Slow Dancing In A Burning Room

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

5

Es war wahrscheinlich nicht die originellste Idee, nach London zu ziehen, um ein Album aufzunehmen, aber Toningenieur Sam McKay Kelly war in ihren Augen der Beste für den Job – und er war nunmal in England. Er hatte ihnen schon bei ihrem ersten Album den Weg gezeigt und die Band war sich bewusst, dass das hier ihr schwerstes Album werden würde – aber es konnte daher auch ihr bestes werden und deshalb brauchten sie den Besten.

Während Ian sich mit seiner Frau und Bobby und Barclay sich mit ihren Freundinnen in drei Studioapartments in der Nähe des Studios einmieteten, zogen Lafayette und Layla zum ersten Mal in die Wohnung, die sie sich erst zwei Monate zuvor gekauft hatten. Layla hatte darauf bestanden, da sie nicht gerne flog und so zumindest nicht ständig den Atlantik überqueren musste, wenn Lafayette auf Tour in Europa war. Es war die erste von vielen kleinen Gesten die Lafayette zu verstehen geben sollten, dass auch Layla sich irgendwie, irgendwo, irgendwann vorstellen konnte, ihm treu zu werden – so viele Witze sie auch jetzt noch darüber machte. Haydn hingegen zog ganz selbstverständlich in seine alte Wohnung und ging am ersten Abend die wenigen Schritte hinüber zu dem alten Speicher, dessen Wände voller Skizzen und Farbspritzer war. „Oh, look at what the cat dragged in“, sah Devon von ihrer Leinwand auf und musterte den jungen Mann der das Tor hinter sich schloss. „Good to see you too, White“, drehte er die Musik etwas leiser. „Was verschafft mir die Ehre?“, wischte sie ihre Hände in ihrem Mantel ab und ließ sich hochziehen. „Tut mir leid“, gab Haydn ihr einen sanften Kuss. „I’ve been alienating many people lately.“ „Eine Postkarte hier und da wäre nett gewesen”, sah sie auf ihr Werk hinunter und begann dann, ihre Pinsel einzusammeln. „Dafür kriegst du mich jetzt für eine ganze Weile“, reichte Haydn ihr ihre Palette. „Wir haben das Studio bis Mai.“ „Glory Days!“, steckte sie die Pinsel in eine Terpentinlösung und knöpfte ihren Mantel auf. „Is there any point in asking if you’re hungry?“ „Nein, nicht wirklich”, warf er einen flüchtigen Blick in den kleinen staubigen Spiegel über dem Waschbecken und rieb sich die Nase. „Okay“, zuckte sie die Schultern. „Dann werde ich nicht fragen.“ „Ha-ha. – You know you can always eat, I like watching you.“ „You are creepy.“

Obwohl es kein einfaches Album war und man zwischen den Aufnahmen Tourdaten abzuhaken hatte, verliefen die Aufnahmen überraschend gut. Abgesehen von dem einen oder anderen Streich, den sich jemand nicht verkneifen konnte. So war auf einer eigentlich abgeschlossenen Version des Titelsongs plötzlich Jodeln zu hören oder Ians Violine war plötzlich falsch herum bespannt. Haydn fand heraus, dass man seine Stimme einen ganzen Nachmittag durch den Verzerrer aufgenommen hatte und Bobbys Sticks waren mit Honig beschmiert. Irgendwie musste man ja verhindern, dass man alt wurde.

An den Abenden an denen sie früh genug nach Hause entlassen wurden, um nicht im Studio trinken zu müssen, trafen sie sich in diversen Bars und Restaurants und waren vielleicht ein bisschen zu laut, ein bisschen zu kanadisch, tranken ein bisschen zu viel und trällerten hin und wieder ein Lied. Auch wenn es London war, man konnte auch als Star hier in der Anonymität der unzähligen Pubs untertauchen und mit den anderen Betrunkenen am Gehsteig rauchen. Da sie alle in verschiedenen Richtungen wohnten, verließen sie die Trinkstätten zu verschiedenen Zeiten und erschienen am Morgen unterschiedlich aufgeweckt und hatten keine Ahnung, wie man das jeweilige Instrument zu halten hatte. Nicht, dass sich ein Profi wie Sam davon gestört fühlte. Es war ein Übel, aber ein Übel mit dem er zu arbeiten gelernt hatte.

Es war vielleicht auch das umstrittenste Album innerhalb der Band. Zu ernst, zu persönlich. Wollte Haydn wirklich mit solchen Texten an die Öffentlichkeit? Wusste er denn nicht, was ihm dann ins Haus stehen würde? Doch Haydn schüttelte alle Sorgen einfach ab. Er hatte sich bis jetzt auch immer über alle Verdächtigungen hinweg reden können. Aber natürlich würde er niemals laut zugeben, wie wichtig ihm dieses Album war. Es war eine Art Selbstverwirklichung, eine Art Selbstbefreiung. Doch noch konnte nicht einmal er wissen, dass die wirklich guten Texte noch nicht geschrieben worden waren und den ganzen Zeitplan durcheinander bringen würden.

Nichts desto Trotz waren sich alle einig, dass es ein fantastisches Album werden würde. Die Musik war intensiv und eine Herausforderung an die Band und die Fans und die Texte waren gut genug um in einem Seminar auf der Universität studiert und analysiert zu werden. „Ich hoffe ja nur, dass das unsere Fans nicht zu sehr vor den Kopf stößt“, äußerste Anthony dennoch jeden Tag aufs Neue seine Bedenken, wenn er den aufzunehmenden Song aus seiner Mappe zog und auf dem Mischpult ausbreitete. Er ließ es sich nicht nehmen, regelmäßig bei seinen Schützlingen vorbei zu schauen und ihren Aufnahmetag durcheinander zu bringen. Nicht, dass ihm das schwerfallen würde, Agents Provocateurs waren sicher alles andere als organisiert und er musste eigentlich eher einen Ablauf in die Vorgänge bringen als ihn zu stören.

Die fünf Jungs saßen meist auf dem Boden des Studios und rauchten, während sie über einem Arrangement brüteten. Auch wenn die Musik Haydns Hirngespinst war, durfte doch jeder mitspinnen und meistens entstanden die Akkordfolgen erst direkt auf diesem Boden, regelmäßig mit Zigarettenasche und Bierflecken unterschrieben. Wenn der Rauch zu dicht wurde, gingen sie dann nach draußen und kickten die Bierdosen über den Hof oder benutzen sie als Baseballbälle. Sams Cricketschläger war bestens dafür geeignet und Haydn bekam davon ein Cut auf der Unterlippe, Ian ein aufgeschrammtes Knie und Bobby renkte sich fast den Arm aus.

An manchen Tagen wurden sie auch wegen guter Führung entlassen und durften sich einen ganzen freien Tag in der Stadt herumtreiben. Oder schlafen – oder was Rockstars sonst noch so machten, wenn sie sich außerhalb des Business bewegten. Haydn liebte diese Tage an denen er in der National Gallery sitzen konnte und Waterhouses „Lady of Shalott“ so lange studieren konnte, bis die Aufseher skeptisch wurden; oder im St. James’ Park Tauben füttern und im Pavillon ein unsichtbares Orchester dirigieren; oder mit Devon in den Secondhandläden am Camden Market stöbern bis sie etwas gefunden hatten, das sie weder brauchten noch wollten, nur um es zu kaufen weil sie Mitleid damit hatten. Dasselbe hatten sie damals gemacht, als Haydn Devon das erste Mal dazu hatte überreden können, die Schule zu schwänzen und stattdessen den Zug nach London zu nehmen. Sie fanden diesen perfekten Laden, der sich auf die Fünfziger spezialisiert hatte und kleideten sich darin völlig neu ein. Alles war aufregend, spannend und sie wurden von der Atmosphäre der Stadt und ihrem eigenen Fantasiespiel gänzlich aufgesogen und natürlich versäumten sie ihre letzte Verbindung nach Hause. Aber anstatt so verzweifelt zu sein, wie man es von zwei Zwölfjährigen erwarten würde, die zum ersten Mal allein in einer großen Stadt waren die sie nicht kannten, taten sie das Nächstbeste: Sie spazierten die ganze Nacht über durch die Viertel und Parks – ganz wie im Film - und frühstückten bei Sonnenaufgang auf der Westminster Bridge – wo sie die Polizei fand und sofort zurück nach Liverpool transportierte.

6

„London sure is a dreary place around this time of year!“, zog Haydn an seinem Hemdkragen und schlang seinen Schal einmal elegant um den Hals. „Oh, you miserable sod“, hakte Devon sich fröhlich bei ihm unter. „London is simply the most devine place in the world – anytime of year.“ „My sentimental old friend“, wich Haydn einem Hund aus und Devon zwickte ihm in den Oberarm. Nicht, dass er durch ihre Handschuhe, seinen Mantel, das Jackett und das Hemd viel gespürt hätte. „You’re in love with Montréal.“ „Ja, aber dort wurde ich geboren.“ Sie lachte laut und Passanten, Touristen die keine Sekunde ihres Aufenthalts mit Schlafen versäumen wollten und eilige Büroangestellte drehten sich zu ihnen herum. Welche Gestalten wandelten durch London so früh am Morgen? Daraufhin reckte Devon das Kinn vor und setzte einen Blick auf, der Milliardärstochter sagte. Der falsche Pelzmantel, die Schuhe und die kurzen Fingerwellen halfen dabei ebenso wie die Tatsache, dass sie am Arm eines jungen Mannes in schwarzem Anzug, schwarzem Mantel, weißem Schal und schwarzem Hut hing. Heute Nacht waren es die Zwanziger gewesen. Sie hatten einen Jazzclub besucht und in einem Nachtclub einen Drink genommen und waren dann mit einem Taxi zum Ritz gefahren, wo sie sich Champagner aufs Zimmer bestellt hatten, sich in der Badewanne geliebt hatten und das Hotel wieder verlassen hatten, um auf der Tower Bridge den Sonnenaufgang zu beobachten. Nun waren sie auf dem Heimweg, übernächtigt und aufgedreht und Devon tanzte an Haydns Arm, obwohl ihre Füße in den etwas engen Schuhen entsetzlich schmerzten.

Am darauffolgenden Wochenende waren es die Siebziger. Toupiertes Haar, Schlaghosen, Rüschenhemden, Plateausohlen. Rollschuhlaufen mit Kopfhörern im Hydepark – in Ermangelung einer Rollerdisco und trotz des Wetters – und eine schrille Disco am Abend, danach in die Wohnung eines befreundeten Künstlers, wo sie im Lichte einer Lavalampe psychedelische Bilder malten und Haschischpfeifen rauchten.

Einige Tage später war es Hollywood im Savoy. Die guten alten Tage der Schauspielerlegenden, um genau zu sein. Herren waren in Smoking und Fliege, Damen in Abendkleid, Brillianten und Pelz. Die anwesende und in diesem Fall sogar geladene Presse liebte es. Glamour war gar kein Ausdruck. Haydn Cavendish zog an einer Zigarre, schob seinen Hut aus der Stirn und sprühte vor Charme. Devon an seinem Arm war eine Puppe aus Porzellan mit tiefroten Lippen unter den grünen Augen, in einem Kleid aus fließendem Gold und einer Pelzstola die nur knapp ihre aufreizende Rückenansicht verdeckte.

 

Der Champagner floss in Strömen, es spielte eine Bigband und um Mitternacht gab es eine private Vorführung von An Affair to Remember. Die Band saß auf einem Divan, umgeben von glitzernden Bewunderinnen, lachte, diskutierte und gestikulierte. Andere Berühmtheiten wechselten laufend die Plätze mit ihnen. Zeitungen nannten es eine eitle Parade der jungen Stars und Starlets. Haydn nannte es seine Geburtstagsparty.

Am Morgen, um 6:24 Uhr um genau zu sein, wurde er 28. Er stand im Bad seines Hotelzimmers, der Hut zu weit nach hinten gerutscht, die Fliege lose über dem aufgeknöpften Kragen, einen Lippenstiftabdruck auf der Wange und drehte eine kleine Dose in seiner Hand hin und her. Selbst hier oben hörte man das Gelächter und den Gesang der mittlerweile angetrunkenen Partygesellschaft die Zimmer im Hotel genommen hatte ohne daran zu denken sie aufzusuchen. Er musterte sein Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken. Sah er anders aus? Etwas war anders an seinem Gegenüber, aber er konnte bei Gott nicht sagen, was. „Joyeux anniversaire“, flüsterte er. Für die letzten zehn Jahre hatte er sich an jedem seiner Geburtstage fast besinnungslos getrunken und hatte dann eine Dose Schlaftabletten geschluckt. Nur um sie auszukotzen, bevor die Tabletten richtig wirken konnten. Er nahm den Deckel von der Dose und leerte den Inhalt in seine Hand. Diesmal war er nicht betrunken genug. Er zählte die Tabletten und sah dann wieder auf sein Spiegelbild. Es widersprach ihm nicht. Und plötzlich machte er auf dem Absatz kehrt und ging zur Toilette. Jede einzelne Tablette ließ er in die Muschel fallen, dann drückte er den Spülknopf. Er hatte vergessen einen Abschiedsbrief zu schreiben.

Should I Tell the Truth Or Something Beautiful?

7

„Rise and shine! Rise and shine!“ Edda tanzte zur Tür herein und riss die Vorhänge zur Seite. „Mmmmm“, drehte sich Linnea missmutig auf die andere Seite, um dem frühlingshaften Sonnenlicht zu entkommen, das durchs Fenster ins Zimmer schlich. „Linn, komm, auf mit dir!“ „Mmmm…“ „Linn, auf mit dir. Schluss mit dem Brüten. Die Sonne scheint, die Vögel singen…“ „Ich will nicht aufstehen!“, wehrte Linnea ab und zog die Decke über den Kopf. „Ich hab keinen Grund aufzustehen“, kam es dann darunter hervor und Edda seufzte. „Okay, jetzt ist es genug!“ versuchte sie ihr die Decke wegzuziehen, aber Linnea klammerte sich daran fest. „Linn, du bist kein kleines Kind mehr!“ „Ich wünschte ich wäre es.“ „Zu spät! Du bist erwachsen und du wirst bald für dein eigenes Kind Verantwortung übernehmen müssen.“ „Noch einen Tag“, stöhnte Linnea. „Ein Tag. Morgen steh ich auf und kehre in die Wirklichkeit zurück, aber heute will ich mich noch in meinem Schmerz vergraben.“ „Schön zu sehen, dass du deinen Sarkasmus nicht verloren hast“, schüttelte Edda den Kopf und nützte dann den Moment, um Linnea die Decke aus der Hand zu reißen. „Hey!“, setzte Linnea sich auf. „Komm in die Küche, ich mach dir ein schnelles Frühstück. Du hast seit Tagen nicht gegessen.“ Sie warf einen Blick auf das Tablett auf der Kommode, das nicht angerührt worden war. „Kein Hunger.“ „Okay!“, erhob Edda ihre Stimme. Etwas, das sie nur in Sonderfällen tat. Aber das hier war ein Sonderfall. Ihre Nichte machte sich lächerlich – und das in ihrem Alter. „Schluss jetzt! Du hattest einen Streit mit deiner Mutter. So was kommt vor! Aber du bist erwachsen und du hast Verantwortung zu übernehmen und nicht davon zu laufen!“ Sie ging zum Fenster und öffnete es, um die kühle frische Luft davor herein zu lassen. „Du hattest ein paar Tage um dich abzureagieren, jetzt ist es Zeit, dass du aus diesem stickigen Zimmer gehst und in die Wirklichkeit zurückkommst!“ Linnea stöhnte und wich vor der kalten Luft zurück, aber Edda hatte ihre Decke in Beschlag genommen. „Morgen!“ „Nein, heute! – Linn“, wurde Eddas Stimme wieder etwas sanfter und sie ging zu ihr und setzte sich auf die Bettkante. „Linn, ich verstehe ja, dass du etwas Abstand brauchst. Und glaub mir, nichts macht mich stolzer als die Tatsache, dass du hierher geflüchtet bist, aber bist du sicher, dass du und deine Mutter euch wirklich nicht versöhnen könnt?“ Linnea zog ihre Decke an sich und zuckte die Schultern. „Nein, ich glaube nicht.“ „Vielleicht möchtest du mir sagen, was genau passiert ist? Zu beichten kann oft sehr befreiend sein.“ „Oh nein, komm mir nicht mit dem ganzen Kirchenzeug“, hob Linnea die Hand und hievte sich aus dem Bett. „Ich will nichts davon hören, wie göttlich Vergebung ist oder wie ein Ave Maria mich von meinen Sünden befreit! Denn um ehrlich zu sein, will ich gar nicht davon befreit werden. Nicht davon, was ich zu meiner Mutter gesagt habe, denn ich habe jedes Wort ernst gemeint; und nicht davon, was den Streit ausgelöst hat, denn das meiste davon war es wert! Und ich kann dir auch nicht sagen, was alles passiert ist, denn erstens geht es dich nichts an, weil du nicht Teil des Ganzen bist und zweitens würdest du mich dafür vielleicht noch mehr verachten als Agneta es tut.“

Edda musterte ihre Nichte einen Moment, dann stand sie auf und nickte. „Komm jetzt mit nach unten und ich mach dir ein schönes Frühstück. Schluss mit Hungern, das schadet dem Baby.“ „Ich brauche zuerst eine Dusche.“ Edda lächelte. „Gut, geh unter die Dusche und ich mache dir einen schönen Kamillentee, Eier und Speck.“ „Tant Edda?“ „Ja?“ „Danke, dass du mich hier wohnen lässt.“ „Du bist Familie“, zuckte sie nur die Schultern und schloss die Tür hinter sich.

Linnea streckte sich vor dem Fenster und sog die frische Luft tief ein. Es tat gut und sie fühlte sich sofort etwas munterer. Dann schleppte sie sich über den Flur ins Bad. Mein Gott, sie sah so furchtbar aus, dass sie vor sich selbst erschrak. Mit steifen Gliedern stieg sie in die Dusche und seufzte tief. Das Wasser tat gut und sie spürte wie auch das Baby in ihr aufwachte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl zu spüren wie sich etwas in einem tatsächlich bewegte. „Guten Morgen, mein Schatz“, streichelte sie ihren Bauch und wusch sich dann das Shampoo aus den Haaren.

Erfrischt und gleich etwas besser gelaunt, ging sie schließlich in die Küche hinunter, in der Edda sie bereits erwartete. Jetzt siehst du gleich wieder viel besser aus.“ „Ich glaube, es geht mir auch ein kleines bisschen besser. Es ist ein Wunder was frische Unterwäsche bewirken kann.“ „Dein Frühstück steht auf dem Tisch. Möchtest du Orangensaft?“ „Gerne“, setzte Linnea sich und sah auf ihren Teller. Essen war doch etwas Großartiges.

„Ich habe mir gedacht, ich werde meine Einkäufe erledigen, solange die Kinder noch in der Schule sind“, kam Edda mit einer Gießkanne zurück in die Küche, wo Linnea sich gerade den letzten Bissen Toast in den Mund schob. „Dann geht es schneller. – Möchtest du mich begleiten?“ Aufzustehen, sich zu duschen und zu essen war eine Sache, aber war sie schon bereit, wieder nach draußen in die echte Welt zu gehen, nachdem sie so viele Tage in der Dämmerung von Eddas Gästezimmer verbracht hatte? „Ja, gern.“ „Sehr gut“, nickte Edda und stellte die Gießkanne in den Schrank unter der Spüle. „Dann geh jetzt nach oben und zieh dein Bett ab, damit ich das Bettzeug in die Waschmaschine stecken kann.“ Sie nahm Linnea ihren Teller ab, bevor diese protestieren konnte und Linnea stand auf. „Okay“, antwortete sie dann immer noch etwas zögerlich.

Sie fuhren zum nächsten großen Supermarkt und kauften so viel ein, dass es wohl für den nächsten Monat reichen würde. Linnea bot an, ihren Teil beizusteuern, aber Edda wollte nichts davon hören. „Du bist Familie und du bist Gast.“ „Aber ich weiß nicht, wie lange ich hier sein werde, ich möchte wirklich nicht…“ „Unsinn. Du kannst so lange bleiben wie du willst. Es ist nett jemanden zum Reden haben. Mit der Zeit wird es einsam, jeden Tag allein zu Hause zu sitzen, wenn Jasper in der Arbeit und die Kinder in der Schule sind.“ „Ich bestehe darauf, ein bisschen beizutragen…“ Doch Edda ließ sie gar nicht ausreden. „Du kannst mir im Haushalt helfen, das genügt. Du brauchst dein Geld für das Baby bis du einen neuen Job suchen kannst.“ Linnea schob den Einkaufswagen Richtung Kassen und nickte. „Das kann ich machen.“ Sie konnte ihr nicht sagen, dass sie mehr als genug Geld hatte, das hätte nur zu neuen Fragen geführt. „Gut“, lächelte Edda zufrieden. „Dann hätten wir das auch geklärt.“

Nach dem Mittagessen zog Linnea sich ihre Stiefel an und spazierte hinunter an den Strand, um den Wind ihren Kopf freiblasen zu lassen. Es war viel passiert in den letzten Wochen. Agneta und sie hatten es versucht. Nach allem was Linnea gestanden hatte, nach allem was Agneta ihr an den Kopf geworfen hatte. Aber selbst die Tatsache, dass Agneta sich zu Erik zurückzog beruhigte Linnea nicht. Wahrscheinlich war es wirklich an der Zeit gewesen. Eine dreißigjährige Frau sollte wirklich nicht mehr bei ihrer Mutter wohnen, egal wie sehr sie deren Unterstützung mit dem Baby brauchen würde. Aber wo sollte sie hin? Sie hatte an Kristina gedacht, aber die hatte nur eine Couch und ein eigenes Baby und würde zu viele Fragen stellen.

Sie ging eine Weile an der Brandung entlang, dann setzte sie sich auf einen Felsen und sah aufs Meer hinaus. So war es besser. Weit weg von Stockholm und allem was passiert war. Und sie war sowieso unglücklich gewesen in ihrem Job und hatte nicht mehr die Energie gehabt jeden Tag aufs Neue hinzugehen. Hier würde sie sich etwas Zeit nehmen können zu überlegen, was sie wirklich machen wollte. Wenn das Baby da war und sie wieder zur Arbeit würde gehen können. Oh mein Gott, sie konnte nicht glauben, wie nahe der Geburtstermin bereits gerückt war. Sie hatte noch so viel Zeit gehabt, jetzt lief die Uhr langsam ab. Und sie hatte Angst. Sie hatte Angst vor der Geburt und davor, ein Baby aufziehen zu müssen, ohne das Geringste darüber zu wissen. Sie hätte das nicht allein durchstehen sollen, so war es nicht geplant gewesen. Aber sie hatte Albin doch nicht noch ein zweites Mal anlügen können. Nicht auf Dauer. Es war von Anfang an nicht fair gewesen und hatte ja doch nie eine Zukunft gehabt, auch wenn sie versucht hatte, es sich einzureden. Haydn hätte über das Arrangement wahrscheinlich nicht mal mit der Wimper gezuckt, aber Albin hätte es niemals verstanden. Und er hätte Fragen gestellt. Hätte sie ihm wirklich sagen können, dass sie eine Affäre gehabt hatte, während er sich bemühte, sie zu heiraten? Würde sie je den Mut aufbringen, ihm auch das zu gestehen, was sie ihrer Mutter gestanden hatte? Nein, sie musste ihm ein zweites Mal das Herz brechen, damit er loslassen konnte und jemanden finden, der ihn zu schätzen wusste. Und sie war weit weg genug, um es ihnen beiden einfacher zu machen.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?