Tabu Keine Küsse in der Nacht

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Z serii: Tabu #6
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*

Anfang November begann der Chor und sollte erst einmal bis zum Weihnachtskonzert gehen. Katja hatte den Unterricht erst einmal abgesagt, aber versprochen, im neuen Jahr darüber nachzudenken. Sie war mit Nelly zur Schule gefahren und stand nun in der Aula vor achtzehn kleinen und großen Sängerinnen, Jungen waren keine gekommen.

Im Hintergrund standen die Eltern und hatten noch einige Fragen, danach sangen sie gemeinsam und Katja versuchte sich nach Jahren mal wieder am Klavier. Es funktionierte mehr schlecht als recht, also würde sie üben müssen. Nach einer Stunde verabschiedeten sie sich und hatten vereinbart, sich jeden Donnerstag hier zum Singen zu treffen.

Nelly hatte interessiert zugehört und mit einem Bein mit gewippt. Nun strahlte sie alle an und winkte zum Abschied. Katja ging mit ihr zum Auto und sah schon von Weitem, dass Arne an ihrer Beifahrertür lehnte. Sie überlegte, ob sie heimlaufen sollte, fand das aber albern und trat mit ernstem Gesicht auf ihn zu.

„Na, Herr Nachbar, schon wieder mit Auflauern beschäftigt? Oder wollen Sie Milch borgen?“

„Mann, warum sind Sie denn immer so zickig? Ich bin doch nur nett und höflich. Na, meine süße Prinzessin, hast du fein gesungen?“

„Ane lieb“, sagte Nelly und streckte ihm die Arme entgegen.

Arne nahm sie Katja aus den Händen und küsste das kleine Mädchen auf die Wange. Sie zog an seinem Bart und lächelte versonnen.

„Wir müssen jetzt nach Hause. Setzen Sie Nelly in den Kindersitz?“

Arne nickte und öffnete die hintere Tür. Er setzt Nelly in ihren Sitz und kitzelte sie am Bauch. Nelly kicherte und packte seine große Hand.

„Ane mitkommen.“

Katja beugte sich zu ihr hinunter und sagte: „Der Arne muss jetzt wieder arbeiten. Der kann nicht mitkommen.“

Arne schüttelte den Kopf. Diese Frau war unglaublich hartnäckig, wenn es darum ging, ihn abzuweisen.

„Der Arne kommt dich bald besuchen, ja, meine Kleine? Und wenn die Mama schon mal Arne sagt, kann ich doch auch Katja sagen, oder?“

Er kam um das Auto herum und blieb dicht vor Katja stehen. Sein Lächeln war verwirrend. Katja senkte den Blick und schluckte.

„Oder?“, fragte er noch einmal.

„Meinetwegen. Sie geben ja doch keine Ruhe, also ich … ich meine … ich wollte sagen …du gibst ja doch keine Ruhe. Mann, du bringst mich ganz durcheinander. Bilde dir bloß nichts darauf ein.“

„Ich bilde mir nie etwas ein, Katja.“

Blitzschnell beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie auf die Lippen. Ehe Katja reagieren konnte, war er weg. Sie setzte sich kopfschüttelnd ins Auto und fuhr heim.

Am kommenden Tag räumte sie ihr Wohnzimmer um und mietete sich ein Klavier. Es machte ihr viel Spaß, vormittags eine Stunde zu spielen, aber dafür extra in die Schule fahren zu müssen, war ihr auf Dauer zu anstrengend, zumal das düstere, nasse Herbstwetter nicht zum Spazierengehen einlud. Die Firma hatte versprochen, das Instrument noch vor Weihnachten zu liefern. Nelly war immer dabei und hörte gebannt zu. Ab und zu tippte sie auf die Tasten und war fasziniert, weil da Töne herauskamen. Zwei Wochen vor Weihnachten hatte Katja mit ihr einen Termin für einen Besuch im Kindergarten.

„Frau Hardeg, ich freue mich. Hallo Nelly“, sagte die Erzieherin Frau Böllmann und führte Katja und Nelly durch das Haus.

Es gab drei Gruppenräume, in denen bereits Kinder spielten. Bei den ganz kleinen Kindern setze sich Nelly gleich dazu. Ein rothaariges Mädchen gab ihr eine Puppe.

„Es ist wirklich schön hier. Ich glaube, meiner Tochter wird es gefallen. Vielleicht fange ich im kommenden Schuljahr an zu arbeiten.“

„Sie können die Kleine gerne ab und zu bringen. Über die Kosten werden wir uns schon einig. Kleine Kinder brauchen andere zum Spielen und Lernen, aber ich denke, das wissen Sie selbst.“

„Ja, ich sehe, dass Nelly sich wohlfühlt. Kann ich sie eine Stunde hierlassen? Sie spielt gerade so schön.“

Die Erzieherin nickte und Katja ging zu Nelly. Sie beugte sich zu ihr herunter.

„Süße, was denkst du: Willst du noch ein bisschen mit deiner Freundin spielen? Ich hole dich gleich wieder ab.“

„Mama, geh los! Nelly spielt.“

Katja küsste sie auf die Stirn und verließ den Kindergarten. Es fühlte sich merkwürdig an, so als würde sie Nelly abschieben, aber dann sagte sich Katja, dass Frau Böllmann recht hatte, denn der Kontakt zu anderen Kindern war wichtig.

Daheim begann sie zu putzen und setzte sich mit dem Telefon auf den Teppich vor der leeren Wand, hier sollte das Klavier hinkommen. Sie wählte Benjamins Nummer und berichtete vom Chor und dem Kindergarten. Dasselbe tat sie dann nochmal bei Bea, Cora und Marie. Dann war die Stunde um und Katja lief, um Nelly abzuholen.

„Na, sowas“, sagte eine Stimme hinter ihr, „wo ist denn die Prinzessin?“

Katja drehte sich um und sah Arne in die Augen.

„Die Prinzessin ist im Kindergarten und jetzt hole ich sie wieder ab. Wir üben nun immer mal, in den Kindergarten zu gehen, aber nur stundenweise.“

„Sehr gut“, lobte Arne, „Kinder brauchen einander, dann hast du ja vielleicht einmal Zeit, um dir mein Haus anzuschauen.“

„Damit du mich wieder ungestört küssen kannst, oder was? Nein, lass mal, ich bin nicht interessiert.“

„Ach, komm schon, nur einen Kaffee und ein nettes Gespräch. Wir stellen einen Tisch dazwischen. Da bist du sicher vor meinen Küssen. Aber eins muss ich sagen: Du bildest dir ganz schön was ein. Wer sagt dir denn, dass ich dich überhaupt nochmal küssen will?“

Damit drehte er sich um und ging. Katja schaute ihm verdattert nach. Er hatte recht: Vielleicht wollte er sie gar nicht küssen.

*

Sie hatte die Chorstunden mit einem kleinen Konzert vor den Eltern beendet. Jetzt war Weihnachten in Sicht. Der Baum war geschmückt, Kaffee und Kuchen standen auf dem Tisch. In wenigen Minuten würden Benjamin und Christian kommen. Sie waren am Abend zuvor in der kleinen Ferienwohnung angekommen und hatten sich für heute Vormittag verabredet. Übermorgen war Heiligabend und sie wollten gemeinsam den Tag verbringen. Für den ersten Feiertag war ein Besuch von Cora und Michel geplant, der zweite Feiertag gehörte wieder Benjamin und Christian.

Am Tag nach Weihnachten hatte Katja für sich und Nelly einen Flug nach Südfrankreich gebucht. Marie freute sich sehr auf die beiden.

Es klingelte und Nelly hob den Finger.

„Papa!“

Dann rannte sie zur Tür. Katja folgte ihr und öffnete. Benjamin hob Nelly auf den Arm und küsste sie auf die Nase. Die Kleine umarmte ihn, aber jetzt sah sie hinter ihm Christian stehen und wollte sofort herunter. Benjamin und Katja sahen fasziniert zu, wie sich Nelly an Christians Bein schmiegte, bis er sie hoch hob. Dort schlang sie die Arme um seinen Hals und strahlte. Sie küsste ihn auf die Wange.

„Komm spielen!“

Es war, als wären Katja und Benjamin nicht vorhanden. Sie setzten sich an den gedeckten Tisch und Nelly schob ihren Stuhl wieder ran, weil sie auf Christians Schoß sitzen wollte.

„Das ist ja ein Ding“, sagte Benjamin. „Du bist anscheinend ihr Lieblingsbesuch. Mensch, Katja, sie ist so gewachsen seit dem Herbst. Schade, dass wir uns nicht öfter sehen.“

„Ja“, erwiderte Katja, „das ist schade. Aber so ist es nun mal. Was hast du denn mit Benni gemacht? Du hättest ihn doch mitbringen können.“

„Er ist bei Frau Heunbach. Wir hatten auch gar keinen Platz im Auto wegen Nellys Weihnachtsgeschenk.“

„Ach du meine Güte. Da bin ich aber gespannt, was ihr da mitgebracht habt.“

Christian hatte sich bisher nicht am Gespräch beteiligt. Er aß mit Nelly Kuchen und ließ sie auf seinem Schoß hüpfen und hob sie hoch in die Luft, wobei das kleine Mädchen fröhlich lachte.

„Nochmal! Fliegzeug!“, rief sie und Christian machte geduldig weiter.

Katja und Benjamin schauten sich verwundert an. Nelly sagte vor lauter Vorfreude auf Marie jeden Tag mehrmals „Fliegzeug“. Christian strahlte.

„Komm, Maus, der Papa geht mal mit dir in dein Zimmer. Zeigst du mir dein Spielzeug? Onkel Christian hilft der Mama beim Aufräumen.“

Nelly rutschte von Christians Schoß und lief voran. Katja und Christian blieben sitzen. Es war, als wäre eine unsichtbare Wand zwischen ihnen.

„Wie war das Fliegen im Herbst?“

„Es hat Spaß gemacht. Die Sicht war gut und die Herbstfarben sehen von oben noch besser aus.“

Wie herrschte Schweigen. Katja begann, den Tisch abzuräumen. Christian stand plötzlich direkt hinter ihr, als sie sich wieder umdrehte. Sie sahen sich sekundenlang in die Augen, aber keiner sagte etwas. Dann ging er aus der Küche.

„Ich gehe mal nach Benjamin und Nelly sehen.“

Katja lehnte sich gegen den Schrank. Sie fühlte eine Welle von Trauer über sich kommen, aber das wollte sie nicht zulassen. Christian sollte, musste den ersten Schritt tun. Aber anscheinend hatte er ihr noch nicht verziehen. Sie wusste ja nicht, dass Christian aus dem Zimmer gegangen war, weil er sie sonst in den Arm genommen und geküsst hätte.

Katja atmetet tief ein und aus, dann klappte sie den Geschirrspüler zu und schaltete ihn an. Sie lief die Treppe hinauf und setzte sich an die Seite, um Nelly und den Männern beim Spielen zuzusehen. Benjamin hatte einen kleinen Schrank umgestellt. Bei Katjas fragendem Blick winkte er nur ab.

Die nächsten Besucher waren Kirsten und Frank-Peter, die einen kleinen Sessel für Nelly mitbrachten. Weil die beiden an Weihnachten bei ihrem Enkelkind waren, hatte Katja sie vorher eingeladen. Sie setzten sich nun alle ins Wohnzimmer, wo Nelly ihren kleinen Sessel neben Katjas Lesesessel stellte. Sie holte ein Bilderbuch vom Tisch und setzte sich hinein.

 

Kirsten und Katja redeten über das Weihnachtsessen, die Männer über Sport und Werkzeuge, alles war entspannt. Katjas Trauer war weg, ab und zu sah sie zu Christian, der dann sofort den Blick abwendete. Benjamin spürte, wie weh es ihm tat, Katja zu sehen. Katja hatte Nelly, aber sie und Christian hatten ihre Liebe verloren.

Irgendwann war Nelly mit dem Buch in der Hand eingeschlafen. Katja trug sie ins Bett, die Besucher verabschiedeten sich.

Den Großeinkauf am kommenden Tag wollten Katja und Benjamin übernehmen, während Christian auf Nelly aufpasste.

Im Auto fragte Benjamin: „Wie geht es dir denn damit, dass er da ist?“

„Ach, hör auf. Ich bin ganz durcheinander. Christian ist so kühl und abweisend, aber dann schaut er mich ab und zu so an, dass mir ganz anders wird. Was ist denn mit ihm los?“

„Ich haben dir das schon einmal gesagt: Christians Herz ist zerbrochen. Ich glaube, er hat dir auch schon längst vergeben, aber er ist zu stolz, einen Schritt auf dich zuzugehen. Ich persönlich finde das ja vollkommen bescheuert, aber er ist nun mal so. Wenn ich nicht zu ihm gegangen wäre, hätten wir uns nie wieder gesehen. Er erwartet wohl immer, dass der andere den ersten Schritt geht.“

„Das kann ich nicht.“

Benjamin war kurz stehengeblieben und stand auf einem Bein neben dem Auto. Sie hatten einen Parkplatz in der Nähe der Tür des Supermarktes gefunden, hier war die Hölle los, denn es war die letzte Chance zum Einkaufen.

Katja runzelte die Stirn, als sie Benjamins ernstes Gesicht sah.

„Was ist mit dir? Hast du immer noch Schmerzen in deinem Knöchel?“

„Ja, ab und zu meldet sich der Schmerz. Es geht gleich wieder. Und ehe du fragst: Nein, es ist weder eine Prellung noch eine Zerrung. Die Ärzte haben nichts gefunden. Aber egal. Lass uns an Weihnachten nicht darüber reden, auf ins Getümmel!“

Nach zwei Stunden fuhren sie endlich heim. Katja hatte aufgeatmet, als sie wieder aus dem Supermarkt heraus war. Dort waren so viele Menschen unterwegs, dass sie manchmal kaum mit dem Wagen durch die Reihen kamen. Zuhause luden sie alles aus und lasen den Zettel, den Christian ihnen hingelegt hatte: „Wir sind auf dem Spielplatz.“

Katja bereitete ein kleines Mittagessen vor.

Christian hatte mit Nelly erst ein anderes Buch angeschaut, dann hatte er gesehen, dass die Sonne hinter den Wolken hervor sah. Wenn es schon kein richtiger Winter war und mit Schnee an Weihnachten wohl eher nicht zu rechnen war, musste man eben die Sonne nutzen.

„Nelly, wollen wir auf den Spielplatz gehen?“

Das kleine Mädchen sprang auf und hüpfte von einem Bein auf das andere, ehe sie auf dem Hosenboden landete. Christian holte Jacke und Schuhe und zog sie an. Er selbst schlüpfte in seine Jacke und machte sich mit Nelly auf den Weg.

Auf dem Spielplatz an der Schule war kein Mensch. Die Kinder hatten Schulferien. Christian setzte Nelly auf die Schaukel, danach sah er zu, wie sie über den kleinen Balken balancierte, ohne herunterzufallen. Am Ende fing er sie auf. Ein Mann kam vom Parkplatz zu ihnen herüber.

Nelly jauchzte: „Ane, komm!“

Sie lief ihm entgegen. Christian folgte ihr und sah, wie der fremde Mann Nelly herumwirbelte.

„Meine Prinzessin! Schön, dich zu sehen. Wo hast du denn deine schöne Mama gelassen? Guten Tag.“

Christian war bei ihnen angekommen und nickte Arne zu.

„Hallo, ich bin Christian Lauterbach, ein Freund von Katja. Wer sind Sie?“

„Ich bin Arne Beltings, der Nachbar von Katja. Ein guter Freund und ich mag Nelly. Sind Sie der Vater?“

„Nein, ich begleite den Vater, der mein Freund ist, dieses Jahr zu Nelly, um mit ihnen Weihnachten zu verbringen. Die beiden sind einkaufen.“

„Sie ist eine tolle Frau, oder?“

„Wer? Nelly?“

„Nein, Katja. Wird das wieder was mit ihr und Nellys Vater oder ist sie zu haben?“

Christian schluckte.

„Kein Ahnung. Aber versuchen Sie Ihr Glück. Wenn Sie ihr wehtun, breche ich Ihnen allerdings jeden Knochen. Komm Nelly, Mama wartet.“

Er nahm Nelly aus Arnes Arme und machte sich mit ihr auf den Heimweg. Arne schaute ihnen nachdenklich hinterher und dachte: Dieser Mann ist ja wohl in Katja verliebt, das sah ein Blinder. Was war das für eine merkwürdige Konstellation?

Katja und Benjamin hatten gerade alle Einkäufe verstaut, als Christian und Nelly zuhause ankamen. Katja zog sie aus und setzte sie zum Spielen ins Wohnzimmer. Benjamin folgte ihr und Christian wollte gehen.

„Warum?“, fragte Katja. „Ich will gleich für uns alle kochen. Du bleibst hier.“

„Wer ist Arne?“

„Aha, habt ihr ihn also getroffen. Er ist mein Nachbar und wir laufen uns ständig über den Weg. Er mag Nelly und wohl auch mich. Ist das ein Pro­blem?“

„Nein, natürlich nicht.“

Christian hätte sie gerne geschüttelt und gesagt, dass es doch ein Problem war, er fühlte sich unwohl in seiner Haut. So gerne er in Katjas Nähe war, so froh war er doch, wenn Weihnachten vorbei war. Sie zu sehen, machte es nicht leichter, aber er hatte es ja so gewollt.

Beim Essen saß er schweigend neben Benjamin und Nelly. Es gab Rührei mit Kartoffelbrei und Mischgemüse. Da Christian so traurig aussah, schob Nelly ihm den Nachtisch hin.

Christian schüttelte den Kopf. Dann lächelte er gezwungen.

„Iss mal deinen Pudding, mein Engel. Ich bin schon ganz doll satt. Die Mama kann mir einen Kaffee machen, wenn sie mag.“

Katja stand auf und schaltete die Kaffeemaschine an. Sie stellte drei Tassen auf den Tisch, während Nelly ihren Pudding löffelte. Mit ihrem Schokoladenmund lachte sie in die Runde und gähnte herzhaft. Katja ging mit ihr ins Bad und brachte sie dann hoch ins Bett.

Benjamin sah, dass er unbedingt mit Christian reden musste und sagte nach dem Kaffee: „Wir fahren jetzt mal in die Ferienwohnung und kommen morgen Mittag wieder. Wollen wir am Nachmittag die Bescherung machen?“

„Gerne“, sagte Katja.

Sie küsste die beiden auf die Wange und sah ihnen hinterher, wie sie vom Hof fuhren. Dass sich Arne und Christian begegnet waren, hatte sie beunruhigt. Was hatten die beiden Männer geredet?

Benjamin und Christian waren schweigend ins Haus gegangen und hatten sich vor den Fernseher gesetzt. Christian schlug die Hände vor das Gesicht und seufzte. Benjamin schaute ihn voller Sorge an.

„Was ist mit dir? Ist etwas passiert?“

„Nein, es ist alles gut. Ich bin nur müde.“

„Erzähl mir keinen Scheiß. Raus mit der Sprache!“

Nun brach aller Kummer aus Christian heraus. Er redete von seinen Gefühlen, seiner Unfähigkeit, auf Katja zuzugehen und von der seltsamen Begegnung mit Arne.

Benjamin fragte: „Was ist das für ein Typ? Will er was von Katja?“

„Es sah verdammt so aus und die Vorstellung, dass sie sich neu verlieben könnte, tat höllisch weh. Allerdings ist er viel zu jung. Aber das will ja nichts heißen. Was soll ich nur tun?“

„Kopf hoch. Er ist doch nur ihr Nachbar. Male nicht den Teufel an die Wand. Lass uns die nächsten Tage genießen. Wer weiß, wann wir Nelly wiedersehen. Und sei geduldig, vielleicht kommt es doch irgendwann wieder in Ordnung mit euch.“

Christian nickte nun etwas weniger deprimiert. Benjamin zog die Schuhe aus und legte die Beine hoch. Sein Knöchel tat wieder weh. Er rieb die Stelle mit den Fingern. Christian schaute Benjamin erschrocken an, als der das Gesicht verzog.

„Warum hast du denn immer noch Schmerzen? Hatten die Ärzte nicht gesagt, es wird besser nach dem Reizstrom?“

„Tja, es hat wohl nicht funktioniert. Ich werde im neuen Jahr nochmal zum Arzt gehen, schließlich muss ich arbeiten.“

„Genau, ruh dich aus. Ich gehe mal duschen und dann trinken wir ein Glas Wein. Danke fürs Zuhören. Ich hätte echt lieber daheim bleiben sollen.“

*

Katja und Nelly durften nicht ins Kinderzimmer. Benjamin hatte verschwörerisch gelächelt und die beiden in die Küche geschoben. Die Männer trugen eine große Kiste in Nellys Zimmer. Dort hörte Katja sie schrauben und klopfen. Nelly wartete gebannt und schaute mit großen Augen nach oben.

„Papa macht aua?“

„Nein, Papa und Christian bauen etwas zusammen, was der Weihnachtsmann gebracht hat?“

„Ane?“

Kaja lachte schallend.

„Arne ist nicht der Weihnachtsmann. Der Weihnachtsmann kommt im Winter und bringt den braven Kindern Geschenke. Bist du ein braves Mädchen?“

Nelly nickte heftig. Sie schmiegte sich an Katja. Endlich durften sie zuerst ins Wohnzimmer kommen. Dort stand noch eine große Schachtel mit einer roten Schleife drum.

Nelly ging neugierig näher.

„Meins?“, fragte sie.

Benjamin küsste sie und antwortete: „Das hat der Weihnachtsmann bei Christian und mir abgegeben. Es gibt ein Geschenk oben, aber du darfst jetzt das hier öffnen.“

Nelly zog an dem roten Band, bis es den Karton freigab, dann riss sie das bunte Papier mit den Sternen ab. Sie machte die Kiste auf und griff hinein. Drinnen befanden sich ganz viele Bauernhoftiere. Sie fand den Hofhund und küsste ihn zärtlich.

„Papa! Der Benni!“

„Ja, genau, der Benni, der passt auf die anderen Tiere auf. Was hast du noch?“

Es kamen Kühe, Pferde, Hühner, ein Hahn, Enten und eine Katzenfamilie zum Vorschein. Am Ende holte Nelly zwei rosa Schweine und drei kleine Ferkel heraus. Sie hatte alle Tiere auf der Tischkante aufgebaut und strahlte.

„Christian nimmt die Tiere mit und wir gehen mal hoch und schauen, wo die alle wohnen können.“

Benjamin trug Nelly die Treppe hinauf in ihr Zimmer und Katja hörte ihr lautes Jubeln. Sie folgte den Männern und sah einen wunderschönen Bauernhof mit einem Stall, einer Hundehütte und einem Wohnhaus. Alles war auf einer großen Holzplatte befestigt, die grün gestrichen war.

Christian legte die Tiere dazu und Nelly baute alle auf. Den Benni legte sie in die Hundehütte.

„Benni heia.“

Die anderen Tiere kamen in den Stall. Katja stand an der Tür und hatte Tränen der Rührung in den Augen. Benjamin legte einen Arm um sie und lächelte.

„Christian hat den Bauernhof gebaut, die Tiere sind von mir.“

„Ihr seid unschlagbar. Seht doch mal, wie glücklich Nelly ist. Das ist das schönste Geschenk. Danke.“

Sie saßen noch ein bisschen zusammen und schauten Nelly beim Spielen zu. Das kleine Mädchen war völlig vertieft in den neuen Bauernhof. Benjamin hatte sich auf den Teppich gesetzt und Katja mit hinuntergezogen. Christian saß ihnen gegenüber. Katja wagte es nicht, ihn anzusehen, denn sein Blick war voller Trauer.

Später gingen sie ins Wohnzimmer, wo Nelly weitere Geschenke auspacken konnte. Als sie vor Müdigkeit die Augen nicht mehr offenhalten konnte, trug Benjamin sie ins Bettchen und musste den Hund Benni neben ihr Kopfkissen legen. Christian saß schweigend bei Katja. Sie stand auf und ging zu ihm. Als sie eine Hand auf seine Schulter legte, griff er danach, aber dann schob er sie weg.

Am Abend des zweiten Feiertages verabschiedeten sich Benjamin und Christian von Nelly.

„So, meine Süße, dann schlaf schön. Papa und Christian fahren jetzt heim zum richtigen Benni, der wartet schon. Zu deinem Geburtstag sehen wir uns wieder. Da kommst du mit der Mama zu mir.“

Nelly gähnte herzhaft und schmiegte sich an Benjamin, der sie dann an Christian weiterreichte. Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste seine Wange. In diesem Moment sah Christian einfach nur unendlich glücklich aus, Katja seufzte.

„Fahrt vorsichtig und meldet euch, wenn ihr angekommen seid, ich komme Ende März.“

Sie umarmte Benjamin und sah dann Christian an. Er stellte Nelly auf den Boden, die sofort wieder zu ihren Tieren lief. Benjamin war schon zum Auto gegangen. Katja wusste nicht, was sie tun sollte und hielt Christian die Hand hin.

Er zog sie einfach an sich und hielt sie fest im Arm. Danach küsste er ihre Lippen und drückte ihr eine kleine Schachtel in die Hand.

„Frohe Weihnachten. Bis bald.“

Seine Augen sprachen Bände. Katja küsste ihn auch noch einmal und hatte Tränen in den Augen. Sie blieb an der Tür stehen, das kleine Geschenk fest in ihren Fingern. Bald darauf war das Auto aus ihrem Blickfeld verschwunden.

 

Katja ging ins Haus und setzte sich auf die Couch. Sie öffnete die Schachtel und hielt eine dünne, silberne Kette in der Hand. Ein kleines Herz aus demselben Material pendelte hin und her. Weinend legte Katja die Kette um den Hals und fragte sich, ob sie nicht doch wieder alles gutmachen konnte. Später ging sie in ihr Schlafzimmer, um die Sachen für ihren Besuch bei Marie zu packen.

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