Die Liebe ist das Ende

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7

„Nein, ich werde ihn ganz sicher nicht abholen!“, rief Manja Hürsch empört, als sie Delia gebeten hatte, zum Präsidium zu kommen und ihren Freund abzuholen.

„Frau Hürsch, Sie sind doch die Freundin von Jakob Wildmann?“

„Ich WAR die Freundin von Jakob, aber das ist Geschichte. Ich will ihn nie wiedersehen. Er kann von mir aus bei Ihnen verrotten.“

„Was ist passiert?“

„Was passiert ist? Der miese Typ vögelt mit seinen Schülerinnen. Ich habe es ja immer vermutet, aber dank des Fotos, dass er mir auch noch selbst geschickt hat, ist es Gewissheit. Jetzt wissen Sie, was passiert ist. Sie denken doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich so ein Schwein auch noch bei der Polizei abhole?“

Delia antwortete ruhig, obwohl sie gerne den Hörer gegen die Wand geworfen hätte, denn sie hasste es, wenn man Fragen mit neuen Fragen beantwortete: „Frau Hürsch, ich verstehe Ihre Reaktion, aber ob Herr Wildmann das wirklich getan hat, ist noch nicht klar. Es kann auch sein, dass er das Opfer ist.“

„Was? Er soll das Opfer sein? Der arme Mann, dem sich die Mädchen an den Hals werfen? Niemals! Das Schwein hat sie sicher auch getötet, um seine Tat zu verschleiern.“

Delia hörte die Frau noch eine Weile schimpfen, am Ende willigte sie ein, Jakob abzuholen. Sie erklärte, dass sie seine Sachen packen würde, er könne sich sofort eine andere Bleibe suchen.

Jakob saß indessen im Verhörraum des Präsidiums in der Hochgasse und hatte den Kopf in die Hände gestützt. Das ist ein Alptraum, dachte er, womit habe ich das verdient? In diesem Moment betrat die Kommissarin den Raum. Sie knabberte an der Unterlippe und nickte.

Roberto wandte sich wieder dem Lehrer zu.

„Fahren wir fort, Herr Wildmann. Sie sagen, Sie können sich an den Abend, an dem das Foto entstanden ist, nicht erinnern. Vielleicht wollen Sie sich nur nicht erinnern.“

„Oh Mann“, flüsterte der verzweifelte Lehrer und raufte sich die Haare, „bitte glauben Sie mir: Ich habe weder das Mädchen noch sonst irgendjemanden angefasst. Niemals! Ich bin ein guter Lehrer und sehr korrekt und niemals würde ich mit einer Schülerin etwas anfangen. Ich flirte nicht mal mit Kolleginnen, obwohl ich weiß, dass die eine oder andere nicht abgeneigt wäre. Aber … ich liebe Manja. Haben Sie sie erreicht? Kommt sie her?“

„Herr Wildmann, Ihre Freundin kommt sie abholen …“

„Gott sie Dank. Wenn ich sie nicht hätte.“

„Es … ich … sie kommt, um Sie in ein Hotel zu bringen. Es hat mich alle Überzeugungskraft gekostet, dass sie das überhaupt tut. Sie hat das Foto geschickt bekommen und denkt, dass Sie ihr damit wehtun wollten.“

Jakob sah die Kommissarin entsetzt an. Dann liefen Tränen über seine Wangen und er sank noch weiter in sich zusammen.

„Das kann nicht wahr sein“, jammerte er, „Manja wird mich nie wieder ansehen. Aber … aber so überlegen Sie doch! Wenn ich eine Affäre mit einer Schülerin hätte, würde ich meiner Freundin keine Bilder schicken, oder?“

Delia und Roberto sahen sich an. Irgendwie klingt er glaubwürdig, dachte sie und ahnte, dass ihr Kollege es ähnlich sah.

„Wir werden der Sache nachgehen, Herr Wildmann“, sagte Roberto in neutralem Ton. „Schließlich stehen wir ja erst am Anfang unserer Ermittlungen. Warum sollten die Mädchen Sie denn beschuldigen, wenn nichts an der Sache dran wäre? Damit hätten die drei ja die Polizei belogen und das traue ich denen nicht zu.“

„Die vier … drei sind mit allen Wassern gewaschen, Sandy war die Schlimmste. SIE hat mich ständig angemacht und nicht ich sie. Ich weiß nichts von dem Foto, also müssen die mir etwas ins Getränk getan haben.“

„Und was? Wie sollen die da drangekommen sein?“

„Was weiß ich denn? Sie sind doch die Polizei. Beweisen Sie meine Unschuld, sonst ist mein Leben zerstört! Genau das hat anscheinend jemand vor. Diese Mädchen lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Fragen Sie meine Kolleginnen und Kollegen: Ich bin ein guter Mensch!“

„Wir werden jeden Einzelnen befragen, keine Sorge“, meldete sich Delia zu Wort. „Haben Sie Freunde im Kollegium, die Sie besser kennen? Hatten Sie mal zu einer Kollegin eine Beziehung, vielleicht vor Manja? Wie lange sind Sie zusammen?“

Jakob sah Delia traurig an und erzählte: „Manja und ich, das ist etwas ganz Besonderes. Wir sind jetzt drei Jahre ein Paar. Auf einer Fortbildung sind wir uns begegnet, es war Liebe auf den ersten Blick. Und mein bester Freund ist gleichzeitig mein Kollege. Johannes und ich haben zusammen studiert und in einer Studenten-WG gelebt. Er wird meine Aussagen bestätigen. Johannes weiß auch von Sandys Versuchen mich ins Bett zu kriegen.“

„Wer zählt noch dazu?“

„Stefanie.“

„Ihre Kollegin, mit der Sie auf der Klassenfahrt waren?“

„Ja, genau die. Ich habe ihr am ersten Abend zu verstehen gegeben, dass nichts laufen wird. Dabei war ich sehr höflich. Sie stand mit einer Flasche und zwei Gläsern vor meiner Tür.“

„Seit wann wurden Sie von Sandy bedrängt?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber es begann vor etwa elf Monaten. Sie kam zuerst ständig nach dem Unterricht an meinen Tisch oder wartete wegen unwichtiger Fragen vor der Tür oder am Auto. Ich war stets freundlich und eines Tages kam der erste Liebesbrief. Er klemmte hinter meinem Scheibenwischer. Ich habe ihn genommen und mit ihr gesprochen. Sie war sehr einsichtig, jedenfalls dachte ich das. Ich habe sie niemals angerührt.“

„Wusste dieser Johannes davon?“

Jakob nickte.

„Manja?“

„Nein! Nicht so genau. Sie ist höllisch eifersüchtig. Ich habe ihr nichts davon gesagt, denn sie hätte verlangt, dass Sandy bestraft wird. Aber das wollte ich nicht.“

„Warum nicht?“

„Warum nicht? Na, weil das sehr peinlich für uns beide gewesen wäre. Sie hatte mir versprochen, mir nicht mehr nahezukommen.“

„Wusste sonst jemand davon?“

„Nein. Doch! Ich habe mit meiner Mutter geredet, weil ich einen Rat brauchte.“

„Gut, somit sind wir jetzt fertig. Sie müssen nur noch das Protokoll unterschreiben und dann können Sie gehen. Halten Sie sich zur Verfügung.“

„Ja, das mache ich.“

Mit hängenden Schultern verließ er den Raum und folgte Roberto nach unten, wo Manja auf den Lehrer wartete. Sie schaute an ihm vorbei und gab ihm nicht einmal die Hand.

„Ich habe dir deine Sachen gepackt, du ziehst in eine Ferienwohnung. Es ist kein Hotelzimmer frei gewesen.“

Jakob hatte nicht den Mut auf sie zuzugehen und ihr Vertrauen einzufordern. Er hatte gehofft, dass wenigstens sie ihm glauben würde, aber anscheinend ging sein ganzes Leben gerade zu Bruch.

Delia hatte sich die Adresse des Kollegen aufgeschrieben und schlug vor, ihn und Jakobs Mutter als nächste zu befragen. Roberto nickte. Delia sah in seinen Augen, was er dachte, sie spürte seine Zweifel und eine riesige Traurigkeit, die sie nicht zuordnen konnte.

Jakobs Mutter war zuhause und ließ die Kommissare eintreten. Gisela Wildmann war seit fünf Jahren Witwe. Sie schaute ängstlich drein, obwohl sie eine stattliche Frau war. Ihre grauen Haare trug sie kurz und ihre Beine steckten in engen Jeans.

„Kommen Sie schnell herein. Oh Mann, was hat mein Sohn nur gemacht? Mein Telefon läutet alle zwei Minuten und irgendwelche Leute beschimpfen mich und nennen ihn Kinderficker. Entschuldigung. Dieses Wort ist so … so … so böse. Ich habe Angst um Jakob. Hat er das wirklich getan?“

Delia legte eine Hand auf den Arm der Frau und sagte sanft: „Das wissen wir nicht. Es steht Aussage gegen Aussage. Denken Sie, er hatte ein Verhältnis mit seiner Schülerin?“

„Nein! Er war immer korrekt und wusste die professionelle Distanz sehr wohl einzuhalten. Niemals hätte er sich einer Schülerin genähert. Oder habe ich ihn falsch eingeschätzt?“

„Sie sind seine Mutter“, begann Roberto, „da will man sicher vieles nicht sehen. Gab es irgendwann mal Anzeichen, dass er vielleicht doch nicht der korrekte und distanzierte Lehrer war?“

„Nein, das sagte ich aber schon. Dieses Mädchen, ist sie tot?“

„Ja, aber wir haben bisher keinen Verdacht gegen Ihren Sohn.“

„Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt. Sie denken doch nicht auch noch, dass er das Mädchen ermordet hat.“

„Woher wissen Sie, dass sie ermordet wurde?“

„Einer der Anrufer sagte, Jakob sei ein Ki … - Sie wissen schon - und ein Mörder. Bitte hören Sie nicht auf zu ermitteln! Mein Junge war das bestimmt nicht! Ich weiß gar nicht, was ich denken soll.“

Sie begleitete die Kommissare an die Tür und sah ihnen nachdenklich hinterher. Delia und Roberto machten sich auf den Weg zur Schule. Sie hatten angerufen und den Schulleiter gebeten, die Kollegen zusammenzurufen.

8

„Der Jakob Wildmann ist ein korrekter Lehrer. Ich mag nicht glauben, dass er das getan haben soll“, sagte der Schulleiter Hans-Fred Burghaken mit fester Stimme.

„Wer will schon so etwas glauben.“

Roberto stand schweigend am Fenster und hatte Delia das Reden überlassen. An einem Ort wie diesem kamen die Bilder seiner Vergangenheit zurück. Auch seine Schwester war zur Schule gegangen, hatte Freundinnen und die erste Liebe gespürt, aber dann hatte jemand sie getötet. Er hatte bald die Schule gewechselt, weil die unschönen Kommentare einiger Mitschüler und das Mitleid der Lehrer nicht zu ertragen gewesen waren.

„Ich habe alle in den Konferenzraum geordert. Natürlich ist Herr Wildmann nicht dabei. Ich musste ihn beurlauben, bis alles geklärt ist. Die Schüler sind schon zuhause, aber Sie können sie morgen wieder befragen. Ich kann sie ja schlecht unbeaufsichtigt lassen. Außerdem machen wir morgen eine kleine Gedenkfeier für Sandy. Gibt es Beweise für die Behauptungen, dass Herr Wildmann …?“

 

„Darüber dürfen wir nicht reden. Lassen Sie uns gehen.“

Als die Kommissare mit dem Schulleiter den Konferenzraum betraten, schlug ihnen eine feindselige Atmosphäre entgegen. Die Lehrerinnen und Lehrer saßen an den langen Tisch, hatten die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt, jetzt herrschte plötzlich eine undurchdringliche Stille. Delia ließ ihren Blick über die etwa vierzig Menschen schweifen und entdeckte in der linken Ecke Stefanie Küttlings mit verkniffenem Gesicht. Roberto hatte sich ans Fenster gestellt und somit waren die Aufgaben klar definiert: Er würde beobachten und Delia würde sprechen.

„Guten Tag, Kollegen, ich möchte Sie alle hier willkommen heißen, wenn auch aus einem sehr traurigen Anlass. Das sind die Kommissare Böschinger und Caranio, die die Ermittlungen zum Tod von Sandy Hickerring leiten. Frau Böschinger?“

Delia trat jetzt vor und sah ernst in die Runde.

„Wie Sie bereits wissen, wurde Sandy auf der Abschlussfahrt ermordet. Jemand hat sie erdrosselt. Das Ganze geschah in einer Nacht, in der Sandy ohne Erlaubnis das Jugendheim verlassen hatte, um Herrn Wildmann zu ärgern.“

„Sie ist sicher vor dem Schwein geflüchtet!“, rief eine ältere Kollegin, die eine Frisur hatte, als hätte ein Adler seinen Nestbau begonnen.

„Sie sind?“, fragte Delia höflich.

„Irina Dankbert, ich habe Sandy in Deutsch unterrichtet. Und ich finde, dass dieser Kollege hinter Gitter gehört. Das alles wird dem Ruf unserer Schule schaden. Habt ihr mal daran gedacht? Kinderschänder im Kollegium, das geht gar nicht.“

„Frau Dankbert, es ist nicht bewiesen, dass Ihr Kollege irgendetwas in dieser Richtung getan hat. Wir werden jetzt alle einzeln befragen und vielleicht fangen wir gleich mit Ihnen an. Wenn Sie mir bitte folgen? Wer ist denn Johannes Huhberger?“

Ein junger Mann mit einem modischen Bart und leuchtend blauen Augen meldete sich.

„Mein Kollege wird mit Ihnen sprechen. Frau Dankbert?“

„Warum muss ich denn jetzt als Erste? Nur weil die anderen zu feige sind, den Mund aufzumachen? Ist euch denn das Schicksal des Mädchens egal?“

Sie hatte sich wie eine Rachegöttin aufgebaut und ruderte mit den schwammigen Armen. Niemand sagte etwas, nur Johannes schüttelte den Kopf.

Da keiner der Kollegen sich geäußert hatte, kam Irina mit erhobenem Kopf nach vorn und folgte Delia aus dem Raum. Im Nebenzimmer, einem Chemieraum, setzten sie sich in die Schülerbänke.

„Sie mögen Herrn Wildmann nicht?“, begann Delia die Befragung.

„So junge Lehrer haben keine Ahnung vom Leben. Man muss sie überwachen, nur dann können sie lernen sich angemessen zu verhalten. Dass dieser … dieser junge Kerl sich von den Mädchen angezogen fühlt, ist keine Wunder. Er hat ja immer mit denen geredet, als wären sie Freunde. Das darf nicht sein! Distanz, sage ich, Distanz.“

Delia dachte: Die hast du ganz sicher, die Distanz. Sie erinnerte sich gerade sehr deutlich an ihre alte Physiklehrerin, die von Kopf bis Fuß eine Hexe war und jeden Schüler von oben herab behandelt hatte.

Irina fuhr unbeirrt fort: „Das arme Mädchen! So ein Schwein, das sich an der Kleinen vergreift. Jemand musste dem ja mal eine Lehre erteilen. So richtig!“

„Was meinen Sie damit?“

„Was ich meine? Na, dass Sandy weggelaufen ist. Das war richtig.“

„Ach ja? Und wenn das auf Ihrer Klassenfahrt passiert wäre? Würden Sie dann Sandys Verhalten auch so einschätzen?“

„Ich mache keine Klassenfahrten, prinzipiell nicht. Die Eltern sind für das Verreisen zuständig und die Schule für das Lernen. So sehe ich das und ich stehe dazu.“

„Es wurde gesagt, dass Sandy ein wenig, sagen wir, schwierig war.“

„Nun, sie war eben in der Pubertät. Da macht man halt Dinge, um die Grenzen auszutesten, die nicht immer korrekt sind. Bei mir war Sandy immer eine gute Schülerin.“

„Sie hatte ein Fünf in Deutsch.“

„Das lag an ihrer Rechtschreibung, aber denken und reden, das konnte sie gut. Wir haben so manches Streitgespräch geführt, ehrlich und offen, nicht so kumpelhaft wie der junge Kollege.“

„Hatte Sandy Feinde?“

„Nein, sie war das, was man heutzutage als IN bezeichnet.“

„Wie hat sich Sandy den anderen Schülern gegenüber verhalten?“

„Vorbildlich, kameradschaftlich, hilfsbereit.“

Delia dachte sich ihren Teil und beschloss, das Gespräch zu beenden, sonst hätte sie den Glauben an die Schule und die guten Lehrer verloren. Wenn man so eine Lehrerin wie Irina Dankbert hatte, brauchte man keine Feinde mehr, auch als Kollege. Diese Frau spielte sich hier als Sauber-Frau und Musterpädagogin auf, dass es einen gruselte. Delia verkniff sich jede Bemerkung, obwohl sie ihr schon auf der Zunge lag und schickte Irina aus dem Raum.

Sie setzte die Befragung mit Stefanie Küttlings fort. Die war immer noch aufgebracht und wütend, denn sie hatte Angst, dass etwas von dem Pech auf sie abfärben würde.

„Frau Küttlings, es gibt Aussagen, dass Ihr Kollege sich Sandy in sein Zimmer geholt und mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt hat. Die Gerichtsmedizin hat das auch für die Mordnacht bestätigt, aber es konnte kein Sperma nachgewiesen werden, also kann Sandy auch mit jemand anderem geschlafen haben. Haben Sie in der Nacht davor etwas bemerkt?“

„Nein, er war dran mit der Nachtwache, ich habe geschlafen. Es wäre aber kein Problem gewesen, sich jemanden ins Zimmer zu holen, denn das Haus war fantastisch isoliert.“

Ihr Ton war genauso eisig wie ihr Gesichtsausdruck. Wenn es hart auf hart kam, würde sie den Lehrer ans Messer liefern.

„Können Sie sich vorstellen, dass Sandy dieses Bild ohne das Wissen ihres Lehrers angefertigt hat?“

„Nein, so clever war das Mädchen nicht.“

„Wie war Ihr Verhältnis zu Jakob?“

„Es war kein Verhältnis. Ich verbitte mir da jede Unterstellung.“

„Das sagte er auch, Sie sind nur Kollegen. Und er hat sich Ihnen gegenüber immer korrekt verhalten?“

Stefanie nickte, denn das entsprach der Wahrheit.

„Aber wenn er auf kleine Mädchen abgefahren ist, dann ist das logisch. Für so einen Kinderficker bin ich zu alt.“

„Wenn sich herausstellt, dass das Foto ein Fake ist, wie leben Sie dann mit den harten Worten?“

Stefanie sah Delia jetzt erstaunt an.

„Sie glauben diesem Mann doch nicht etwa? So ein Schwein muss seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Aber wahrscheinlich hat er sie mit seinem netten Getue und seinen Strahle-Äuglein auch schon ganz wuschig gemacht.“

„So wie Sie?“

„Pffff.“

„Gab es noch andere Kolleginnen, die Jakob Wildmann gerne nähergekommen wären?“

„Keine Ahnung. So gut kennen wir uns nicht. Haben Sie schon mal überlegt, dass er das arme Mädchen zum Schweigen gebracht hat?“

„Wir überlegen immer alles sehr genau. Das war es dann, Frau Küttlings, Sie dürfen gehen und mir die nächste Dame schicken.“

Die Befragungen gingen weiter, aber die anderen Kollegen hielten sich mit ihren Aussagen sehr bedeckt. Entweder hatten sie keine Meinung, oder aber sie verschwiegen die sehr gut.

Nach zwei Stunden steckte sie den Kopf durch die nächste Tür, wo nun auch Roberto den letzten rausgeschickt hatte.

„Hunger“, sagte Delia knapp und ihr Kollege nickte.

9

„Oh, das sieht gut aus“, sagte Delia und betrachtete ihr riesiges Schnitzel mit der Pilzsoße und den Kartoffelecken.

Sie nahm Messer und Gabel und machte sich über ihren Teller her. Dabei entging ihr das Lächeln ihres Kollegen, der Delia immer bewunderte, wenn sie ohne Gewissensbisse Unmengen von leckerem Essen verdrückte. Sie ist eben keine Tussi, dachte er.

„Was denkst du?“, fragte sie nun mit vollem Mund und sah ihn an.

„Das Essen ist gut.“

„Doch nicht über das Essen, über den Fall und Jakob Wildmann.“

„Sein Freund Johannes ist wohl der einzige Mensch, dem er sich noch anvertrauen kann. Er hat mir erzählt, wie das vor elf Monaten mit den Annäherungsversuchen von Sandy war. Mehrfach war er dabei, wie Jakob sie zurückgewiesen hat. Er glaubt an die Unschuld seines Freundes.“

„Da waren die Frauen anderer Meinung, wenn sie denn überhaupt eine hatten. Irina Dankbert, die Zicke vom Anfang, und Stefanie Küttlings haben kein gutes Haar an ihm gelassen und wenn es nach den beiden Damen ginge, würde Jakob bereits in der Hölle schmoren.“

„Stefanie hat ihm genauso hinterhergeschmachtet wie Sandy. Und diese Irina hat Johannes als sehr unangenehme Kollegin beschrieben, die auf ganz besonderem Kriegsfuß mit Sandy stand.“

„Ach!“, rief Delia und hörte auf zu kauen. „Da hat sie aber etwas ganz anderes gesagt. Die arme Sandy war so ein nettes Mädchen, klug, immer nett und hilfsbereit.“

Roberto runzelte die Stirn.

„Dann hat sie gelogen. Sandy ist sogar so weit gegangen und hat ihr die Autoschlüssel geklaut und auf das Dach der Sporthalle geworfen. Die Feuerwehr musste ausrücken und den Schlüssel per Drehleiter herunterholen, denn dort gibt es keinen Zugang von innen.“

„So ein nettes Mädchen. Einfach zauberhaft.“

Delia grinste und sah in diesem Moment ein Lächeln in Robertos Augen, welches sie wirklich beunruhigte. Was war das? Aber da war der Moment auch schon vorüber und ihr Kollege fasste die Ergebnisse der Befragungen mit den Männern zusammen.

Am Ende sagte er: „Und Stefanie war nicht die einzige Kollegin, die scharf auf den schmucken Kollegen war.“

„Na sowas, wer denn noch?“

„Es gab schon vor zwei Jahren Probleme mit einer Schülerin, dann musste letztes Jahr eine Referendarin gehen, die sich mit ihm in der Umkleide eingeschlossen hatte, um ihn zur Liebe zu bekehren. Jetzt wird er noch von Terese Möthlitz belästigt, aber er ist stets korrekt und freundlich. Eigentlich unantastbar.“

„Wahrscheinlich hat er wirklich nichts getan.“

„Wie machen wir weiter?“, fragte Roberto und schob seinen Teller weg.

„Ich möchte gerne mit der Freundin von Jakob reden. In Ruhe und ohne dich, wenn dir das recht ist. Du solltest deinen Charme bei den Mädels spielen lassen. Ich fand die außerordentlich abgebrüht.“

„Gut, dann trennen wir uns bis morgen früh. Bist du satt?“

Delias Teller war leer und sie nickte.

„Ich lade dich ein.“

Roberto stand auf und ging am Tresen zahlen, dann winkte er ihr zu und verschwand.

„Sowas aber auch. Was ist denn mit dem los?“

Zufrieden, aber auch verwirrt über den neuen netten Kollegen machte sie sich auf den Weg zur Wohnung von Manja Hürsch. Diese öffnete sofort und fing direkt wieder an zu schimpfen.

„Darf ich reinkommen?“, fragte Delia und ging an der verblüfften Frau vorbei in die Küche, wo sie sich auf einen Stuhl am Fenster setzte.

„Kommen Sie doch rein und setzen Sie sich“, kam es sarkastisch aus Manjas Mund. „Darf ich Ihnen einen Kaffee machen oder wollen Sie das selbst tun?“

„Gerne, wenn ich einen mit Milch und Zucker bekommen könnte.“

Manja begann an der Kaffeemaschine zu hantieren, dabei konnte Delia ihre schlanke Figur und die glänzenden braunen Haare betrachten, die ihr in Wellen über die Schultern fielen. Ihre Bewegungen waren fließend, fast anmutig und Delia verstand, was Jakob an seiner Freundin begeisterte. Die Frau kam mit zwei Tassen an den Tisch und setzte sich zu Delia. Mit schlanken Händen schob sie eine Tasse über den Tisch.

„Ich hätte das nie von ihm gedacht“, begann die junge Frau und sah Delia ratlos und sanft an. „Hat er das Mädchen getötet?“

„Das wissen wir noch nicht.“

„Sitzt er im Knast?“, kam es plötzlich unendlich viel härter über die schönen Lippen von Manja.

„Nein, er ist beurlaubt, sitzt wahrscheinlich zuhause und hadert mit sich und der Welt.“

Delia war erschrocken über die unerwartete Wandlung, hatte sie doch gehofft, dass Manja an ihren Freund glauben könnte.

„Das hat er verdient! So ein Schwein, ich habe es immer gewusst, dass er diese kleinen Biester anspringt. Ich war so blöd und habe ihm geglaubt, dass er sowas wie Elternabende und Konferenzen hatte, aber sicher war er mit den jungen Hüpfern im Bett und jetzt bin ich die Dumme.“

„Und was ist, wenn er nichts dergleichen gemacht hat? Wenn er Elternabende und Konferenzen hatte? Ich glaube, Lehrer haben so etwas ab und zu mal.“

 

„Er war sehr oft unterwegs. Und sicher wusste sein blöder Lehrerfreund davon oder die beiden haben die kleinen Mädchen zusammen verführt. Obwohl, Johannes ist nicht so ein Frauentyp. Vielleicht hat Jakob auch die junge Kollegin für die Fahrt ausgesucht. Ich war doch extra …“

„Was extra?“

„Nichts.“

Bei Delia waren alle Alarmglocken angegangen.

„Raus mit der Sprache! Sie dürfen mir nichts verschweigen, es sei denn, Sie belasten sich selbst.“

Der Trick funktionierte und Manja zuckte eingeschüchtert zusammen.

„Ich belaste mich nicht selbst. An dem einen Abend … ähm, wie soll ich sagen … da war ich …“

„Sie waren nachsehen, ob Jakob Ihnen treu ist?“

Manja nickte und schämte sich.

„Ich dachte, ich kann sehen, ob er mit der Kollegin flirtet. Mann, ich bin halt eifersüchtig.“

„Und? Haben Sie ihn erwischt?“

„Nein, die saßen alle vor dem Haus am Lagerfeuer, einer hatte eine Gitarre und Jakob saß nicht einmal bei seiner Kollegin, auch nicht bei den Mädchen. Aber ich war nicht die einzige, die das bunte Treiben beobachtet hat.“

Delia horchte auf.

„Wer noch?“

„Am anderen Ende der Hecke stand ein Mann und hat Fotos gemacht.“

„Wie sah der Mann aus?“

„Rasierter Schädel, Muskeln, überall tätowiert.“

„Was hat er fotografiert?“

„Die Leute am Feuer.“

„Haben Sie ihn angesprochen?“

Kopfschüttelnd sagte Manja: „Nein, ich habe mich geschämt und bin abgehauen. Außerdem sah er nicht sehr vertrauenerweckend aus.“

In Delias Kopf arbeitete es und sie nippte am Kaffee. Die Beschreibung passt auf Paul Ohek, den Hausmeister. Er hatte Sandy beim Klauen erwischt und hatte sie anscheinend weiter beobachtet. Aber warum?

„Danke für Ihre Auskünfte und den Kaffee. Halten Sie sich zur Verfügung.“

Als die Kommissarin im Auto saß, überlegte sie, ob sie Roberto anrufen und ihm von den Neuigkeiten berichten sollte, aber dann ließ sie es bleiben. Der Feierabend war ihm heilig. Oft genug wurden sie durch einen plötzlichen Einsatz gestört. Seufzend fuhr sie heim.

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