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Was zum Teufel…?!

Er setzte sich ruckartig auf und stellte fest, dass er seine Bettdecke mit den Füßen weggestrampelt hatte.

Fort Stockton in Texas gab es tatsächlich, er hatte dort auf einer seiner früheren Touren einmal eine Panne gehabt; sein rechter Hinterreifen war geplatzt und ein freundlicher Polizist hatte ihm dabei geholfen, das Reserverad zu montieren.

Aber was hatte das mit ihm und seiner derzeitigen Lage zu tun? Es fiel ihm nicht ein. Wahrscheinlich funkte sein überfordertes Gehirn auf allen verfügbaren Kanälen irgendwelches wirre Zeug, und dieser Traum war nur ein Ausdruck davon.

Zwei Stunden später duschte er, machte Kaffee, suchte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und verließ sein Zimmer. Es war nichts von irgendwelchen Verfolgern zu sehen. Welche Gestalt würden sie haben, wenn sie ihn holen kamen? Wieviel Macht besaßen sie, wenn sie in Deutschland zwei Menschen ermordeten und danach cool genug blieben, ihn einfach weiter zu verfolgen und seine Wohnung zu verwüsten, anstatt schleunigst das Weite zu suchen?

Und dann, als er den Wagen anließ, um rückwärts aus seiner Parklücke zu stoßen, kam es wieder.

Fort Stockton!

Er war kein großer Traumdeuter, aber er wusste, dass Träume häufig einen Bezug zur Realität hatten; oft waren sie verschlüsselt und geheimnisvoll, gelegentlich aber auch klar und leicht zu verstehen.

Er hatte sich entschlossen, noch eine Zeitlang auf der I-95 in Richtung Norden zu bleiben, um vorläufig noch keine weiterreichenden Entscheidungen treffen zu müssen. Er war acht Stunden vor Washington, D.C., zwölfeinhalb vor New York City. Er hatte in beiden Städten nichts verloren, er hatte nur in Frankfurt am Main etwas zu erledigen, aber das sollte ihm vorläufig verwehrt bleiben. Vielleicht sogar für eine sehr lange Zeit, für drei Jahre, oder dreißig, oder so.

Fort Stockton!!??

Verdammt!

7 Bei Lubumbashi, Demokratische Republik Kongo

Adrian Livingstone Kalemba hatte genauso lange einen guten Tag, bis er erfuhr, dass in Deutschland etwas schiefgelaufen war, etwas, das seine Pläne durchkreuzen konnte, wenn nicht schnell Abhilfe gefunden wurde.

Die Bankanleihen (mühevoll und in Raten in Sambia und Südafrika gegen Edelsteine aus seiner eigenen Mine eingetauscht) und das Bargeld, seine gesamten flüssigen Mittel, hatte er aufgebraucht, um die erste Rate von zehn Prozent für eine große Waffenlieferung bezahlen zu können; Waffen, die eine immense Bedeutung hatten für seinen revolutionären Kampf gegen die korrupten Banditen in der Hauptstadt Kinshasa.

Und dieses Geld sollte jetzt einfach weg sein, gestohlen von einem Mann, der nichts mit dem ganzen Geschäft zu tun hatte? Er war beinahe überzeugt davon, dass ihn seine Geschäftspartner betrogen, auch wenn der Vermittler in Wien, der ihn vor einer Stunde angerufen hatte, beteuerte, dass alles seinen geplanten Gang gehe und man den Flüchtigen bald genug schnappen werde. Es sei nur eine Frage von Stunden oder Tagen.

Adrian würde es erst glauben, wenn er es sah. Diese Leute konnten einfach mit seinem schönen Geld verschwinden, und er konnte nichts dagegen tun, außer wieder von vorn zu beginnen.

Adrian war in der dünn besiedelten, ehemaligen Provinz Katanga, etwa einen Tagesmarsch entfernt von dessen Hauptstadt Lubumbashi, geboren und aufgewachsen - allerdings nur so lange, bis es in der Region wieder wie so oft zu exzessiver Gewalt gekommen war und seine Familie fliehen musste.

Bis dahin hatte er eine Missionsschule besucht, die von belgischen Dominikanermönchen unterhalten wurde, Männer des Glaubens und des Wortes, die das Weite suchten, als in der Region wieder Tag für Tag und Nacht für Nacht geschossen wurde. Ihr Leben war ihnen wichtiger als ihre Mission, und das konnte er heute verstehen, auch wenn er damals zutiefst enttäuscht gewesen war.

Die begonnene Ausbildung sollte ihn dazu befähigen, dass er in Kinshasa studieren und es dort zu etwas bringen konnte, und dass er damit auch der Familie (und dem ganzen Dorf) helfen würde, ihrer bitteren Armut zu entkommen. Mit der Abreise der Mönche und der anschließenden Flucht seines Clans war dieses Thema erledigt, und er hatte in der Anfangszeit oft des Nachts deshalb geweint.

Die Jahre vergingen, und er war ein mürrischer, gegen seine Geschwister oft aufbrausender Junge geworden, der sich in ihrer kleinen Gemeinde nicht zurecht fand und der von großen Taten träumte, die er eines Tages vollbringen wollte.

Mit Kleinigkeiten hielt er sich dabei nicht lange auf, und je älter er wurde, desto kühner waren auch seine Pläne.

Und da er anders als seine Geschwister nie am Fluss Wasser holte oder auf dem mühsam gerodeten Acker half, der sie ernährte, wurde es bald sehr einsam um ihn; denn wer wollte schon seine Prahlereien hören, mit denen er ankündigte, dass er einmal Präsident (oder sogar König) der Demokratischen Republik Kongo sein werde, und er jeden umbringen wollte, der sich ihm in den Weg stellte. Sie widersprachen ihm nicht sehr lange, weil er schnell jähzornig wurde, aber hinter seinem Rücken nannten sie ihn einen Spinner, von dem man sich am besten fernhielt. Er wiederum wusste, dass sie ihn so nannten, aber es war ihm egal.

Als er siebzehn war, hatte er schon bei dem ein oder anderen regionalen Scharmützel mitgekämpft; es wurde im Osten Kongos fast immer um Diamantminen und seltene Metalle gerungen; wer gewann, kontrollierte sie und konnte sie ausbeuten; er war meistens auf der Seite derer, denen er die besten Siegeschancen gab, auch wenn ihn sein Instinkt dabei gelegentlich im Stich ließ und er dem falschen Warlord hinterher lief.

Eine seiner falschen Entscheidungen hatte dazu geführt, dass er heute nur noch einen Arm besaß, weil ihm ein ruandischer Hutu den anderen mit einer Machete blitzsauber über dem Ellbogen abgetrennt hatte.

Dieses neue Handicap war eine schwere Prüfung für ihn gewesen. Er konnte - amputiert, wie er nunmehr war - in sein Dorf zurückkehren, um sich vor den Leuten zu blamieren, die ihn schon früher verspottet hatten. Dort wäre er als Mann wertlos, aber sie würden ihn zumindest leben lassen.

Eine Frau zu heiraten konnte er als Krüppel kaum erwarten, soweit reichte das Mitgefühl des Stammes nicht; wer nicht für eine Familie aufkommen konnte, der sollte auch keine gründen. Der Kodex des Stammes ließ dabei weder Spielraum noch Ausnahmen zu.

Weil er nicht kämpfen konnte, lernte er zu beschaffen und zu verhandeln. Mal auf dieser, mal auf der anderen Seite stehend erwarb er trotz seines finsteren (und oft genug bösartigen) Wesens binnen weniger Jahre das Wissen, das es brauchte, um Konflikte mit oder ohne Blutvergießen zu lösen. Es war diese Fähigkeit, die ihn dazu befähigen würde, die hunderte von Völkern des Kongo, mit hunderten von Sprachen und Idiomen, unter einer Fahne zu vereinen.

Verhandeln, drohen, erpressen, und nur wenn nötig kämpfen; was vor ein paar Jahren mit einem kleinen Trupp von vierzig Gefolgsleuten begonnen hatte, stand jetzt in voller Blüte: Auf sein Kommando hörten sechzigtausend Mann, und bald sollten sie allesamt bewaffnet sein (wenn diese weißen Bastarde ihr Wort hielten).

Die Dinge begannen jetzt, Gestalt anzunehmen. Kalemba hatte schon vor Monaten den größten Teil seiner Männer nach Westen geschickt, immer in überschaubaren Kontingenten von jeweils kaum mehr als hundertfünfzig Mann, was eine optimale Größe für einen Guerillatrupp war. Eine solche Anzahl an Männern würde nicht den Argwohn des Präsidenten oder dessen Militärs erregen, sie konnten unter dem Radar des Feindes agieren.

Aber hunderte solcher kleinen Einheiten, klug geführt, ergaben eine Militärmacht, die Kabila und seiner Familie den Garaus machen konnte. Hielten die weißen Verbrecher ihren Teil des Handels ein, dann wäre Kalemba das, was er vor vielen Jahren behauptet hatte einmal zu werden.

Davor aber waren gewaltige militärische, wirtschaftliche und logistische Hürden zu überwinden gewesen. Allein das Ausheben der Depots für seine neuen Waffen war eine enorme Leistung. Des Weiteren musste er zweitausend Mann seiner Streitmacht für den Schutz seiner Mine bereitstellen, zweitausend weitere waren nötig, um die Gardeeinheiten Kabilas zu beschäftigen, fünfzehntausend Mann, die im nahen Lubumbashi stationiert waren. Seine Männer sollten diese Truppen über Monate hinweg mit Scheinangriffen oder durch Beschuss aus großer Entfernung ablenken von dem, was er am anderen Ende des Landes zu tun plante. Es war nicht weniger als der Griff nach der alleinigen Herrschaft über dieses riesige Land.

Kapitel 3

1 Aspen, Colorado

Sie verließen den Raum Denver, tankten ein paar Meilen vor Aspen noch einmal voll und ließen sich vom Kassierer den Weg zur Lodge erklären, weil Google Maps das Anwesen offenbar nicht kannte.

„Fünf Meilen raus aus der Stadt, immer nach Westen, dann kommen Sie an eine kleine Kreuzung. Dort steht ein großer geschmackloser Grizzlybär aus Plastik am Straßenrand, den Sie nicht übersehen können. Biegen sie dort nach rechts auf eine schmale Straße ab, die nur im unteren Teil asphaltiert ist. Sie endet genau vor Ihrem Ziel. Vorbeifahren können Sie nicht, denn dahinter kommt nichts mehr.“

Der Mann kannte sich aus, aber sie wussten es noch ein wenig besser; es gab sehr wohl einen befahrbaren Weg hinter dem Haus, auf dem sie entkommen konnten, wenn es darauf ankam. Eine Sackgasse wäre auch ein absolutes No go für sie gewesen.

 

Sie bedankten sich für die Auskunft, bezahlten und fuhren los. Eine gute Stunde noch, hatte der Kassierer geschätzt, und sie hofften, dass er damit Recht behielt.

Sie fuhren durch Aspen und sahen nichts, was Häuserpreise von über anderthalb Millionen Dollar selbst für die kleinste Hütte rechtfertigte; allein das Wissen um verlässlichen Schnee und ein paar äußerst mondäne Unterkünfte ließen einen spüren, dass der Ort anders war als andere. Sie machten, dass sie schnell wieder hinauskamen. „Im Winter sah das ganz anders aus“, sagte Lisa, wie um sich zu entschuldigen.

Die Abzweigung zu ihrem vorübergehenden Domizil fand sich genau dort, wo der Mann sie beschrieben hatte; und auch der tatsächlich grässliche Bär stand dort, wo er stehen sollte.

Auf dem Weg nach oben hofften sie, dass ihnen niemand entgegen kam; es gab auf einer Strecke von einer Meile keine Möglichkeit, auszuweichen oder zu wenden. Eines der beiden Fahrzeuge würde die ganze Strecke rückwärtsfahren müssen, was sich für den verletzten Cord, der sich kaum umdrehen konnte, wie eine drohende Apokalypse anhörte. Er konnte überhaupt nur fahren, weil er selten schalten musste.

Aber der Kelch ging an ihnen vorbei, und als das Gelände offener und das Sträßchen etwas breiter wurde, atmeten sie auf. Sie konnten jetzt, durch das letzte Stück lichten Kiefernwaldes hindurch, das Kräuseln von weißem Rauch sehen. Der Hausverwalter hatte anscheinend den offenen Kamin für sie angefeuert. Sie fühlten sich schlagartig wieder munter, als sie auf der Einfahrt direkt vor der Haustür anhielten.

Der Hausverwalter, Mr. Denver aus Aspen, begrüßte sie mit kräftigem Handschlag und führte sie durchs Haus. Rechts fand sich eine Art Arbeitszimmer, die Wände waren voller Bücherregale. Der Besitzer des Anwesens war entweder eine Leseratte oder ein Angeber. Links vom Eingang betrat man das gewaltige (und überwältigende) Wohnzimmer. Es besaß Natursteinwände, die bis auf Kopfhöhe mit Holz ausgekleidet waren. Cord schätzte die Höhe des Raumes auf sechs bis sieben Meter, ihn im Winter zu beheizen musste ganze Wälder an Brennholz verschlingen. Er sprach es an und Denver erklärte ihm, dass niemand dies tue. Es gab eine hochmoderne Gasheizung für jedes Zimmer des Hauses, der Kamin war nur für das romantische Ambiente des Hauses gebaut worden, kaum jemand hatte ihn je länger als für einen Abend benutzt.

Es hatte bereits zu Dunkeln begonnen, als sie ihren Rundgang beendet hatten. Sie waren begeistert, allerdings hatte Cord auch deutlich gemacht, dass man für diesen Preis durchaus auch etwas erwarten durfte. Das ginge ihn nichts an, sagte Mr. Denver, und das stimmte wohl auch.

Weit unten im Tal wurden nach und nach die Lichter eingeschaltet, während Lisa und Cord Hand in Hand an der riesigen Panoramascheibe standen und zusahen, wie der Hausverwalter seinen weißen Pickup bestieg und mit einem defekten Rücklicht hinunter in die Stadt fuhr.

„Das mit dem Sheriff gefällt mir gar nicht“, sagte Lisa nach einer Weile. „Und wenn die uns schon im Computer haben und suchen?“

Cord wusste auch keine Antwort. Mr. Denver aus Aspen hatte ihnen ganz zum Schluss eine Giftpille verabreicht, ohne es zu wissen. „Seien Sie nicht überrascht, wenn in den nächsten ein-zwei Tagen der Sheriff hier oben erscheint. Das macht er immer so; er will wissen, wer in sein Revier eindringt. Machen Sie sich nichts daraus - wer nichts zu verbergen hat, muss sich auch nicht vor ihm fürchten. Er ist lästig, aber ein ziemlich fauler Sack. Der sagt Hallo und lässt sich einen Kaffee anbieten; und er schwafelt gern ein wenig über die Jagd in diesen Bergen, verschwindet dann aber schnell wieder.“

Das war ein Tiefschlag, den sie erst einmal verdauen mussten. „Wenn ich es richtig verstanden habe, werden wir bisher von irgendeiner Bande von Waffenschiebern verfolgt.“

„Oder von ein paar Leuten, die innerhalb eines Geheimdienstes auf eigene Faust operieren.“

„Und vielleicht von den Handlangern dieser beiden Politiker in Washington.“

„Wer auch immer sie sind, sie sollten allesamt kein Interesse daran haben, dass wir der Polizei in die Hände fallen – ganz im Gegenteil“, sagte Lisa, und traf damit ins Schwarze. Wenn ihre Verfolger daran interessiert waren, dass sie beide ihr Wissen nirgends verbreiten konnten, dann müsste man sie schleunigst vor der Polizei schützen, oder aber sie wirksam am Reden hindern.

So far, so bad.

„Hast du Hunger?“

„Ja, jetzt, wo du es sagst.“

„Ich mache uns Steaks mit Folienkartoffeln, okay?“

„Du bist ein Engel, ich werde mich in den nächsten Tagen revanchieren. Mehr als Fleisch und Kartoffeln kann ich allerdings auch nicht.“

Er lachte und blickte weiter durch das riesige Fenster des Wohnzimmers. Draußen verschwand gerade das letzte Tageslicht, Aspen war jetzt ein – wenn auch kleines - Lichtermeer, welches die über der Stadt hängende Wolkendecke in Orange färbte. Ein großer Vogel flog zweimal am Fenster vorbei, aber er konnte nicht erkennen, was für eine Art Vogel es war. Es war ihm auch egal, er spürte jetzt wieder die große Müdigkeit der letzten Tage zurückkehren, die nur vorhin einmal kurz vergessen war, als sie hier oben ankamen.

„Zwanzig Minuten noch, Honey!“ Sein Magen knurrte jetzt laut und vernehmbar. Sie hatten seit gestern Abend in Chugwater fast nichts mehr gegessen.

Eine Viertelstunde darauf trug Lisa zuerst einen kalifornischen Rotwein und kurz darauf das Abendessen auf, zwei gewaltige Porterhousesteaks mit Kartoffeln und einem ganzen Sortiment an Saucen und Gewürzen.

Nach dem Essen machten sie eine Runde ums Haus und beschäftigten sich mit dem Alarmsystem, an dem der Besitzer nicht gespart hatte. Da waren Infrarot-Fallen, die schon über einhundert Meter vom Haus entfernt die Straße bewachten und Alarm schlagen würden, wenn etwas Großes zwischen ihnen hindurch in Richtung Haus wollte, also ein Auto, ein Mensch, aber auch ein Bär oder ein Wapiti-Hirsch. Die Anlage fotografierte den Eindringling, sandte das Bild an einen Computer im Haus, der blitzartig entschied, ob die Störung einen Alarm rechtfertigte oder nicht.

Dasselbe geschah hinter dem Haus, wo der kleine, gerade noch befahrbare Weg direkt in einen dichten Kiefernwald führte und wo der Alarm in nur zwanzig Meter Entfernung ausgelöst wurde.

Aber wie auch immer, wenn ein solcher Alarm einmal ausgelöst wurde, verbarrikadierte sich das komplette Haus binnen Sekunden selbst, und Eindringlinge würden es nicht schaffen, durch eine Tür oder ein Fenster hineinzukommen, bis die Polizei von Aspen hier oben ankam. Alle Türen besaßen mit Holz kaschierte Metallrahmen, ebenso die Fenster, deren Spezialglas selbst einem großkalibrigen Gewehr für eine kurze Zeit widerstand.

Sie aßen mit Heißhunger, ließen nichts auf den Tellern zurück, und der Wein war ebenfalls bald geleert.

„Heute kein Geschirrspülen mehr“, sagte Lisa.

„Und kein Sex“, antwortete Cord. Sie lachten.

Das Holz im Kamin war heruntergebrannt, sie löschten das Licht im Wohnzimmer und gingen nach oben, wo die Schlafzimmer lagen. Cord nahm sein Antibiotikum und Lisa wechselte wieder seinen improvisierten Verband.

2 Washington, D.C.

Sie verfolgten den Wagen per GPS und unterrichteten ihren Arbeitgeber jede halbe Stunde über den Weg, den der Deutsche nahm.

Das klappte bis etwa zweiundzwanzig Uhr, weil sie das „Mäuschen“ geschmiert hatten. Ihre Pechsträhne begann jedoch, als die Frau, der die Nachtschicht oblag, sich rundweg weigerte, einen Kunden an irgendwelche Fremden zu verraten, und schon gar nicht, wenn man sie mit Geld zu ködern versuchte.

Nicht mit mir, ihr Gauner!

Sie würden also während der Nachtstunden blind sein, während das Objekt ihrer Nachstellungen in aller Ruhe hinfahren konnte, wohin es wollte (und sich dabei den Finger in den Po stecken durfte, wenn ihm danach war, wie einer von ihnen es ausdrückte).

Gegen zweiundzwanzig Uhr riefen sie zum letzten Mal ihren Boss an und klagten ihr Leid.

„Habt ihr es nicht mit den FBI-Ausweisen versucht?“

„Doch, Chef, haben wir. Aber als diese Furie damit drohte, tatsächlich beim FBI anzurufen und sich nach unserer Identität zu erkundigen, haben wir den Schwanz eingezogen und uns verdrückt. Dieses Weib schaute sich die Dinger eine Sekunde lang an und sagte, die könne sie auf ihrem Computer zuhause besser hinkriegen.“

Es blieb einen Moment lang still am anderen Ende der Leitung, bevor ihr Boss ihnen sagte, sie sollten nach Hause fahren und die ganze Sache vergessen; ab morgen früh würden andere Mitarbeiter den Job übernehmen.

Was er nicht sagte war, dass er zwei oder drei junge Leute kannte, typische Nerds, die sich einen Spaß daraus machen würden, den Server von Hertz zu entern und den Zugriff auf alle Fahrzeuge zu erlangen, die zurzeit vermietet waren und deren Standort der Flughafen von Miami war.

Er verhandelte eine Zeitlang mit dem einen und dem anderen dieser komischen Vögel und musste hinnehmen, dass das Eindringen wohl ein wenig schwerer und zeitaufwendiger war als früher, weil fast jede kleine Klitsche ihren mehr oder weniger banalen Krempel in der Cloud aufbewahrte. Vierzehn Stunden, bot der eine an, der andere auch nicht viel weniger. Das lief also auf den nächsten Tag gegen Mittag heraus, was ihm überhaupt nicht gefiel; wenn man jemanden verfolgte, waren vierzehn Stunden etwa dreizehn zu viel.

Als die Hacker ihr nächtliches Werk begannen, war Cord Hennings noch auf dem Weg nach Savannah, und wenn er am nächsten Morgen weiterfuhr, dann würde er noch gute zwei Stunden Vorsprung haben; allerdings konnten sie ihn dann wieder als Lichtpunkt auf einer elektronischen Landkarte sehen und darüber mutmaßen, was er als Nächstes tun würde.

Je weiter der Detektiv nach Nordosten fuhr, auf Washington, Philadelphia oder New York City zu, desto verminter würde das Gelände für ihn werden. In diesem Teil des Landes hatten sie buchstäblich hunderte von ergebenen Mitarbeitern, und alle taten ihren Job kritiklos und mit großer Begeisterung für die Ziele der „Besorgten Patrioten“.

*

Die Fahrt verlief ereignislos, sah man von einem Stau bei Richmond, Virginia, ab, in dessen Ende er beinahe mit hohem Tempo gefahren war, weil er neben dem Fahren mit dem Rand McNally Straßenatlas auf dem Schoß nach einer Idee suchte, wohin er sich in seiner Not wenden konnte. Aber er hatte gute Reflexe und konnte den drohenden Unfall mit einem harten Bremsmanöver verhindern. Den Atlas hatte er gestern Abend an einer Tankstelle in Florida gekauft, zuhause in Frankfurt hatte er ein halbes Dutzend davon, weil er Jahr für Jahr aktualisiert wurde.

Nach achtstündiger Fahrt war er nur noch eine gute Autostunde von Washington, D.C., entfernt und beschloss, dort für heute zu rasten. Er verließ den Highway, suchte und fand eine Tankstelle mit WLAN, tankte und versuchte, eine Unterkunft zu finden. Es wimmelte in diesem Bezirk nur so von Motels und Hotels, und als er schließlich eines ausgewählt hatte und mitten im Buchungsvorgang steckte, sah er aus dem Augenwinkel, wie eine graue Limousine langsam auf den Parkplatz vor der Tankstelle rollte. Niemand stieg aus, und man konnte nicht ins Innere des Wagens sehen, weil die Scheiben verspiegelt waren. Cord war aufs Höchste alarmiert.

Da waren sie, wer immer sie auch waren!

Nach einer unendlich langen (mindestens zwei Minuten währenden) Zeitspanne stieg der Beifahrer aus, schlenderte zum Kassenraum und ließ Cord dabei nicht aus den Augen. Er trug ein halb geöffnetes Jackett und nur ein Blinder hätte übersehen können, dass sich darunter eine Waffe befand.

Der Gejagte rannte die wenigen Schritte zu seinem Wagen, warf sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an. Er schätzte, dass er etwa dreißig Sekunden Vorsprung hatte, wenn die beiden Gangster hinter ihm die Autobahn erreichten. Das war ungefähr gar nichts, um es präziser zu formulieren.

Cord fädelte in den Strom von Fahrzeugen ein, die in Richtung der Hauptstadt unterwegs waren. Der Verkehr wurde jetzt von Minute zu Minute dichter, und er hoffte, in ihm unsichtbar zu bleiben, bis ihm eine Idee kam, wie er sich retten konnte. Wie hatten sie ihn so schnell finden können?

Fort Stockton!

Jetzt hatte er endlich verstanden. Sie konnten seinen Mietwagen per GPS orten.

Als er seinerzeit fünfzig Meilen westlich von Fort Stockton seinen zerfetzten Reifen austauschen musste, hatte er nur ein kleines Ersatzrad im Kofferraum gehabt, das keine langen Strecken aushalten würde. Deshalb bog er von der I-10 ab und fuhr in die Stadt, um einen neuen Reifen zu kaufen und ihn an Ort und Stelle montieren zu lassen.

 

Weil er nicht wusste, wie er sich im Fall einer Panne zu verhalten hatte, rief er bei Hertz an und meldete den Schaden. Er sagte, wo er war, aber die Frau im Call-Center antwortete lapidar: „Wir wissen, wo Sie sind. Einen Reifenhändler finden Sie dreihundert Meter hinter dem Walmart auf der rechten Straßenseite.“

Das war vor sieben oder acht Jahren gewesen. Er fand es merkwürdig, aber nach kurzer Zeit hatte er es wieder vergessen. Das war der Traum von letzter Nacht! Er konnte jederzeit geortet werden, und die Autovermietung konnte sogar die Elektronik seines Fahrzeuges lahmlegen, wenn sie das wollte. Das war für säumige Kunden gedacht, die ihre Wagen nicht zurückbrachten, und für Leute, die versuchten, nach Mexiko zu fahren, obwohl dies laut Mietvertrag strikt verboten war.

Er sah die Limousine jetzt etwa zweihundert Meter hinter sich, die beiden Männer - er glaubte völlig grundlos, dass es nur zwei Männer waren – machten keine Anstalten, zu ihm aufzuschließen.

Wollten sie ihm folgen, bis sein Tank leer war? Da konnten sie lange warten, denn er hatte gerade getankt und konnte deshalb noch mehr als vierhundert Meilen fahren, wenn es nötig war.

Wollten sie abwarten, um zu herauszufinden, wohin er wollte? Ebenso unnütz – er hatte selbst keine Ahnung; das hatte zumindest den Vorteil, dass sie ihm keinen Hinterhalt legen konnten. Sie mussten hinter ihm bleiben, um ihn nicht zu verlieren.

In anderthalb Stunden würde es dunkel werden. Dann konnten sie ihm vielleicht während der Fahrt ein paar Kugeln verpassen oder ihn von der Straße drängen, was aber beides höchst unsichere Methoden waren, wenn man jemanden töten wollte.

Es konnte auch sein, dass sie ihn lebend haben wollten. Er hatte schließlich immer noch ihr vermeintliches Hab und Gut in Gestalt eines Koffers, eines Laptops und einer Menge Wissen über ihre Machenschaften. Sie konnten sich nie ganz sicher sein, ob er sich in irgendeiner Art und Weise abgesichert hatte. Dazu wären nur ein paar verschickte E-Mails nötig gewesen, eine Sache von wenigen Augenblicken.

Er reduzierte sein Tempo, als er die Ausfahrt Arlington passierte und nahm sich vor, bei der nächsten Möglichkeit auszuscheren, ohne dass sie ihm würden folgen können.

Er bummelte ein wenig und sah, dass sie aufholten. Er wurde noch langsamer, denn er wollte sie direkt an seiner Stoßstange haben. Sie taten ihm den Gefallen, er hatte sie nun genau hinter sich.

Als die nächste Ausfahrt in Sicht kam, scherte er nach links aus und drückte das Gaspedal voll durch; er überholte einen Lastwagen, setzte sich direkt vor ihn und war für Sekunden dem Blick seiner Verfolger entzogen. Diese paar Sekunden nutzte er, um die Autobahn zu verlassen – sie sahen ihn zu spät und verpassten die Abfahrt.

Geschafft!

Aber nicht für lange Zeit, schließlich konnten sie - vermutlich in Echtzeit - verfolgen, wo er war und in welche Richtung er fuhr. Er gab sich zwanzig bis dreißig Minuten Vorsprung, dann hätten sie ihn wieder, und sie würden nicht zweimal auf denselben Trick hereinfallen.

Er musste den Wagen loswerden, so schnell es ging. Planlos fuhr er weiter, überquerte den Potomac und sah von weitem das Jefferson Memorial: Er war im inneren Kreis der amerikanischen Politik gelandet. Hier wurden die mitunter giftigen Cocktails für den Rest der Welt zusammengebraut.

*

Am Dupont-Circle hatte er seine Verfolger schon wieder hinter sich. Wie zum Henker hatten sie das so schnell geschafft?

Er durchfuhr den Kreisverkehr dreimal und verließ ihn dann (in welche Richtung, wusste er nicht, denn die Beschilderung der Straßen war spärlich und er kannte die Stadt nicht gut).

Dann ein Geistesblitz!

Er riss das Lenkrad herum und fuhr in eine Einbahnstraße, die nur eine Fahrspur besaß; sie konnten ihm folgen, würden ihn aber nicht überholen oder stoppen können. Kurz vor dem Ende des schmalen Sträßchens bremste er abrupt, zog den Zündschlüssel ab und stürzte zu seinem Kofferraum, um seine wenigen Habseligkeiten an sich zu nehmen. Seine Verfolger, die mit quietschenden Bremsen nur knapp hinter ihm zum Stehen kamen, waren machtlos. Schießen konnten sie nicht, dazu gab es auf dem Bürgersteig zu viele Zeugen. Weiterfahren konnten sie auch nicht, dazu stand ihnen Cords Wagen im Weg, und dieser rannte in Fahrtrichtung davon, auf einen auch um diese Zeit noch belebten Platz zu, wo er in der Menge unsichtbar werden würde, wie es ihm schon einmal vor zwei oder drei Tagen in Frankfurt gelungen war.

Sie konnten ihn nicht zu Fuß verfolgen, weil zumindest einer von ihnen beim Wagen bleiben musste, um ihn notfalls rückwärts aus dieser Straße hinaus zu manövrieren, bevor die Polizei erschien; noch war das möglich, aber bald würden ihnen weitere Fahrzeug folgen, die sie endgültig einschlossen.

Fluchend gaben sie auf, und es sollte für einige Tage so sein, dass sie ihn verloren hatten. Sie hatten sich komplett auf das Fahrzeug des Deutschen fokussiert, und nicht einmal daran gedacht, dass dieser sich von dem Mietwagen trennen konnte, wo und wann immer er wollte. Er wusste spätestens seit einer Stunde, dass er mit dieser Karre keine Chance auf Entkommen hatte, und er tat das einzig Richtige, als er sie einfach stehen ließ.

Cord Hennings lief so lange, bis ihm die Luft ausging. Da hinter ihm niemand zu sein schien, wartete er, bis sein Atem sich beruhigt hatte; den nutzlos gewordenen Wagenschlüssel warf er in eine offene Mülltonne, um für maximales Chaos zu sorgen. Man würde das Fahrzeug abschleppen müssen, wenn man die Durchfahrt wieder freimachen wollte; und das würde eine Zeitlang dauern.

Er sah sich um, es gab eine ganze Reihe von Cafés und Restaurants, vor denen ein reges Treiben herrschte. Die Rush Hour war bereits vorüber, als er sich an einen freien Tisch setzte und einen Kaffee und ein Glas Wasser bestellte.

Auf seinem Smartphone sah er, dass er die ganze Zeit in Richtung Stadtzentrum gerannt war, dorthin, wo man mit Sicherheit keinen Autohändler fand.

Also raus hier, so schnell es geht!

Er suchte nach einem Bahnhof und fand stattdessen die Greyhound Bus Station, keine Meile von der Stelle entfernt, an der er sich befand. Nachdem er seine Getränke bezahlt hatte, marschierte los und erreichte den Busbahnhof eine Viertelstunde später. Dort schaute er sich die Destinationen und Abfahrtszeiten an und wählte den Bus nach Atlanta, Georgia, der um zweiundzwanzig Uhr abfahren sollte. Eine Stunde musste er noch absitzen, und er tat es mit wachsender Unruhe.

Atlanta kannte er bis heute nicht, er wusste, dass die Stadt den größten Flughafen der Welt besaß und die Heimat von CNN und Coca-Cola war, aber das war’s auch schon. Egal, er wollte dort nur ein Auto kaufen, um danach sofort wieder zu verschwinden.

Mit dem Ziel Atlanta bewegte er sich zwar beinahe in seinen eigenen Fußstapfen zurück in den Süden; er durfte aber hoffen, dass er seine Gegner dadurch für eine Weile beschäftigen würde.

War ihr Netzwerk groß und engmaschig genug dafür, einem Mann durch das ganze riesige Land zu folgen und ihn aufzuspüren? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sie bis hierher einen verdammt langen Arm besessen hatten; sie waren einfach in eine Autovermietung gestapft, hatten einen unechten Dienstausweis oder ein paar echte Geldscheine gezückt, und schon wussten sie auf den Meter genau, wo er sich zu jedem Zeitpunkt befand. Am Berliner Flughafen war es sicher ähnlich gewesen. Nur warum sie überhaupt auf Berlin gekommen waren, blieb ihm unerklärlich. Er hatte am Bahnhof niemanden gesehen, der ihm gefolgt war. Und doch musste jemand dort gewesen sein, der ihn observierte, bis er den ICE bestieg.

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