Tabu Wenn Liebe nicht sein darf

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Z serii: Tabu #1
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*

In den nächsten zwei Tagen war Nick wirklich sehr brav. Er arbeitete gut mit und brachte sie nicht wieder aus dem Konzept. Am Ende der letzten Stunde nahm er den Besen aus der Ecke und begann den Raum zu fegen. Nachdem er zweimal um den Lehrertisch herum gefegt hatte, sah Katja vom Klassenbuch auf, in das sie den Unterrichtsstoff eingetragen hatte, und musste lachen, so verbissen war er bei der Sache.

„Es ist hier schon sehr sauber, Nick, du kannst aufhören.“

„Bleibt es dabei, dass du mich mit zu dir nimmst?“

Katjas Verstand gab ein Alarmsignal von sich und sie dachte einen Moment daran, ihn eine Absage zu erteilen. Aber es ging nicht: Sie schaute in seine Augen und konnte nicht anders, als ja zu sagen. Strahlend stellt er den Besen in die Ecke und wollte hinausrennen.

„Warte am Auto auf mich! Ich komme gleich nach. Kochen, essen und reden. Mehr nicht.“

Nick lief los. Als sie zum Auto kam, sah sie ihn auf und ab laufen. Sie öffnete den Kofferraum und stellte ihre Tasche hinein. Nick packte seinen Rucksack daneben und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er ließ sich tief hineinsinken, als sie durch die Stadt fuhren. Bei Katja angekommen, stieg er aus und trug ihre Tasche ins Haus. Er war schon oft mit seiner Mutter hier gewesen. Aber jetzt war es ein Nervenkitzel. Mit Katja allein sein, dachte er aufgeregt, ist unglaublich.

In der Küche gab sie ihm die Zwiebeln zum Schneiden und setzte Nudelwasser auf. Dazu machte sie Tomatensoße und befahl Nick den Tisch zu decken. Bei Essen schwiegen sie und über die Löffel hinweg trafen sich ihre Blicke. Katja lächelte, als sie sah, mit welchem Tempo er das Essen verschlang. Er war eben doch noch ein großer Junge. Sie räumten gemeinsam ab und setzten sich ins Wohnzimmer. Katja hatte die Knie angezogen und betrachtete Nick, der ihr gegenüber im Sessel saß.

„Woran denkst du?“, fragte sie.

„Wir haben uns schon einmal im Arm gehalten. Weißt du das noch?“

„Beim Tanzen?“

Er nickte. Es war ein großer Spaß gewesen, als sie im Musikunterricht die Standardtänze geübt hatten. Nick musste zuerst als Tanzpartner herhalten, denn keiner von den Jungs wollte anfangs mit der Lehrerin tanzen, ja nicht mal mit einer Mitschülerin. Mit ein bisschen Übung sah es dann aber bei allen sehr gut aus.

„Irgendwann machen wir das nochmal, zum Beispiel auf dem Abschlussball.“

„Warum nicht jetzt?“

Katja hätte sich zu gerne in seine Arme begeben, aber die Vernunft hielt sie davon ab.

„Lass uns das Ganze langsam angehen. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich dir nicht lieber aus dem Weg gehen sollte.“

Nick stand auf und setzte sich mutig zu ihr auf die Couch. Katja rückte ein Stück in die Ecke.

„Bitte, Nick, lass es sein. Ich darf das nicht zulassen! Wir haben uns gut unterhalten, schön gekocht und gegessen. Am besten ist, wenn ich dich jetzt nach Hause bringe.“

„Ich verstehe deine Angst, wirklich. Ich weiß auch nicht, wie das funktionieren soll, aber bitte, gib uns eine Chance. Es fühlt sich so gut an, mit dir zusammen zu sein. Warum soll das falsch sein?“

Katja sprang auf, stellte sich ans Fenster und sah hinaus.

„Warum das falsch ist? Ich hätte es dir gar nicht sagen dürfen. Damit fing es schon an. Dass wir jetzt hier alleine sind und auch noch überlegen, ob wir uns auf mehr einlassen können, ist ganz furchtbar falsch. Ich bin deine Lehrerin und mache mich strafbar. Außerdem kann ich deiner Mutter jetzt schon nicht mehr in die Augen sehen. Also ich weiß ganz genau, dass es falsch ist.“

Nick war hinter sie getreten und legte eine Hand auf ihre Schulter. Katja war zusammengezuckt, aber sie sah ihn an. Als er sich zu ihr herüber beugte und sie küssen wollte, legte sie ihm einen Zeigefinger auf die Lippen.

„Bitte tu nichts, was du morgen bereuen könntest!“

„Warum sollte ich etwas bereuen, was mit dir zu tun hat? Niemals. Aber gut, ich sehe ja ein, dass es schwierig wird. Bring mich heim, aber lass mich nicht hängen.“

Katja reckte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf die Wange. Nick nahm ihre Hand und ließ sie erst am Auto wieder los.

Daheim saß er schweigend am Tisch, als Bea das Abendessen vorbereitete. Sie fand ihren Sohn in letzter Zeit sehr still und in sich gekehrt.

„Was ist los, mein Großer? Du wirkst abwesend? An wen denkst du?“

Nick erschrak, ließ sich aber nichts anmerken. Bea hatte sich zu ihm gesetzt. Sie warteten auf Bernd, der gleich heimkommen würde, um mit ihnen zu Abend zu essen.

„Es ist nichts, Mama, alles gut. Die Schule ist ein bisschen stressig.“

„Bist du verliebt?“

„Nein!“

„Ach komm, wir haben uns doch immer alles gesagt. Ist sie hübsch? Kenne ich sie? Ist sie an deiner Schule?“

„Mama! Ja, sie ist hübsch. Und ja, sie ist an meiner Schule. Hör bitte auf zu fragen, es ist alles noch nichts Genaues. Kein Grund mich auszuhorchen.“

Bea war erstaunt, dass er so reagierte. Sie hatten immer über seine Freundinnen geredet und ab und zu hatte er eine mit heimgebracht. Aber das hatte nie lange gehalten. Dieses Mal muss es etwas Ernstes sein, dachte sie, hoffentlich ist sie ein nett und steht seiner Karriere nicht im Weg. Sie musste an den Brief denken, der heute in der Post gewesen war. Absender war die Sportschule in München, an der er sich im Sommer beworben hatte. Die Eltern hatten beschlossen, ihm das wichtige Schreiben nach dem Essen zu übergeben.

Bernd kam herein und ließ sich, nachdem er Bea geküsst und Nick auf die Schulter geklopft hatte, auf seinen Stuhl fallen. Er war erschöpft und hungrig.

„Was für ein Tag! Guten Appetit.“

Sie aßen schweigend, danach nickte Bernd und Bea stand auf, um den Brief aus dem Küchenschrank zu nehmen. Sie legte ihn auf Nicks Platz. Die Eltern schauten ihren Sohn erwartungsvoll an.

Nick drehte und wendete den weißen Umschlag in seiner Hand, danach nahm er einen Teelöffel und öffnete ihn damit. Er hielt das weiße Blatt fest und zögerte.

„Mama, Papa, ich kann ihn nicht hier lesen.“

„Geh ruhig nach oben, Schatz. Wir sind gespannt.“

In seinem Zimmer faltete Nick das Blatt auseinander und las: „Wir freuen uns dir mitteilen zu können, dass du ab dem 5.12. in unsere Schule aufgenommen bist.“

Er wollte gerade in Freudensprünge ausbrechen, da sah er das Datum. Das war ja in zwei Wochen! Oh nein, dachte er, jetzt hat das mit Katja gerade erst begonnen und nun muss ich weg. Hin und her gerissen lief er zu seinen Eltern hinunter und legte den Brief vor seinem Vater ab. Bernd sprang auf und umarmte seinen Sohn.

„Mir scheint, dein Traum wird wahr, mein Großer. Ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz ich auf dich bin. Herzlichen Glückwunsch.“

Bea dachte nur: Wo ist denn die große Freude bei Nick? Eigentlich müsste er auf dem Tisch tanzen. Sie setzte sich zu ihm und schaute ihm in die Augen.

„Nick, du freust dich ja gar nicht. Was ist los? Raus mit der Sprache.“

„Was du wieder denkst, natürlich freue ich mich. Es ist nur das Datum. Das ist in zwei Wochen und im Moment fühle ich mich in der Schule sehr wohl. Das muss ich alles aufgeben.“

„Und du musst SIE aufgeben? Wenn sie dich wirklich mag, dann freut sie sich für dich.“

„Ich weiß, aber … Mama, kann ich schnell nochmal weg? Es ist wichtig. Ich beeile mich auch, ja?“

„Gut, aber komm nicht so spät, du musst morgen früh raus.“

Nick sprang auf, küsste Bea auf die Wange, packte den Brief und rannte zu seinem Roller, um zu Katja zu fahren. Die erschrak, als er so plötzlich vor ihrer Tür stand. Er lief an ihr vorbei und ließ sich auf den Sessel fallen. Als Katja sich auf die Couch setzte, schob er ihr den Brief über den Tisch. Sie las und schaute ihn an.

„Herzlichen Glückwunsch, mein Lieber. Du hast es geschafft.“

„Das ist alles schön und gut, aber ich kann doch jetzt nicht von dir weggehen!“, rief er erregt. „Dann sehen wir uns überhaupt nicht mehr. Ich gehe da nicht hin.“

Katja war aufgestanden und setzte sich auf die Sessellehne. Sie nahm Nick in den Arm und strich ihm über das Haar.

„Du musst gehen. Nick, du musst das tun! Es ist dein Lebenstraum und ich werde dir nicht im Weg stehen. Du musst nach München gehen.“

„Aber was wird aus uns?“

„Es bleibt, wie es ist. Wenn du nicht so oft heimkommst, dann besuche ich dich in München.“

„Wirklich?“

„Natürlich, das ist doch kein Problem. Wenn es dir wichtig ist, bringt es dich weiter und uns nicht auseinander.“

„Es ist dein Ernst, oder?“

Katja nickte nur und ließ es geschehen, dass er die Arme um sie schlang. So saßen sie eine Weile ohne zu reden. In Katjas Kopf rollten die Gedanken wild durcheinander. Wenn Nick in München war, konnte sie wieder vernünftig werden. Vielleicht lernte er auch ein Mädchen kennen, in das er sich verlieben würde. Es war eine Chance für die beiden, ihr Leben wieder in normale Bahnen zu lenken. Katja standen die Tränen in den Augen, als sie sich von ihm verabschiedete.

„Ich werde immer zu dir stehen. Also sage deinen Eltern, dass du demnächst in München wohnen wirst.“

Nick stieg auf den Roller und fuhr heim. Bea hatte schon gewartet.

„Und? Alles in Ordnung?“

„Ja Mama, ich gehe nach München und freue mich sehr.“

„Sie muss ein tolles Mädchen sein, bring sie doch mal mit.“

„Ganz sicher nicht, aber du hast recht, sie ist ein tolles Mädchen.“

Seine Mutter sah so ernst aus, dass er auf einmal begriff, wie sehr sie in ihn hineinschauen konnte. Es war unheimlich und er dachte: Soll sie ruhig weiter denken, dass es ein „Mädchen“ ist, in das ich verliebt bin. Die Wahrheit würde niemals funktionieren. Er eilte in sein Zimmer, legte den Brief auf das Regal und machte sich zum Schlafen fertig. Lang ausgestreckt dachte er an Katja und malte sich seine Zukunft mit ihr aus. Sie müssten wahrscheinlich wegziehen, dorthin, wo sie niemand kannte. Aber er würde zu ihr stehen und für ihre Liebe kämpfen. Mit diesem Entschluss rollte er sich zusammen und schlief ein.

 

*

Katja lag zuhause im Bett und kämpfte mit den Tränen. Es war richtig, dass Nick wegging, aber gleichzeitig fühlte sie einen großen Schmerz. Im realen Leben würde sie nicht mit ihm zusammen sein können, aber in ihren Träumen lag sie in seinen Armen und gab sich seinen Küssen hin.

Sie hatten sich für Freitag nach der Schule verabredet. Nick würde Katja besuchen und sie würden sich einen schönen Abend machen. Bis dahin war Schule und sie verhielten sich korrekt. Nach dem Unterricht hatte er ihr oft einen kleinen Zettel auf das Pult gelegt oder sich freiwillig zum Putzen gemeldet, nur um noch einige Minuten in ihrer Nähe zu sein.

Am Freitag stand er mit einer roten Rose vor der Tür. Er hatte seiner Mutter gesagt, dass er zu seiner Freundin wollte, um zu klären, wie es weitergehen sollte, wenn er weg ist.

„Geht es denn überhaupt weiter?“, hatte Bea gefragt und mit ungewohnt scharfem Ton hinzugefügt: „Du musst dich jetzt ernsthaft um deine Karriere kümmern, da ist so eine Liebelei schnell vergessen. Vielleicht findest du auch in München ein nettes Mädchen und verliebst dich.“

„Nein, ich habe ein nettes Mädchen. Vergiss das mal wieder, ich werde mich nicht von ihr trennen.“

Bea hätte zu gerne gewusst, wer dieses Mädchen war, aber sie war keine von den Müttern, die ihren Kindern hinterher schnüffelten. Sie vertraute ihrem Sohn und schließlich hatte das Mädchen ihn nicht von München abgehalten. Darum legte sie nun eine Hand auf seinen Arm und lächelte besänftigt.

„Es ist ja gut so, wie es ist. Fahr zu ihr und seht, dass ihr eure Liebe über die Zeit in München retten könnt. Papa ist noch unterwegs, sei um Mitternacht zuhause, in Ordnung?“

Nick umarmte seine Mutter liebevoll und verließ das Haus, glücklich, dass er und Katja den Nachmittag, den Abend und die halbe Nacht zusammen genießen konnten.

Katja zog Nick ins Haus und nahm die Rose entgegen. Er küsste sie vorsichtig auf die Wange und lief voran ins Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ. Katja klapperte in der Küche mit den Schranktüren und fand nach einiger Zeit eine passende Vase. Sie stellte die Rose ans Fenster, setzte sich in den Sessel und sah Nick an.

„Geht es dir gut? Du strahlst so verdächtig.“

„Mir geht es sehr gut. Erstens, weil ich bei dir sein darf. Zweitens, weil du so süß bist. Drittens, weil meine Mutter mir Ausgang bis Mitternacht genehmigt hat.“

„Sehr gut, dann haben wir ja alle Zeit der Welt. Hast du Hunger? Wollen wir etwas kochen?“

Nick schüttelte den Kopf.

„Komm her!“

Nun schüttelte Katja den Kopf.

„Bitte, komm zu mir“, flehte er und sah sie unaufhaltsam an.

Katja atmete tief durch und stand langsam auf. Sie ging zur Couch hinüber und setzte sich in die gegenüberliegende Ecke. Nick musste lachen.

„So ein Quatsch, jetzt bist du genauso weit weg. Komm näher!“

„Das geht nicht. Versteh doch bitte.“

„Ich will aber nicht verstehen. In einer Woche bin ich weg und dann können wir uns nicht mehr nahe sein. Wir habe nur noch dieses Wochenende.“

Katja entspannte sich und rutschte in die Mitte. Auch Nick kam ihr ein Stück entgegen, sodass sie sich sehr nahe gekommen waren. Katja strich ihm über die Wange und verursachte bei Nick eine Gänsehaut. Die beiden fühlten eine Anziehungskraft, der sie sich nicht länger entziehen konnten und wollten.

Nicks blaue Augen leuchteten, als sie ihre Hand wegnahm und seine Finger berührte. Sie küsste die Fingerspitzen. Er fuhr ihr mit dem Zeigfinger über die Lippen und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Katja fuhr ihm durch die kurzen blonden Haare. Ihr Verstand rief: Du musst jetzt weglaufen! Ihr Herz hielt tapfer dagegen: Es ist Liebe, los, küss ihn! Es schlug wild und ungestüm, als sie sich zu Nick hinüber beugte. Sanft berührten ihre Lippen seine und ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken. Nick lächelte und Katja dachte: Oh nein! Als sich ihre Lippen zum zweiten Mal berührten, legte er einen Arm um sie und Katja ließ es zu. Beim dritten Kuss nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Sie saßen eng umschlungen auf der Couch und knutschten hemmungslos. Nick wähnte sich im Himmel und dachte nur noch an den Augenblick. Plötzlich konnte Katja wieder denken, entzog sich erschrocken seinen Armen und sprang auf.

„Das dürfen wir nie wieder machen! Du bist mein Schüler und der Sohn meiner besten Freundin. Das geht absolut nicht. Oh mein Gott, wie konnte ich nur! Nicht auszudenken, wenn uns einer dabei erwischen würde.“

Nach dem Essen, von dem Katja erhoffte hatte, dass es wieder Distanz bringen würde, landeten sie erneut auf der Couch und gaben sich den so verbotenen Küssen hin. Nachdem Nick heimgefahren war, ging Katja ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Ich kann nie wieder ruhig schlafen, dachte sie, und ihr schlechtes Gewissen lief auf Hochtouren.

*

Am Samstagmorgen betrachte sich Nick lange im Spiegel. Hatte er sich verändert, seit er eine richtige Frau liebte? Er fühlte sich gut, seine Gefühle für Katja waren sehr intensiv und nun wünschte er sich, doch nicht nach München zu gehen, sondern hier bei ihr zu bleiben.

Seufzend wandte er sich ab und zog sich an. In einige Mädchen war er schon verliebt gewesen und hatte mit dem Satz: „Ich liebe dich“ achtlos um sich geworfen, denn die Mädchen in seinem Alter hörten das gerne und bisher dachte er, das Gefühl zu kennen. Dieses Mal war alles anders.

Seine Mutter betrachtete ihn beim Frühstück schweigend. Nick sah, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete und dachte: Hoffentlich kriegt sie niemals raus, dass ich mit Katja zusammen bin. Aber war er das wirklich? Sie hatten sich geküsst, das hatte er auf keinen Fall geträumt, das war die Realität gewesen. Aber plötzlich hatte sich Katja zurückgezogen und ihre Zweifel laut ausgesprochen. Hatte sie etwa recht?

Bea und Katja waren seit langer Zeit Freundinnen, sie achteten und vertrauten einander. Nicks Mutter wäre sicherlich sehr enttäuscht, wenn sie von dem Kuss erfahren würde, denn sie hielt Katja für eine gute Lehrerin, die wusste, was sie tat. Das war sie, auch wenn sie in der Freizeit nicht wie eine Lehrerin mit ihm umging, dafür kannten sie sich zu lange. In der Schule konnte er bei ihr richtig gut lernen, denn ihr lebhafter Unterricht hielt wach und motivierte zum Mitmachen.

Seine Mutter unterbrach diese Gedankengänge: „Sag mal, willst du mir nicht sagen, wer sie ist? Du kannst mir doch alles anvertrauen.“

„Nein, auf keinen Fall. Du wärst mit Sicherheit nicht froh darüber, aber ich liebe sie.“

„Das glaube ich dir gerne und ich denke, sie tut dir gut. Schließlich steht sie hinter deinen Plänen und wenn eine Frau das macht, dann sollte man sie halten.“

„Ja, ich weiß“, erwiderte Nick, der bei dem Wort Frau unmerklich zusammengezuckt war. „Ich will sie auch nicht verlieren. Aber sei nicht sauer, wenn ich es dir nicht sage. Es geht wirklich nicht.“

„Ich vertraue dir und hoffe, du weißt, was du tust.“

Nicks schlechtes Gewissen meldete sich jetzt, aber er wusste, dass sie auch irgendwie recht hatte und redete sich ein, dass alles richtig war. Katja tat ihm gut, nicht nur seinen Leistungen und seinem Ehrgeiz, sondern auch seinem männlichen Ego. Er war überzeugt, dass er mit ihr für immer zusammenbleiben wollte, egal, wie viele langbeinige Teenager ihm noch schöne Augen machen würden.

So, wie er kein anderes Mädchen kennenlernen wollte, so hoffte er, dass auch Katja bei ihm bleiben könnte. Aber was wäre, wenn sie einen richtigen Mann treffen würde, der ihr die Welt zu Füßen legte? Solche Männer gab es überall, das hatte er schon viele Male im Fernsehen gesehen. Auch in den Gesprächen mit den Jungs ging es oft darum, wie man eine Frau erobern könne. Sein Freund Ryan war überzeugt, dass jede Frau auf Geld und Macht abfuhr. Gefühle und Charakter waren zweitrangig. Nick hatte in den letzten Tagen häufig daran denken müssen und betete seitdem dafür, dass Katja niemandem begegnen würde, der ihr besser gefiel und ihr mehr bieten könnte.

„Mama, wir haben nur noch heute. Danach sehen wir uns sicher lange nicht. Denkst du, ich kann mal länger wegbleiben?“

Bea lächelte sanft.

„Papa ist noch bis morgen Abend auf der Messe. Ich denke, du solltest unbedingt vor ihm wieder daheim sein. Genieße die Zeit mit ihr. Wer weiß, was später wird.“

Nick umarmte seine Mutter und sein Herz klopfte bis zum Hals. Bea drückte ihn fest und nickte verständnisvoll.

„Jetzt hau schon ab, ehe ich es mir anders überlege.“

Überglücklich sah Nick den schönen Tag mit Katja vor sich und machte sich auf den Weg zu ihr. Als er klingelte, freute er sich auf ihre Reaktion, wenn er ihr sagen würde, dass er über Nacht bleiben könne.

„So früh? Bist du aus dem Bett gefallen?“

„Guten Morgen. Darf ich reinkommen?“

Katja trug nur einen Bademantel, denn sie war gerade aus der Dusche gekommen, und sie hatte nasse Haare. So früh hatte sie nicht mit Nick gerechnet. Er schaute sie an und sie kam sich sehr unangemessen gekleidet vor. Rasch eilte sie ins Schlafzimmer, nachdem sie ihn geküsste hatte, und zog sich an. Einen Moment lang dachte Nick darüber nach, ihr zu folgen, aber er wagte es nicht. Also begann er den Frühstückstisch zu decken und stellte die Kaffeemaschine an.

„Na sowas, du bist aber fleißig“, sagte Katja lächelnd, als sie in die Küche kam.

„Ich denke, wir frühstücken jetzt gemütlich, dann machen wir uns einen schönen Tag und dann …“

Nick lächelte geheimnisvoll.

„Und dann?“

„Dann schlafen wir zusammen ein?“

„Wie? Was? Wie soll ich das verstehen?“

„Ich muss erst morgen wieder zuhause sein. Mama hat es mir erlaubt.“

„Aha.“

Katja war beinahe das Herz stehengeblieben. Bea lieferte Katja und Nick mit dieser Erlaubnis eine Vorlage, die sie ihnen niemals zugestehen würde, wenn sie die Wahrheit kennen würde. Oh nein, dachte sie, das dürfen wir nicht. Sie sah Nick ernst an.

„Du willst über Nacht bei mir bleiben? Das geht aber nicht.“

Nun war Nick enttäuscht. Wollte Katja ihn nicht? Traurig presste er die Lippen zusammen. Katja tat es leid, dass sie ihn verletzt hatte, aber sie fühlte noch etwas anderes: Sie wollte Nick so sehr, dass sie ihn ganz sicher nicht nach Hause schicken würde. Bea wusste bestimmt, dass ihr Sohn, der siebzehn Jahre alt war, mit seiner Freundin nicht nur Händchen hielt. Das wollte sie auch nicht. Aber durfte sie diesen letzten Schritt gehen und mit ihm schlafen? Heute Abend mit ihm einschlafen und morgen früh mit ihm aufwachen? Nein, sie durfte nicht, aber sie konnte sich gegen das Verlangen nicht wehren. Sie verfrachtete ihr letztes Fünkchen Verstand in die hinterste Ecke ihres Gehirns und stand auf. Langsam knöpfte sie ihre Bluse auf, streifte sie über die Schultern und ließ sie auf den Boden fallen. Sie drehte sich um und ging nach oben.

Nick folgte ihr voller Erregung. Er wusste, was nun kommen würde, ein Zittern ging durch seinen Körper. Er machte sich keine Gedanken darüber, dass es nicht richtig war, mit ihr zu schlafen, sondern darüber, ob er gut genug für Katja war. Hoffentlich kann ich ihr das geben, was sie will, dachte er mit trockenem Mund. Sie drückte ihren Körper an seinen, als sie vor dem Bett standen, und zog ihm das T-Shirt über den Kopf. Seine Lippen wanderten über ihre glatte Haut und nun zogen sie sich weiter aus. Nachdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten, lagen sie in Gedanken versunken nebeneinander. Katja hörte Nicks Stimme wie aus weiter Ferne.

„Es hat sich so richtig angefühlt, da kann es doch nicht falsch sein, wenn wir uns lieben.“

„Machen wir uns nichts vor: So schön es auch war, wir können nicht zusammen sein. Lehrer und Schüler dürfen nicht miteinander schlafen. Ich darf auch nicht mit dem Sohn meiner besten Freundin schlafen. Nick, wenn ich vernünftig wäre, würde ich dich jetzt aus meinem Bett werfen und dich vergessen.“

 

„Bist du vernünftig?“

„Ich fürchte nein.“

Nun begann Nick zu lachen und Katja stimmte mit ein. Ja, dachte sie, ich bin alles andere als vernünftig.

Nach einem wunderbaren Wochenende, das sie in trauter Zweisamkeit verbracht hatten, verabschiedete sich Nick am Sonntagabend. Traurig dachte er an die nächste Zeit, in der er Katja nicht sehen konnte. Aber dass er nun wegging, hatte auch etwas Gutes: Sie war nicht mehr seine Lehrerin.

„Melde dich, wenn du angekommen bist. Ich habe jetzt schon Sehnsucht nach dir.“

Katja lief eine Träne über die Wange, aber auch sie sah in seinem Weggang eine Chance, wenn auch nicht die gleiche wie Nick: Sie konnte ihren Verstand wiedererlangen und er konnte sich in ein Mädchen seines Alters verlieben, dann durfte sie endlich ihre Freundschaft mit Bea wieder leben. So, wie es jetzt war, wagte sie nicht, ihr in die Augen zu sehen. Bea hatte schon immer einen siebten Sinn, was Katja und ihre Gefühle anging. Wie oft hatten sie zusammengesessen und sich ausgemalt, wie der Mann sein musste, der einmal Katjas Herz erobern würde. Meist endete es mit einem ausgelassenen Lachen, denn Katja hatte nicht vorgehabt sich zu verlieben. Und nun war der Mann ein Junge, Beas Junge.

Sie küssten sich zum Abschied und Nick fuhr heim, wo er schon erwartete wurde.

„War es denn schön?“, fragte seine Mutter.

„Schön und traurig, aber nochmal danke, dass ich über Nacht bleiben durfte.“

Er ging in sein Zimmer und packte weiter seine Sachen zusammen, die er in München brauchte. Bea war ihm gefolgt.

„Hast du an alles gedacht? Morgen geht dein neues Leben los. Vielleicht findest du dort auch eine neue Liebe.“

Nick sah sie böse an.

„Was denkst du dir denn? Warum sagst du so etwas? Ich habe ein Mädchen, das ich liebe und wir werden uns ganz sicher nicht trennen, nur weil wir uns nicht mehr jeden Tag sehen. Am besten ist, wenn du mich jetzt alleine lässt.“

Beleidigt verließ Bea sein Zimmer. Sie dachte: Das Leben und die Liebe machen, was sie wollen, wenn er dort ist, wird er sie vergessen.