Sankt Michael - Ein Kirchenjuwel an der Mosel

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Sankt Michael - Ein Kirchenjuwel an der Mosel
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Peter Essner

„St. Michael“

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Ein Kirchenjuwel
an der Mosel.

Historischer Roman,

frei erzählt nach wahren Begebenheiten,

historischen Dokumenten

und mündlichen Überlieferungen.

Buch

Piesport in den Jahren 1775 bis 1780.

Der heilige Erzengel Michael war seit ewigen Zeiten der Schutzpatron der Pfarrei Piesport. Ihm war auch die erste Pfarrkirche geweiht, die in halber Bergeshöhe in den Weinbergen stand. Auch der Friedhof des Ortes befand sich dort. Doch der Weg hinauf war beschwerlich, sodass sich der Mittelpunkt des kirchlichen Geschehens immer mehr in den Ort verlagerte und nur noch zu bestimmten Anlassen dort die Messen gelesen wurden. Dadurch wurde dieses Gotteshaus immer mehr vernachlässigt und verkam, sodass die Kirche bei der Pfarrvisitation 1775 interdiziert, also für die weitere Verwendung wegen Baufälligkeit gesperrt wurde. So wurde dann der Plan gefasst, unten im Ort eine neue Kirche zu bauen.

Wie es dazu kam und wie der Bau verlief und mit welchen Schwierigkeiten man zu kämpfen hatte, und welche Rolle der Piesporter Wein dabei einnahm, darüber berichtet dieser Roman.

© Copyright 2019 by Peter Essner

GMG-Soft Gbr (Hrsg.)

Layout, Umschlaggestaltung, Bilder und Skizzen:

GMG-Soft Gbr, Unterer Wierth 22, 54498 Piesport

info@gmg-soft.de

Karte auf Umschlag:

Ausschnitt aus einer alten Flur- und

Katasterkarte, um 1780 (LHA Koblenz 702/325)

Druck und Vertrieb:

epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-74678-xxx-x

Dieser Roman ist gewidmet allen,

die sich in dieser Geschichte

mit Rat, Tat und allen Kräften eingesetzt haben,

um dieses Werk zu erstellen.

Hiermit soll allen damals Beteiligten

ein bleibendes Denkmal gesetzt werden,

damit nicht vergessen wird,

was unsere Vorfahren damals leisteten,

welche Entbehrungen sie auf sich

nahmen und welche Opfer sie brachten.


Personenliste:

Die in diesem Roman aufgeführten Personen haben alle in der angegebenen Zeit gelebt und haben mehr oder weniger großen Einfluss auf die darin beschriebenen Ereignisse gehabt. Die Namen und Daten sind geschichtlich belegt und aus entsprechenden Dokumenten wie Kirchenbüchern und in Archiven vorhandenen Dokumenten entnommen. Nur die mit einem Sternchen (*) vor dem Namen gekennzeichnete Personen sind fiktiv und für die Vollständigkeit des Romans eingefügt.

Die hinter einigen Namen stehenden Zahlen in eckigen Klammern beziehen sich auf die Nummern in den bearbeiteten Kirchenbüchern, unter denen die angegebenen Personen mit den Lebensdaten aufgeführt sind.

<Pixxxx> aus Familienbuch Piesport 1632-1798, Thomas Heinen, 1991

<Nexxxx> aus Familienbuch Niederemmel, 1658-1798, Thomas Heinen, 1991

<xxxxx> aus Familienbuch Piesport-Niederemmel, Günter Kettern, 2015, ISBN 978-3-86579-119-1

Bei den angegebenen Jahreszahlen sind die Lebensdaten bzw. die Jahre der Personen eingetragen, in denen sie das angegebene Amt innehatten.

Kirchliche Obere:

Clemens Wenzeslaus von Sachsen, Kurfürst und Erzbischof von Trier, ab 1868

Nikolaus von Hontheim, Weihbischof und Generalvikar, 1701 - 1790

Reichsgraf Hugo von Kesselstatt, 1727 - 1796, kurfürstl. Landhofmeister, kaiserlicher Geheimrat

Reichsgraf Franz Ludwig von Kesselstatt, Domprobst 1774 - 1777

Franz Karl von Dalberg, Dompropst, 1777 - 1780

Johannes Hau, Landdekan und Pfarrer von Piesport, Müstert und Crames, 1765 - 1813

Peter Hasporn, Pfarrer von Niederemmel, 1763 - 1783

Peter Hentges (Robert II. von Himmerod), Abt von Himmerod 1752 – 1782

Heinrich II. Kleiner, Abt von Mettlach, 1768 - 1779

Salvinus Schaadt, Abt von Tholey, 1768 – 1785

Pierre de Salabert, Kommendatarabt von Tholey, 1768 – 1793

Johann Jakob Otto, Prior von Eberhardsklausen, 1768 - 1792

Visitatoren: Dekan Feilen, Definitor Guspert

Synodale der Pfarrei Piesport:

Peter Hardt , Piesport, 1718 - 1778 <Pi371>

Anton Hardt, Piesport, 1744 - 1813, Sohn von Peter Hardt <922>

Matthias Veit, Piesport, 1727 - 1779 <Pi956>

Jodok Josef Veit, Piesport, 1758 - 1836, Sohn von Matthias Veit <2528>

Matthias Dentzer, Müstert, 1738 - 1812 <346>

Nikolaus Heidweiler, Crames, *1740 <Pi385>

Josef Kirsten, Piesport, *1758 <Pi483> <1227>

Meier der Grundherren:

Matthias Veit, Piesport., 1727 - 1779 , Dom <Pi956>

Friederich, Peter, 1712 - 1781, Himmerodt <Pi311>

Diederich Johann, 1746 - 1795, Mettlach <Pi206>

Diederich Matthias, 1700 - 1780, Karthäuser <Pi205>

Diederich Josef, 1724 - 1785 <Pi206>

Peter Friedrich 1712 - 1781, Ouren, <Pi311>

Schurb, Johann Michael, *1723, Tholey <Pi862>

Zivilverwaltung:

Josef Lönert, Ferres, Bürgermeister <Pi568>

Hermann Kirsten, Bürgermeister, *1732 <Pi483>

Johannes Schmitt, Zender von Müstert, 1753 - 1830 <2210>

Johannes Crames, Zender aus Crames <Pi175>

Michael Lenert, Vorsteher von Ferres, *1740 <1457>

Adolf Hardt, Vorsteher Piesport, *1739 <Pi378>

Eberhard Dentzer, Vorsteher Müstert, 1727 - 1795 <Pi195>

Nikolaus Kirsten, Krames, *1723 <Pi475>

Am Bau beteiligte Personen und Handwerker:

Paul Miller, Tirol, Architekt und Baumeister

* Andreas Schulte, Assistent von Paul Miller

Franz Xaver Hannes, Maurermeister

Johann Martin Funk, Maurermeister aus Neumagen

Jakob Wilms, Maurermeister

Franz Peters, Müstert, Sandlieferungen, +1804 <Ne466>

Esselen Heinrich, Fährmann <Ne154>

Josef Dentzer, Messgehilfe <Pi189>

Johann Michael Bombarding, Putz <Pi90> <162>

Peter Bombarding, Putz <Pi91> <163>

Nikolaus Prösch, Dachdeckermeister

Nikolaus Keylen, Dachdeckermeister, Neumagen

Johann Peter Weber, Trier, Malermeister, 1737-1804

Johannes Gröber, Schreinermeister, Horath

Kilburg, Schreinermeister, Dusemond (Brauneberg)

Nicolaus Bransen, Schreinermeister, Kilburg


Piesport um 1780 (Ausschnitt aus der Flurkarte LHA Koblenz 702/325)

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Piesport, ein kleiner Ort an der Mosel, Sitz eines Landdekans, dessen Bezirk einen großen Teil der Mittelmosel umfasste, in den Hunsrück und weit in die Eifel reichte. Es war der 26. März 1775. Pfarrer Johannes Hau hielt in der kleinen Kirche im Ort das Hochamt zum dritten Fastensonntag, ‚Laetare – freuet euch‘ genannt. Er hatte auch allen Grund zur Freude und diesen mit den Piesportern zu teilen. Der harte Winter war gut überstanden. Auch war der Ort während der Schneeschmelze vom Hochwasser verschont geblieben. Außer einigen Schäden in den Weinbergswegen und den Wegen auf die Höhe war der Ort noch einmal glimpflich davongekommen. Daher dankte er in seiner Predigt für diese Gnade und forderte die Leute auf, ebenfalls froh zu sein und dem Herrn dafür zu danken. Ebenso waren bereits die ersten Arbeiten in den Weinbergen und den Äckern, bedingt durch das günstige Frühlingswetter während der letzten beiden Wochen, in Angriff genommen worden, sodass Pfarrer Hau allen Grund hatte, seine Pfarrschäfchen zu loben. Diese nahmen es dankend zur Kenntnis, denn nicht immer war er mit den Arbeiten der Leute zufrieden.

Die Feier der Messe war beendet und er wollte den Segen spenden, doch dann hielt er kurz inne.

„Eins noch, bevor ich Euch den Segen spende“, wandte er sich an die Kirchenbesucher.„Vor zwei Tagen erhielt ich die Nachricht, dass nächste Woche eine Delegation von Trier hierherkommen will, um den Ort zu besichtigen und die Pfarrvisitiation abzuhalten. Ich bitte daher alle Piesporter, Müsterter, Ferreser und Crameser bis dahin Straßen und Häuser zu säubern und zu schmücken, damit die Trierer Herren gebührend empfangen werden und mit einem guten Eindruck von unserem Ort die Rückreise wieder antreten können. Die Kirchensynodalen aber bitte ich, heute Nachmittag nach der Andacht zu mir ins Pfarrhaus zu kommen. Dort können wir dann besprechen und überlegen und festlegen, was noch alles zu erledigen ist.“

Pfarrer Hau hob nun seine Hände und sprach über alle den Segen: „Benedícat vos omnípotens Deus, Pater et Fílius et Spíritus Sanctus.“

„Amen“, antwortete die ganze Gemeinde im Chor.

„Ite, missa est.“

 

„Deo gratias“.

Das Schlusslied wurde angestimmt und bis zur letzten Strophe gesungen. Dann strömten die Kirchenbesucher ins Freie. Einige von ihnen gingen in eins der benachbarten Wirtshäuser zum Frühschoppen, zum Erzählen und Austauschen von Neuigkeiten oder einfach nur zum Unterhalten. Die meisten aber wollten sofort nach Hause. Dort warteten bereits die Frauen auf ihre Männer und die Kinder, denn das Mittagessen war fertig. Und da es noch Fastenzeit war, fiel auch sonntags das Essen etwas kärglicher aus als an den Sonntagen das Jahr über. Die Frauen wussten aber, wie sie aus dem Wenigen, was die kirchliche Fastenordnung zuließ, ein schmackhaftes und kräftigendes Essen zuzubereiten. Denn auch in der Fastenzeit mussten die Männer bei Kräften bleiben, damit sie die harte und anstrengende Arbeit in den Weinbergen und Äckern die Woche über bewältigen konnten. Sie selbst waren, um ihrer sonntäglichen Christenpflicht nachzukommen, schon in der Frühmesse gewesen, während die Männer in dieser Zeit das Vieh zu versorgen hatten.

Die Andacht am Nachmittag war zu Ende. Die Kinder strömten johlend aus der Kirche, froh, den Rest des Tages bis zum Abendessen frei zu haben und im Dorf nach Herzenslust spielen zu können. Anschließend trafen sich die Männer des Kirchenvorstands sich im Pfarrhaus bei Pfarrer Johannes Hau. Auch die Vertreter aus Müstert und Crames hatten es geschafft, an der Besprechung teilzunehmen.

„Meine Herren Synodalen“, begrüßte Pfarrer Johannes Hau die Anwesenden und eröffnete damit die Zusammenkunft. „Bevor wir uns Gedanken darüber machen, was wir den hohen Herren vom Domkapitel aus Trier anbieten und zu berichten haben, lasst uns erst einmal von dem neuen Riesling aus der Ernte des letzten Jahres, dem 74er probieren. Wie ihr wisst, versuchen wir uns hier seit einigen Jahren an der neuen Rebsorte, haben aber bisher noch keinen so richtigen Erfolg damit gehabt. Mit Hilfe eines mir gut bekannten Winzers und Weinhändlers und Weinbaumeisters aus Trier, der seit vielen Jahren fast ausschließlich Riesling anbaut, ist es mir und meinen Helfern in den Weinbergen gelungen, einen edlen Tropfen dieses Weins herzustellen. Er muss kühl getrunken werden. Daher habe ich bereits heute Morgen dem Frühmesser Anweisung gegeben, einige Krüge davon in frisches Quellwasser zu stellen, damit er die richtige Temperatur hat. Doch genug geredet. Probiert selber.“

Der erste Krug machte die Runde, alle füllten sich daraus ihre Gläser und bewunderten die funkelnde, goldgelbe Farbe des Weins. Die Nachmittagssonne, die durch das Fenster ihre Strahlen in den Versammlungsraum im Pfarrhaus schickte, verstärkte diesen Eindruck noch.

„Nun, geniert Euch nicht“, fuhr Pfarrer Hau fort. „Probiert jetzt“, forderte er die Synodalen auf, nachdem er bemerkt hatte, dass sie die Farbe des Weines bewunderten und noch etwas zögerten. Er hob sein Glas und kostete von dem neuen Wein. Die anwesenden Vertreter der Kirchengemeinde taten ihm gleich.

„Hochwürdiger Herr Pfarrer, was habt Ihr hier gezaubert“, war die erste Reaktion von Matthias Veit, dem kurfürstlichen Meier. „Einen solchen Tropfen haben wir bisher von dieser Rebsorte noch keinen vorgesetzt bekommen. Unser Ort ist zwar bekannt für guten Wein, der überall begehrt ist. Doch dieser hier stellt alles in den Schatten. Damit werden wir weiter den besten Wein an der Mosel haben und unseren Vorsprung zu den anderen Orten noch ausbauen können, wenn sich diese Rebsorte durchsetzt. Gut, dass ich auf Euch, hochwürdiger Herr Pfarrer gehört habe und alle schlechten Rebstöcke schon im letzten Frühjahr gegen diese Sorte austauschen ließ. Ich hoffe, dass sie im kommenden Herbst den ersten Ertrag bringen. Dieses Jahr habe ich vor, auch noch den Rest umpflanzen zu lassen.“

Auch die anderen anwesenden Synodalen der Kirchengemeinde Piesport stimmten in das Lob über den neuen 74er ein und füllten sich die Gläser ein zweites Mal.

„Hochwürdiger Herr Pfarrer“, sprach Diederich Johann, der Mettlacher Meier aus Müstert weiter. „Auch ich habe in vielen Weinbergen des Pichterbereiches im März dieses Jahres diese neue Rebsorte anpflanzen lassen. Hat mich bei manchen Pächtern viel Überzeugungsarbeit gekostet! Denn auch ich war bisher immer etwas skeptisch, aber diese Probe hier hat mich überzeugt.“

„Wenn ich hier immer einen so guten Tropfen zu trinken bekomme“, setzte Nikolaus Heidweiler, der Crameser Vertreter hinzu, „komme ich jeden Sonntag viel lieber hierher zur Sonntagsmesse und zu unseren Zusammenkünften.“

„Hochwürdiger Herr Pfarrer“, fügte Peter Hardt, der älteste der Synodalen hinzu. „Auch mich hat diese Probe mehr als überzeugt. Ich habe in meinem Leben schon viel Wein aus den Kleinbergertrauben gemacht. Damit kenne ich mich aus. Doch hier habe ich zu bedenken, dass keiner von uns und auch keiner der Winzer im Ort die nötige Erfahrung hat, aus den Rieslingtrauben einen solch guten Wein herzustellen. Deshalb werden wir es ohne fachliche Unterstützung wohl schwer haben, uns damit einen guten Namen wie bisher zu machen.“

„Peter Hardt“, stimmte ihm Pfarrer Johannes Hau zu. „Diese Schwierigkeit habe ich auch gesehen. Deshalb habe ich bei unserer Durchlaucht, unserem Kurfürsten und Erzbischof Clemens Wenzeslaus um Hilfe bei der Einführung dieser Rebsorte gebeten. Da er ein großer Verfechter des Rieslings ist und darin die Zukunft des Weinbaus an der Mosel sieht, konnte er nicht ‚Nein‘ dazu sagen und hat mir Hilfe versprochen. Er hat angeordnet, dass sein Stellvertreter in Trier, der Dompropst Reichsgraf Franz Ludwig von Kesselstatt und sein Bruder Reichsgraf Hugo von Kesselstatt, der kurfürstliche Landhofmeister, uns dabei unterstützen und einen fachkundigen Winzer aus dem Weingut Kesselstatt in Trier hierherkommen soll, um uns das notwendige Wissen zu vermitteln. Denn die Kesselstatts bauen schon seit einigen Jahren diese Rebsorte mit Erfolg an. Dieser Wein hier, den ihr im Glas habt, ist das erste Ergebnis dieser Hilfe. Ihr seht also, wir werden nicht allein gelassen.“

„Das macht uns Mut“, fuhr Jodok Josef Veit, der Sohn von Matthias Veit und jüngste der Synodalen fort. „Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir und werde daher den größten Vorteil von allen hier haben, wenn diese Umstellung gelingt. Hochwürdiger Herr Pfarrer, ich jedenfalls werde den Herrn aus Trier mit offenen Armen empfangen und mir von ihm alles für die Behandlung der Weinstöcke das Jahr über und des Weins im Keller zeigen und erklären lassen.“

„Gut, es freut mich, dass Ihr dies so positiv seht. Unser Durchlauchtigster Herr, der Kurfürst und Erzbischof Clemens Wenzeslaus wird Eure Einstellung zu schätzen und zu honorieren wissen. Zu gegebener Zeit werde ich dem Hochwürdigen Herrn Dompropst, dem Reichsgrafen Franz Ludwig von Kesselstatt darüber berichten. Es wird ihm eine Ehre sein, uns zu unterstützen. Hofft er sich dadurch doch einen guten Namen bei unserem Durchlauchtigsten Herrn Kurfürsten zu machen“, schloss Pfarrer Hau das Thema Riesling ab.

Pfarrer Hau machte eine kurze Pause und fuhr fort. „Jetzt aber zu dem eigentlichen Zweck unserer Zusammenkunft. Wie ich Euch schon heute Morgen am Ende der Messe verkündet habe, wollen nächste Woche einige hohe Herren von Trier nach hier zur Pfarrvisitation kommen.“

„Moment mal. Nächste Woche schon?“, begehrte Matthias Dentzer, der Synodal von Müstert auf. „Das ist ein wenig knapp. Wie sollen wir das schaffen? Der Winter ist gerade eben vorbei. Nur das Notwendigste konnten wir bisher in Müstert erledigen, da uns die Hofmänner der Mettlacher und der Karthäuser im Nacken sitzen und Wert darauf legen, dass zuerst ihre Arbeiten in den Weinbergen, Wegen und Äckern erledigt werden sollten. Für uns selbst und im Ort konnte fast noch nichts gearbeitet werden. Ich weiß nicht, wie wir das alles schaffen sollen. Und außerdem können die beiden Hofmänner nicht gut miteinander. Das bekommen auch die Leute andauernd zu spüren und es gibt dadurch immer wieder Reibereien. Wie oft musste ich hier schon Streitereien zwischen den beiden Gruppen schlichten. Wenigstens die Allerheiligenkapelle ist in einem guten Zustand. Dafür hat der Verwalter der Kar-thäuser, der Diederich Matthias, gesorgt. Mit dem kann man noch einigermaßen vernünftig reden. Aber der von Mettlach, der Diederich Johann ist manchmal nicht auszustehen.“

„Ich habe schon mehrfach von diesen Zwistigkeiten gehört“, setzte Pfarrer Hau hinzu. „Hier müssten doch einmal der Abt von Mettlach und der Prior der Karthause in Trier ein Machtwort sprechen. Bei der Visitation übernächste Woche werde ich das dann vorbringen. Wie ich zufällig mitbekommen habe, soll ein Vertreter der Kar-thause aus Trier mitkommen.“

„Aber wie sieht es in dem Bereich der kurfürstlichen Gebäude und Güter aus?“, wandte er sich nun an den kurfürstlichen Meier

„In meinem Bereich sieht es auch nicht viel besser aus als in den anderen“, antwortete er. „Die Gebäude sind zwar in Ordnung, aber der Weg auf die Höhe hatte im Winter und auch bei der Schneeschmelze sehr gelitten. Eine ganze Woche waren meine Leute nur damit beschäftigt, diesen Weg wieder befahrbar zu machen. Auch der vor einiger Zeit angelegte neue Weg hat viel Arbeit gemacht. Nikolaus, Du kannst doch bestätigen, dass sich die Crameser in der letzten Zeit oft bei Dir beklagt haben, dass der Weg fast nicht mehr befahrbar sei.“

„Ja, Matthias, das kann ich sehr wohl. Ausserdem ist auch noch vor ein paar Wochen ein Mann aus meinem Ort, der Pitter Becker, bei einer Fahrt nach hier mit seinem Gespann verunglückt und dabei fast zu Tode gekommen. Ihr könnt Euch doch noch an die Aufregung erinnern, die dieser Vorfall verursacht hatte.“

„Daran kann ich mich noch gut erinnern. Das war eine Aufregung, auch hier bei uns in Müstert. Ist doch seine Schwester Klara nach hier verheiratet. - Übrigens, hat er sich wieder gut erholt? Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört.“

„Noch nicht ganz“, antwortete ihm Nikolaus Heidweiler. „Er gibt sich Mühe, aber ganz der Alte wird er wohl nicht mehr werden.“

„Genug jetzt damit“, beendete Pfarrer Johann Hau die Diskussion. „Ich kann Eure Sorgen gut verstehen. Diese Einwände, dass der Visitationstermin zu kurzfristig angesetzt sei, habe ich auch schon vorgebracht. Ich fand aber kein Gehör damit bei den hohen Herren in Trier. Sie sagten nur, dass die letzte Visitation schon 25 Jahre her sei und die jetzige deshalb überfällig wäre. Die Arbeiten in den Weinbergen und im Dorf hätten mit der Pfarrvisitation auch gar nichts zu tun.“

Pfarrer Hau machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort.

„Doch, wenn ich es mir richtig überlege, scheint es doch nicht so schlecht zu sein, dass der Termin so kurzfristig für dieses Frühjahr festgelegt wurde. Wenn wir bis dahin nicht alles in Ordnung bringen, können wir argumentieren, dass die Verwalter unserer Grundherren immer mehr Arbeit von uns in ihren Weinbergen verlangen. Dass diese zuerst gemacht werden müssen, nur um vor ihren Herren gut dazustehen und dadurch alles andere liegen bleibt. Dann könnten wir endlich mal versuchen, in dieser Sache eine Änderung zu erreichen, damit es nicht immer heißt: ‚Zuerst die Arbeiten für die Herren und dann erst eure.‘“

„Ich glaube, das wird nicht viel helfen“, setzte Matthias Veit hinzu. „Wie oft habe ich schon bei der kurfürstlichen Verwaltung versucht, hier eine vernünftige Regelung zu erreichen, die auch die Anliegen der kleinen Leute berücksichtigt. Doch bisher leider vergeblich. Man hat mir sogar vorgehalten, ich sei zu nachsichtig mit den Leuten und würde ihnen zu viele Freiheiten gewähren. Dabei sind sie alle willig und geben ihr Bestes. Doch mehr als arbeiten können auch sie nicht.“

„Dein Einsatz in allen Ehren, Matthias Veit“, sprach Pfarrer Johannes Hau weiter. „Ich weiß, wie Du Dich abmühst, die Wünsche Deiner Herren in Trier und der Leute hier im Ort unter einen Hut zu bringen und es allen gerecht zu machen. Doch hilft es uns in der momentanen Lage nicht weiter. Lasst uns deshalb zusammenfassen, was noch getan werden kann.“

Pfarrer Hau machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. „Wie sieht es in der Sebstianskapelle aus, Anton Hardt?“, fragte er.

„Vor ein paar Tagen habe ich mit dem Bruderschaftsmeister der Sebastiansbruderschaft gesprochen. Er hat mir bestätigt, dass vorletzte Woche dort ein Putztag war. Die Sebastianskapelle und das Umfeld davon müssten also in Ordnung sein.“

„Was ist mit den Kapellen, an denen die vier Stationen für die Fronleichnamsprozession hergerichtet werden?“

„Dort will ich am Montag vorbeigehen“, gab Jodok Josef Veit zur Antwort. „Drei Frauen aus dem Ort haben sich bereit erklärt, mit mir zu gehen, diese auszufegen, zu putzen und die Spinnweben zu beseitigen, die über Winter dort entstanden sind.“

 

„Gut so“, fuhr der Pfarrer fort. „Die Kirche hier unten wird dann am Sonntag nach der Andacht gesäubert und für etwas Schmuck an den Bildstöcken im Ort sollen die Anwohner sorgen.“

„Und den Kreuzweg auf die Höhe habe ich bereits bei der Instandsetzung der Wege herrichten lassen“, ergänzte der kurfürstliche Meier.

„Fehlen nur noch die Stationen den Michelsweg hinauf zur Pfarrkirche und die Kirche selber.“

„Bei den Arbeiten in den Weinbergen am Michelsweg habe ich festgestellt, dass diese Stationen noch alle aufrecht stehen“, berichtete Matthias Veit weiter. „Auf dem Friedhof oben und in der Kirche habe ich mich noch nicht umgesehen. Seit der letzten Festmesse am Neujahrstag bin ich noch nicht dort gewesen. Ich kann mich aber morgen einmal da umsehen.“

„Gut, dass Du das tust.“, setzte Matthias Veit hinzu. „Ich muss zugeben, dass ich seitdem auch noch nicht oben war. Die Sonntagsmessen sind ja alle hier unten im Ort und beerdigt wird seit vielen Jahren auch keiner mehr oben.“

Pfarrer Johannes Hau blickte in die Runde und fuhr fort. „Dann scheint so weit alles geklärt. Jeder sieht in seinem Bereich noch alles nach und lässt es in Ordnung bringen. Du, Nikolaus Heidweiler, sieh auch bei euch in Crames nach dem Rechten, besonders wirf ein Augenmerk auf eure Kapelle. Man kann ja nicht wissen, was die Trierer Herren alles vorhaben. Ich selbst werde mich dann mit dem Frühmesser zusammensetzen und die Bücher der Kirchenfabrik durchgehen. Hier will ich keine Überraschung erleben. Du, Peter Hardt, sage auch unseren Bürgermeistern, dem Hermann Kirsten und dem Josef Lönerd aus Ferres Bescheid, dass ihr drei als Zeugen hinzukommt, damit alles seine Ordnung hat.“

Pfarrer Johann Hau sah die versammelten Synodalen nacheinander an und erhielt von allen ein zustimmendes Nicken.

„Dann trinken wir noch einen Tropfen des edlen 74er-Riesling und treffen uns am nächsten Sonntag zur gleichen Zeit wieder hier.“

Ein neuer Krug mit kühlem Wein, den der Frühmesser inzwischen hereingebracht hatte, machte die Runde. Jeder füllte sich sein Glas frisch auf und bewunderte erneut die goldgelbe Farbe des Weins.

„Dann zum Wohl, meine Herren. Auf gutes Gelingen“, sprach Pfarrer Hau und erhob sein Glas zum Trinken.

„Zum Wohl, hochwürdiger Herr Pfarrer“, antworteten alle im Chor und genossen den guten Tropfen 74er.

Pfarrer Johannes Hau entließ nun die Synodalen zu ihren Familien. Er selbst blieb versonnen zurück, tief in Gedanken an die bevorstehende Visitation. Man konnte nie wissen, was alles dabei passieren konnte. Hatte er doch selbst in seinem Landkapitel viele kleine angemeldete und überraschende Kontrollbesuche in den ihm unterstellten Pfarreien vorgenommen und immer wieder einige unliebsame Überraschungen erlebt.

Es war schon fast dunkel geworden, als der Frühmesser hereintrat und ihn an die gemeinsamen Abendgebete erinnerte.

Am nächsten Sonntag nach der Andacht. Die Herren der Kirchenfabrik trafen sich wieder bei Pfarrer Johannes Hau im Pfarrhaus, um über die getroffenen Vorbereitungen für die in der kommenden Woche anstehende Pfarrvisitation zu berichten. Auch der Vertreter aus Crames hatte den weiten Weg an dem Nachmittag nach Piesport gefunden. Das gute Glas Wein wollte er sich nicht entgehen lassen. Ähnlich dachten auch die anderen Synodalen der Pfarrgemeinde.

„Meine Herren, ich begrüße Euch“, eröffnete Pfarrer Hau die Zusammenkunft. Die Synodalen sahen ihn erwartungsvoll an. „Ich kann mir schon denken, worauf Ihr wartet. Ihr sollt nicht enttäuscht werden.“

Damit rief er den Frühmesser herein, der schon hinter der Tür mit zwei mit Rieslingwein gefüllten Krügen auf das Zeichen des Pfarrers gewartet hatte. Er ließ sich die Gläser reichen und füllte sie bis zum Rand mit dem guten Tropfen.

„Zum Wohl, meine Herren“, begann der Pfarrer. „Lasst Euch den Wein schmecken.“

Er hob nun sein Glas, kostete genussvoll den ersten Schluck und ließ ihn auf der Zunge zergehen. Die anderen Anwesenden taten ihm gleich. Ein Moment der Stille und Andacht trat ein. Erst nach dem zweiten Schluck sahen sie auf und dann den Pfarrer erwartungsvoll an.

„So, meine Herren“, begann dieser nun. „Nachdem wir am letzten Sonntag durchgegangen sind, worauf jeder im Laufe der vergangenen Woche nochmals besonders achten sollte, bitte ich um Eure Berichte. Ich selbst habe mit dem Frühmesser, dem Peter Hardt und eurem Bürgermeister, dem Josef Lönerd, sämtliche Bücher der Kirchenfabrik aus den letzten Jahren durchgesehen. Bitte, Peter Hardt, berichte!“

Peter Hardt räusperte sich, trank noch einen Schluck Wein aus seinem Glas und begann: „Soweit ich das beurteilen kann, und die Bücher der Pfarrei dies bestätigen, haben unser hochwürdiger Herr Pfarrer und der Frühmesser die letzten Jahre sehr gut zum Wohle der Kirchengemeinde gearbeitet und keine unnötigen Ausgaben gemacht. Dadurch konnte die Kirchenfabrik, bedingt auch durch die guten Weinpreise, der letzten Jahre eine ansehnliche Summe zurücklegen.“

Erstaunt und erfreut wegen dieser unverhofft guten Mitteilung sahen sie Peter Hardt und Pfarrer Hau an. „Das ist ja mal eine gute Nachricht. Dann brauchen wir uns wenigstens in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen“, war der einhellige Tenor der Anwesenden.

„Auch ich habe eine gute Nachricht zu verkünden“, fuhr Nikolaus Heidweiler, der Vertreter aus Crames fort. „Die Frauen aus Crames haben das Innere der Kapelle auf Hochglanz gebracht und die Männer haben sich um das Äußere gekümmert. Auch die Bücher habe ich mit dem Zender durchgesehen. Diese sind alle in Ordnung.“

„Den beiden Hofmännern der Mettlacher und der Karthäuser habe ich in der letzten Woche mal kräftig ins Gewissen geredet, endlich einmal die unnötigen Streitereien sein zu lassen, sonst müsste ich eine Mitteilung an unseren Dompropst, den Reichsgrafen Franz Ludwig von Kesselstadt machen. Das hat gewirkt, denn vor dem haben sie Respekt“, berichtete Matthias Dentzer aus Müstert weiter. „Danach haben sie sich doch sehr kooperativ verhalten und gemeinsam den Bereich um die Allerheiligenkapelle säubern lassen.“

„Hoffentlich für immer und nicht nur vorübergehend“, bemerkte Pfarrer Hau. „Denn Unfrieden in den Dorfgemeinschaften hilft uns nicht, wenn Probleme auftreten. Und als Vorbild für die einfachen Leute können die beiden dann auch nicht herhalten.“

Zustimmendes Gemurmel der Synodalen war die Antwort.

„Dann weiter“, fuhr Pfarrer Hau fort. „Wie steht es mit den Kapellen und den vielen Bildstöcken im Ort?“

„Die sind alle in Ordnung. Die meisten der Anlieger sehen es als ihre Ehre an, diese zu pflegen und scheuen dafür keine Mühe.“

„Das ist sehr erfreulich“, fuhr Matthias Veit, der kurfürstliche Meier, fort. „Hier unten im Ort ist demnach alles in Ordnung. Probleme wird uns jedoch die Pfarrkirche in den Weinbergen bereiten. Ich war letzte Woche mit meinem Sohn Jodok oben und haben uns alles genau angesehen. Wir waren erschrocken über den Zustand des Gebäudes. Die Eingangstür hängt schief in den Angeln, einige Fenster sind zerbrochen, an vielen Stellen bröckelt der Putz ab, überall regnet es durch, und es riecht ziemlich muffig. Den Zustand der Inneneinrichtung wage ich gar nicht zu beschreiben. Das wird viel Ärger mit den Abgesandten aus Trier geben. In diesem Zustand werden wir sie wohl nicht mehr durchbekommen. Da werden wir, wenn nichts passiert, einiges einstecken müssen.“

Pfarrer Johannes Hau und die anderen Anwesenden hielten den Atem an und sahen erschrocken auf, als sie die Bedeutung dieser Nachricht erkannten. Tränen traten in ihre Augen. Unsere schöne alte Pfarrkirche und dieser Zustand. Das war zu viel.

„Seht dies nicht so tragisch“, brach nach einigen Sekunden Pfarrer Hau den Bann. „Wurde die Kirche nicht schon mehrmals als baufällig und als nicht mehr benutzbar angesehen? Wurde nicht schon mehrmals doch eine Lösung dafür gefunden? Ich denke, auch dieses Mal wird es eine geben. Sehen wir also nicht so schwarz. Trinkt lieber noch ein Glas von dem guten 74er. Dann sieht die Welt vielleicht schon ein wenig besser aus.“

„Ihr habt recht, hochwürdiger Herr Pfarrer“, setzte Peter Hardt hinzu. „Warten wir ab, was die Herren zu sagen haben. Trinken wir aber, ehe wir auseinander gehen noch ein Glas von dem guten 74er. Zum Wohl“.