Tabu Bittere Erfahrungen

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Z serii: Tabu #3
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Tabu Bittere Erfahrungen
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Ute Dombrowski

Tabu Bittere Erfahrungen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

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Tabu

Bittere Erfahrungen

Ute Dombrowski

1. Auflage 2017

Copyright © 2017 Ute Dombrowski

Umschlag: Ute Dombrowski

Titelfoto: Lisa Kabel

Lektorat/Korrektorat: Julia Dillenberger-Ochs

Satz: Ute Dombrowski

Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach

Druck: epubli

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Nachdem Katja und Karim sich zärtlich geküsst hatten, blieben sie noch einen Moment liegen.

„Ich vermisse dich jetzt schon“, sagte Karim leise, „und ich hoffe, du kommst in den nächsten Ferien wieder zu mir.“

Katja legte eine Hand auf seine Wange und streichelte ihn.

„Ich denke darüber nach, versprochen. Warum kommst du nicht einfach mit?“

„Du weißt doch, dass ich hier nicht wegkomme, so gerne ich auch mehr in deiner Nähe wäre. Ich habe viel zu tun und du hast ja Daniel.“

Katja war aufgestanden und packte nun ihre Tasche. Karim sah ihr dabei wehmütig zu. Sie hatte die Sommerferien in Südfrankreich verbracht. Am kommenden Morgen wollte sie wieder nach Deutschland fliegen.

„Karim, die Zeit mit dir war wunderbar, aber ich … ich liebe Daniel und wir sind verheiratet. Ich habe bei dir das bekommen, was ich dringend gebraucht habe: Abstand von dem ganzen Geschehen. Nun muss ich zurück und mich der Zukunft stellen. Daniel und ich leben zwar nicht zusammen, doch irgendwann muss eine Entscheidung her.“

Katja setzte sich auf die Bettkante und schaute Karim an. Sein enttäuschter und trauriger Blick hatte wieder einmal gezeigt, dass er doch nicht so abgeklärt war, wie er behauptet hatte. Als sie sich das erste Mal ungestüm geküsst hatten und Katja über ihn herfallen wollte, hatte er sie sanft von sich geschoben und den Kopf geschüttelt. Sie war im Nachhinein froh gewesen, dass er sie wieder einmal davor bewahrt hatte, einen falschen Schritt zu machen.

Karim seufzte und strich Katja zärtlich über den Arm. Wie gerne hätte er sich fallengelassen und wäre auf sie eingegangen, aber er saß zwischen den Stühlen und wollte es nicht noch komplizierter machen.

Katja hatte Daniels Brief nicht geöffnet. Der Umschlag lag verschlossen in der Erinnerungskiste bei den Fotos von Jannis. So blieb alles offen. Daniel hatte nicht gewagt zu fragen und sie auch zu keiner Entscheidung gedrängt, so sehr fürchtete er ihre Absage. Die beiden hatten sich in dem halben Jahr nach Silvester regelmäßig gesehen, liebten sich unendlich, aber der Schmerz war nicht fortgegangen.

Katja hatte eine Rückkehr auf das Weingut Tag für Tag, Woche für Woche hinausgeschoben, denn wenn sie dort übernachtete, riss sie jedes Mal ein Alptraum aus dem Schlaf. Immer und immer wieder kam das Bild, wie Daniel sie im Weinkeller mit Eva betrogen hatte, in ihr hoch. Liebevoll nahm er sie in den Arm, wenn sie schreiend im Bett saß, aber die Schreckensbilder kehrten jede Nacht zurück. Also schlief Katja in ihrem Haus, das jetzt wieder zu ihrer Insel, ihrem Rückzugsort geworden war. Ein Gefühl der Ohnmacht hatte sich bei den beiden breitgemacht und niemand wagte es, das Problem direkt anzusprechen.

So war Katja die Idee von Karim, den Sommer in Südfrankreich zu verbringen, gerade recht gekommen.

„Ich muss hier eine Weile weg“, hatte sie zu Daniel gesagt und sich unter Tränen von ihm verabschiedet.

„Kommst du wieder zurück?“

„Ach Daniel, natürlich komme ich zurück! Ich will den Kopf freibekommen, mal nicht an die Vergangenheit denken. Jeden Tag, verdammt, jeden Tag beschäftigt es mich! In dem Zustand kann ich hier nicht leben. Bitte sei nicht traurig. Ich melde mich.“

Schweren Herzens nahmen sie Abschied. Als Katja in Sanary angekommen war, hatte Karim sie in die Arme geschlossen. Sie hatten von der ersten Nacht an in einem Bett geschlafen, ohne miteinander zu schlafen. Marie war in Südafrika und so fragte niemand, was los war. Am Morgen hatten sie sich dann gegenseitig erklärt, dass Katja nur Nähe brauchte und Karim mit dem Arrangement zufrieden war. Dass es in ihm eigentlich ganz anders aussah, erwähnte er nicht.

Katja hatte schon überlegt, ob eine Beziehung mit Karim eine Perspektive wäre, aber sie war zu keinem Ergebnis gekommen. Sie wusste, er würde sogar ihre Liebe zu Daniel ertragen, aber dieses Gefühlschaos wollte sie ihm nicht antun. Vergeblich hatte sie versucht, die Vergangenheit und Daniel zu verdrängen. So redeten Katja und Karim einfach nicht darüber und lebten in den Tag hinein.

An ihrem neununddreißigsten Geburtstag besuchten sie Thea und Richard in Signes. Sie hatten für Katja eine kleine Feier vorbereitet.

„Alles Gute, Liebes, zu deinem Geburtstag. Wie geht es dir denn?“

Thea wusste nicht, ob sie sich freuen oder sorgen sollte. Sie war genauso wie ihr Mann verwirrt und traurig, dass Katja und Daniel, die sich doch so sehr liebten, noch nicht wieder gemeinsam im Weingut lebten.

„Wollt ihr euch scheiden lassen?“, fragte Thea später beim Abwasch.

„Im Moment ist das kein Thema. Aber jedes Mal, wenn ich im Weingut übernachte, werde ich fast verrückt. Es ist voller schöner, aber auch unangenehmer Erinnerungen. Ich bin hin und her gerissen, wenn ich immer wieder das Bild im Weinkeller vor mir sehe. Glaube mir, ich liebe Daniel, aber das Leben, wie es einmal war, ist zerstört.“

Katja war unendlich traurig und Thea strich ihr sanft über den Arm.

„Liebes, ich verstehe dich. Versucht es trotzdem weiter. Bitte!“, flehte sie. „Ich habe so Angst um Daniel. Er tut immer so abgeklärt, aber ich glaube, er ist sehr traurig, durcheinander und mit seinen Kräften am Ende.“

Katja kamen die Tränen. Sie konnte nichts mehr sagen und Thea nahm sie wortlos in den Arm.

Am Morgen ihres Heimfluges brachte Karim sie nach Toulon-Hyères. Er ließ ihre Hand nicht los und küsste sie lange.

 

„Ich habe dich sehr lieb und ich werde dich vermissen.“

Er legte die Arme um Katjas Taille und sie schaute zu ihm auf.

„Du wirst mir auch fehlen. Ich melde mich, wenn ich zuhause angekommen bin.“

Sachte strich sie ihm über die Wange. Noch einmal drehte sie sich um, winkte und ging zum Flugzeug. Daheim kam sie in ihr leeres Haus. Am Abend telefonierte sie zuerst mit Karim, bedankte sich für den Urlaub und berichtete über ihren Flug, danach rief sie Daniel an.

„Liebster, ich bin zurück, kannst du herkommen?“

Eine halbe Stunde später klingelte es und Katja flog in Daniels Arme. Er küsste sie liebevoll, sah glücklich, aber auch müde aus. Gerne hätte sie ihm erzählt, dass Karim sie mit viel Nähe getröstet, aber nicht mit ihr geschlafen hatte. Sie ließ es dann lieber bleiben, über ihre wirren Gefühle zu reden, als sie die tiefe Liebe in seinen Augen sah.

„Ich bin froh, dass du wieder da bist.“

Katja zog sich um und sie gingen bei ihrem Italiener essen. Sie berichtete vom Wetter, von den Ausflügen und fragte, was Daniel gemacht hatte. Natürlich hatte er rund um die Uhr gearbeitet. Das war seine Ablenkung gewesen, denn ihm war es in den langen, einsamen Wochen nicht viel besser ergangen als Katja. Er hatte sogar schon darüber nachgedacht, sich von Katja zu trennen und fortzugehen.

Nach dem Essen fuhr er wieder mit zu ihr nach Hause und nach einer langen Liebesnacht blieb er das Wochenende über bei ihr. Wenn sie nachts hochschreckte, küsste er sie, bis sie wieder eingeschlafen war. Am Sonntagabend fuhr er heim.

„Ich liebe dich“, sagte Katja zum Abschied.

„Ich liebe dich auch.“

*

Am Montag begann das neue Schuljahr. Katja begrüßte die Kollegen und setzte sich auf ihren Platz.

Lena fragte: „Wie waren deine Ferien?“

„Ich war in Südfrankreich, habe mich gut erholt und über alles nachgedacht.“

Die Kollegin sah sie aufmerksam an.

„Wohnst du wieder bei Daniel?“

Katja schüttelte traurig den Kopf.

„Ich kann einfach nicht.“

Plötzlich sah sie in Lenas Gesicht ein Leuchten. Die Kollegin starrte mit offenem Mund in Richtung Tür. Nun drehte sich auch Katja um. Dort stand ein Mann, der die Hände in den Taschen seiner Jeans hatte und sich umsah.

„Oha, was für ein Schnuckelchen“, flüsterte Lena und starrte weiter.

Der Neue sah unheimlich gut aus. Seine halblangen schwarzen Haare waren gekonnt wild durcheinandergebracht. Genauso wild war sein Dreitagebart. Dazu hatte er geschwungene Augenbrauen, dichte Wimpern und dunkelblaue Augen, die sicher schon so manche Frau um den Verstand gebracht hatten, eine gerade schmale Nase und einen sinnlichen Mund mit vollen Lippen vollendeten sein perfektes Äußeres. Er sah aus wie Ende dreißig, Anfang vierzig.

Sein arroganter Blick streifte durch das Lehrerzimmer und blieb an den beiden Frauen hängen. Er nickte ihnen freundlich zu.

Lena war hin und weg. Katja schaute zu Boden, als sich ihre Blicke trafen. Ihr Herz klopfte, als er auf ihren Tisch zusteuerte.

„Hallo“, sagte eine tiefe angenehme Stimme. „Ich bin Maurizio. Darf ich mich zu euch setzen?“

Lena nahm ihre Tasche vom freien Stuhl und nickte mit rotem Kopf.

„Hallo, ich bin Lena, das ist Katja.“

Er reichte ihnen nicht die Hand, sondern grinste sie nur an. Sein Blick wanderte an Katja einmal hinauf und dann wieder hinunter. Sie wollte etwas sagen, aber jetzt kam Frau Janson und stellte die neuen Kollegen vor. Maurizio Rassioro war Lehrer für Mathematik und Sport. Außer ihm kamen noch zwei Kolleginnen neu dazu, die gegen den attraktiven Mann wie graue Mäuse wirkten. Maurizio stand kurz auf, nickte in die Runde und setzte sich wieder.

Katja verschwand in der Klasse und war froh, den intensiven Blicken des fremden Mannes zu entkommen. Nach Unterrichtsende eilte sie zum Auto, wo auch Lena soeben ihre Tasche in den Kofferraum legte.

„Oh Katja, was für ein Mann, oder?“, fragte sie mit einem breiten Grinsen. „Da kann man schon schwach werden.“

„Na dann, aber vergiss mal deinen tollen Mann nicht. Mir ist der Neue zu arrogant. Der weiß definitiv, wie gut er aussieht.“

Sie verabschiedeten sich und fuhren heim, wo Katja eine Stunde mit Daniel telefonierte. Er wollte zu ihr kommen, aber sie erklärte, dass sie noch arbeiten müsse. Das war nur die halbe Wahrheit. Katja musste noch Deutschunterricht vorbereiten, aber sie wollte auch einfach nur alleine sein.

Am nächsten Morgen stand Maurizio am Kopierer und tippte sinnlos auf den Knöpfen herum. Als Katja hereinkam, sah er sie nur mürrisch an und tippte weiter. Sie stellte sich neben ihn.

„Kann ich dir helfen?“

Er nickte und knurrte: „Warum geht denn das hier nicht?“

Katja erklärte: „Man braucht einen Code. Hast du den noch nicht bekommen?“

Sie griff unter seinem Arm hindurch auf die Tastatur und gab ihre vierstellige Nummer ein.

Statt sich zu bedanken, fragte er nur unfreundlich: „Wo gibt es so eine Nummer?“

Katja schüttelte den Kopf und dachte: Was bist du doch für ein eingebildeter Affe!

„Hausmeister“, sagte sie knapp und ließ ihn stehen.

Maurizio rief ihr hinterher, als sie an der Tür war: „He du …“

Katja drehte sich um und schaute ihn an.

Ein winziges Lächeln hing in seinem Augenwinkel, als er sagte: „Danke.“

Schnell lief sie davon. Oh mein Gott, dachte sie, was für ein Kerl. In der nächsten Nacht schlief Daniel bei ihr und sie hatte Maurizio schon fast wieder vergessen. Nachdem der sie immer wieder eindringlich beobachtete und verwegen anlächelte, ging sie ihm in der Schule aus dem Weg.

Katja mochte sich nicht vorstellen, was für ein Chaos es sein würde, wenn sie und Maurizio sich näherkommen würden. Sie hatte genug Probleme zuhause und auch Karim spukte in ihrem Kopf herum. Lena hatte sich schon gewundert, wo Katja in den Pausen war, aber sie gab immer vor, etwas aufräumen oder eintragen zu müssen. Auch zuhause musste sie an Maurizio denken. Es war schon schlimm genug, dass sie sich eine Beziehung mit Karim ausgemalt hatte, als Daniel einmal am Wochenende zu seinen Eltern geflogen war. Also dachte sie nur: Männer, raus aus meinem Kopf!

Katja traf Maurizio erst am letzten Dienstag im Monat wieder: Konferenztag. Er setzte sich ihr gegenüber in die andere Tischreihe und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie spürte seine Blicke und wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Lena saß neben ihr und stieß sie an.

Auf einen Zettel schrieb sie: „Er schaut dich an!!!“

Katja schrieb darunter: „Na und? Egal.“

Lena runzelte die Stirn, Katja zuckte mit den Schultern. Nach der Konferenz lehnte Maurizio lässig an der Beifahrertür ihres Autos. Sie zögerte kurz, ging dann aber auf ihn zu. Zuerst versuchte sie ihn zu ignorieren und öffnete den Kofferraum, um ihre Sachen hineinzulegen. Danach lief sie zur Fahrertür und wollte einsteigen. Maurizio hatte die Arme auf das Dach gelegt grinste sie darüber hinweg an.

„Ich habe noch kein Auto. Kannst du mich mit in die Stadt nehmen?“

„Warum ich? Da stehen noch andere.“

Sie zeigte auf die parkenden Autos ihrer Kollegen.

„Ich will aber mit dir fahren.“

Es hörte sich so überheblich an, dass Katja lachen musste. Sie lachte immer noch, als er bei ihr einstieg. Während der Fahrt hatte er nichts gesagt, bis er sie vor der Apotheke halten ließ. Dort drüber hatte er eine kleine Wohnung gemietet. Er sah sie von der Seite an und machte keine Anstalten, aus dem Auto zu steigen.

Stattdessen sagte er frech: „Du gefällst mir, vielleicht können wir essen gehen oder so.“

Katja schüttelte den Kopf.

„Oder so … Aha … Mal sehen. Und jetzt raus hier.“

Maurizio schenkte ihr ein umwerfendes Lachen, bei dem er makellos weiße Zähne zeigte und stieg aus. Am nächsten Morgen erzählte Katja Lena davon.

„Was? Er will mit dir ausgehen? Der geht aber ran, oh Mann.“

„Als ob ich nicht schon genug Stress mit den Männern hätte. Was will ich mit so einem Macho?“

Lena entgegnete lachend: „Och, ich wüsste da schon etwas …“

*

Am Freitag holte Daniel sie von der Schule ab. Sie lief ihm fröhlich entgegen und küsste ihn. Auf dem Weg zum Essen erzählte Katja ihm von ihrem neuen Kollegen und seiner Einladung. Daniel lachte, aber es klang nicht aufrichtig.

Sie sah ihm in die Augen und sagte ernst: „Lieber Schatz, ich habe genug Sorgen. Keine Angst, ich habe keine Lust auf noch mehr Ärger, außerdem liebe ich dich.“

„Aber du lebst nicht mit mir. Das ist total schlimm für mich.“

Daniels Blick sagte mehr, als alle Worte ausdrücken konnten.

„Ich vermisse dich jeden Tag, an dem ich dich nicht bei mir habe. Ich weiß, dass es meine Schuld ist, aber ich wünsche mir so sehr, dass du zu mir zurückkommst.“

„Ich weiß, ich wünschte, ich könnte alles hinter mir lassen und wieder mit dir leben.“

Daniel hielt Katjas Hand. Nach dem Essen fuhr er mit zu ihr. Sie hängten die Jacken an den Haken und noch im Flur begann Daniel sie zu küssen und hörte auch nicht auf, als sie ihn mit in die Küche zog. Er hob sie dort auf den Tisch, knöpfte ihre Bluse auf und sie zog ihm das Shirt über den Kopf. Seine Küsse wurden immer gieriger. Er schob ihren Rock hoch und sie lehnte sich weit zurück. So liebten sie sich heftig und er trug sie danach ins Bett, wo er sie weiter zärtlich küsste.

Katja war in diesem Moment sehr glücklich, es war wie früher. Aber immer, wenn der Rausch der Sinne vorbei war, kamen die Gedanken und Gefühle mit ganzer Macht zurück. Und dann sah Daniel den Schmerz und die Verletzung in ihren Augen. Es zerriss ihm fast das Herz und er wusste, dass er das so nicht mehr lange aushalten würde.

Wenn er doch alles ungeschehen machen könnte! Katja sah seine Verzweiflung und konnte ihm nicht helfen. Zu übermächtig waren die Gefühle. Sie küssten sich und er nahm sie fest in den Arm. Auch an diesem Wochenende fuhr er nicht heim. Er wollte sich keine Minute von ihr trennen.

Am nächsten Morgen rief er bei René an und klärte mit ihm die Aufgaben ab. Danach holte er Brötchen und weckte Katja. Sie saß beim Frühstück wie schon so oft auf seinem Schoß, weil sie kein Stückchen seiner Nähe missen wollte.

Sie blieben bis zum Mittag auf der Couch, später gingen sie spazieren und am Abend sahen sie eine Komödie im Kino. Danach liebten sie sich intensiv und sie schlief in seinem Arm ein. Am Sonntag blieben sie im Bett. Es war der übliche Ablauf an den Wochenenden und wenn sie sich am Sonntagabend für die Woche verabschiedeten, fühlten sie, dass sie miteinander reden mussten, aber jeden Sonntag blieben sie mit ihren Gedanken und Hoffnungen allein.

„In den Herbstferien fahre ich mit Bea an die Ostsee in den Wellness-Urlaub“, hatte Katja heute verkündet. „Ich denke, wir haben uns das verdient.“

„Klar habt ihr das. Ich freue mich für euch. Beide Wochen?“

„Ja, beide Wochen. Ich werde dich sehr vermissen.“

„Oh weh“, stöhnte Daniel, „schon wieder zwei Wochen ohne dich. Wie soll das gehen? Ich werde ja jetzt schon wahnsinnig, wenn wir uns die ganze Woche nicht sehen.“

„Ich komme doch wieder. Und danach bin ich viel schöner.“

Sie lachte, doch Daniel wurde ernst.

„Ja, ich weiß, dass du wiederkommst. Und noch schöner kannst du gar nicht werden. Dann haben wir jetzt nur noch zwei Wochenenden. Ich hole dich gleich wieder ab am Freitag. In Ordnung? Wollen wir nicht mal zwei Tage wegfahren?“

Katja war begeistert von der Idee.

„Ja! Wohin denn?“

„Wie wäre es mit Potsdam?“, schlug Daniel vor. „Gleich Freitag nach der Schule geht es los und Sonntag nach dem Frühstück zurück. Du hast doch deine Cora auch schon eine Weile nicht gesehen.“

Katja küsste ihn zärtlich. Er hatte recht: Cora fehlte ihr sehr und es war mal wieder Zeit für lange Gespräche.

„Das ist super, ich rufe sie sofort an und frage.“

Sie sprang auf, holte ihr Telefon und nach zehn Minuten hatte sie ein schönes Wochenende bei ihren Freunden vereinbart. Anschließend kam sie wieder zu Daniel ins Bett. Sie konnten nicht genug voneinander bekommen.

Die Zeit verging wie im Fluge. Katjas neuer Kollege grinste sie an, wenn er sie sah, aber er sagte nichts, und das war gut so. Sie telefonierte mit Karim, traf sich mit Bea zum Kaffee und ansonsten war nur die Arbeit wichtig. Irgendwie musste sie ja die Zeit herumkriegen bis zum Wochenende.

 

Am Freitag ging sie mit Maurizio zeitgleich aus dem Schulhaus. Er hielt ihr galant die Tür auf. Sein Lächeln war umwerfend wie immer, aber als er sah, dass Katja Daniel zuwinkte, wurde er ernst.

„Du hast einen Freund?“, fragte er beiläufig.

„Einen Mann. Ich bin verheiratet.“

„Ah ja. Na dann viel Spaß.“

Maurizio überholte sie und lief in die Stadt. Daniel nahm Katja in den Arm und küsste sie.

„War er das? Dein neuer Kollege?“, fragte er.

„Ja, aber der ist unwichtig. Jetzt lass uns ein schönes Wochenende haben.“

Katja fasste seine Hand. Da sie ihre Sachen schon gepackt hatte, mussten sie nur ihr Auto in die Garage stellen, die Tasche nehmen und dann konnten sie auch schon los.

Die Fahrt verlief ohne Probleme. In Potsdam wurden sie von Cora und Michel freudig empfangen. Sie brachten ihre Sachen in das Gästezimmer und gingen schön essen, nachdem sie sich ein wenig frisch gemacht hatten. Der Abend endete auf der Couch. Sie tranken Wein, den Daniel mitgebracht hatte und Cora erhob ihr Glas.

„Ach, was bin ich froh, dass ihr euch wiederhabt. Das hat uns alle ganz schön auf Trab gehalten. Auf euch! Auf die Liebe!“

Daniel stand auf, setzte sich zu Cora und umarmte sie.

„Ich bin euch so dankbar, dass ihr für uns da wart. Ich bereue zutiefst, was passiert ist und würde liebend gerne die Zeit zurückdrehen, aber es geht nicht. Nochmal danke für alles.“

Cora war sehr gerührt von dieser Geste und drückte ihn ganz fest.

„Aber gerne doch. Euer Glück liegt mir sehr am Herzen, schließlich muss ich mich auch bei dir bedanken. Wenn du nicht so einen Mist gemacht hättest, wäre mir mein Traummann nicht begegnet. Somit sind wir quitt. Aber mach nie wieder so einen Scheiß.“

„Mit Sicherheit nicht.“

Jetzt setzte er sich wieder zu Katja, nahm sie in den Arm und küsste sie.

„Nie wieder.“

Sie streichelte seine Hand.

„Ich weiß.“

Am Samstag fuhren sie gemeinsam nach Berlin. Dort war Daniel auch noch nicht gewesen. Sie besuchten den Fernsehturm, machten eine Stadtrundfahrt und schlenderten durch die brodelnde Stadt. Beim Italiener, den sie als Studenten manchmal besucht hatten, aßen sie spät zu Mittag. Den Samstagabend ließen sie in Potsdam in Coras Hinterhof-Kneipe ausklingen. Am Sonntag schliefen sie lange, frühstückten gemütlich und verabredeten sich für Silvester bei Katja und Daniel. Ob in Katjas Haus oder im Weingut, das würde man dann sehen.

Nach dem Frühstück machten sich die beiden auf den Heimweg. Daniel brachte Katja nach Hause. Er wagte nicht zu fragen, ob sie wieder einmal bei ihm übernachten würde. Sie standen vor ihrer Tür und küssten sich. Als Daniel ins Auto steigen wollte, hielt Katja ihn fest.

„Bleib doch hier. Wir können morgen ganz früh aufstehen.“

Das ließ Daniel sich nicht zweimal sagen und ging mit ins Haus. Sie liebten sich zum letzten Mal an diesem wunderbaren Wochenende.

Die dunklen Wolken waren weit weg. Katja fühlte sich ihm sehr nahe.

Auch das Wochenende vor den Ferien verbrachten Katja und Daniel in Harmonie. Solange sie bei Katja daheim waren, lief alles gut. Sie besuchten den Zoo, wo die Bäume in prächtigen Herbstfarben strahlten, und gingen abends wieder ins Kino. Am Sonntag verabschiedete sich Katja für zwei lange Wochen.

„Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne dich aushalten soll.“

„Du schaffst das. Ich werde jede Minute an dich denken.“

„Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“

Als Daniel weg war, überrollte Katja eine Welle von Schmerz. Sie ahnte nicht, dass es Daniel ebenso erging. Er war unterwegs an den Straßenrand gefahren, saß dort im Auto und musste tief durchatmen. Es bereitete ihm physische Qualen, sie immer wieder zu verlassen.

Katja fühlte das auch. Ihn gehen zu lassen, war furchtbar. Sie würden beide kaputtgehen, wenn sich nichts änderte. Katja lag im Bett und weinte sich in den Schlaf. Vielleicht brachten diese Ferien ein paar neue Gedanken, wie sie dieses Chaos in den Griff bekommen konnte.

Maurizio hatte am Freitag nach der letzten Stunde auf sie gewartet. Er lehnte lässig am Treppengeländer. Katja kam durch die Tür und sah sein Grinsen. Sie ging auf ihn zu.

„Wartest du auf mich?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Maurizio nickte.

„Was machst du in den Ferien? Mit dem Mann verreisen? Die anderen haben gesagt, ihr wohnt nicht zusammen. Warum?“

„Das geht dich nichts an“, entgegnete Katja, „und was ich in den Ferien mache auch nicht. Aber ich werde es dir trotzdem verraten. Ich mache Schönheitsurlaub, also Wellness, mit meiner Freundin. Zufrieden?“

„Wozu Wellness? Du bist doch schön genug, aber trotzdem viel Spaß. Wo geht es denn hin?“

„In den Harz“, log Katja.

„Uh, wie aufregend. Na dann. Bis nach den Ferien.“

Maurizio nahm ihre Hand und küsste galant ihre Fingerspitzen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.

„Idiot …“, murmelte Katja und sah ihm kopfschüttelnd hinterher.

Später erzählte sie Bea davon und die beiden lachten über die Männer im Allgemeinen und über Maurizio im Speziellen. Bea war froh, dass sie zwei Wochen ihre Ruhe hatte, aber Katja vermisste Daniel jetzt schon. Sie freute sich auf den Urlaub mit ihrer Freundin und wusste, dass die Gespräche mit ihr sie immer auf den richtigen Weg bringen konnten.

Daniel war im Weingut angekommen und es ging ihm schlecht, richtig schlecht. Also rief er Karim an, denn er musste mit jemandem reden. Der Freund hörte besorgt zu.

„Ach Daniel, es tut mir so leid. Ich weiß auch nicht, was ich dir raten soll. Ich liebe euch beide sehr und wünsche mir, dass alles wieder gut wird. Aber ich kann auch Katja verstehen. Und dich ebenso … Du siehst, ich bin vollkommen hin und her gerissen. Es ist eine komplizierte Sache und ich bin ratlos.“

„Wenn ich nur eine Lösung wüsste. Ich kann doch das Weingut nicht verkaufen und irgendwo neu anfangen. Es ist das Erbe meiner Eltern! Das würde ihnen das Herz brechen. Und wo soll ich denn hin? Es ist mein Zuhause. Das war es auch für Katja geworden, aber ich habe alles kaputtgemacht. Was ich mache, wie ich mich auch entschiede, es tut irgendwem weh.“

„Ja, du hast recht“, meinte Karim nachdenklich. „Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, es ist immer noch Chaos. Was sagt denn Katja zu dem ganzen Kram?“

„Sie sagt immer noch, dass sie nicht hierher zurückkommen kann, weil sie hier ständig die Bilder verfolgen, und das Schlimme ist, ich kann sie verstehen. Mir würde es nicht anders gehen. Sie leidet genauso wie ich. So werden wir beide nicht mehr glücklich.“

Je mehr er drüber redete, umso mehr reifte ein Gedanke in ihm. Es war ein Gedanke mit nicht überschaubaren Folgen. Er konnte und wollte Karim nichts davon erzählen, weil er wusste, dass sein Freund diese Idee ablehnen würde, also brachte er das Gespräch auf allgemeine Fragen zu Südfrankreich und Karims Arbeit.

Daniel setzte sich, nachdem er sich von Karim verabschiedet hatte, auf die Bank unter der Kastanie. Es hatte zu regnen begonnen, aber er nahm es nicht wahr. In seinem Kopf spukten die Gedanken herum. Er hatte jetzt lange genug gegrübelt und es gab nur eine Lösung: Er musste Katja verlassen, damit wenigstens sie ein neues Leben beginnen konnte. So würde nur einer den Schmerz tragen müssen und das war er.

Wenn sie aus dem Urlaub zurück war, wollte er ihr sagen, dass es aus war, dass er sich von ihr trennen würde. Daniel wolle ihr eine perfekte Lüge auftischen, in welcher er behaupten würde, er hätte jemanden aus der Lehre wiedergetroffen und sich neu verliebt. Er war überzeugt davon, dass Katja sich dann frei fühlen und mit ihrer Ehe abschließen könnte. Und mit diesem absurden Gedanken lief Daniel direkt auf die nächste Katastrophe zu.