Tabu Liebe in Gefahr

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Z serii: Tabu #2
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*

„Ich rufe Michel an und verliebe mich noch einmal in ihn“, erklärte Katja Bea den neuen Plan im Kampf gegen die Unvernunft.

Dass es nicht fair war, Michel etwas vorzuspielen, kam Katja gar nicht in den Sinn. Sie wollte einfach weg von Daniel. Bea hatte nur verständnislos den Kopf geschüttelt.

„Aber Katja, die Liebe kann man doch nicht planen und schon gar nicht erzwingen. Du machst dir was vor und rennst blind in die nächste Katastrophe.“

Katja wusste tief in ihrem Inneren, dass Bea recht hatte, aber sie war überzeugt, dass es die einzige Lösung für ihr Problem war. Am Abend wählte sie Michels Nummer. Er hatte sich tatsächlich nicht getraut, sie zuerst anzurufen.

„Wie geht es dir denn? Ich packe gerade, denn ich muss morgen für einen Auftrag der Firma nach Spanien.“

„Mir geht es gut, ich habe die Zeit bei Cora sehr genossen. Ich wollte dir noch sagen, dass ich mich gefreut habe, dich wiederzusehen.“

„Das kann ich nur zurückgeben. Du hast dich gar nicht verändert und bist eine bezaubernde Frau. Ich dachte, du hast sicher einen Freund oder Mann und darum hatte ich kaum Hoffnung, nochmal etwas von dir zu hören.“

Katja holte tief Luft und erwiderte: „Nein, ich habe niemanden. Und du?“

„Ich bin auch allein. Vielleicht haben wir mal die Chance, uns zu treffen. Es würde mir eine Ehre sein.“

Katja versprach, darüber nachzudenken. Sie hatte den Eindruck, dass es eine leichte Aufgabe sein würde, Michel für sich zu gewinnen. Als sie aufgelegt hatten, dachte sie an Daniel und Linette. Es war richtig, nach einem neuen Mann zu suchen, denn sie würde Daniel nicht zurückholen oder von der Hochzeit abhalten können. Entschlossen nickte sie.

So verging die letzte Ferienwoche mit Entspannung, Gartenarbeit und Telefonaten, und Katja hielt Michel am Ende der Woche wieder für ihren Traummann. Er hatte ihr zugesagt, in den Herbstferien zu Besuch zu kommen.

Als am Montag die Schule begann, war sie gut gelaunt und hörte Lenas Erzählungen über den Urlaub. Katja berichtete ebenso und danach stürzte sie sich in die Arbeit. Der Herbst mit seinen berauschenden Farben und die Gewissheit, bald Michel zu treffen, erfüllten sie mit guter Laune. Die konnte auch Daniel nicht erschüttern, der am Freitag plötzlich vor ihrer Tür stand.

Katja fühlte sich wie jemand, der neben sich stand, sie beobachtete, wie eine Frau Daniel umarmte und sich von ihm küssen ließ. Sie kam erst zu sich, als sie in seinen Armen lag, nachdem sie miteinander geschlafen hatte. Hart schlug sie im realen Leben auf, als Daniel sich anzog und ihr erklärte, dass er jetzt mit Linette essen gehen würde. Der Schmerz traf sie mit ganzer Kraft. Daniel zog sie noch einmal an sich.

„Bitte weine nicht, mein Engel. Ich kann nicht anders, es tut mir so leid.“

„Noch vier Wochen! Wie soll ich das aushalten? Immer der Gedanken daran, dass du sie heiraten wirst, mit ihr zusammenlebst, mit ihr schläfst. Es macht mich irre, verstehst du? Ich gehe kaputt!“

Statt zu antworten, küsste Daniel Katja liebevoll und hielt sie lange fest. Dann machte er sich auf den Weg und es war wieder einmal ein Schlag ins Gesicht. Erbittert nahm sich Katja vor, in den Herbstferien direkt Nägel mit Köpfen zu machen und Michel zu verführen. Was Daniel konnte, das konnte sie schon lange.

Bei Daniels nächstem Besuch am Wochenende darauf war der Schmerz noch viel größer. Auch wenn sie jeden Tag mit Michel telefonierte, nahm die Sehnsucht nach Daniel ihr ganzes Herz ein. Sie flog ihm in die Arme, wenn er für ein kurzes Bettgeflüster an ihre Tür klopfte und verabschiedete ihn wie immer unter Tränen. Sie aß wenig, schlief schlecht und jeder Tag, der näher am Hochzeitsdatum war, machte es schlimmer. Daniel ging es anscheinend nicht anders. Er war unruhig, blass und hatte dunkle Augenringe.

Der letzte Tag im September war dann der Höhepunkt. Daniel kam mittags und sie sanken sich in die Arme. Sie liebten sich wie zwei Ertrinkende vor dem sicheren Untergang und konnten gar nicht genug voneinander bekommen.

„Linette ist bis morgen früh in einem Wellness-Hotel, um sich für die Hochzeit hübsch machen zu lassen. Die Trauung ist um zwei Uhr am Nachmittag. Ich darf gar nicht daran denken, dass wir dann neun Tage auf Hochzeitsreise gehen. Du hast ja in einer Woche Ferien und wir können uns nicht sehen. Ich werde dich vermissen.“

„Bitte heirate sie nicht, Daniel. Ich würde alles dafür geben dich umzustimmen. Lass mich nicht alleine!“

Daniel zog Katja an sich und blieb über Nacht bei ihr. Am nächsten Morgen stand er auf und ging ins Bad, um sich kurze Zeit später auf den Weg zu seiner Hochzeit zu machen.

„Ich komme, wann immer es mir möglich ist, das verspreche ich dir!“

Katja begann zu weinen und schob Daniel weg, als er sie trösten wollte.

„Daniel, ich liebe dich mehr als mein Leben, wenn du mich wirklich liebst, dann komm nie wieder hierher. Ich sterbe jedes Mal ein kleines bisschen, wenn ich dich gehenlassen muss. Bitte, ich meine es ernst, komm nicht mehr zu mir!“

Daniel hatte nun auch Tränen in den Augen.

„Das kannst du doch nicht wirklich wollen!“, rief er entsetzt. „Ich liebe dich und kann ohne dich nicht leben.“

„Das meine ich sehr ernst. Du kannst nicht ohne mich leben, aber eben auch nicht mit mir. Das ertrage ich nicht, also lebe wohl.“

Katja schob Daniel aus der Tür, schloss sie ab und sank niedergeschlagen auf der Treppe zusammen. Sie rief Karim an, der gestern angekommen war, um Daniels Trauzeuge zu sein, und weinte sich bei ihm aus. Karim machte ihr und Daniel keine Vorwürfe, dass die beiden die Nacht miteinander verbracht hatte, und versuchte Katja zu trösten.

„Ich weiß jetzt, dass die Hochzeit ein Fehler ist, wenn ich ihn davon abbringen könnte, würde ich es tun. Katja, leider muss ich übermorgen schon wieder weg, also können wir uns nicht sehen, aber ich melde mich so schnell wie möglich. Ich habe dich lieb.“

Katja weinte noch lange und versuchte dann, sich auf Michel und ihr neues Leben zu konzentrieren.

*

„Guten Tag, schöne Frau“, sagte Michel am zweiten Herbstferientag zu Katja.

Er war am Vormittag angereist und hatte sich in einer kleinen Pension eingemietet. Nachdem er sich frischgemacht hatte, war er zu Katja gefahren.

„Schön, dass du da bist. Ich war schon ganz aufgeregt in den letzten Tagen.“

Katja reckte sich auf Zehenspitzen und küsste Michel auf die Wange. Er umarmte sie kurz und trat ins Haus. Sie führte ihn herum und zum Ende setzten sie sich an die hübsch gedeckte Kaffeetafel. Katja hatte extra Kuchen gebacken, Michel lobte sie und sie redeten lange über alles Mögliche. Als er sich erhob, um sich zu verabschieden, ließ Katja ihn gehen, denn sie wollte nichts überstürzen. Michel unternahm keinerlei Annäherungsversuche und verhielt sich wie ein wahrer Gentleman.

Am nächsten Morgen war er mit frischen Brötchen zurück. Nach dem gemeinsamen Frühstück fuhren sie an den Rhein, tranken im Rheingau Wein, wanderten durch die Weinberge, aber Katja vermied es, in die Nähe des Weingutes Hardeg zu kommen. Am Abend lud Michel Katja zum Essen ein, dann brachte er sie heim. Vor der Tür wollte er sich schnell verabschieden, da dachte Katja, dass es vielleicht gut wäre, ihn jetzt zu küssen. Als sie sich an Michel lehnte, war er erstaunt.

„Was wird das? So schnell komme ich nicht mit.“

Katja war das Ganze nun mehr als peinlich und froh, dass Michel nicht sah, wie rot sie geworden war. Sie entschuldigte sich, sagte „Gute Nacht“ und verschwand im Haus. Michel lachte leise vor sich hin. Er hätte Katja gerne geküsst, aber es hatte bisher nicht gepasst. Schließlich sollte es in seinen Augen schon romantisch sein, wenn man sich das erste Mal küsste.

„Diese Frau kann einen schon verrückt machen“, sagte er zu seinem Spiegelbild im Auto. „Aber wenn sie mich unbedingt küssen will, dann mache ich es uns morgen romantisch.“

Als Michel am nächsten Tag zu Katja kam, hatte er einen Picknickkorb dabei und bat sie mitzukommen. Die Sonne hatte sich durch den wolkenverhangenen Himmel gekämpft, die Luft war mild und so war es ein perfektes Wetter für ein gemütliches Picknick. Er hatte in Internet nach schönen Plätzen gesucht und war auf einen Römerturm im Westerwald gestoßen. Dort gab es eine Bank und einen herrlichen Blick über das Land. Sie waren den schmalen Weg hinaufgestiegen und hatten zunächst den Turm besichtigt. Danach machten sie es sich auf der großen Bank im Sonnenschein gemütlich und genossen ihr Picknick. Später legte Michel einen Arm um Katja und sie schmiegte sich dicht an ihn.

Es war still und kein Mensch war außer ihnen dort oben. Katja schloss zufrieden die Augen. Michel erzählte von Spanien und dass er oft dort arbeitete, zuletzt an einer großen Brücke. Katja hörte zu und war fasziniert. Als Michel fragte, wie die Schule lief, berichtete sie ausführlich. Dann schwiegen sie wieder und hielten sich im Arm. Katja hatte Michels andere Hand genommen. Zärtlich strichen seine Finger über ihre. Er fühlte, dass jetzt der Moment gekommen war, und beugte sich langsam zu ihr hinüber. Katja sah ihn voller Begehren an und hörte auf zu atmen, als seine Lippen ihre berührten. Michel lächelte. Da schlang sie die Arme um seinen Hals und gab sich seinen Küssen hin.

Am Nachmittag fuhren sie wieder zu Katja und küssten sich weiter. Als sie schon fast dachte, Michel würde dableiben, verabschiedete er sich von ihr.

„Das war doch schon gut für den Anfang, oder?“, fragte er und Katja nickte.

Später lag sie allein im Bett und grübelte. Sie hatte Michels Küsse gewollt, dabei aber immer an Daniel gedacht, der vielleicht im selben Moment Linette küsste. Ihr Herz sprach eine andere Sprache, aber sie wollte sich bemühen, Michel noch mehr zu mögen. Er musste sie vor Daniel und ihrer Liebe retten.

 

So verliefen die letzte beiden Urlaubstage, die Michel bei Katja verbrachte, harmonisch und entspannt. Es gab Küsse, aber nicht mehr. Das störte Katja kein bisschen, denn sie ahnte, dass Michel sich nicht in ein wildes Abenteuer stürzen, sondern eine Frau für sein Leben suchen würde. Sie hatte auch begriffen, dass er sie erobern wollte und sich nicht einfach verführen ließ. Sie war schon fast froh, als er Samstagvormittag kam, um sich zu verabschieden.

„Katja, es war sehr schön bei dir. Ich denke, wir sollten uns wiedersehen. Vielleicht geht es dann weiter mit uns. Denkst du, wir haben eine Chance?“

„Ich denke, beim nächsten Mal komme ich zu dir. Es soll bitte weitergehen. Schließlich bist du ja meine Jugendliebe.“

Michel lachte und Katja erklärte ihm, dass ihr Tagebuch von damals ein Buch über ihn war. Als er sie endlich entdeckt hatte, war es zu spät gewesen. Nun hatten sie die Gelegenheit, sich neu kennenzulernen.

„Ich möchte dich gerne zu Silvester einladen“, sagte Michel, „und werde auch dafür sorgen, dass du Cora treffen kannst. Katja, ich würde alles geben, mit dir zusammen zu sein.“

Er küsste sie und nahm ihr das Versprechen ab, gemeinsam in das nächste Jahr zu starten, als Zeichen für einen Neubeginn. Dann war er weg und Katja warf alle Zweifel über Bord.

In den kommenden Wochen bis Weihnachten stürzte sie sich in die Arbeit und hoffte jeden Tag, dass Daniel vor der Tür steht, sie in den Arm nimmt und ihr sagt, er sei getrennt. Aber es passierte nichts, er rief nicht an, schrieb nicht zurück, wenn sie ihn anschrieb und akzeptierte so ihren Wunsch, sich nicht mehr zu sehen. Katja weinte sich Nacht für Nacht in den Schlaf, aber sie wollte sich nicht von ihren Gefühlen unterkriegen lassen.

Zu Weihnachten war sie bei Bea eingeladen, mit der sie sich regelmäßig getroffen hatte. Bei ihrer Freundin konnte sie sie selbst sein und über alles reden, was ihr Sorgen bereitete, auch Karim hörte am Telefon immer zu und war für sie da, wenn die Trauer zu stark wurde. Er hatte ihr nicht gesagt, dass Daniel ebenso unglücklich war und all seinen Kummer mit ihm beredete. Und dieser Kummer war riesengroß. Linette hingegen bemerkte nichts von alledem, sie schob Daniels Veränderung auf die viele Arbeit und war sowieso viel mit ihren Freundinnen unterwegs. Stets in Feierlaune war ihr ihr griesgrämiger Mann egal, der lieber zuhause blieb und sie nachts von irgendwelchen Partys abholte.

Wenn Linette es einforderte, schlief er mit ihr und sie fand letztendlich das Arrangement ihrer Eltern ganz in Ordnung. Karim hörte sich alles an, was Daniel ihm sagte, aber er konnte ihm die Lösung nicht nahebringen: Scheidung. Daniels Eltern wussten nicht, wie es ihrem Sohn ging, aber Karim hatte sich vorgenommen, am Weihnachtsfest, das Thea und Richard in Südfrankreich verbringen würden, die Karten auf den Tisch zu legen.

Cora hatte in Potsdam Michel getroffen und von ihm erfahren, dass Katja mit ihm Silvester feiern würde. Sie malte sich schon aus, dass ihre Freundin nun bald in ihre Nähe ziehen würde. Wenn sie aber mit Katja darüber redete, spürte sie eine merkwürdige Distanz. Sie nahm sich vor, sie am Silvesterabend genau zu befragen und so hartnäckig, wie sie war, würde sie schon herausfinden, was los war.

Bea hatte Nick und Lauren auch eingeladen und nun stand Katja kurz davor, Nick wiederzusehen und sich mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Wenn sie daran dachte, hatte sie ein flaues Gefühl im Magen, aber das verflog schnell, als Nick zwei Tage vor Heiligabend plötzlich vor ihrer Tür stand. Sie war eben vom Einkaufen zurückgekehrt und ohne große Worte packte er beim Ausräumen des Kofferraums mit an.

Dann begrüßten sie sich herzlich: „Ich freue mich, dich zu sehen, Katja, ich dachte, ich komme schon mal vorher und sehe, wie es dir geht. Ist das in Ordnung für dich?“

„Das ist total in Ordnung, ich hatte schon ein bisschen Angst, aber im Moment fühlt es sich gut an. Komm, lass dich umarmen und erzähle mir alles!“

Nick folgte Katja ins Haus, wo sie Kaffee kochte. Sie setzten sich einander gegenüber an den Küchentisch und schwiegen eine Weile. Dann brach Nick das Schweigen.

„Ich habe eine tolle Frau kennengelernt, sie heißt Lauren, ist Erzieherin in einer freien Kita und freut sich, dich zu treffen. Ich habe ihr alles, aber auch wirklich ALLES erzählt und sie ist nicht schreiend davongelaufen. Glaub mir, sie wird dir gefallen. Was hast du erlebt?“

„Daniel hat geheiratet.“

„Oh!“, war alles, was Nick nun sagen konnte.

Jetzt erzählte Katja ihm die ganze Geschichte, verschwieg auch nicht ihre heimlichen Treffen, die Nacht mit Karim und ihren Neustart mit Michel.

„Bist du verliebt?“, fragte Nick und Katja hatte sich vor der Frage gefürchtet, konnte sie sie doch nicht beantworten.

„Michel ist nett, zuvorkommend, sieht gut aus und trägt mich auf Händen. Aber Liebe? Es sind keine Schmetterlinge in meinem Bauch. Denkst du, dass ich ohne Schmetterlinge glücklich werden kann?“

Nein, niemals“, sagte Nick lachend, „das wird nicht funktionieren, du brauchst Millionen Schmetterlinge, gerade du!“

Nun nahm er ihre Hand und es fühlte sich gut an. Da war kein Begehren mehr, keine Liebe, nur noch Freundschaft und die beiden wussten, dass sie für alle Ewigkeit Freunde sein konnten.

„Es tut mir leid, dass du Daniel verloren hast.“

Katja nickte.

„Du hast uns beide geliebt?“

„Ja, immer. Jeden auf seine ganz besondere Weise. Nun liebe ich nur noch Daniel und er liebt mich. Trotzdem können wir nicht zusammen sein. Es ist traurig und ich muss nach vorne schauen. Aber ich werde ihn immer lieben.“

Nick küsste sie auf die Wange, verabschiedete sich und Katja räumte die Einkäufe ein. Sie hatte das Haus geschmückt, Kuchen gebacken und freute sich jetzt richtig auf das Treffen mit Bea. Um die Traurigkeit zu verscheuchen, verbannte sie alle Gedanken an Daniel aus ihrem Kopf. Am Heiligen Abend machte sie sich auf dem Weg zu Bea, lernte dort Lauren Lammerk kennen und war erfreut, dass diese junge Frau mit den kurzen dunklen Haaren und den hellen Augen so offen auf sie zuging. Sie interessierte sich sehr für Katjas Beruf, besonders für die Musik, denn sie wollte mit den Kindern im Kindergarten ganz viel musizieren. Also hatten sie genug, worüber sie reden konnten. Die Atmosphäre war entspannt und Nick strahlte über das ganze Gesicht.

Weil es spät geworden war, blieb Katja gleich über Nacht. Am ersten Feiertag hatten sie gemeinsam ein üppiges Weihnachtsmahl aufgetischt und gingen hinterher lange spazieren. Am Nachmittag machten sich Nick und Lauren auf den Weg zu Laurens Eltern. Katja saß mit Bea in der warmen Stube und sie redeten über das nächste Jahr. Als Katjas Blick auf das große Fenster fiel, sah sie dahinter dicke Flocken Schnee.

Es wurde Winter und an den Tagen bis Silvester lief Katja viel durch den Wald. Einen Tag vor ihrer Abreise war es mild geworden und der Schnee taute weg.

*

Katja war am Morgen losgefahren und kam ohne große Verkehrsprobleme in Potsdam an. Michel erwartete sie mit frischem Kaffee und selbstgebackenem Kuchen. Er hatte ihr das Gästezimmer bereitgestellt, wo er jetzt ihre Tasche hineintrug. Vorher hatte er sie umarmt und zärtlich geküsst.

„Du bist wirklich da“, flüsterte er in Katjas Ohr.

Katja sagte nichts, sondern ließ sich in seine Arme fallen und küssen. Sie dachte einen Moment an Daniel, aber diesen Gedanken wischte sie schnell beiseite und fragte Michel beim Kaffeetrinken nach seinen Weihnachtserlebnissen. Er erzählte von seiner Familie, bei der er gewesen war und Katja von den Tagen bei Bea.

„Es ist nicht leicht, wenn man keine Familie mehr hat. Wenn du magst, kann ich deine Familie sein. Denk nur mal!“, rief Michel lachend. „Wenn wir uns damals nicht aus den Augen verloren hätten, könnten wir jetzt verheiratet sein und hätten drei zauberhafte Kinder.“

„Oh weh, das stelle ich mir lieber nicht vor.“

Sie lachten gemeinsam über die alten Zeiten und Katja zeigte ihm ihr altes Tagebuch, das sie mitgebracht hatte. Am späten Nachmittag liefen sie durch die Stadt und Michel kaufte ihr einen rotleuchtenden kandierten Apfel. Katja knabberte daran und lachte, als Michel ihr die roten Spuren der Zuckerglasur wegküsste.

Wieder im Haus gingen sie duschen und machten sich für den Abend zurecht. Michel hatte gesagt, sie würden sich mit Cora und ihrem Freund treffen, schön essen gehen und später zusammen das Feuerwerk vor dem Schloss Sanssouci ansehen. Als Katja in einem schwarzen Samtkleid vor ihm stand, die Haare hochgesteckt, die Füße in hohen Schuhen, küsste er sie bewundernd auf die leicht geschminkten Lippen.

„Du bist die schönste Frau heute Abend.“

„Ich muss sagen, so im Anzug gefällst du mir noch viel besser. Ich freue mich auf den Abend.“

„Und auf die Nacht, was immer auch passiert.“

Katja nickte, spürte eine seltsame Erregung bei Michel, und wusste, dass sie heute alles von ihm bekommen würde. Freundlich gestimmt machten sie sich auf den Weg. Das Taxi brachte sie in ein Restaurant, wo Katja schon ganz aufgeregt war, denn Cora hatte vor kurzen nur erzählt, dass sie einen alten Bekannten wiedergetroffen hatte.

Die Freundinnen umarmten sich herzlich und Katja sah den Mann an, der schweigend neben ihr stand, als sie sich vor der Tür begrüßten. Dann fiel ihr ein, an wen sie seine Augen erinnerten.

„Tim! Der Tim aus der Parallelklasse in der Oberstufe!“

„Guten Abend“, sagte er und verstummte sofort wieder.

„Ja, ich habe ihn letztens getroffen und es hat sofort gefunkt. Wie damals und wie bei dir und Michel.“

Cora sah Katja nicken, aber irgendetwas stimmte nicht. Als Michel Tim zum Rauchen hinausbegleitete, fragte sie nach.

„Sag mal, meine Liebe, für die Tatsache, dass du jetzt endlich deinen Traummann haben kannst, finde ich euch ziemlich unterkühlt. Was ist los?“

„Ach Cora, du kennst mich schon sehr gut. Ich will mit Michel versuchen, von Daniel loszukommen. Aber du hast recht, es hat nicht so richtig gefunkt. Ich liebe nun mal einen anderen.“

„Wie ist er denn im Bett?“

„Keine Ahnung. Wir sind noch nicht über das Küssen hinausgekommen.“

„Na, hör mal, jetzt glaube ich echt, dass mit dir etwas nicht stimmt. Nun mach mal einen Punkt, schlaf mit ihm und dann wirst du ja sehen, ob er den anderen ersetzen kann.“

„Ich schlafe im Gästezimmer.“

Cora begann schallend zu lachen und kümmerte sich nicht um die anderen Gäste, die sich umgedreht hatten.

„Du bist doof“, sagte sie nun leiser. „Dann muss er eben mit dir im Gästezimmer schlafen. Wenn es nicht gut ist, ist er sowieso nicht der Richtige für dich.“

Das ist er nicht, dachte Katja resigniert, aber den Richtigen kann ich nicht haben. Sie seufzte und fragte Cora, ob Tim schon früher so schweigsam war. Er hatte die ganze Zeit über kaum geredet.

„Er ist süß, er ist eine gute Partie, er lässt mich tun und lassen, was ich will, und er ist eine Granate im Bett. Wer muss da noch viel reden?“

„Cora, du bist immer noch ein Miststück. Aber ein liebenswertes.“

Sie küssten sich auf die Wange und jetzt kamen auch die Männer an den Tisch zurück.

„So“, sagte Michel kurz vor Mitternacht feierlich, „jetzt habe ich noch eine Überraschung für dich.“

Cora grinste, denn sie wusste Bescheid. Michel bezahlte und half Katja in den Mantel, Tim tat dasselbe bei Cora. Gemeinsam traten sie vor die Tür, wo es kalt geworden war. Dort stand eine Kutsche, bespannt mit zwei schwarzen Pferden, aus deren Nüstern der Dampf aufstieg.

„Ist die für mich, für uns?“, fragte Katja begeistert.

Michel legte einen Arm um ihre Schultern und nickte. Cora hatte ihm erzählt, dass Katja Pferde liebte und dass sie früher oft mit einer Kutsche gefahren sind. Voller Freude stieg sie ein, Michel breitete eine dicke Decke über ihren Knien aus und legte eine weitere über ihre Schultern. Ihnen gegenüber waren auch Cora und Tim zugedeckt und so machten sie sich auf den Weg zum Schloss, wo sie in der Kutsche bei klassischer Musik gemeinsam das Feuerwerk genossen, das pünktlich um Mitternacht startete. Cora und Tim küssten sich lange und nun gab sich auch Katja Michels Küssen hin. Sie fand, das war sie ihm schuldig. Die Wärme, die er unter der Decke ausstrahlte, erregte sie und Katja wusste, dass sie in dieser Nacht nicht im Gästezimmer schlafen würde. Cora, die ihnen kurz zugesehen hatte, wünschte ihnen einen guten Start in das neue Jahr und zwinkerte.

 

Bei der Verabschiedung am Taxi, das sie wieder heimbringen würde, flüsterte sie: „Jetzt lass es krachen, damit du den Kerl aus dem Kopf bekommst, der so bekloppt ist, eine andere zu heiraten.“

Cora hat recht, dachte Katja, und presste ihren Körper an den von Michel. Die beiden hatten es eilig, ins Haus zu kommen. Dort zogen sie sich gegenseitig aus und fielen ins Bett, wo Michel Katja leidenschaftlich liebte. Sie schlief in seinen Armen ein und fühlte sich gut. Für einen Augenblick hatte sie Daniel vergessen können.

Am nächsten Morgen blieben sie im Bett, frühstückten dort, küssten und liebten sich.

„Was hätte ich früher dafür gegeben, auch nur eine Nacht mit dir zu verbringen. Ich bin froh, dass wir das nun nachholen können.“

„Ja, meine Liebe, du kannst jetzt alles haben, was du willst. Wenn du bereit bist, lege ich dir die Welt zu Füßen. Was sagt dein Herz?“

Katja schlug die Augen nieder, denn sie schämte sich, dass sie Michel dafür benutzte, nicht an Daniel zu denken. Er war ein guter Mensch und hatte das nicht verdient, aber konnte sie jetzt zurückrudern? Sollte sie nicht wenigstens ehrlich sein?

Als sie seinen Blick sah, der sie zu durchschauen schien, begann sie zu reden. Am Ende küsste Michel sie.

„Es ist gut, dass du mir alles gesagt hast. Ich möchte gerne eine Beziehung mit dir eingehen und bin bereit, zu warten, bis du mir dein Herz schenken kannst. Mach dir keine Sorgen, ich verstehe dich und verurteile dich nicht. Es ist ja schon gut, dass du hier bei mir bist. Alles Gute, mein Engel, für das neue Jahr. Jetzt muss ich mal meine Familie anrufen und ihnen alles Gute wünschen. Sie werden schon denken, ich sei verschollen. Musst du auch jemanden anrufen?“

Katja dachte an Karim und Bea, stand auf, zog sich an und nahm ihr Handy aus der Tasche, um es einzuschalten. Sie zuckte vor Schreck zusammen, als sie sah, dass Karim vergeblich versucht hatte, sie zu erreichen. „16 Anrufe in Abwesenheit“ stand auf dem Display. Katja begann zu zittern. Sie hatte eine furchtbare Vorahnung, als sie sich setzte und Karims Nummer wählte. Michel hatte ihr Gesicht gesehen und setzte sich voller Sorge neben sie.

„Karim! Ist etwas mit Daniel?“

Karim war ganz aufgeregt und froh, endlich mit Katja reden zu können.

„Süße, setz dich hin, ich muss dir etwas sagen. Ich habe schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen. Linette und Daniel hatten einen Unfall. Sie waren auf dem Weg zur Silvesterfeier und auf der glatten Straße ist Linette viel zu schnell gefahren. Sie sind von der Straße abgekommen und einen Abhang hinuntergestürzt. Du musst jetzt ganz stark sein. Daniel liegt im tiefen Koma und Linette ist vor einer Stunde gestorben. Du musst bei ihm sein, wenn du kannst.“

Katja war erstarrt und Tränen liefen über ihr Gesicht. Michel hatte mitgehört und legte nun einen Arm um ihre Schultern. Sie lehnte sich an und weinte hemmungslos.

„Ich werde sofort heimfahren. Kommst du auch? Bitte, Karim, ich kann das nicht allein durchstehen.“

„Ja, ich bin schon auf dem Weg zum Flughafen und komme direkt ins Krankenhaus. Wir treffen uns dort. Bea wird auch da sein, ich habe sie angerufen. Denkst du, du kannst alleine fahren? Kann er dich fahren?“

Katja schaute Michel an.

„Ich weiß nicht … nein, ich schaffe das. Ich fahre sofort los. Bis später.“

Katja saß verzweifelt neben Michel und weinte.

Er strich ihr sanft über den Arm und sagte: „Du kannst in dem Zustand nicht fahren. Ich bringe dich hin und fahre morgen mit einem Leihwagen zurück. Keine Widerrede.“

Katja war erleichtert und ging ins Bad. Dann begann sie zu packen. Michel fragte nichts und sagte nichts, er war einfach nur für sie da. Er ließ Katja in Ruhe und sie war ihm unendlich dankbar dafür. Sie liebte ihn kein bisschen, aber er war ein toller Mann. Irgendwann würde sie ihm danken, aber heute war nichts mehr wichtig, nur Daniel.

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