Zweiter Sieger

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Z serii: Trümmerprinzessin #3
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Zweiter Sieger
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Ruth Broucq

Zweiter Sieger

(Alles hat seinen Preis)

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zweiter Sieger

falsche Hoffnung

Neue Probleme

knappe Kasse

Neue Hoffnung

charmanter Trost

andere Wege

Mutterglück

Schwieriges Geschäft

Rückendeckung

Scherben

Pleitegeier

Zusammenbruch

Zwangslage

Frauenpower

Großes Geld

Verkauft

Ansturm

Freundschaft

Urlaubszeit

Spielsucht

Reklamationen

Umorientierung

Neuanfang

Schweizer Grenze

Bijou

Tiefschläge

Rückkehr

Noch mehr Schulden

Mandy

Reinfall

Alles Neu

Leere Versprechungen

Oma Strickstrumpf

Umbruch

Henne im Korb

Seitensprung

Durchfall

Familienfeier

Nestflucht

Alte Bekanntschaft

Werbe-Idee

Auf Abwegen

Ehebruch

Freud und Leid

Harter Schnitt

Impressum neobooks

Zweiter Sieger

( alles hat seinen Preis )

Impressum

Copyright by:…. Ruth Broucq

42699 Solingen

Autorin3@gmail.com

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Einleitung:

Es mochte wohl für meine puritanische Mutter sehr schwer zu verdauen sein, dass der Lebenswandel ihrer Lieblingstochter ihrer eigenen Moralvorstellung total widersprach. Sicher schwieg sie nur, weil nicht zu übersehen war, dass ich keine Wahl hatte. Weil ich gezwungen war, die Verantwortung für das Wohlergehender meiner ganzen Familie zu übernehmen. Denn mein Ehemann und nun Vater zweier Kinder, dieser egoistische verantwortungslose Hallodri, war dazu nicht in der Lage. Meine Hoffnung, er könne sich ändern, hatte sich als gewaltiger Irrtum erwiesen. Ich musste für den Lebensunterhalt der Kinder sorgen und gleichzeitig die ständigen finanziellen Eskapaden meines Mannes ausgleichen.

Und wohin das eine ungelernte Kraft brachte, war für mich ein schwerer Weg, aber leider nicht zu vermeiden.

falsche Hoffnung

Mit 23 Jahren, als Mutter von zwei Kindern, zum zweiten Mal verheiratet, allerdings mit dem gleichen Mann, wurde für mich das Familienleben nicht einfacher, sondern damit fing der Stress erst richtig an.

Schon die ersten Lebenswochen unseres zweiten Kindes gestalteten sich chaotisch, woran nicht nur die beengte Wohnung schuld war. Zwar war es nicht einfach mit 4 Personen in einer Zweizimmer-Wohnung zu leben, mit einem Schulkind und einem Säugling sogar ein ziemlicher Spagat, wegen der unterschiedlichen Zeiten.

Jedoch am schlimmsten war Roberts restliche Zeit auf der Meisterschule, die einen kaum zu bewältigenden Kostenfaktor darstellte, denn die Unterstützung vom Arbeitsamt war nicht gerade üppig. Auch meine Bezüge zum Mutterschafts-Urlaub hielten sich in bescheidenem Rahmen. Und obwohl mein Mann genau wusste, dass wir jede Mark umdrehen mussten um über die Runden zu kommen, schränkte er seinen Lebenswandel keinen Deut ein. Nicht nur, dass er seine regelmäßigen Saufabende mit seinen Kegelbrüdern beibehielt, nein, er kam auch außer der Reihe oft betrunken von der Schule zurück. Das belastete unsere erneute Aufbauphase bezüglich neuer Familienbindung genauso sehr, wie auch unsere Haushaltskasse.

Als ich dann am Ende der Mutterschutz-Zeit wieder arbeiten musste, wurden die Einnahmen noch geringer und mein Leben noch schwieriger. Zwar hatte ich meinen Arbeitsplatz als Schaffnerin, bei den städtischen Verkehrsbetrieben, vorsichtshalber beibehalten, aber das bedeutete Schichtarbeit.

Eigentlich hätte ich wegen des höheren Verdienstes Vollzeit arbeiten müssen, aber das war unmöglich, weil sich keine ausreichende Betreuung für den Kleinen fand.

Deshalb hatte ich Kurzdienst angemeldet, sodass ich nur drei bis vier Stunden auf den Einsatzwagen eingesetzt wurde. Das hieß aber auch in den frühen Morgenstunden oder am Nachmittag zu den Berufsverkehrszeiten zu arbeiten, zwar kürzere Arbeitszeit, aber weniger Lohn.

Gott sei Dank war Rene ein pflegeleichtes Baby. Er schlief fast nur, sodass er nur gewickelt und gefüttert werden musste. Im Frühdienst, gegen 4 Uhr nachts, machte ich den Kleinen fertig und legte ihn ins Bettchen zurück. Er schlief immer umgehend wieder ein, so dass ich beruhigt zur Arbeit gehen konnte. Meine Schwiegermutter versorgte ihn dann später, dazu hatte sie sich bereit erklärt. Zum Glück wohnten wir im gleichen Haus, sodass der Ablauf am Vormittag ganz gut geregelt war. Aber eine Vollbetreuung hatte sie konsequent abgelehnt. Zur gleichen Zeit mussten Ramona und Robert zur Schule.

Im Spätdienst sollte Robert den Jungen versorgen wenn er von der Schule nach Hause kam. Aber auch darauf nahm mein Mann keine Rücksicht. Wenn er Lust zu saufen hatte, blieb er einfach weg. Zum Glück passte meine Schwiegermutter auf, denn sie kannte ja ihren Sohn und auch die Zeiten wann Rene versorgt werden musste. Und wenn Robert nicht rechtzeitig nach Hause kam, fütterte sie den Säugling.

Streit war in solchen Fällen natürlich vorprogrammiert!

Aber meine Ermahnungen und Vorhaltungen prallten an Robert ab.

Auf mein Argument: „Ohne deine Mutter müsste unser Sohn hungern, bis ich von der Arbeit zurück bin. Gott sei dank kümmert sie sich um den Kleinen.“ erwiderte mein Mann gelassen: „Und? Kann sie doch, ist doch ihr Enkel! Außerdem hat sie eh nix anderes zu tun“.

Er war nicht bereit seinen Lebensstil zu verändern oder auch nur einzuschränken.

Dass ich schon nach kurzer Zeit unserer erneuten Ehe diesen Schritt wieder bereute, überhörte meine Mutter nicht stur. Vermutlich war sie froh, dass die räumliche Einschränkung durch Ramona und mich, wieder vorbei war. Das war zwar verständlich, aber obwohl für mich die Enge der elterlichen Wohnung am unbequemsten gewesen war, hatte mein Leben zu der Zeit mehr Vorteile als Nachteile gehabt. Wehmütig dachte ich oft daran zurück. Aber durch das zweite Kind erübrigte sich jeglicher Änderungs-Traum zurück.

 

Auch die Stimmung am Arbeitsplatz war irgendwie anders, nicht mehr die gleiche Kameradschaft. Vieles hatte sich in meiner Dreimonatigen Abwesenheit verändert. Es gab sehr viele neue Fahrer und die neuen lenkten die Einsatzwagen. Also sah ich die alten Kollegen immer nur kurz bei Dienstbeginn oder Ende.

Auch die Fahrer auf dem Nachhauseweg, waren mir fast fremd, weil die Omnibusse- Linien nur Einmann-Linien waren, damit hatten wir Obus-Schaffner kaum Kontakt.

Aber die gedrückte Stimmung kam hauptsächlich von einem Gerücht; es hieß, auch die Hauptlinien sollten auf Einmann-Betrieb umgestellt werden. Das hieße, die Schaffner wären dann überflüssig. Entlassung, war das drohende Unheils-Gerücht, das über den städtischen Verkehrsbetrieben schwebte.

Egal mit wem ich darüber redete, ob Kollegen, oder innerhalb meiner Familie, keiner glaubte daran. Die einhellige Meinung war, dass die 2 Hauptstrecken zu starken Publikumsandrang hatten um von einer Einzelperson bedient werden zu können.

„Bei den vielen Fahrgästen, kassieren und fahren? Und dabei noch den Fahrplan einzuhalten? Unmöglich!“ War die einheitliche Ansicht.

Ich hatte so meine Zweifel, denn wozu waren die vielen neuen Fahrer eingestellt worden? Ein unruhiges Gefühl blieb.

Die Entwicklung im häuslichen Bereich schob die Sorge um die berufliche Unsicherheit beiseite, als gleichzeitig die langersehnte Vergrößerung unserer Wohnung nahe rückte, und die Meisterschule zu Ende ging.

Robert bekam die Prüfungs-Termine und die Italiener kündigten ihren Auszug an. Beides bedeutete endlich aufatmen zu können, aber leider auch wieder zusätzliche Ausgaben, die wir gar nicht finanzieren konnten.

Wieder einmal nahm Robert es auf die leichte Art: „Ist doch kein Problem. Kann meine Mutter uns leihen. Bald verdiene ich ja wieder, und als Meister sowieso besser, dann kriegt sie es zurück. Frag sie mal.“ Schob er mir den schwarzen Peter zu.

„Warum ich? Frag du sie doch. Ist doch deine Mutter!“ lehnte ich ab.

„Was soll der Blödsinn? Du weißt doch ganz genau, dass sie mir nichts leiht ohne deine Zustimmung. Kannst du sie doch direkt selbst fragen. Also mach schon. Wir brauchen ungefähr Tausend Mark für die Renovierung und Fünfhundert Prüfungsgebühren. Klär das mal zügig!“ War Roberts Argument, dem ich nichts entgegenzusetzen hatte.

Vermutlich hatte meine Schwiegermutter schon mit meiner Bitte gerechnet, denn sie war gar nicht erstaunt, verlangte aber, dass mein Mann dem Gespräch ebenfalls beiwohnen sollte. Sie lud uns zum Abendessen am Sonntag ein, um dabei alles in Ruhe zu besprechen.

„Ich will nicht lange drum herum reden, es geht um Onkel Karls Geld. Ich muss die Sache gerichtlich durchboxen und dazu brauche ich familiären Rückhalt, auch eure Unterstützung. Ich habe einen guten Anwalt beauftragt, und schließlich kostet das eine beträchtliche Summe, Anwalts- und Gerichtskosten. Es kann lange dauern und kostet auch Nerven. Deshalb möchte ich sicher sein, dass ihr hinter mir steht. Das hat natürlich nichts mit dem Geliehenen zu tun, dazu kennt ihr ja meinen Standpunkt. Ich helfe euch natürlich, das können wir ja später verrechnen.“

Zwar wusste ich dass sie immer noch mit Onkel Karls Witwe im Streit lag, aber mir war nicht wirklich klar was meine Schwiegermutter mit verrechnen meinte, denn ich sah keinen Zusammenhang zwischen ihrer Erbschaftsklage und uns. Aber ich nickte genauso wie mein Mann auch. Nur eines war uns wichtig, unserer Renovierung stand nur noch der Auszug der italienischen Mieter im Wege.

Als die beiden anderen Zimmer endlich frei waren, waren wir doch entsetzt wie verwohnt die Räume waren.

„Schöne Scheiße, ausgerechnet jetzt, mitten in der Prüfungs-Phase! So viel Arbeit! Wie soll ich das denn machen?“, stöhnte mein Mann.

Genervt knurrte ich: „Stell dich doch nicht so an, ist doch ein Kinderspiel für dich. Wozu bist du denn Maler, und jetzt auch noch Meister? Das darf für dich doch kein Auftrag sein, die zwei Zimmerchen.“

Es wurde eine langwierige Sache. Robert musste seine Meisterarbeit fertigen und auch noch die kaufmännische Prüfung bewältigen, da blieb nur ab und an abends ein Stündchen Zeit für unsere Wohnung. Auch wenn ich noch so gerne endlich die hinzugekommenen Räume benutzt hätte, ich durfte nicht ungeduldig werden.

Wir lebten vier Wochen im Chaos, aber ich schwieg selbst zu Roberts Maulerei über meinen unmöglichen Tapeten-Geschmack. Das schöne Tapetenmuster sei so schwierig zu kleben, weil es genau auf Muster gestoßen werden musste. Ich müsse ihm immer unnötige Arbeit machen, eine einfache Strukturtapete oder Raufaser wäre ausreichend gewesen, schimpfte mein Mann.

Ich stellte mich taub, ignorierte es einfach.

Als die Räume endlich fertig waren, besorgte mein Schwiegervater die komplette Möblierung, die wir noch benötigten. Zumindest damit hatten wir zum Glück kein Finanzierungs-Problem, denn in seinem Job als Verwalter der englischen Kaserne, hatte er Zugriff auf ein riesiges Möbellager. Zwar waren die Sachen gebraucht, aber er konnte das Beste aus dem Lager aussuchen. Als wir fertig eingerichtet waren, hatten wir endlich eine Kochküche mit Esszimmer, Wohnzimmer und Schlafzimmer, sogar ein Kinderzimmer. Obwohl die Toilette und das Bad außerhalb der Wohnung waren und als Gemeinschaftsräume benutzt werden mussten, waren wir dennoch mit unserer großen Wohnung total zufrieden.

Roberts Prüfung war allerdings nicht so gut gelaufen, er musste den kaufmännischen Teil noch einmal wiederholen. Dort hatte er eine glatte Fünf erhalten, die er nicht ausgleichen konnte, weil er den praktischen Teil auch eben nur mit einer Vier bestanden hatte.

„Ach du Scheisse, und jetzt? Wofür warst du denn ein halbes Jahr auf der teuren Schule? Was hast du denn da gemacht? Hast du da nicht aufgepasst?“ fehlte mir jedes Verständnis.

„Davon kannst du ja wohl nicht mitreden. Du hast doch gar keine Ahnung was ein Meisterlehrgang bedeutet. Dumme Kuh!“ reagierte mein Mann aufgebracht. „Du hast ja nicht mal einen Beruf gelernt. Also quatsch nicht so dusselig daher! Buchhaltung liegt mir einfach nicht, tja, so ein trockenes Thema, kann nicht jeder verstehen. Aber ich kann ja diesen Prüfungsteil wiederholen. Also muss ich mir jemand für Nachhilfe suchen“, entschied Robert.

Robert fand eine Nachhilfelehrerin für Buchhaltung. Und wieder Kosten, mit denen wir nicht gerechnet hatten, und die wir uns gar nicht leisten konnten.

„Aber das muss nun mal sein. Ich brauche die Nachhilfestunden. Dir geht es immer nur ums Geld.“ Hatte Robert kein Verständnis für meine Sorgen.

Schon ein paar Tage später hatte mein Mann plötzlich die Lösung dieses Problems parat.

„Die Mami gibt uns noch mal Nachschlag. Du brauchst die Nachhilfe-Stunden also nicht aus der Haushaltskasse zu bezahlen!“ verkündete Robert stolz.

„Aha“, konnte ich mich nur wundern, denn normalerweise lieh seine Mutter meinem Mann kein Geld ohne mich zu fragen. War das neuerdings eine Frage wofür er Geld leihen wollte?

Weil ich keinen Streit provozieren wollte fragte ich nicht nach.

Als wir erfuhren, dass Roberts nächster Prüfungstermin erst nach Ablauf von sechs Monaten sein würde, wollte ich wissen, wann er bei seinem ehemaligen Chef anfangen werde.

„Was? Ich kann doch nicht bei einem anderen Meister als Geselle arbeiten. Da mach ich mich ja lächerlich“! empörte er sich.

Verwundert fragte ich: „Was willst du dann tun? Blau machen? Du musst Geld verdienen! Mit meinem kleinen Verdienst kommen wir doch nicht aus, und deine Unterstützung vom Arbeitsamt ist jetzt ausgelaufen. Wir brauchen deinen Lohn!“

„Ja, ja, keine Bange, ich werde schon arbeiten. Aber nicht als Maler. Ich werde Taxi fahren! Ich muss nur den Taxi-Schein machen. Kümmere ich mich schon drum! Keine Sorge.“ Er nahm es wieder einmal leicht.

Doch Robert musste auch dabei eine Niederlage hinnehmen.

Wütend berichtete er von dem Ergebnis seiner Anfrage bei dem zuständigen Ordnungsamt.

„Die Penner beim Ordnungsamt sind total bescheuert. Stell dir nur mal vor, die wollen mir den Taxischein nicht geben, weil ich mal die Fleppe weg hatte. Wer wegen Alkohol am Steuer vorbelastet sei, wäre nicht zuverlässig genug um ohne Aufsicht Personen zu befördern, haben die gesagt. So ein Dünnschiss!“

„Ach, das ist ja blöd. Aber du hast ja Gott sei Dank einen Beruf. Dann wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben, frag doch mal bei deinem ehemaligen Chef. Der weiß ja wie du arbeitest!“ Das sah ich als die beste Lösung an.

Robert schüttelte energisch den Kopf, sagte abweisend: „Nee, ganz sicher nicht. Da frag ich zuletzt! Denn ich kriege ja die Personenbeförderung, aber nur für Mietwagen, nicht für Taxen. Dauert nur ein paar Tage, ich muss erst zum Amtsarzt. Dann fahre ich bei Taxi- Schwerte in der Nachtschicht. Die haben ja auch genug Mietwagen. Hab schon mit dem alten Schwerte gesprochen.“

Ich verstand den Unterschied nicht, Mietwagen oder Taxi war für mich ein und das gleiche, deshalb fragte ich: „Verdienst du bei Mietwagen weniger, oder wo ist der Unterschied?“

Robert lachte mich aus: „Quatsch! Dummkopf! Die Kunden bezahlen doch auch den gleichen Fahrpreis. Warum sollte denn der Fahrer weniger verdienen? Du bist aber auch zu blöd!“

„Woher soll ich das denn wissen, damit hab ich doch noch nie was zu tun gehabt!“ maulte ich beleidigt.

Robert belehrte mich großzügig mit nachsichtigem Ton: „Der Unterschied ist nur, Mietwagen dürfen nur von der Zentrale aus fahren und nicht von den Taxi-Halteplätzen aus.“

„Wie? Wo soll denn da ein Unterschied sein? Ist doch egal.“

Die Differenz konnte ich nicht nachvollziehen.

Ungeduldig sagte mein Mann: „Mensch Rutchen, wen und wohin die Taxen vom Halteplatz aus fahren, kann die Zentrale doch nicht kontrollieren, aber die Mietwagen werden von der Zentrale zu dem Kunden geschickt. Wenn der Kunde anruft und einen Wagen bestellt, fragt die Zentrale wohin die Fahrt gehen soll. Das ist die Kontrolle. Aber ein fremder Kunde der am Taxistand einsteigt sagt das Ziel dem Fahrer, und der kann der Zentrale über Funk erzählen was er will. Hast du es jetzt kapiert?“

„Ja, okay, aber warum soll der Taxifahrer denn über Funk was Falsches sagen? Das macht doch keinen Sinn. Nee, da blick ich nicht durch“, wunderte ich mich über Roberts Erklärung.

„Ach, musst du eigentlich auch nicht verstehen. Nur so viel, als Mietwagenfahrer kann ich nix schmu machen, das ist der beschissene Unterschied“, knurrte mein Mann missmutig.

Obwohl ich das System noch immer nicht verstand, verzichtete ich auf weiteres Nachhaken. Schließlich brauchte ich ja nicht zu wissen, wie die Fahrer schmu machen konnten. Für mich war das ein anderes Wort für klauen, und darüber musste ich nicht aufgeklärt werden, ich war keine Diebin.

Neue Probleme

Obwohl wir nun Räumlichkeiten genug hatten, klappte unser Zusammenleben mehr schlecht als recht.

Unsere unterschiedlichen Arbeitszeiten, Ramonas Schulstunden und dann der Säugling stellten unsere Geduld schon manches Mal auf eine harte Probe. Mein Spätdienst war kein Problem, aber die Frühschicht.

Da Robert nachts in 12 Stunden-Schicht arbeitete, ich im Frühdienst zur Arbeit musste, wenn mein Mann noch nicht zu Hause war, hatten wir ein Problem mit Ramona. Sie musste gerade dann zur Schule, wenn Robert Feierabend machte. Aber mein Mann kam immer viel zu spät nach Hause. Zwangsläufig verbummelte Ramona dann den Schulbeginn.

„Robert, so geht das nicht. Du musst etwas früher nach Hause kommen, damit du darauf achten kannst, dass Ramona pünktlich zur Schule kommt. Wenn keiner von uns zu Hause ist, bummelt die und kommt zu spät. Also beeil dich mal ein bisschen“, forderte ich nach ein paar Wochen Chaos.

„Spinnst du?“ fragte Robert ärgerlich. „Wie soll ich das machen? Ich muss so lange auf der Karre bleiben, bis meine Ablösung da ist! Was soll ich machen wenn der Kerl immer Verspätung hat?“

Sauer widersprach ich: „Dann musst du mit dem Schwerte sprechen, dass es nicht geht, wenn du bis sieben Uhr Dienst hast, dass deine Ablösung ständig zu spät kommt. Du hast ein Kind um das du dich kümmern musst. Dann musst du das Auto einfach an der Zentrale stehen lassen, damit du pünktlich Feierabend hast!“

 

Genervt schimpfe mein Mann: „Der Alte zeigt mir an den Kopf! Wer soll denn die Stunde bis zur Ablösung fahren? Und außerdem, wie soll ich hier hin kommen, zu Fuß? Nee, das kannste Mal vergessen. Frag meine Mutter, die kann sich auch um Ramona kümmern. Die geht doch eh morgens hier rauf und sieht nach dem Kleinen. Ist doch ein aufwaschen. Ich kann doch nicht den altbewährten Arbeits-Rhythmus in der Firma Schwerte verändern, nee!“

„Immer ich wenn es dir unangenehm ist? Nee! Ich bin nicht alleine für unsere Kinder verantwortlich. Solange ich noch mitarbeiten muss, ist es deine Aufgabe genauso. Also frag sie selbst!“ lehnte ich energisch ab.

Tatsächlich hatte meine Schwiegermutter sich sofort bereit erklärt, die Aufsicht zu übernehmen, dass Ramona rechtzeitig zur Schule kam.

Obwohl mir ihre schnelle Zustimmung ein wenig suspekt war, fragte ich nicht nach dem Grund. Ich war einfach froh das Problem behoben zu wissen.

Gerade hatte ich geglaubt aufatmen zu können, als es offiziell erklärt wurde: die Obus-Linien würden auf Einmann-Betrieb umgestellt werden. Die Umstellung sollte bis zum Ende des Jahres durchgeführt sein.

Das hieß also arbeitslos? Nein, das musste nicht sein, denn der Arbeitgeber wollte den überwiegend weiblichen Schaffnern Alternativen bieten. Man war dabei Arbeits-Angebote zu schaffen.

In der Verwaltung, der Kantine oder in der Halle.

„Oh nein, nicht mit mir, das kenne ich!“ posaunte ich ablehnend in die Welt hinaus. „Noch einmal Autobusse putzen muss ich nicht haben, mir hat diese Scheiß-Arbeit während der Schwangerschaft gereicht! Lieber kündige ich!“

Wohlwollende Kollegen rieten mir abzuwarten, meinten, einen so sicheren Arbeitsplatz freiwillig aufzugeben, sei leichtsinnig. Andere wiederum waren der Meinung, dass die Kurzdienstler und die Neulinge unter uns Schaffnern keine Chance auf einen Ersatz-Arbeitsplatz hätten. Die Gerüchteküche vermischte sich mit Vermutungen. Die ehemals schöne Arbeitsatmosphäre war endgültig kaputt.

Auch im häuslichen Bereich gab es nur Ärger und Aufregung. Meine Schwiegermutter kämpfte um Onkel Karls Ersparnisse, die sie seiner Witwe nicht überlassen wollte und versuchte die alte Hexe aus dem Haus zu ekeln. Der Verblichene hatte auf Drängen meiner Schwiegermutter, ihr zwar das Haus schon vor seiner erneuten Eheschließung, überschrieben, weil das im Gemeinschafts-Testament mit seiner ersten Frau so geregelt war. Aber er hatte seiner Zukünftigen ebenfalls vorher schnell noch lebenslanges Wohnrecht vermacht. Vermutlich um seiner rabiaten Nichte ein Schnippchen zu schlagen, die ihm zusätzlich noch Zehntausend Mark abgeknöpft hatte. Dafür hatte sie ihm allerdings unterschrieben, dass sie keine weiteren Ansprüche mehr erheben werde. Doch damit wollte sich die Schlaue nach seinem Tod nicht abfinden. Sie hatte einen gewitzten Anwalt gefunden, der die Meinung vertrat, die Erbin habe nur auf die Hinterlassenschaft ihrer Tante verzichtet, aber nicht auf das Erbe ihres Onkels, weil über dessen Ersparnisse nicht gesprochen wurde. Also zog man vor Gericht.

Außerdem verlangte meine Schwiegermutter die Räumung der großen Erdgeschoß-Wohnung.

Denn das Wohnrecht der Witwe war zwar nicht anfechtbar, aber weder die Anzahl der Räume war festgelegt worden, noch hatte der gute Onkel an die Mietfreiheit gedacht. Deshalb war meine Schwiegermutter großzügig bereit, der Witwe eine kleine Wohnung im ersten Stock gegen dementsprechende Miete zur Verfügung zu stellen.

Es war ein harter Krieg der Hinterbliebenen, der auch negativ auf die allgemeine familiäre Stimmung schlug.

Ob es der Ärger, beziehungsweise der Nervenstress um das Erbe des Onkels war, warum und woher auch immer, meine Schwiegermutter wurde krank. Und somit fiel ihre Hilfe erst einmal aus.

„Und was machen wir jetzt? Im Spätdienst diese Woche ist es kein Problem, aber wie soll das nächste Woche gehen, wenn ich Frühschicht habe? Dann musst du pünktlich Feierabend machen, damit du die Kinder versorgen kannst, Robert!“ Für mich war das eine Selbstverständlichkeit, da gab es keine Diskussion.

Ausnahmsweise sah mein Mann das nicht anders, sondern versprach: „Tja, geht wohl nicht anders. Ich spreche morgen mit dem alten Schwerte. Ist ja sicher nicht von langer Dauer!“

Ein paar Tage sah alles gut aus, bis vor dem ersten Frühdienst.

Ausgerechnet der Samstag war der Beginn meiner Frühschicht-Woche, und der Freitagabend davor Roberts Kegelabend.

Als ob ich es geahnt hätte, hatte ich schon den ganzen Abend ein unruhiges Gefühl, denn ich hatte ihn noch gemahnt: „Robert, denk bitte daran, dass du dich morgen früh um die Kinder kümmern musst. Morgen fängt mein Frühdienst an. Trink also bitte nicht so viel und komm bitte nicht so spät nach Hause.“

Ich hatte ganz unruhig geschlafen und wurde mehrmals wach, bis es dann Zeit war aufzustehen. Vier Uhr früh.

„Oh nein, das darf doch nicht wahr sein“, stöhnte ich entsetzt, denn der Platz im Bett, neben mir, war leer. Ich war wie gerädert, erhob mich mühsam und ahnte schon was auf mich zukam.

Sorgsam nahm ich den Kleinen aus seinem Bettchen, verließ leise das Kinderzimmer und machte Rene in der Küche fertig. Beim füttern und wickeln hoffte ich immer noch, dass mein Mann endlich nach Hause käme, aber mit jeder Minute die verstrich, sank diese Hoffnung.

Als ich den Kleinen wieder ins Bettchen brachte, fragte Ramona halb schlafend: „Mama, gehst du jetzt arbeiten? Muss ich schon aufstehen?“

„Nein, nein, Mona schlaf weiter. Du musst heute nicht zur Schule gehen. Ich glaube, ich bleibe heute auch zu Hause.“

Die Erkenntnis kam indem ich es aussprach. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich gar nicht weggehen konnte. Selbst wenn Robert nun käme, wäre er sicher so betrunken, dass er sich gar nicht um die Kinder kümmern konnte. Er fiele sicher ins Bett und in einen langen Tiefschlaf.

Ich überlegte was ich machen sollte, wieder zurück ins Bett gehen? Schlafen konnte ich sowieso nicht, so sauer wie ich war, war ich hellwach. Außerdem war es sicher besser, dem Betrunkenen aus dem Weg zu gehen, bevor er noch auf unpassende Gelüste kam. Was bei einer Ablehnung meinerseits passieren konnte hatte ich vor Jahren schon erlebt. Auf eine Wiederholung, eines solchen Dramas, konnte ich gut verzichten.

„Darf ich zu dir ins Bett kommen, Mausi? Rück mal ein Stück.“ Kam mir der rettende Gedanke. Ja, wenn er mich nicht sah, würde er sich sicher sofort schlafen legen. Ramona hob im Halbschlaf die Decke hoch und machte mir Platz.

Ich war irgendwann wieder eingeschlafen, als ich die Wohnungstür laut zufallen hörte. Dann Gerumpel und Gepumpel in der Küche, und nach kurzer Zeit Stille. Mittlerweile war es sieben Uhr in der Frühe, mein Mann war endlich zu Hause und mein Dienst wäre auch schon fast zu Ende, wenn ich hätte arbeiten können.

Anstatt Einsicht oder gar einer Entschuldigung jammerte mein Mann nur über Kopfschmerzen und kotzte sich fast die Seele aus dem Leib. Verzweifelt suchte er nach einem Schmerzmittel das gleichzeitig gegen den Brechreiz half. Dann verschwand er wieder im Schlafzimmer und pflegte seinen Kater. Mir lag jegliches Mitleid fern, so wütend war ich über sein verantwortungsloses Verhalten.

Irgendwann am späten Nachmittag fragte er nach einer Suppe, der Salzhaushalt musste aufgefüllt werden.

„Ich habe keine Suppe. Hilf dir selbst. Mach dir nen Bouillon. Vielleicht hilft das!“ lehnte ich ab, etwas für ihn zu tun.

„Ja, ja, ich weiß, du bist sauer. Aber du siehst doch wie schlecht es mir geht, ist das nicht Strafe genug? Hast du gar kein Mitleid? Dann liebst du mich nicht!“ Jammerte er.

„Mitleid? Das ist ja wohl zu viel verlangt! Musst du nicht so viel saufen, und deinen Verpflichtungen nachkommen, wie es sich für einen Familienvater gehört. Wegen deiner Sauferei konnte ich nicht arbeiten gehen, weil ich die Kinder nicht alleine lassen kann!“

„Immer nur deine Kinder! An mich denkst du gar nicht. Ich bin unwichtig“, knurrte er.

Wütend fuhr ich hoch: „Meine Kinder? Schämst du dich nicht? Es sind auch deine Kinder, mein Lieber. Was bist du denn für ein Vater? Wenn ich das alles gewusst hätte…“

„Was dann, he?“, fiel Robert mir ins Wort. „Dann hättest du mich nicht wieder geheiratet? Oder was? Sei doch froh, dass ich dich wieder genommen habe. Mit dem Anderen hat es ja nicht geklappt. Der hat dich doch nur verarscht, der wollte dich doch nur poppen. Ist doch auch klar, wenn du dich mit nem verheirateten Kerl einlässt, so blöd kannst auch nur du sein.“

Ich antwortete nicht, deshalb verzog er sich wieder ins Schlafzimmer.

Später, nachdem die Kinder im Bett waren, setzte sich mein Mann zu mir auf die Couch und machte auf reumütig.

„Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe, aber ist ja nun nicht mehr zu ändern. Sei nicht mehr böse. Kommt nicht wieder vor, das verspreche ich dir“, versuchte er die Schmeicheltour.

„Ach Robert. Es geht doch nicht darum ob ich böse bin oder nicht. Wie soll das gehen, wenn ich Frühschicht habe? Meinst du mir macht die Arbeit Spaß? Nee, sicher nicht, schon lange nicht mehr. Aber wir brauchen doch das Geld. Und ich kann nicht häufig fehlen, schon gar nicht im Frühdienst. Dann schmeißen die mich irgendwann raus. Dass es an der Versorgung der Kinder liegt ist denen egal, und das glauben die auch nicht, weil ich vor dem Kind schon Probleme mit dem Frühdienst hatte. Solange deine Mutter noch nicht wieder die Kinder versorgen kann, muss ich mich auf dich verlassen können. Sonst kann ich direkt selbst hinschmeißen und kündigen“, versuchte ich meinem Mann den Ernst der Lage zu erklären.

Statt zu antworten, begann er an mir fummeln, wollte Sex.

„Nee Robert, das ist jetzt nicht dein Ernst? Wir haben hier ein lebenswichtiges Thema und du denkst ans poppen? Nee, du, da hab ich aber gar keine Meinung von. Lass mich in Ruhe, ich muss eh gleich schlafen, muss früh raus“! schimpfte ich verärgert und stieß ihn weg.

Es wurde ein kurzer, ungemütlicher Abend.

Schon drei Tage später kam die nächste unangenehme Überraschung.

Ein Taxifahrer, der Kollege von Robert, der meinen Mann zur Arbeit abholte, kam zu uns hoch und verlangte sein Geld.

„Welches Geld?“ fragte ich verdutzt.

„Ach das hatte ich mir am Freitag von ihm geliehen!“ murmelte Robert peinlich berührt.

„Wie viel?“ war mein einziges Interesse.

„Hundertzwanzig“, nuschelte mein Mann kleinlaut.

Das verschlug mir die Sprache. Ich war total geschockt, denn ich hatte weder mit einer solch hohen Summe gerechnet, noch hatte ich die zur Verfügung. Weil Robert verschämt schwieg ergriff ich das Wort. Sagte wahrheitsgemäß: „Tja, so viel Geld haben wir gar nicht hier. Wie können wir das denn jetzt regeln?“

Der Mann schien damit gerechnet zu haben, ahnte vermutlich dass er mich mit einer unbekannten Tatsache konfrontiert hatte, und zeigte Verständnis: „Verstehe. Ja, dann müssen Sie es in Raten bezahlen. Wie viel haben Sie denn jetzt, Frau Woods?“