und allein diese blöde Tussi mit ihrer blöden Umfrage, die sie geweckt hatte. Susi war entschlossen, Walter Braumeier nicht anzurufen.

Falls er Interesse an ihr hatte, sollte er den ersten Schritt tun – so fand sie!

C – wie Dr. Chlement

Nur noch ca. zehn Minuten bis zur Praxis von Dr. Chlement. Er war ein gern besuchter Kunde und hatte immer ein offenes Ohr für Susi. In Gedanken sah sie ihn vor sich und erschrak: ‚Oh mein Gott, der passt total in mein Konzept!‘

Dass sie nicht eher darauf gekommen war? Das C passte zu Chlement und ihr ABC-Plan konnte fortgesetzt werden.

Die Stimmung war somit gerettet und im gleichen Outfit, wie am Tage zuvor beim Jazz, stieg sie aus dem Wagen.

Selbstbewusst betrat Susi die Praxis von Dr. Chlement und ging zu den Damen am Empfang. Mit kleinen Werbegeschenken machte sie sich stets beliebt. Für ein paar persönliche Worte musste ebenfalls Zeit sein. „Frau Reuther, der Doktor erwartet Sie!“ so eine der Assistentinnen. Somit ging sie ins Sprechzimmer, und begrüßte ihn freundlich. Lächelnd saß er am Schreibtisch.

Dieser Mann stellte einen Durchschnittstypen dar. Sein Aussehen war weder auffallend noch anziehend und man hätte ihn durchaus auch für einen Mitarbeiter der Müllabfuhr halten können.

Sein Haar war angegraut und etwas lichter, außerdem zeichneten sich starke Geheimratsecken ab. Von Mitte vierzig bis Anfang fünfzig schätzte sie ihn. Er war sehr schlank und mittelgroß. Sein Gesicht fiel auf durch eine krumme Nase und sehr schmale Lippen, über denen sich ein spärlicher Oberlippenbart ausbreitete. Tiefliegende Augen mit kaum sichtbaren Brauen machten seinen Kopf zu einem Schädel der Urgesellschaft. Dennoch war er witzig und zeigte stets Humor.

Sein Personal mochte ihn. Auch bei seinen Patienten war er sehr beliebt.

Doch Susi hatte andere Vorstellungen von einem Mann, zumindest optisch gesehen. Am liebsten hätte sie ihn von der Liste ihres ABC-Planes gestrichen, so unattraktiv fand sie ihn.

Beide arbeiteten zusammen die neuen Präparate durch und seine Bestellung machte Susi zufrieden. Das Gespräch verlief gut. Chlement verabschiedete sich von ihr mit den Worten: „Na dann bis nächste Woche in Hannover!“, wobei sie total erschrak, denn sie hatte das dort stattfindende Seminar völlig vergessen.

Mit einer Hand voll Ärzten aus ihren Distrikt musste sie daran teilnehmen und Dr. Chlement war einer von ihnen. Von Mittwochmorgen bis Donnerstagabend dauerte diese Veranstaltung. Mittlerweile hasste sie es, in Hotels zu übernachten, doch es gehörte zu ihrem Job, wie das Amen in der Kirche.

Ein halbes Jahr zuvor war sie eine Woche lang auf Palma zum Lehrgang gewesen. Leider hatte sie keine Zeit, sich die Insel näher anzuschauen. Die Teilnehmer wurden, wie eine Schafherde, von einem Termin zum anderen gejagt. Wie gern hätte Susi ein Sonnenbad genommen oder an der Poolbar ein kaltes Pils getrunken, statt dessen saß sie den ganzen Tag in abgedunkelten Räumen, um sich Vorträge anzuhören.

An den folgenden Tagen verlief bei Susi alles wie am Schnürchen und ihre Verkaufszahlen konnten sich sehen lassen. Auch Mutz beteuerte seine Zufriedenheit.

Nun musste sie auch ihr Privatleben auf die Reihe bringen.

Hatte sie denn überhaupt eins?

Da meldete sich Imke wiedermal telefonisch bei Susi, weil sie Lust verspürte, mit ihr auszugehen. Doch sie sagte ab, da sie am folgenden Tag nach Hannover musste. Also verschoben sie ihren Weiberabend auf Freitag.

Am Mittwoch stand sie sehr früh auf, und machte sich auf den Weg.

Nach einer stressigen Fahrt erreichte sie endlich das Hotel in Hannover.

Nur eine Viertelstunde verblieb ihr, um einzuchecken etc., danach begann das Seminar im großen Konferenzraum.

Die Anspannung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Sie hasste solche Veranstaltungen, bei denen gewöhnlich viel zu viel getrunken wurde. Einige Teilnehmer machten sogar die Nacht durch und hingen am folgenden Morgen in den Seilen.

Affären standen dabei auf der Tagesordnung und weil die meisten Teilnehmer verheiratet waren, bedeutete das schlichtweg: vorprogrammierten Ärger!!!

Die Stimmung im Konferenzsaal war verhalten. Das Ambiente war gut und alle wichtigen Figuren der Geschäftsleitung liefen sehr beschäftigt umher. Der Firmenchef, Herr Winkelmann, hatte eine neue Designerbrille auf seiner Nase und ein Anzug von Joop betonte seine stattliche Figur. ‚Was der wohl gekostet hat?‘ dachte Susi.

Winkelmann war eine sehr angenehme Erscheinung und stapfte noch stets auf Freiersfüßen. Das machte ihn vor allem bei den Mitarbeiterinnen der Firma begehrenswert.

Er strahlte enorme Ruhe aus, besaß positiven Umgangsformen und eine sehr menschliche Denkweise.

Diese Kombination gab ihm eine fast unwiderstehliche Ausstrahlung. Vielleicht auch deswegen, weil er niemanden mehr etwas beweisen musste, um sich den nächst höheren Stuhl zu ergattern. Auf den saß er nämlich schon mehr als zehn Jahre!

Susi beobachte ihn unaufhörlich und fragte sich, wer wohl für diesen tollen Mann die Socken wasche und versank dabei in absurde Gedanken. Ob er vielleicht regelmäßig ins Bordell ginge? Oder hatte er eine Geliebte, die in der Dunkelheit heimlich in sein Schlafzimmer einstieg? Wie würde er im Bett sein? Ein Hengst oder eher ruhig und zärtlich? Schade, dass Imke nicht hier war, denn sie hätte es gewusst, ganz bestimmt sogar!

Auf welchen Typ ‚Frau‘ würde Winkelmann stehen?

Susi zog sich selbst nicht in Betracht, denn er schien ihr in jeder Beziehung haushoch überlegen.

Imke hätte bei ihm ebenfalls keine Chance (sie war ihm zu gewöhnlich), auch wenn sie glaubte, jeden Mann rumzukriegen.

Aber Winkelmann nicht!!!

Sein gepflegtes Erscheinungsbild passte in jede Modezeitschrift. Diese Dressmans von heute könnten alle einpacken, wenn er erscheinen würde. Susi hatte an ihm – rein äußerlich gesehen – nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Wenn er lachte, sah er super-sexy aus!

Plötzlich erschrak Susi und zuckte zusammen, denn Dr. Chlement stand hinter ihr und begrüßte sie: „Guten Morgen Frau Reuther, darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Susi schraubte ihre großen, grünen Augen auf und glaubte im falschen Film zu sein. Eben hatte sie die erotischsten Gedanken ihres Lebens, da kommt dieser, abartig hässliche Mann und spült sie, mit der reißenden Kraft eines Tsunamis, an Land.

Benommen setzte sie ein gekünsteltes Lächeln auf: „Guten Morgen, Dr. Chlement, sie haben mich aber erschreckt!“

 

„Oh, das war nicht meine Absicht – entschuldigen Sie bitte! Wo waren Sie denn mit Ihren Gedanken?“

Das war der Gipfel der Frechheit, was gingen ihm ihre Träume an? Sollte sie vielleicht sagen, dass sie eben noch mit Winkelmann Sex hatte und der bevorstehende Orgasmus durch seine Schuld ausgeblieben sei? Natürlich durfte sie das nicht. Spontan dachte sie an einen Spruch: ‚Sag die Wahrheit und lache dabei! Keiner wird Dir glauben!!!‘ Susi antwortete prompt: „Ich war soeben mit meinem großen Chef im Bett, wenn Sie es genau wissen wollen!“

Sie schüttete sich aus vor Lachen, und stutzte über ihre eigenen Worte. Sie fand es ziemlich frech, aber sein verblüfftes Gesicht veränderte sich ebenfalls in ein ausgebreitetes Lachen.

Schlagfertige Frauen schienen ihm zu gefallen.

Die Konferenz wurde vom Chef eröffnet. Absolute Stille herrschte im Saal, als Winkelmann zum Podium schritt.

Sein Gang war so elegant, dass Susi meinte, Musik zu hören. Die männlich tiefe Stimme drang durch das Mikrofon und ein Schauer lief ihr über den Rücken.

Sie nahm nichts mehr wahr, und tauchte in eine andere Welt ein, die ihr besser gefiel als die Realität. Mit erstarrtem Blick visierte sie Winkelmann, doch er stand nicht hinter diesem Podium.

Nein – er lief neben ihr am Strand entlang, vielleicht in der Normandie von Frankreich? Die Steilküste zeigte sich am Meeresufer in schwindelerregender Höhe.

Er trug nur weiße Shorts.

Der nackte, sonnengebräunte Oberkörper konnte sich sehen lassen. Seine Brust war die eines Athleten, glatt und ohne Haare. Susi hasste Männer mit Brusthaaren!

Sie lief neben ihn in einem bunten, langen Strandkleid aus Chiffon, das der Wind um ihre Hüften hin und her bewegte.

Nun nahm er ihre Hand und zog sie an sich heran, küsste sie mit voller Hingabe und wirbelte sie wenig später durch die Lüfte, bis ihr die Luft ausging. Wie bei einem Boxkampf in der Arena gingen beide zu Boden. Sie war k. o. und gab sich geschlagen.

Als er versuchte, ihren Slip auszuziehen, fühlte Sie ein erotisches Kribbeln im Bauch! Schmetterlinge?

Plötzlich erwachte sie wieder durch Chlement. „Frau Reuther, wie hieß das Medikament, ich hab es nicht gut verstanden?“ fragte er, und hielt seinen Kugelschreiber über die klaffende Textlücke auf seinem Papier. Somit war sie aus dem romantischsten Tiefschlaf, den sie je hatte, wachgerüttelt worden! Wieder durch diesen Chaoten!

Seine Frage konnte sie nicht beantworten, da sie nicht wirklich zugehört hatte und zuckte kurz mit den Achseln.

Darauf begann er (wie ein Waschweib) zu kichern, beugte sich zu Susis Ohr und flüsterte: „Na, waren Sie wieder auf Erotikkurs mit Ihrem Chef? Wie war er denn so? Hihihi!“

Das fand sie gar nicht lustig, und strafte ihn mit einem sehr bösen Blick. Immerhin hatte er sie durchschaut, dass sie mit ihren Gedanken woanders war.

Mehr konnte er nicht wissen – gottseidank auch! Was bildete sich dieser Eierkopf eigentlich ein?

Sie musste ihn nach der ersten Pause abschütteln. Unbedingt! Vielleicht könnte sie neben ihrer Kollegin, Martina Kölliger, sitzen? Die hielt wenigstens den Mund.

Chlement nervte immerzu weiter. Unmöglich für Susi, ihren turbulenten Traum mit Winkelmann fortzusetzen. Schade!

Mittlerweile war Pause angesagt. Noch ganz benebelt von ihrer Vision, lief sie im Strom der Menschen mit – Richtung WC!

Dort hieß es erst einmal anstellen und warten, wobei sie sich beinah in die Hose pinkelte.

Anschließend eröffnete man ein kaltes Buffet mit verschiedenen Raritäten von Wurst, Schinken und Käse, Salate etc.

Susi nahm sich einen Kaffee und ging zurück an ihrem Platz neben Chlement. Dieser erwartete sie schon.

Sie hatte kurz nachgedacht und durfte ihn keineswegs verletzen, denn er war ein Großabnehmer ihrer Medikamente und ganz nebenbei stand er noch für C in ihrem ABC-Plan.

Beide waren sich einig, zum DU überzugehen, und lachten miteinander. „Und doch“ holte Chlement aus, „möchte ich zu gern wissen, von wem Du vorhin geträumt hast! Du sahst so glücklich aus! Verrätst Du es mir?“ Natürlich durfte sie ihm das nicht auf die Nase binden. „Na gut, ich war am Strand in der Normandie – zufrieden?“ sagte sie kurz. Daraufhin der Doktor: „Aber nicht alleine, stimmt’s? Vielleicht mit dem da vorne?“ und zeigte auf Winkelmann, der sich wieder auf den Weg zum Mikrofon machte.

„Pst!!!“ machte Susi und legte ihren Zeigefinger auf den Mund. Das Seminar ging weiter.

‚Dumm ist Peter Chlement nicht‘ dachte sie ‚er hat mich durchschaut!‘ Von der Seite schielte er zu ihr und lächelte mit einem Augenzwinkern. Winkelmann bedankte sich für die Aufmerksamkeit und übergab das Wort an den Geschäftsführer der Firma. Dessen Ausführungen waren trocken und seine Rhetorik ließ die Teilnehmer ins Wachkoma fallen. Er sprach so monoton, dass niemand mehr zuhören wollte.

Unruhe machte sich im Saal breit. Nach einem einstündigen Vortrag beendete er schließlich seine Ausführungen – zur Freude aller Anwesenden! Später übernahm einer der Distriktmanager das Wort und hielt sich kurz, so dass die Mittagspause nach Plan stattfinden konnte. Susi ging zusammen mit Peter Chlement ins Restaurant. Hier speisten sie a’la carte. Beide bestellten Rinderbraten.

Am Tisch sitzend, beobachteten sie die übrigen Gäste, die wie eine Schar Ameisen hin- und herliefen.

Viele rückten sich in Szene und taten sehr wichtig. Nur wenige davon kannte Susi, aber es waren immer wieder dieselben, die gern auf sich aufmerksam machten. All das affektierte Getue fiel ihr mächtig auf die Nerven und sie empfand schon beinahe Mitleid für diese Menschen. Weiter gab es da noch die natürlichen, stilleren Typen, die mit ihrem Witz und Humor sehr unterhaltsam sein konnten, wenn sie wollten. Aus einer Gruppe Leute trat plötzlich Martina Kölliger hervor mit einem Glas Cola stand sie da und suchte offensichtlich jemanden. Martina war eine der jüngsten Kolleginnen von Susi. Kein Wort zu viel sagen, niemals eine gegenteilige Meinung haben und nett sein – das war Martina!

Sie war schlank, mittelgroß und hatte blondes, sehr kurzes Haar. Kurzum ein durchschnittliches Mädchen von Anfang zwanzig. Im Team nahm sie niemand für voll, darum wollte sich Susi barmherzig zeigen und schenkte ihr etwas Aufmerksamkeit. Gelegentlich half sie ihr mit diesem oder jenem Tipp. Martina war ihr sehr dankbar dafür.

Vielleicht würde sie einmal eine gute Pharmareferentin oder sogar eine Distriktmanagerin werden, denn sie war nicht nur jung, sondern auch überaus intelligent. Wer weiß?

Susi rief sie zum Tisch und stellte ihr Peter vor. Martina schien verlegen und wurde rot, was ihren Teint zum Fliegenpils werden ließ. Peter schien erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen, und presste ihre Hand bei der Begrüßung fest zusammen, so dass sich ihre Ringe fast verbogen. Martina schrie vor Schmerz auf: „Autsch …!“ Niemand kümmerte das. Susi fragte sie nach ihren Verkaufszahlen.

„Es könnte besser sein, aber was soll’s?“ antwortete Martina unsicher. „Ja, wir sind mitten im Sommerloch! Hast Du von Mutz was gehört?“ „Nein. Ein Wunder, dass er heute nicht hier ist!“

„Vielleicht hat er sein Haarspray nicht gefunden und kommt später!“ Mutz mußte anwesend sein bei solch einer Veranstaltung. Sollte er vielleicht krank sein? Nur etwas in dieser Art konnte ihn entschuldigen. Die Mittagspause war fast vorbei, als Winkelmann auf Susi zusteuerte. Wie erstarrt – blieb sie stehen – ihr Herz stagnierte!

In gelassener Haltung gesellte er sich zu einem der Manager neben ihr und vertiefte sich in ein scheinbar ernstes Gespräch. Er hatte sie nicht bemerkt. Was, wenn er sich mit ihr unterhalten wollte? Würde sie sich dann ebenfalls in einen Fliegenpilz verwandeln? Sicher und bestimmt sogar!

Die Tagung verlief – gemäß Tagesordnung – weiter. Nur eine halbe Stunde Zeit blieb Susi für ein neues Outfit am Abend, denn ein Diner war angesagt.

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