Über den Traum

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Über den Traum
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Impressum Veröffentlicht im heptagon Verlag Berlin 2012 ISBN: 978-3-934616-62-2 www.heptagon.de

Der Text ist ursprünglich erschienen auf der CD-ROM: »Sigmund Freud: Das Werk, herausgegeben von Thomas Müller. Berlin 2010.« Die zu Grunde liegende Textausgabe ist erschienen als: »Über den Traum, in: Gesammelte Werke Bd. 2/3, London 1945, S. 643-700.«. Die Fußnoten Freuds wurden übernommen.

I

In den Zeiten, die wir vorwissenschaftliche nennen dürfen, waren die Menschen um die Erklärung des Traumes nicht verlegen. Wenn sie ihn nach dem Erwachen erinnerten, galt er ihnen als eine entweder gnädige oder feindselige Kundgebung höherer, dämonischer und göttlicher Mächte. Mit dem Aufblühen naturwissenschaftlicher Denkweisen hat sich all diese sinnreiche Mythologie in Psychologie umgesetzt, und heute bezweifelt nur mehr eine geringe Minderzahl unter den Gebildeten, daß der Traum die eigene psychische Leistung des Träumers ist.

Seit der Verwerfung der mythologischen Hypothese ist der Traum aber erklärungsbedürftig geworden. Die Bedingungen seiner Entstehung, seine Beziehung zum Seelenleben des Wachens, seine Abhängigkeit von Reizen, die sich während des Schlafzustandes zur Wahrnehmung drängen, die vielen dem wachen Denken anstößigen Eigentümlichkeiten seines Inhaltes, die Inkongruenz zwischen seinen Vorstellungsbildern und den an sie geknüpften Affekten, endlich die Flüchtigkeit des Traumes, die Art, wie das wache Denken ihn als fremdartig beiseite schiebt, in der Erinnerung verstümmelt oder auslöscht: – all diese und noch andere Probleme verlangen seit vielen hundert Jahren nach Lösungen, die bis heute nicht befriedigend gegeben werden konnten. Im Vordergrunde des Interesses steht aber die Frage nach der Bedeutung des Traumes, die einen zweifachen Sinn in sich schließt. Sie fragt erstens nach der psychischen Bedeutung des Träumens, nach der Stellung des Traumes zu anderen seelischen Vorgängen und nach einer etwaigen biologischen Funktion desselben, und zweitens möchte sie wissen, ob der Traum deutbar ist, ob der einzelne Trauminhalt einen »Sinn« hat, wie wir ihn in anderen psychischen Kompositionen zu finden gewöhnt sind.

Drei Richtungen machen sich in der Würdigung des Traumes bemerkbar. Die eine derselben, die gleichsam den Nachklang der alten Überschätzung des Traumes bewahrt hat, findet ihren Ausdruck bei manchen Philosophen. Ihnen gilt als die Grundlage des Traumlebens ein besonderer Zustand der Seelentätigkeit, den sie sogar als eine Erhebung zu einer höheren Stufe feiern. So urteilt z.B. Schubert: Der Traum sei eine Befreiung des Geistes von der Gewalt der äußeren Natur, eine Loslösung der Seele von den Fesseln der Sinnlichkeit. Andere Denker gehen nicht so weit, halten aber daran fest, daß die Träume wesentlich seelischen Anregungen entspringen und Äußerungen seelischer Kräfte darstellen, die tagsüber an ihrer freien Entfaltung behindert sind (der Traumphantasie – Scherner, Volkelt). Eine Fähigkeit zur Überleistung wenigstens auf gewissen Gebieten (Gedächtnis) wird dem Traumleben von einer großen Anzahl von Beobachtern zugesprochen.

Im scharfen Gegensatz hiezu vertritt die Mehrzahl ärztlicher Autoren eine Auffassung, welche dem Traum kaum noch den Wert eines psychischen Phänomens beläßt. Die Erreger des Traumes sind nach ihnen ausschließlich die Sinnes- und Leibreize, die entweder von außen den Schläfer treffen oder zufällig in seinen inneren Organen rege werden. Das Geträumte hat nicht mehr Anspruch auf Sinn und Bedeutung als etwa die Tonfolge, welche die zehn Finger eines der Musik ganz unkundigen Menschen hervorrufen, wenn sie über die Tasten des Instruments hinlaufen. Der Traum ist geradezu als »ein körperlicher, in allen Fällen unnützer, in vielen Fällen krankhafter Vorgang« zu kennzeichnen (Binz). Alle Eigentümlichkeiten des Traumlebens erklären sich aus der zusammenhanglosen, durch physiologische Reize erzwungenen Arbeit einzelner Organe oder Zellgruppen des sonst in Schlaf versenkten Gehirns.

Wenig beeinflußt durch dieses Urteil der Wissenschaft und unbekümmert um die Quellen des Traumes, scheint die Volksmeinung an dem Glauben festzuhalten, daß der Traum denn doch einen Sinn habe, der sich auf die Verkündigung der Zukunft bezieht, und der durch irgend ein Verfahren der Deutung aus seinem oft verworrenen und rätselhaften Inhalt gewonnen werden könne. Die in Anwendung gebrachten Deutungsmethoden bestehen darin, daß man den erinnerten Trauminhalt durch einen anderen ersetzt, entweder Stück für Stück nach einem feststehenden Schlüssel, oder das Ganze des Traumes durch ein anderes Ganzes, zu dem es in der Beziehung eines Symbols steht. Ernsthafte Männer lächeln über diese Bemühungen. »Träume sind Schäume.«

II

Zu meiner großen Überraschung entdeckte ich eines Tages, daß nicht die ärztliche, sondern die laienhafte, halb noch im Aberglauben befangene Auffassung des Traumes der Wahrheit nahe kommt. Ich gelangte nämlich zu neuen Aufschlüssen über den Traum, indem ich eine neue Methode der psychologischen Untersuchung auf ihn anwendete, die mir bei der Lösung der Phobien, Zwangsideen, Wahnideen u. dgl. hervorragend gute Dienste geleistet hatte, und die seither unter dem Namen »Psychoanalyse« bei einer ganzen Schule von Forschern Aufnahme gefunden hat. Die mannigfaltigen Analogien des Traumlebens mit den verschiedenartigsten Zuständen psychischer Krankheit im Wachen sind ja von zahlreichen ärztlichen Forschern mit Recht bemerkt worden. Es erschien also von vorneherein hoffnungsvoll, ein Untersuchungsverfahren, welches sich bei den psychopathischen Gebilden bewährt hatte, auch zur Aufklärung des Traumes heranzuziehen. Die Angst- und Zwangsideen stehen dem normalen Bewußtsein in ähnlicher Weise fremd gegenüber wie die Träume dem Wachbewußtsein; ihre Herkunft ist dem Bewußtsein ebenso unbekannt wie die der Träume. Bei diesen psychopathischen Bildungen wurde man durch ein praktisches Interesse getrieben, ihre Herkunft und Entstehungsweise zu ergründen, denn die Erfahrung hatte gezeigt, daß eine solche Aufdeckung der dem Bewußtsein verhüllten Gedankenwege, durch welche die krankhaften Ideen mit dem übrigen psychischen Inhalt zusammenhängen, einer Lösung dieser Symptome gleichkommt, die Bewältigung der bisher unhemmbaren Idee zur Folge hat. Aus der Psychotherapie stammte also das Verfahren, dessen ich mich für die Auflösung der Träume bediente.

Dieses Verfahren ist leicht zu beschreiben, wenngleich seine Ausführung Unterweisung und Übung erfordern dürfte. Wenn man es bei einem anderen, etwa einem Kranken mit einer Angstvorstellung, in Anwendung zu bringen hat, so fordert man ihn auf, seine Aufmerksamkeit auf die betreffende Idee zu richten, aber nicht, wie er schon so oft getan, über sie nachzudenken, sondern alles ohne Ausnahme sich klar zu machen und dem Arzt mitzuteilen, was ihm zu ihr einfällt. Die dann etwa auftretende Behauptung, daß die Aufmerksamkeit nichts erfassen könne, schiebt man durch eine energische Versicherung, ein solches Ausbleiben eines Vorstellungsinhaltes sei ganz unmöglich, zur Seite. Tatsächlich ergeben sich sehr bald zahlreiche Einfälle, an die sich weitere knüpfen, die aber regelmäßig von dem Urteil des Selbstbeobachters eingeleitet werden, sie seien unsinnig oder unwichtig, gehören nicht hierher, seien ihm nur zufällig und außer Zusammenhang mit dem gegebenen Thema eingefallen. Man merkt sofort, daß es diese Kritik ist, welche all diese Einfälle von der Mitteilung, ja bereits vom Bewußtwerden, ausgeschlossen hat. Kann man die betreffende Person dazu bewegen, auf solche Kritik gegen ihre Einfälle zu verzichten und die Gedankenreihen, die sich bei festgehaltener Aufmerksamkeit ergeben, weiter zu spinnen, so gewinnt man ein psychisches Material, welches alsbald deutlich an die zum Thema genommene krankhafte Idee anknüpft, deren Verknüpfungen mit anderen Ideen bloßlegt, und in weiterer Verfolgung gestattet, die krankhafte Idee durch eine neue zu ersetzen, die sich in verständlicher Weise in den seelischen Zusammenhang einfügt.

Es ist hier nicht der Ort, die Voraussetzungen, auf denen dieser Versuch ruht, und die Folgerungen, die sich aus seinem regelmäßigen Gelingen ableiten, ausführlich zu behandeln. Es mag also die Aussage genügen, daß wir bei jeder krankhaften Idee ein zur Lösung derselben hinreichendes Material erhalten, wenn wir unsere Aufmerksamkeit gerade den »ungewollten«, den »unser Nachdenken störenden«, den sonst von der Kritik als wertloser Abfall beseitigten Assoziationen zuwenden. Übt man das Verfahren an sich selbst, so unterstützt man sich bei der Untersuchung am besten durch sofortiges Niederschreiben seiner anfänglich unverständlichen Einfälle.

Ich will nun zeigen, wohin es führt, wenn ich diese Methode der Untersuchung auf den Traum anwende. Es müßte jedes Traumbeispiel sich in gleicher Weise dazu eignen; aus gewissen Motiven wähle ich aber einen eigenen Traum, der mir in der Erinnerung undeutlich und sinnlos erscheint, und der sich durch seine Kürze empfehlen kann. Vielleicht wird gerade der Traum der letzten Nacht diesen Ansprüchen genügen. Sein unmittelbar nach dem Erwachen fixierter Inhalt lautet folgendermaßen:

»Eine Gesellschaft, Tisch oder Table d'hôte ... Es wird Spinat gegessen ... Frau E. L. sitzt neben mir, wendet sich ganz mir zu und legt vertraulich die Hand auf mein Knie. Ich entferne die Hand abwehrend. Sie sagt dann: Sie haben aber immer so schöne Augen gehabt ... Ich sehe dann undeutlich etwas wie zwei Augen als Zeichnung oder wie die Kontur eines Brillenglases ...«

Dies ist der ganze Traum oder wenigstens alles, was ich von ihm erinnere. Er erscheint mir dunkel und sinnlos, vor allem aber befremdlich. Frau E. L. ist eine Person, zu der ich kaum je freundschaftliche Beziehungen gepflogen, meines Wissens herzlichere nie gewünscht habe. Ich habe sie lange Zeit nicht gesehen und glaube nicht, daß in den letzten Tagen von ihr die Rede war. Irgendwelche Affekte haben den Traumvorgang nicht begleitet.

 

Nachdenken über diesen Traum bringt ihn meinem Verständnis nicht näher. Ich werde aber jetzt absichts- und kritiklos die Einfälle verzeichnen, die sich meiner Selbstbeobachtung ergeben. Ich bemerke bald, daß es dabei vorteilhaft ist, den Traum in seine Elemente zu zerlegen und zu jedem dieser Bruchstücke die anknüpfenden Einfälle aufzusuchen.

Gesellschaft, Tisch oder Table d'hôte. Daran knüpft sich sofort die Erinnerung an das kleine Erlebnis, welches den gestrigen Abend beschloß. Ich war von einer kleinen Gesellschaft weggegangen in Begleitung eines Freundes, der sich erbot, einen Wagen zu nehmen und mich nach Hause zu führen. »Ich ziehe einen Wagen mit Taxameter vor«, sagte er, »das beschäftigt einen so angenehm; man hat immer etwas, worauf man schauen kann.« Als wir im Wagen saßen und der Kutscher die Scheibe einstellte, so daß die ersten sechzig Heller sichtbar wurden, setzte ich den Scherz fort. »Wir sind kaum eingestiegen und schulden ihm schon sechzig Heller. Mich erinnert der Taxameterwagen immer an die Table d'hôte. Er macht mich geizig und eigensüchtig, indem er mich unausgesetzt an meine Schuld mahnt. Es kommt mir vor, daß diese zu schnell wächst, und ich fürchte mich, zu kurz zu kommen, gerade wie ich mich auch an der Table d'hôte der komischen Besorgnis, ich bekomme zu wenig, müsse auf meinen Vorteil bedacht sein, nicht erwehren kann.« In entfernterem Zusammenhange hiermit zitierte ich:

»Ihr führt ins Leben uns hinein,

Ihr laßt den Armen schuldig werden.«

Ein zweiter Einfall zur Table d'hôte: Vor einigen Wochen habe ich mich an einer Gasthaustafel in einem Tiroler Höhenkurort heftig über meine liebe Frau geärgert, die mir nicht reserviert genug gegen einige Nachbarn war, mit denen ich durchaus keinen Verkehr anknüpfen wollte. Ich bat sie, sich mehr mit mir als mit den Fremden zu beschäftigen. Das ist ja auch, als ob ich an der Table d'hôte zu kurz gekommen wäre. Jetzt fällt mir auch der Gegensatz auf zwischen dem Benehmen meiner Frau an jener Tafel und dem der Frau E. L. im Traum, »die sich ganz mir zuwendet«.

Weiter: Ich merke jetzt, daß der Traumvorgang die Reproduktion einer kleinen Szene ist, die sich ganz ähnlich so zwischen meiner Frau und mir zur Zeit meiner geheimen Werbung zugetragen hat. Die Liebkosung unter dem Tischtuch war die Antwort auf einen ernsthaft werbenden Brief. Im Traum ist aber meine Frau durch die mir fremde E. L. ersetzt.

Frau E. L. ist die Tochter eines Mannes, dem ich Geld geschuldet habe! Ich kann nicht umhin zu bemerken, daß sich da ein ungeahnter Zusammenhang zwischen den Stücken des Trauminhalts und meinen Einfällen enthüllt. Folgt man der Assoziationskette, die von einem Element des Trauminhaltes ausgeht, so wird man bald zu einem anderen Element desselben zurückgeführt. Meine Einfälle zum Traume stellen Verbindungen her, die im Traume selbst nicht ersichtlich sind.

Pflegt man nicht, wenn jemand erwartet, daß andere für seinen Vorteil sorgen sollen, ohne eigenen Vorteil dabei zu finden, diesen Weltunkundigen höhnisch zu fragen: Glauben Sie denn, daß dies oder jenes um Ihrer schönen Augen willen geschehen wird? Dann bedeutet ja die Rede der Frau E. L. im Traume: »Sie haben immer so schöne Augen gehabt« nichts anderes als: Ihnen haben die Leute immer alles zu Liebe getan; Sie haben alles umsonst gehabt. Das Gegenteil ist natürlich wahr: Ich habe alles, was mir andere etwa Gutes erwiesen, teuer bezahlt. Es muß mir doch einen Eindruck gemacht haben, daß ich gestern den Wagen umsonst gehabt habe, in dem mich mein Freund nach Hause geführt hat.

Allerdings der Freund, bei dem wir gestern zu Gaste waren, hat mich oft zu seinem Schuldner gemacht. Ich habe erst unlängst eine Gelegenheit, es ihm zu vergelten, ungenützt vorübergehen lassen. Er hat ein einziges Geschenk von mir, eine antike Schale, auf der ringsum Augen gemalt sind, ein sog. Occhiale zur Abwehr des Malocchio. Er ist übrigens Augenarzt. Ich hatte ihn an demselben Abend nach der Patientin gefragt, die ich zur Brillenbestimmung in seine Ordination empfohlen hatte.

Wie ich bemerke, sind nun fast sämtliche Stücke des Trauminhaltes in den neuen Zusammenhang gebracht. Ich könnte aber konsequenter Weise noch fragen, warum im Traume gerade Spinat aufgetischt wird? Weil Spinat an eine kleine Szene erinnert, die kürzlich an unserem Familientische vorfiel, als ein Kind – gerade jenes, dem man die schönen Augen wirklich nachrühmen kann – sich weigerte, Spinat zu essen. Ich selbst benahm mich als Kind ebenso; Spinat war mir lange Zeit ein Abscheu, bis sich mein Geschmack später änderte und dieses Gemüse zur Lieblingsspeise erhob. Die Erwähnung dieses Gerichts stellt so eine Annäherung her zwischen meiner Jugend und der meines Kindes. »Sei froh, daß du Spinat hast«, hatte die Mutter dem kleinen Feinschmecker zugerufen. »Es gibt Kinder, die mit Spinat sehr zufrieden wären.« Ich werde so an die Pflichten der Eltern gegen ihre Kinder erinnert. Die Goetheschen Worte:

»Ihr führt ins Leben uns hinein,

Ihr laßt den Armen schuldig werden«

zeigen in diesem Zusammenhange einen neuen Sinn.

Ich werde hier haltmachen, um die bisherigen Ergebnisse der Traumanalyse zu überblicken. Indem ich den Assoziationen folgte, welche sich an die einzelnen, aus ihrem Zusammenhang gerissenen Elemente des Traumes anknüpften, bin ich zu einer Reihe von Gedanken und Erinnerungen gelangt, in denen ich wertvolle Äußerungen meines Seelenlebens erkennen muß. Dieses durch die Analyse des Traumes gefundene Material steht in einer innigen Beziehung zum Trauminhalt, doch ist diese Beziehung von der Art, daß ich das neu Gefundene niemals aus dem Trauminhalt hätte erschließen können. Der Traum war affektlos, unzusammenhängend und unverständlich; während ich die Gedanken hinter dem Traume entwickle, verspüre ich intensive und gut begründete Affektregungen; die Gedanken selbst fügen sich ausgezeichnet zu logisch verbundenen Ketten zusammen, in denen gewisse Vorstellungen als zentrale wiederholt vorkommen. Solche im Traum selbst nicht vertretene Vorstellungen sind in unserem Beispiel die Gegensätze von eigennützig–uneigennützig, die Elemente schuldig sein und umsonst tun. Ich könnte in dem Gewebe, welches sich der Analyse enthüllt, die Fäden fester anziehen und würde dann zeigen können, daß sie zu einem einzigen Knoten zusammenlaufen, aber Rücksichten nicht wissenschaftlicher, sondern privater Natur hindern mich, diese Arbeit öffentlich zu tun. Ich müßte zu vielerlei verraten, was besser mein Geheimnis bleibt, nachdem ich auf dem Wege zu dieser Lösung mir allerlei klar gemacht, was ich mir selbst ungern eingestehe. Warum ich aber nicht lieber einen anderen Traum wählte, dessen Analyse sich zur Mitteilung besser eignet, so daß ich eine bessere Überzeugung für den Sinn und Zusammenhang des durch Analyse aufgefundenen Materials erwecken kann? Die Antwort lautet, weil jeder Traum, mit dem ich mich beschäftigen will, zu denselben schwer mitteilbaren Dingen führen und mich in die gleiche Nötigung zur Diskretion versetzen wird. Ebensowenig würde ich diese Schwierigkeit vermeiden, wenn ich den Traum eines anderen zur Analyse brächte, es sei denn, daß die Verhältnisse gestatteten, ohne Schaden für den mir Vertrauenden alle Verschleierungen fallen zu lassen.

Die Auffassung, die sich mir schon jetzt aufdrängt, geht dahin, daß der Traum eine Art Ersatz ist für jene affektvollen und sinnreichen Gedankengänge, zu denen ich nach vollendeter Analyse gelangt bin. Ich kenne den Prozeß noch nicht, welcher aus diesen Gedanken den Traum hat entstehen lassen, aber ich sehe ein, daß es Unrecht ist, diesen als einen rein körperlichen, psychisch bedeutungslosen Vorgang hinzustellen, der durch die isolierte Tätigkeit einzelner, aus dem Schlaf geweckter Hirnzellgruppen entstanden ist.

Zweierlei merke ich noch an: daß der Trauminhalt sehr viel kürzer ist als die Gedanken, für deren Ersatz ich ihn erkläre, und daß die Analyse eine unwichtige Begebenheit des Abends vor dem Träumen als den Traumerreger aufgedeckt hat.

Ich werde einen so weit reichenden Schluß natürlich nicht ziehen, wenn mir erst eine einzige Traumanalyse vorliegt. Wenn mir aber die Erfahrung gezeigt hat, daß ich durch kritiklose Verfolgung der Assoziationen von jedem Traum aus zu einer solchen Kette von Gedanken gelangen kann, unter deren Elementen die Traumbestandteile wiederkehren, und die unter sich korrekt und sinnreich verknüpft sind, so wird die geringe Erwartung, daß die das erstemal bemerkten Zusammenhänge sich als Zufall herausstellen könnten, wohl aufgegeben werden. Ich halte mich dann für berechtigt, die neue Einsicht durch Namengebung zu fixieren. Den Traum, wie er mir in der Erinnerung vorliegt, stelle ich dem durch Analyse gefundenen zugehörigen Material gegenüber, nenne den ersteren den manifesten Trauminhalt, das letztere – zunächst ohne weitere Scheidung – den latenten Trauminhalt. Ich stehe dann vor zwei neuen, bisher nicht formulierten Problemen: 1) welches der psychische Vorgang ist, der den latenten Trauminhalt in den mir aus der Erinnerung bekannten, manifesten, übergeführt hat; 2) welches das Motiv oder die Motive sind, die solche Übersetzung erfordert haben. Den Vorgang der Verwandlung vom latenten zum manifesten Trauminhalt werde ich die Traumarbeit nennen. Das Gegenstück zu dieser Arbeit, welches die entgegengesetzte Umwandlung leistet, kenne ich bereits als Analysenarbeit. Die anderen Traumprobleme, die Fragen nach den Traumerregern, nach der Herkunft des Traummaterials, nach dem etwaigen Sinn des Traumes und Funktion des Träumens, und nach den Gründen des Traumvergessens werde ich nicht am manifesten, sondern am neugewonnenen latenten Trauminhalt erörtern. Da ich alle widersprechenden wie alle unrichtigen Angaben über das Traumleben in der Literatur auf die Unkenntnis des erst durch Analyse zu enthüllenden latenten Trauminhaltes zurückführe, werde ich eine Verwechslung des manifesten Traumes mit den latenten Traumgedanken fortan aufs sorgfältigste zu vermeiden suchen.

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