ABGRÜNDE

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Kapitel 2



Polizeihauptkommissar Gereon schlug ärgerlich mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Ich möchte mal gerne wissen, wann du endlich in die Gänge kommst? Vor fast zwei Stunden ist die Meldung eingegangen, dass am Fühlinger See ein Kanu kopfüber im Wasser treibt, aber weit und breit keine Menschenseele zu sehen ist. Kümmere dich endlich darum!“



Polizeihauptwachtmeisterin Julia Brück versuchte cool zu bleiben. Wenn Gereon einmal in Rage kam, dann ließ man ihn am besten reden. Außerdem schrieb sie gerade an einem Bericht, den sie lange vor sich hergeschoben hatte, und endlich zu Ende bringen wollte. Sie hasste Papierkram.



„Bin gleich fertig, Chef und dann fahre ich mit Klaus hinaus nach Fühlingen und checke die Lage.“



„ Schön - das ist ja auch dein Job! Wir können doch nicht seelenruhig zuschauen, wie Bürger aus unserer Stadt verschwinden. Kriminalrat Sengel und der neue Staatsanwalt machen mir die Hölle heiß. Wir müssen jeder verdammten Meldung nachgehen, auch wenn es sich nur um ein umgekipptes Boot handelt. Ansonsten steht morgen wieder im Express, die Polizei würde nichts unternehmen.“



„Das versteh ich doch, Chef. Wer hat denn den Unfall gemeldet?“



„Von Unfall habe ich kein Wort gesagt. Das ist reine Spekulation. Der Anrufer hat ausgesagt, er sei mit seiner Freundin am Fühlinger See spazieren gegangen und habe dabei das Boot gefunden. Das ist alles.“



Julia erhob sich von ihrem Platz. In ihren Händen hielt sie einen Computerausdruck, der gerade frisch aus dem Drucker gekommen war. Sie versuchte ihren Chef ein wenig aufzuheitern.



„Spazieren gegangen, Chef? Mit seiner Freundin? Wer hat denn heutzutage noch so viel Zeit? Naja, ich sehe mir den Vogel einmal aus nächster Nähe an. Scheiß Bereitschaftsdienst! Ich wäre jetzt lieber zuhause. Na ja, ist sicher nichts Wichtiges.“



„Nun red nicht so dummes Zeug, Julia! Mach, dass du endlich fort kommst. Kannst mir dann später erzählen, was es gegeben hat. Die Nacht ist noch jung.“



Sie schnappte sich ihre Lederjacke und verließ das Dienstzimmer. Draußen auf dem Flur atmete sie tief durch. Gereon konnte manchmal ein richtiges Ekelpaket sein. Vor allem, wenn er schlecht drauf war. Sie kannte ihn, seit sie von der Polizeischule gekommen war. Das waren noch Zeiten gewesen. Damals hatte sie sich nur ein winziges WG-Zimmer am Rande der Stadt leisten können, wo es nur sporadisch warmes Wasser und Strom gab. Dafür aber waren die Wände des beinahe schon baufälligen Gebäudes so dünn gewesen, dass sie jedes auffällige Wort ihrer Mitbewohner verstehen konnte. Am Tag waren es Streitigkeiten, die sie sich an den Kopf warfen und Nacht auf Nacht folgte das unaufhörliche Gestöhne aus ihrem Schlafzimmer, wenn sie sich wieder versöhnten. So hatte sie niemals enden wollen, war dann so oft sie konnte zum Blutspenden gegangen, um sich ein paar Cent extra zu verdienen. Eine finanzielle Verbesserung war erst eingetreten, als ihr der Job bei der Kölner Polizei angeboten wurde.



Sie ging die Treppe hinunter in den ersten Stock. Hier hatten die Kollegen ihren Arbeitsplatz. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Tür zum Zimmer Nummer 18 und musste prompt laut loslachen. Wachtmeister Klaus Behringer saß an seinem Schreibtisch und las Zeitung. Seine Füße lagen auf der Tischplatte, sein Stuhl wippte und neigte sich gefährlich nach hinten. Er trug verwaschene Jeans, ein zu großes Polohemd und ausgelatschte Turnschuhe. Sein verlebtes Gesicht benötigte dringend eine Restaurierung.



„Nix los bei dir?“ begrüßte sie ihn sarkastisch. Klaus blickte von seiner Zeitung auf und strahlte sie an.„Ach du bist das, Julia. Das kannst du wohl laut sagen. Ist fast schon ein bisschen wie bezahlter Urlaub hier. Ich komme sogar dazu, die Zeitung zu lesen.“



Klaus Behringer war erst vor einem Jahr als Quereinsteiger zur Polizei gekommen. Seitdem arbeitete er als Springer in den unterschiedlichen Dezernaten. Meistens wurde er dort eingesetzt, wo Not am Mann war, was in diesem Augenblick allerdings nicht der Fall zu sein schien.



„Schluss mit lustig, Klaus. Befehl vom obersten Häuptling. Ich soll dich mitnehmen nach Fühlingen. Es hat eine Meldung gegeben.“



Klaus blickte auf seine Armbanduhr. Es war bereits nach 22 Uhr.



„Um diese Zeit noch?“ fragte er. „ Ich meine, was soll denn da draußen los sein? Ja wenn wir Sommer hätten, dann wäre das natürlich etwas anderes, aber so...“



Julia zuckte mit den Achseln. „Seitdem sich die Vermisstenanzeigen gehäuft haben, ist Gereon ein wenig nervös geworden. Also, was soll`s, tun wir ihm den Gefallen und fahren mal kurz hinaus zum See. Ist wahrscheinlich sowieso nur falscher Alarm. Nimm deine Taschenlampe mit!“ Sie grinste und zog ihn am Ohrläppchen.



„Au“, sagte Klaus, blickte sie verstohlen an und nahm seine langen Beine von der Schreibtischplatte.




Sie verließen gemeinsam das Polizeigebäude und gingen auf den Hof, um sich eines der Dienstfahrzeuge zu nehmen, welches die Fahrbereitschaft den Beamten zur Verfügung stellte. Julia betrachtete das Lichtermeer von Köln, das scheinbar nirgendwo enden wollte. Sie mochte diese Stadt, das besonderes Flair und die Lebensfreude der Bewohner. Klaus bewegte sich auf einen blitzblank geputzten Passat zu. Dabei fasste er sich unbewusst an den Bauch. Zu wenig Bewegung und unregelmäßige Mahlzeiten hatten ihm ein chronisches Magenleiden beschert. Dazu rauchte er noch wie ein Schlot. Auch jetzt, während die Fernbedienung das Auto entriegelte, beschloss er, sich noch schnell eine Zigarette anzuzünden.



„Denk nicht mal dran, sagte Julia bestimmend, die ihren Kollegen in und auswendig kannte.



„Nur ein paar Züge, so viel Zeit muss sein. Ich muss ja hier draußen rauchen!“ Er griff zu seinem Feuerzeug. „Bei Euch in der Abteilung ist wohl mehr los, was?“ fragte er, um von dem Thema Rauchen abzulenken. Er zog an seiner Zigarette und blies den blauen Dunst genussvoll in den Himmel.



„Das kannst du wohl laut sagen“, erwiderte Julia, die auf sein Ablenkungsmanöver hereinfiel. „Zwei Frauen sind misshandelt und ausgebraubt worden und dazu kommt diese scheinbar endlose Liste vermisster Personen.“



„Und wer bearbeitet die Fälle?“



„Na wer wohl? Gereon höchst persönlich. Und er schwitzt Blut und Wasser, seit der neue Staatsanwalt im Amt ist. Der muss ein richtiger Stinkstiefel sein.“



„Ich habe bereits von ihm gehört“, erwiderte Klaus. Und sonst?“



„Bei Irene im Imbiss hat es gebrannt. Die kennst du doch sicher, oder nicht?“



„Meinst du die Alte von der Brutzelbude unten am Rheinufer?“



„Genau die!“



„Der hätte man schon viel früher die Bude abfackeln sollen, so wenig, wie die das Frittenfett gewechselt hat.“



„Aber Klaus...“



„Hoffentlich hat es keine Verletzte gegeben?“



„Nur Irenes Koch und der war sturzbetrunken. Hat wahrscheinlich auch den Brand verursacht. Gereon hat ihn in Schutzhaft genommen.“



„Schutzhaft?“



„Na klar, Irene hat gedroht ihn umzubringen.“



Beide amüsierten sich köstlich.



„Sonst noch etwas?“



„Nicht das ich wüsste. Fahren wir?“



Klaus warf seine Zigarette in einen Gulli, worauf Julia mahnend den Zeigefinger hob. Sie grinsten, stiegen in den Dienstwagen und fuhren hinaus nach Fühlingen.




Der See lag ruhig und dunkel vor ihnen, fernab des hektischen Nachtlebens der großen Stadt. Nur ab und zu tauchten die Scheinwerferlichter eines vorbeifahrenden Autos auf. Meist waren es Liebespärchen, die nach einem einsamen Plätzchen suchten. Klaus lenkte den Passat auf den Parkplatz bei der Regattabahn. Ein junger Mann stand vor einem aufgemotzten VW Polo und wedelte wild mit den Armen.



„Wurde auch langsam Zeit, dass Sie kommen“, begrüßte er die beiden Beamten. „Ist ja schon eine Ewigkeit her, seit ich bei Euch angerufen habe.“



„Immer schön mit der Ruhe, junger Mann. Am besten Sie zeigen uns einfach die Stelle und wir schauen uns ein bisschen um. Julia, bringst du bitte die Taschenlampe mit...“



Das Gelände zum Ufer des Sees hin war stockdunkel. Julia leuchtete den Pfad mit ihrer Taschenlampe aus, während der junge Mann unaufhörlich drauf los plapperte und von seinem Fund erzählte. Es dauerte keine zehn Minuten, da hatten sie das Ufer erreicht. Jemand hatte das Kanu an Land gezogen.



„Das war ich“, sagte der junge Mann voller Stolz. „Ich dachte bevor es abtreibt...“



Julia und Klaus untersuchten das Boot, konnten aber weder eine Beschädigung, noch sonst etwas Ungewöhnliches feststellen. Bis auf die Tatsache natürlich, dass es mit der Öffnung nach unten lag. Sie drehten es um und Julia leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Eine gähnende Leere schlug ihr entgegen.



„Falscher Alarm, das hab ich mir doch gleich gedacht“, sagte sie. „Das Kanu wird sich irgendwo losgerissen haben.“



„Mag sein, dass du recht hast Mädel, aber jetzt, wo wir schon einmal hier sind, komm leuchte mal das Ufer aus. Vielleicht finden wir noch etwas Anderes.“



Sie suchten eine Weile das Gelände direkt am Ufer ab, fanden aber außer leeren Bierflaschen und benutzten Kondomen nichts Verdächtiges.



„Lass uns die Aktion abbrechen“, sagte Klaus und machte sich daran den Pfad zu suchen, auf dem sie hergekommen waren.



„Okay, lass uns Schluss machen…nein warte Klaus, hier ist noch etwas.“



Der Schein der Lampe fiel auf einen verkohlten Baumstumpf, der ganz in Ufernähe stand und den jemand als Feuerstelle benutzt hatte. Daneben lagen: ein heller Mantel und eine Handtasche in passender Farbe. Die beiden Polizisten staunten nicht schlecht. Verdammt, was war das jetzt? Hatte sich vielleicht ein Liebespaar in die Büsche geschlagen?

 



Julia ging auf ihren Fund zu und lenkte den Strahl der Lampe auf die Fundsachen.



„Sehen neu und teuer aus, oder was meinst du Klaus?“



„Sieh mal in der Tasche nach, ob da irgendetwas drin ist?“



Julia reichte Klaus die Lampe, nahm routinemäßig ein paar Latexhandschuhe aus der Seitentasche ihrer Jacke, stülpte sie über ihre Hände und öffnete die Handtasche. Zum Vorschein kamen eine Geldbörse, ein Schlüsselbund, Papiertaschentücher sowie diverse Schminkutensilien. Julia interessierte in erster Linie die Geldbörse.



„Bingo, ein Perso“, sagte sie.“



„Perso?“



„Ja, einen Personalausweis! Leuchte mal direkt auf die Vorderseite. So, jetzt kann ich was erkennen. Der Ausweis gehört einer Diana Meyfarth. Ausgestellt in Daun, Landkreis Vulkaneifel.“



„Ich brech´ zusammen“, sagte Klaus „Nun ist doch noch ein Fall daraus geworden. Gereon muss sofort davon erfahren.“



„ Am besten, ich rufe ihn gleich an“, entgegnete Julia. „Er soll entscheiden, wie es weiter geht. Wahrscheinlich wird er noch im Dunkeln das ganze Gelände absuchen lassen wollen.“




Und genauso geschah es. Gereon schickte eine Zehnerschaft mit Suchhunden an den Fühlinger See, die mit Leuchtmitteln bewaffnet, bis in den frühen Morgenstunden das weiträumig abgesperrte Ufer absuchte. Der Erfolg blieb aus. Also griff Gereon zu drastischeren Mitteln und schickte zwei Sporttaucher nach. Sie suchten zunächst jene Stelle ab, wo das Boot ans Ufer getrieben war. Da war nichts, außer ein paar alten Gummistiefeln und einem verrosteten Fahrradrahmen. Danach erweiterten sie den Suchradius bis hin zur Mitte des Sees. Nichts! Von einer Diana M. war weit und breit keine Spur zu sehen. Am späten Nachmittag blies Gereon die ganze Aktion ab. Er schickte Klaus Behringer und Julia Brück, die beide völlig erschöpft waren nach Hause. Außer Spesen war nichts gewesen. Doch wenigstens würde ihm diesmal niemand Untätigkeit vorwerfen können. Und dennoch blieb der Verbleib von Diana M, sowie der Umstand, dass ihre persönlichen Utensilien am Ufer des Sees aufgetaucht waren, ungeklärt.





Kapitel 3



Als Diana erwachte, lag sie auf dem Boden in einem kleinen, abgedunkelten Raum. Sie hatte keine Ahnung, ob es Tag war oder Nacht. Ängstlich schaute sie sich um. Sie benötigte erst einmal ein paar Minuten, um ihre Umgebung zu erfassen. Plötzlich begriff sie, was geschehen war:

Jemand hatte sie entführt.

Das allein klang bereits unglaublich genug. Sie spürte wie Ihr Puls raste. Dazu hatte sie einen unbeschreiblichen Durst. Ihre Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an. Sie bewegte ihre Arme und Beine und versuchte aufzustehen. Etwas hielt sie zurück. Sie tastete sich ab. Um ihren Knöchel lag eine metallene Fessel. Sie versuchte ihre Dimension zu erkunden.

„Ungefähr zwei Handflächen breit“,

 schätzte sie. Als sie weiter hinter sich griff, bemerkte sie, dass daran eine schwere Kette befestigt war.



Angekettet wie ein Tier hat man mich“,

 schoss er ihr durch den Kopf. Sie zerrte und zog an der Kette. Nichts passierte. Als nächstes rollte sie sich wie eine Schnecke in einer Ecke zusammen, aber auch das half ihr nicht wirklich. Sie war in diesem Loch gefangen. Mit einem Mal schrie sie laut auf und lauschte. Doch das, was sie hörte, war nur ihr eigenes Echo. Und sie wurde wütend. Mit geballten Fäusten schlug sie auf den harten Fußboden. Das nützte auch nichts. Ihre Hände schmerzten. Sie legte sich wieder auf den Boden und wimmerte. Die Erinnerung baute sich langsam auf, wie ein Puzzle, das sich nach und nach zusammenfügte.

Sie war auf dieser Party gewesen…, und dann früher gegangen, weil sie noch ein Stück zu Fuß gehen wollte. Da waren die Autos, ihr Handy, das nicht funktionierte, das Funkloch...

Auf einmal fiel ihr alles wieder ein. Bis zu dem Moment, als sie endlich eine Verbindung bekam und telefonieren wollte. Ab da war völliger Filmriss. So sehr sie sich auch konzentrieren wollte, es kam nichts mehr. Verzweifelt zerrte sie so lange an der Kette, bis sie erschöpft zusammen brach.



Als sie sich wieder aufrappelte, schien bereits eine Ewigkeit vergangen zu sein. Zum ersten Mal schaute sie sich ihr Gefängnis genauer an. Der weitgehend leere Raum sah aus wie eine schäbige Gefängniszelle, nur unwesentlich größer, als ein Taubenschlag. Fenster gab es keine, dafür einen winzigen Schacht, aus dem ein geringer Lichtspalt und etwas Luft zu ihr hineingelangten. An einem Ende führte eine Holzleiter steil nach oben. Dahinter musste sich eine Tür befinden. Sehnsüchtig blickte sie nach oben.



Auf einmal zuckte sie zusammen. War da nicht etwas gewesen? Ein Geräusch?



Der Klang von Schritten ließ sie zusammenzucken. Sie wollte unter die Leiter kriechen, aber es gelang ihr nur zum Teil. Die Metallfessel störte gewaltig. Ein Schlüssel wurde umgedreht, dann vernahm sie wieder Schritte und sah, wie ein Paar schwarze Stiefel die Leiter hinunter stiegen. Der Mann, es konnte nur ein Mann sein, trug eine Tasche sowie eine Lampe bei sich und fand sie auf der Stelle. Das Licht, dass ihr ins Gesicht schien, war viel zu hell. Ihre Augen brannten. Sie blinzelte einmal, zweimal, aber es wurde nicht besser. Also hielt sie sich schützend ihre Hand vor ihr Gesicht.



„Na, endlich ausgeschlafen?“, fragte eine emotionslose Stimme hinter dem Licht.



Sie kam ihr irgendwie bekannt vor. In ihrem Zustand vermochte sie jedoch nicht erinnern, zu wem sie gehörte.



„Durst“, krächzte sie. Wie von Zauberhand wurde ihr eine Plastikflasche an den Mund gesetzt. Gierig ließ sie das köstliche Nass in ihre Kehle laufen. Diese war so geschwollen und trocken, dass es beim Schlucken weh tat. Überhaupt schien ihr Körper überall zu schmerzen und ihr war schwindelig. Ihr Kopf dröhnte wie ein Kraftwerk.



Das Schwein muss mir ein Betäubungsmittel verabreicht haben, aber immerhin lebe ich noch!“




„W…was wollen Sie von mir?“, fragte sie ängstlich. Anstelle einer Antwort trat ein dunkler Schatten auf sie zu. Sie wischte sich die Augen. Die Stiefel traten noch näher an sie heran. Der Mann stand jetzt direkt vor ihr und blickte auf sie herab. Erschrocken fuhr sie zurück und schlug mit dem Rücken gegen eine Wand. Ein klirrendes Geräusch ertönte und erinnerte sie daran, was ihr Bein festhielt. Zitternd versuchte sie sich über ihre Situation klar zu werden. Der Geruch in ihrem Verlies war schlecht, aber sie konnte ihn nicht zuordnen. Sie fühlte sich eingeengt und merkte, dass sie keine Luft bekam. Sie wollte um Hilfe rufen, doch ihr Mund schien wie der Rest ihres Körpers überhaupt nicht auf ihre Befehle zu reagieren. Der Mann bemerkte ihr Bemühen.



„Versuch es erst gar nicht. Hier kann dich niemand hören“, sagte er kalt. Erst jetzt versuchte sie sich ihn genauer anzuschauen. Was sie zu sehen bekam war eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd und ein Gesicht, das von einer schwarzen Maske verdeckt wurde.

Feigling,

 dachte sie, fragte aber nochmals: „Was wollen sie von mir…?“



„Das wirst du noch früh genug erfahren. Hier, ich habe dir eine Decke mitgebracht, damit du nicht auf dem kalten Boden liegen musst.“



„Sie sind ja rührend um mich besorgt“, konterte sie ironisch. „Wenn es Geld ist, das Sie von mir wollen, ich geb ihnen alles was ich habe, wirklich.“



Sie hörte wie er höhnisch lachte. „Geld interessiert mich schon lange nicht mehr Diana. Ich darf dich doch Diana nennen?“



Das Schwein kennt meinen Namen. Woher? Hatte ich schon einmal mit ihm zu tun? Zählt er gar zu meinen Kunden?“




Sie nickte schwach,


während sie sich an der rauen Wand abstützte und einmal mehr spürte, wie der Metallring in ihren Knöchel schnitt. Aber sie durfte nicht aufgeben. Wenigstens noch nicht. Mit der freien Hand vor den Augen versuchte sie gegen das grelle Licht der Taschenlampe zu blinzeln.


Sie bemerkte, dass ihr Entführer einfach da stand und sie beobachtete.



„Bitte….“ Ihre Stimme war ein trockenes krächzen, dass sie selbst kaum wiedererkannte. Sie schluckte.



„Warum tun sie mir das an? Wenn es Sex ist, was Sie wollen? Nun darüber können wir reden. Es lässt sich doch alles arrangieren.“



Seine Stimme änderte sich sofort.



„Nun hör endlich auf zu winseln, du billige Nutte. Ich hab absolut kein körperliches Interesse an dir. Am besten, du gewöhnst dich so bald wie möglich an die neue Situation.“



„Dann sagen Sie mir doch endlich, wer Sie sind und was Sie von mir wollen!“



Sie stellte sich vor, wie er hinter der Maske hämisch grinste, als er sagte: „Ich denke die erste Frage erübrigt sich, und was die zweite angeht? Na schön. Ein wenig will ich dir vorab schon mal verraten. Du musst eine Prüfung bestehen, das ist alles. Dann lasse ich dich wieder frei.“



Diana blickte ihn ungläubig an. „Was denn für eine Prüfung? Und warum ausgerechnet ich?“ Sie vermutete, dass er wieder grinste. Sofort lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.



„Sagen wir einfach, weil ich dich ausgesucht habe. Darauf kannst du dir fast schon etwas einbilden. Alles Weitere erkläre ich dir später. Und wenn du brav mitspielst, dann kannst du sicher sein, dass dir kein Haar gekrümmt wird. Rohe Gewalt lehne ich ab.“



Der Mann war ihr ein Rätsel. „Und meine Entführung?“ fragte sie erbost. „Nennen Sie so etwas keine rohe Gewalt anwenden? Sie sind ein Verbrecher.“



Wieder änderte sich seine Stimme. „Nun mach aber mal halb lang. Was weißt denn du schon von Verbrechen und Gerechtigkeit? Nichts weißt du, gar nichts! Aber ich werde dir eine gewisse Zeitspanne zugestehen, bis du bereit sein wirst deine Prüfung anzutreten. Und damit es dir in der Zwischenzeit nicht langweilig wird, habe ich dir noch etwas mitgebracht. Er kramte in der Tasche, die er mitgebracht hatte, zog ein kleines Diktiergerät heraus und legte es vor ihr hin auf den Boden. „Das ist für dich. Ich möchte, dass du mir deinen Werdegang auf das Band sprichst. Alles, was dir dazu einfällt. Angefangen von deiner Schulzeit, deinem Studium, deine Karriere. Und lass nichts aus! Davon hängt letztendlich auch der Schwierigkeitsgrad deiner Prüfung ab. Also: je mehr du mir von dir erzählst, desto früher lasse ich dich wieder laufen, kapiert? Und versuch erst gar nicht von hier abzuhauen. Du kommst hier nicht raus, es sei denn ich will es so. Also spar dir deine Kräfte für die wichtigen Dinge auf.“



Diana spürte wie sie zornig wurde.



„Was geht Sie eigentlich mein Leben an?“, schrie sie ich an. „Sie…Sie gehören in die Klapsmühle. Ich werde das verdammte Ding gegen die Wand schmeißen.“



„Das würde ich dir nicht raten. Auf Ungehorsam steht Strafe. Denk einfach daran, ich kann dich sehen, wann immer ich will.“



Das auch noch, der Kerl überwacht mich!“




Auf einmal fiel ihr noch etwas ein.



„Und wenn ich mich waschen möchte oder mal muss?“ fragte sie unsicher.



„Keine Sorge, auch dafür ist gesorgt. Dann und wann lasse ich dich hier raus. Dann kommst du in einen anderen Raum. Dort stehen dir entsprechende Einrichtungen zur Verfügung.“



„Aber man wird mich vermissen. Meine Familie, meine Freunde und…“



„Welche Familie? Außer deine Schwester hast du doch niemanden.“



Verdammt, verdammt, verdammt. Das Schwein weiß alles über mich!“




Sie nahm all ihren Mut zusammen. „Ich will das hier aber überhaupt nicht!“



Ihre Bemerkung traf auf Schweigen, das nur von seinem schweren Atem unterbrochen wurde. Als er auf sie zu kam, dachte sie schon, er würde sie schlagen, aber er griff nur nach der Fußfessel und überprüfte die Kette. Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber er hatte sich bereits von ihr abgewandt. Ein Rascheln war zu hören, als er sich der Treppe näherte und hinaufstieg. Dann war sie wieder auf sich allein gestellt.



Beim nächsten Mal war es ein anderes Geräusch, das sie aufweckte. In der Dunkelheit konnte sie sich zuerst nicht orientieren. Nur langsam erschienen helle Punkte, die so winzig waren, dass sie zunächst glaubte, sie wären nur Einbildung. Ihr Fußgelenk schmerzte. Dort wo die Fessel war schien sich etwas entzündet zu haben. Die Enge des kleinen Raumes flößte ihr Angst ein. Dazu suchte sie verzweifelt eine Antwort auf ihre Frage, was der Mann von ihr wollte. Aber sie fand keine. Als sie versuchte aufzustehen, war es um sie geschehen. Völlig benommen schwankte sie umher, konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Der Schock und die völlige Erschöpfung machten sich jetzt erst so richtig bemerkbar. Noch ehe sie sich besinnen konnte, sank sie zu Boden, versuchte noch wach zu bleiben, doch allmählich wurde ihr schwarz vor den Augen. Verschwommen nahm sie war, dass etwas um sie herum geschah.

 



Ein Geräusch…da ist doch ein Geräusch

..?

 Oder ist es möglich, dass ich schon halluziniere?“

Nein, da war es wieder. Metall knirschte, jemand schlug auf den Boden. Schreie ertönten. Aber sie kamen nicht aus diesem Raum. Schlagartig traf sie die Erkenntnis, dass sie möglicherweise nicht die einzige Person war, die der Verrückte ge