Organische Gemeinde

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Eine Bewegung wird geboren

Im ersten Jahr begannen wir zehn neue Gemeinden. Im zweiten Jahr gründete CMA (Church Multiplication Associates) 18 neue Gemeinden. Im darauffolgenden Jahr kamen 52 hinzu. Diese Eigendynamik übertraf all unsere Erwartungen. Im Jahr 2002 waren es im Schnitt schon zwei neue Gemeinden pro Woche, insgesamt 106 Neugründungen. Im folgenden Jahr waren es ungefähr 200 neue Gemeinden. Unsere Schätzung für das Jahr 2004 betrug knapp 400 Gemeinden, aber das Zählen der Gemeinden ist inzwischen schwierig geworden. Während ich dieses Buch schreibe, sind nun innerhalb von sechs Jahren fast 800 neue Gemeinden in 32 Bundesstaaten und 23 Ländern weltweit gegründet worden.

Diese Gemeinden, die wir gründeten, waren klein (durchschnittlich sechzehn Leute) und einfach strukturiert. Der Begriff einfache Gemeinde gewann an Popularität, denn wir schätzten das einfache Leben der Nachfolge und vermieden viele der komplexen Vorgänge einer konventionellen Gemeinde. Komplexe Dinge gehen kaputt und werden nicht weitergegeben. Einfache Dinge dagegen sind stark und leicht zu vervielfachen. Ganz normale Christen waren in der Lage, die außergewöhnliche Arbeit zu tun, eine Gemeinde zu gründen und zu leiten, weil die Aufgaben einfach, die Ergebnisse aber gewaltig waren.

Wir begannen, das nachhaltige Ziel für CMA zu formulieren: „Wir wollen die Latte niedriger legen, wie Gemeinde praktiziert wird, und dafür die Latte höher legen, was es bedeutet, ein Jünger zu sein.“ Wenn Gemeinde so einfach ist, dass jeder in der Lage ist, es zu tun, wenn sie aus Menschen besteht, die ihr Kreuz auf sich nehmen und Jesus voll und ganz nachfolgen, dann werden Gemeinden entstehen, die gewöhnliche Christen bevollmächtigen, die ungewöhnliche Arbeit Gottes zu tun. Gemeinden werden dann gesund und fruchtbar und reproduzieren sich.

Die Führung und Organisation einer konventionellen Gemeinde ist so kompliziert geworden, dass nur wenige Personen, die speziell dafür ausgebildet sind, diese Arbeit Woche für Woche tun können. Viele sind der Meinung, wenn wir den Anspruch, wie Gemeinde praktiziert wird, senken, grenze das an Gotteslästerung, weil Jesus mit der Gemeinde das Reich Gottes auf Erden darstellen wolle. Da Gemeinde aber kein Ereignis ist, das einmal pro Woche stattfindet, sondern die Menschen umfasst, die zur Familie Gottes gehören, haben diese Leute in Wirklichkeit ihre Absicht ins Gegenteil verkehrt. Ist die Gemeinde nämlich sehr kompliziert, kann sie nicht mehr mit gewöhnlichen Christen funktionieren, sondern wird an wenige, talentierte Experten übergeben. Das Ergebnis ist dann eine passive Gemeinde, deren Mitglieder sich eher wie Zuschauer verhalten und nicht als ermächtige Vertreter des Reiches Gottes.

Die organische oder einfache Gemeinde ist, mehr als jede andere, bestens vorbereitet, eine Region flächendeckend zu durchdringen, da sie informell, beziehungsorientiert und mobil ist. Sie ist nicht mit großen Allgemeinkosten belastet und kann an den unterschiedlichsten Orten gegründet werden. Auch reproduziert sie sich schneller und breitet sich weiter aus. Die organische Gemeinde kann ein dezentraler Ansatz für eine Region, Nation oder eine bestimmte Menschengruppe sein. Sie ist nicht auf einen ausgebildeten Klerus angewiesen.

Der Auftrag von CMA ist klar und einfach: Gesunde Jünger, Leiter, Gemeinden und Bewegungen zu reproduzieren, um die Erde mit dem Reich Gottes zu füllen. Wir haben einige einfache Strategien entwickelt, wie die Kraft der Multiplikation auf jeder dieser Ebenen des Lebens und Wachstums im Reich Gottes freigesetzt werden kann. Die Erde mit gesunden und vitalen Jüngern zu füllen, ist unser Auftrag. Es sieht so aus, als würde Gott unsere tiefsten Wünsche erfüllen.

Die kleinste Einheit unserer Bewegung ist nicht die organische Gemeinde, sondern die „Life Transformation Group“ (LTG; dt.: „Minigruppe“). Diese Gruppe besteht aus zwei oder drei Leuten des gleichen Geschlechts, die sich wöchentlich treffen, um sich gegenseitig darin herauszufordern und zu unterstützen, ein authentisches geistliches Leben zu führen. Die Mitglieder geben einander jede Woche Rechenschaft darüber, wie sie ihr Leben mit dem Herrn geführt haben. Dazu gehört das gegenseitige Sündenbekenntnis und auch das Lesen längerer Abschnitte der Bibel. LTGs sind auch missional, da sie aktiv für ihre Freunde, Familien, Kollegen und Nachbarn beten, die noch keine Christen sind. Das ist der Kontext, wie wir Jünger multiplizieren. Dies muss der Multiplikation von Gemeinden vorangehen. Mehr dazu in Kapitel sieben.3

Wachstum durch Multiplikation beginnt langsam, kommt aber mit der Zeit in Schwung und gerät schließlich außer Kontrolle. Wir freuen uns auf die Zeit, wenn wir über die rasante Ausbreitung des Reiches Gottes nur noch staunen werden.

In einer meiner eigenen Gemeinden fragte mich eines Abends Michael, der als Maler arbeitet, etwas über die Gemeinde in der Gaviota Street in Long Beach. Diese Straße ist nur wenige hundert Meter von dem Haus, in dem ich damals wohnte, entfernt. Ich sagte ihm, wir hätten dort keine Gemeinde. Aber er lächelte und sagte: „Doch, haben wir.“ Er erzählte mir, er habe beim Streichen eines Hauses bemerkt, dass auf der gegenüberliegenden Seite Autos ankamen und parkten. Leute hätten Gitarren, Bongos und Bibeln ausgepackt und seien in eines der Häuser gegangen. Er sei dann hinübergegangen, um sich vorzustellen und mitzuteilen, dass auch er eine Gemeinde bei sich zu Hause habe. Als sie ihn sahen, erkannten sie ihn und meinten, auch sie seien Teil des Netzwerkes. Eine Gemeinde war nur unweit von meinem Haus gegründet worden, und ich wusste überhaupt nichts davon. Als ich diese Geschichte hörte, hatte ich den Eindruck, dass wir nun ein Ziel der spontanen Reproduktion erreicht hatten: so langsam gerieten die Dinge außer Kontrolle. Wir müssen immer noch viel lernen, aber Gott scheint uns den Weg zu zeigen, wie man spontane Multiplikation auslöst.

Ein Ehepaar von einer unserer „Awakening Chapels“ begann eine neue Gemeinde in einem Apartmentkomplex im spanischsprachigen Viertel im Osten von Los Angeles. An einem Samstag gingen wir in diese Anlage, um zu grillen und neue Christen zu taufen. Als wir ankamen, war ich überrascht, einen unserer anderen Gemeindegründer dort zu sehen. Auch er war überrascht, mich zu sehen. Er wohnte im selben Block und leitete dort eine spanischsprachige Gemeinde, die er gegründet hatte. Plötzlich gab es dort zwei Gemeinden, eine englischsprachige und eine spanischsprachige. War es nun schon so, dass wir uns gegenseitig in die Arme liefen?

Vor kurzem reiste ich mit Phil Helfer, einem der Schlüsselpersonen und Mitbegründer von CMA, nach Asien. Auf unserem Rückflug lernten wir eine Flugbegleiterin kennen, die ihr erstes Kind erwartete. Im Gespräch erfuhren wir, dass sie einmal in Long Beach gelebt hatte und Christin war. Aber erst Wochen später erfuhren wir, dass sie zu einer unserer Gemeinden gehörte. Es ist unfassbar für mich, dass wir in einer solch kurzen Zeit überall auf Leute aus unserer Bewegung stießen – sogar 11 000 m über dem Pazifik.

Nach fünf Jahren zeichnete ich den Stammbaum unserer Awakening Chapel auf. Ich war verblüfft, was in dieser kurzen Zeit aus einem einfachen Gemeindenetzwerk entstehen konnte. Folgendes fand ich heraus:

• Die Gründung von 68 organischen Gemeinden in fünf Bundesstaaten und fünf Ländern.

• Es gab fünf Generationen von Gemeinden: Es gab Tochtergemeinden, Enkelgemeinden, Urenkelgemeinden, Ururenkelgemeinden und Urururenkelgemeinden.

• Aus dem ersten Netzwerk entstanden fünf weitere Netzwerke. Awakening ist nur eines von über 90 Netzwerken, die bisher in unserer Bewegung entstanden sind.

Dieses Buch ist das Ergebnis dessen, was wir bisher auf unserer Reise gehört und gelernt haben. Ich werde nun beginnen, indem ich aufzeige, was meiner Meinung nach das Wesentliche der Gemeinde ist. Es ist wichtig, dass wir die grundlegenden Konzepte verstehen und unsere Vorstellung von Gemeinde und Reich Gottes verändern lassen. In den folgenden Kapiteln untersuchen wir die organische Natur des Reiches Gottes und sehen, wie die Gemeinde entsteht, sich entwickelt und sich auf natürliche Weise reproduziert.

1 Logan, R., und Cole, N., Raising Leaders for the Harvest, ChurchSmart Resources, Saint Charles, Ill. 1995.

2 Eine „missionale“ Gemeinde bedeutet zum einen, dass Mission das Grundwesen der Gemeinde darstellt, nicht eine Eigenschaft von vielen (wie z.B. missionarisch). Zum anderen liegt der Akzent darauf, dass man „in die Welt“ hinausgeht bzw. sich in sie hineinbegibt und dort bleibt. Hieran wird insbesondere der Unterschied zu Gemeinden deutlich, die versuchen, durch ein attraktives Angebot andere anzulocken.

3 Weitere Ausführungen findet man in meinem Buch Klein und stark - Minigruppen, C & P Verlag, Emmelsbüll, 2001.

Kapitel 3: Die Zombie-Braut lebt!

Das Christsein ist keine Theorie oder Spekulation, sondern ein Leben; keine Lebensphilosophie, sondern ein Leben und ein lebendiger Prozess.

Samuel Taylor Coleridge

Die Bibel sagt: „Gehe“, aber unsere Kirchengebäude sagen: „Bleibe.“ Die Bibel sagt: „Sucht die Verlorenen“, aber unsere Gemeinden sagen: „Sollen doch die Verlorenen die Kirche suchen.“

Howard Snyder in „The Problem of Wineskins“

In der Bibel schrieb der Prophet Joel: „… eure Greise werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen“ (Joel 3,1). Im Jahr 1991 hatte ich, als ich mich spätabends auf dem Weg ins Bett befand, eine Vision (ich hatte mich noch nicht hingelegt). Seitdem hatte ich keine Visionen mehr, nur Träume. (Wahrscheinlich ist nun auch Gott der Meinung, ich sei alt!) In einem einzigen Moment, schneller als ich denken konnte, war ich vollkommen von diesem Bild eingenommen. Es verschwand so schnell, wie es gekommen war, aber es hat sich für immer und ewig in mein Gedächtnis eingebrannt.

 

Die Vision handelte von einer Braut, die auf einem Sofa lag und so schwach war, dass sie sich nicht einmal aufsetzen konnte. Sie war so krank, dass sie wie tot aussah, wurde jedoch gerade noch so – gegen alle Regeln der natürlichen Welt – auf übernatürliche Weise am Leben erhalten. Es wirkte wie ein schlechter Film über Zombies. Ihre Haut war hellgrün und fiel fast schon von ihrem Gesicht ab. Ihr Kleid war am Zerfallen und voller Staub ganz grau, ihr Haar dünn und ungekämmt. Aber das Erstaunliche war, dass sie ein Lächeln auf ihren Lippen hatte, als würde sie jede Sekunde ihren Bräutigam erwarten.

Rechts neben dem Sofa war ein Fenster mit einem Spitzenvorhang. Auf einmal wurde der Vorhang in das Zimmer hineingeblasen und das Sonnenlicht brach durch. Dann war die Vision zu Ende.

Ich brauchte dafür eigentlich keine Interpretation. Ich wusste, dass dies ein Bild für die heutige Gemeinde in Amerika war: Krank, durch übernatürliche Kräfte am Leben erhalten, aber immer noch im Glauben, sie sei gesund und bereit, Jesus zu begegnen. Es gibt Hoffnung, dass bald ein frischer Wind und Licht einströmen werden.

Durch diese Vision schwirrten in meinem Kopf alle möglichen Gedanken über die Gemeinde als Leib und Braut Christi herum. Ich ging die Treppe hinunter und fing an, meine Gedanken aufzuschreiben. Diese Notizen waren der erste Entwurf zu meinen Ideen über die organische Gemeinde. Lange Zeit behielt ich diese Vision für mich. Zum einen, weil ich mich in meinem eigenen Gemeindeverband nicht sicher fühlte, über solche Themen zu sprechen, aber darüber hinaus hatte ich den Eindruck, dass die Vision für mich bestimmt war, und ich wollte nicht, dass andere dachten, meine Arbeit stütze sich in erster Linie auf eine Vision. Inzwischen bin ich eher geneigt, sie mitzuteilen, da eine gewisse Zeit vergangen ist und die Arbeit sich als erfolgreich erwiesen hat. Die Diagnose der Gemeinde, so wie sie in der Vision enthüllt wurde, ist allerdings immer noch real.

Es scheint mir, als habe die Gemeinde ihre Identität verloren. Sie hat ihre Bestimmung vergessen. Carol Davis, ein guter Freund und Mentor von mir, sagte, die Gemeinde habe ihr Gedächtnis verloren, nicht durch Gedächtnisschwund, sondern eher durch den langsamen Zerfall, wie er für die Alzheimerkrankheit charakteristisch ist. Ein unter Gedächtnisschwund leidender Mensch verliert das Kurzzeitgedächtnis, behält jedoch das grundlegende Wissen um die eigene Identität und kann noch „funktionieren“. Die Alzheimerkrankheit dagegen nimmt einem langsam das Erinnerungsvermögen sowohl daran, wie man funktioniert, als auch wer man ist. Opfer dieser Krankheit vergessen häufig, wer sie sind und worum es in ihrem Leben geht. Sie vergessen, wer ihre nächsten Verwandten sind und glauben teilweise sogar, ihre Familienmitglieder seien Feinde, die einen finsteren Plan hätten, ihnen Böses zuzufügen. Ihr Gehirn wird getäuscht. Im Gegensatz zu jemand, der unter Amnesie leidet, erkennt eine Person mit Alzheimer möglicherweise nicht, dass etwas falsch läuft. In vielen Fällen findet sogar eine Persönlichkeitsveränderung statt. Im fortgeschrittenen Stadium kann der Körper sogar vergessen, wie natürliche Funktionen, beispielsweise die Nahrungsaufnahme, ausgeübt werden. Der Patient stirbt schließlich an Komplikationen in Zusammenhang mit Unterernährung oder Ähnlichem.

Die Gemeinde leidet in vielen Aspekten genauso. Sie erinnert sich nicht mehr an die grundlegenden Wahrheiten über ihre eigene Identität. Gerade die Dinge, die wertvoll sind und uns zu unserem Wohlergehen gegeben sind, werden als unglaubwürdig verworfen. Wie die Braut in meiner Vision, täuscht sie sich in dem Gedanken, dass es ihr gut geht, obwohl sie doch in Wahrheit todkrank ist. Dieser Zustand hat dazu geführt, dass die Gemeinde ihre rechtmäßige Persönlichkeit verloren hat und vergessen hat, wer ihre erste Liebe wirklich ist (vgl. Offb 2,4).

Das Heimtückische am Zustand der Selbsttäuschung ist, dass man sich der Täuschung nicht bewusst ist. Jemand, der sieht, dass sein Hosenladen offensteht, schließt diesen umgehend, man lässt ihn nicht bewusst offenstehen.

Genau diesen Punkt wollte ich einmal mit befreundeten Pastoren auf übertriebene Art und Weise klarmachen. Wir waren alles Männer, und in der lockeren Atmosphäre einer Klausurtagung dachte ich, dass ich sie mal ein wenig auf meine Kosten fordern könne. Ich stand auf, um ihnen etwas zu erzählen, wobei ich absichtlich den Reißverschluss meiner Hose offen gelassen hatte. Vorher hatte ich einen Freund eingeweiht und ihn gebeten, mich aus dieser peinlichen Situation zu befreien, indem er mein Problem vor allen Anwesenden anspräche. Er nutzte die Situation ein weniger länger aus, als ich gehofft hatte, und lächelte mich die ganze Zeit an. Schließlich sagte er: „Ich glaube, es zieht hier“, worauf ich den anderen den Rücken zudrehte, um meinen Reißverschluss zu schließen. An meinem Rücken war ein Zettel mit der Aufschrift „Tritt mich!“ befestigt. Außerdem hing über mein Hinterteil ein langes Stück Toilettenpapier. Alle fingen an zu lachen, aber ich hatte mein Ziel erreicht. Selbsttäuschung ist für alle eine unangenehme Sache – außer für den Getäuschten, weil er oder sie sich der Sache nicht bewusst ist.

Im Gegensatz zur Alzheimerkrankheit gibt es für unser Problem ein Heilmittel. Wir können unser Gedächtnis zurückgewinnen, müssen aber zuerst die falschen Identitäten hinter uns lassen, die wir als die unseren angenommen haben. Erst wenn wir unsere Täuschung erkannt haben, können wir die Wahrheit finden und frei werden. Wir müssen uns an den Großen Arzt wenden, um geheilt zu werden.

In der Bibel gibt es diverse Briefe, die von prominenten Leuten an Gemeinden von damals geschrieben wurden, unter anderem von Paulus, Jakobus, Petrus und Johannes. Es gibt aber noch einen, der an diverse Gemeinden schrieb: Jesus. In Offenbarung 2 und 3 diktiert Jesus sieben Briefe an sieben Gemeinden in Asien. Diese tiefgründigen Briefe zeigen uns, wie Jesus die Nöte, die wir in seiner Gemeinde heute haben, ansprechen würde.

Es gibt sogar einen Brief, der an eine Gemeinde gerichtet ist, die aufgrund einer Täuschung an einem Identitätsverlust litt. Darin beschreibt Jesus nicht nur die Ernsthaftigkeit der Lage einer solchen Gemeinde, sondern verschreibt ihr auch ein Rezept zur Heilung.

Jesus sagt zu der Gemeinde in Laodizea: „Du sagst: Ich bin reich und bin reich geworden und brauche nichts, und weißt nicht, dass du der Elende und bemitleidenswert und arm und blind und bloß bist“ (vgl. Offb 3,17).

Jesus weist diese Gemeinde an: „Sei nun eifrig und tu Buße!“ (Offb 3,19). Das heißt: „Verliere keine Zeit und kehre um, denn es ist dringend.“ In diesem Zusammenhang sprach Jesus die berühmten Worte: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen, und er mit mir“ (Offb 3,20). Lange Zeit hat man diese Worte fälschlicherweise in der Evangelisation benutzt, aber tatsächlich sprach Jesus zu seiner Gemeinde: „Öffne mir und lasse mich ein!“

Er schließt seinen Brief an die Gemeinde in Laodizea mit den Worten: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Offb 3,22). Wir alle täten gut daran, zuzuhören.

Sechs Wahrheiten, die sechs Mythen über die Gemeinde entlarven

Es folgen nun sechs grundlegende Gedanken aus der Schrift, die gängige Zerrbilder über die Gemeinde widerlegen.

1. Die Gemeinde ist ein lebendiger Organismus, keine statische Institution

So wie Gott am Anfang der Zeit Leben in den Menschen hauchte (vgl. 1 Mo 2,7), hauchte er zu Beginn einer neuen Ära auch seiner Gemeinde Leben ein (vgl. Joh 21,21-23; Apg 2). Die Gemeinde lebt; sie ist organisch.

Gottes erstes Gebot an die Menschen hatte nichts mit der Frucht an einem Baum oder der Pflege eines Gartens zu tun. Es war grundlegender und wurde immer wieder bestätigt und nie aufgehoben. Sogar die schlimmsten Sünder befolgten dieses Gebot. Gott sagte: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde“ (1 Mo 1,28; 9,1.7). Den gleichen Auftrag gab er auch der Gemeinde (vgl. Apg 1,8).

Die meisten Gleichnisse und Erläuterungen zum Reich Gottes und der Gemeinde im Neuen Testament benutzen natürliche Bilder, um sie zu bestimmen und zu beschreiben: der Leib, die Braut, die Reben, das Weizenfeld, das Senfkorn, die Familie, die Herde, der Sauerteig, das Salz und das Licht. Wenn im Neuen Testament ein Gebäude als Metapher für die Gemeinde verwendet wird, folgt schnell der Zusatz, dass dieses aus lebendigen Steinen besteht (1 Petr 2,5).

Als Leiter in der Gemeinde wäre es für uns viel besser, von den Bauern zu lernen, als mit dem Vorstandsvorsitzenden einer Firma zu studieren. Wir müssen endlich erkennen, dass die Gemeinde in den Feldern beginnt, nicht in den Scheunen (vgl. Spr 24,27). Wir verbringen so viel Zeit damit, nette Scheunen mit gepolsterten Stühlen, klimatisierten Hallen und den modernsten Soundsystemen zu bauen, dass wir darüber die Felder vernachlässigt haben. Wir sind so dumm wie der Bauer, der eine Scheune baut und dann im Tor steht und alle Früchte aufruft, hereinzukommen und es sich gemütlich zu machen. Es ist an der Zeit, dass die Gemeinde sich die Hände schmutzig macht im Boden des Lebens der verlorenen Menschen.

2. Die Gemeinde ist sehr viel mehr als ein Gebäude

Mindestens viermal lesen wir in der Bibel, dass Gott nicht in Gebäuden wohnt, die von Menschenhand gemacht sind. Die erste Wohnung, die er sich schuf, war sozusagen ein Mobilheim (die Stiftshütte), weil er mit seinen Leuten unterwegs sein wollte. David wollte Gott unbedingt ein beständigeres Haus bauen, erhielt aber nicht die Erlaubnis dafür. Schließlich baute Salomo, Davids Sohn, den ersten Tempel. Bei der Einweihung des Tempels stand Salomo im Schatten des großartigen Gebäudes und sagte: „Ja, sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel können dich nicht fassen; wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe!“ (1 Kö 8,27).

In Jesaja 66,1 steht geschrieben: „So spricht der HERR: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Wo wäre denn das Haus, das ihr mir bauen könntet, und wo denn der Ort meines Ruhesitzes?“

Machen wir einen Sprung zu Apostelgeschichte 7, in der wir eine Schlüsselszene in der Geschichte des Reiches Gottes finden. Im Schatten eines anderen wundersamen Tempels, den König Herodes erst kurz vorher gebaut hatte, um die Juden zu beschwichtigen, verkündigt Stephanus das Evangelium einer Gruppe von jüdischen Leitern. Er geht vor einem aufmerksamen Publikum durch die wichtigsten Ereignisse des Alten Testaments und sagt schließlich: „Aber der Höchste wohnt nicht in Wohnungen, die mit Händen gemacht sind“ (Apg 7,48). Dann zitiert er die oben genannten Worte von Jesaja. Weiter sagt er in Vers 51: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist; wie eure Väter, so auch ihr.“ Als die Menschenmenge das hörte, wurde sie so erregt, dass sie Steine nahmen und – mit dem Segen von Saulus – Stephanus töteten. Dies setzte eine von Gott inszenierte Bewegung, seine Gemeinde durch Verfolgung zu dezentralisieren, in Gang.

Zehn Kapitel weiter predigt Saulus, inzwischen Paulus genannt, in Athen zu den stoischen Philosophen auf dem Marshügel. Es handelt sich hier um ein heidnisches Publikum, dem das Alte Testament weitestgehend unbekannt ist. Nichtsdestotrotz sagt er im Schatten des großen Tempels, dem Pantheon auf der Akropolis: „Der Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, auch wird er nicht von Menschenhänden bedient, als wenn er noch etwas nötig hätte, da er selbst allen Leben und Odem und alles gibt“ (Apg 17,24.25).

Es sieht nicht so aus, als habe Jesus Pläne für Gebäude gehabt. Eines Tages ging er an dem schönem, von Herodes erbauten Tempel vorbei. Seine Jünger waren von diesem Gebäude sehr beeindruckt und dachten bei sich: „Hier wohnt sicher Gott!“ In Markus 13,2 lesen wir: „Und als er aus dem Tempel heraustrat, sagt einer seiner Jünger zu ihm: Lehrer, sieh, was für Steine und was für Gebäude!“ Jesus war nicht beeindruckt. Im nächsten Vers antwortet er mit einer bemerkenswerten Prophetie: „Siehst du diese großen Gebäude? Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen werden wird.“ Tatsächlich zerstörten die Römer 70 n. Chr. den Tempel in einem solchen Ausmaß, dass nicht ein Stein auf dem anderen liegen blieb.

 

Wir sollten festhalten, dass die frühe Kirche in den ersten etwa dreihundert Jahren keine Gebäude besaß. Mein Freund Thom Wolf sagte heutigen Gemeindegründern, sie sollten einen 300-Jahres-Gebäudeplan in ihre Strategie mit einbauen. Er weist sie darauf hin, dass die Gemeinde bis ins vierte Jahrhundert keine Gebäude besaß und trotzdem gut funktionierte, und schlägt vor, die erste Phase des Gebäudeprojektes erst nach dem dreihundertsten Jahr anlaufen zu lassen. Wenn wir wissentlich auch nur den Gedanken an den Bau eines Gebäudes mindestens 300 Jahre lang verwerfen, dann ändert sich etwas in unserem Ansatz. Ich war beeindruckt, dass Rick Warren von der bekannten Saddleback-Gemeinde trotz des unglaublichen Wachstums der Gemeinde fünfzehn Jahre wartete, bis er Land für den Bau des ersten Gebäudes kaufte.1 Stellen Sie sich einen Plan vor, der 300 Jahre in die Zukunft gerichtet ist, bevor die erste Phase eines Gebäudeprojektes beginnt. Wenn man 300 Jahre damit warten kann, ist natürlich klar, dass man letztlich überhaupt keine Gebäude benötigt. Ich denke, wenn wir herausfinden, wie Gemeinde ohne Gebäude funktionieren kann, sind wir besser dran.

Gebäude sind nicht falsch oder unmoralisch. Die Gebäude sind ja nicht das eigentliche Problem. Aber leider gehen wir oft davon aus, dass Gebäude unsere Lebensader sind. Das würde zwar keiner von uns offen zugeben, doch meinen wir einfach, wir bräuchten sie, als hinge unser Gemeindeleben von ihnen ab. Oft besteht eine Gemeinde noch lange nachdem die „Seele“ der Gemeinde bereits verstorben ist weiter, weil das Gebäude die Gemeinde in Gang hält. Dadurch kann ein Gebäude eine Gemeinde künstlich am Leben erhalten.

Man kann sich leicht vorstellen, wie sich acht ergraute Menschen jeden Sonntag in einem alten Gebäude treffen, das eine Million Dollar wert ist und in dem Hunderte von Menschen Platz hätten. Sie erfüllen treu ihre gottesdienstlichen Pflichten und gehen dann nach Hause. Das Gebäude steht dann eine ganze Woche leer, bis dieselben acht Leute wieder kommen … gleiche Zeit, gleicher Ort. Solche Szenen spielen sich in der ganzen westlichen Welt jede Woche von Neuem ab.

Jemand sagte einmal: „Zuerst formen wir unsere Gebäude und dann formen sie uns.“ Nicht nur, dass Gebäude unser Wachstum hemmen, sie schränken auch unser Verständnis des Reiches Gottes ein. Auch unser Denken kann, genauso wie unser Tun, hinter vier Wänden gefangen gehalten werden.

Wir brauchen ja noch nicht mal ein Gebäude, um an dieses Denken gebunden zu sein. Bevor wir CMA gegründet haben, erzählte mein Freund und Kollege Paul Kaak von seiner Reise nach Indien, die er unternommen hatte, um sich persönlich eine Gemeindegründungsbewegung anzusehen. In dem Versuch, alles, was mit Institutionalismus zusammenhängt, zu vermeiden, lehnt es eines der von ihm besuchten Netzwerke ab, eigene Gebäude zu besitzen. Die Gemeinden unterzeichnen sogar einen Vertrag, in dem sie sich dazu verpflichten, keine Immobilien zu besitzen. Wenn sie es doch tun, müssen sie das Netzwerk verlassen. Das ist sehr extrem, doch bin ich mir sicher, dass sie diese Tradition aus den richtigen Gründen begonnen haben.

Allerdings kann man auch ohne Mauern, Büros und Personal ein institutionelles Denken haben. Eine dieser Gemeinden in Indien traf sich oft im Freien. An der Stelle, an der das Treffen stattfand, rollten sie jedes Mal einen Teppich aus. Einer der Leiter berichtete Paul von folgendem Ereignis: Nach dem Gottesdienst rannten eines Tages die Kinder spielend umher; eines der Kinder rannte dabei quer über diesen Teppich. Die Eltern hielten das Kind auf und sagten streng: „Hör auf, in der Kirche herumzurennen!“ Unser Problem hat nichts mit Steinen und Zement zu tun; es befindet sich in unserem Kopf.

3. Die Gemeinde ist nicht an einen speziellen Standort gebunden

Eines heißen, trockenen Tages hatte Jesus eine interessante Unterhaltung mit einer Samariterin. Als sie mitbekam, dass er ein Prophet war, warf sie eine Frage auf, die sie schon ihr Leben lang beschäftigt hatte: „Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet, und ihr [die Juden] sagt, dass in Jerusalem der Ort sei, wo man anbeten müsse.“ Jesus antwortete: „Frau, glaube mir, es kommt die Stunde, da ihr weder auf diesem Berg, noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr betet an, was ihr nicht kennt; wir beten an, was wir kennen, denn das Heil ist aus den Juden. Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahren Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh 4,20-23).

Wir stellen immer die falsche Frage: Wo? Die richtige Frage jedoch lautet: Wen? Wo man betet, ist bei weitem nicht so wichtig wie die Frage, wen man anbetet. Als Jesus die Frau (und auch uns) belehrt, wird deutlich, dass es nicht darum geht, dass man Gott an einem besonderen Ort anbeten und suchen muss; er wartet ja auf uns, wo auch immer wir uns gerade befinden – selbst an einem alten Brunnen außerhalb eines Dorfes der Samariter. Wir arbeiten schwer an unseren sogenannten „sucherfreundlichen Gottesdiensten“, aber die Bibel sagt doch: „… da ist keiner, der Gott sucht … auch nicht einer“ (Röm 3,11-12). Ein echter Gottesdienst für Suchende ist einer, der auf den Vater ausgerichtet ist, der seine Anbeter in Geist und Wahrheit sucht. Er allein ist der „Suchende“. Er will uns finden, und wir sind es, nach denen er sich von Herzen sehnt.

4. Die Gemeinde ist viel mehr als ein einstündiger Gottesdienst, der einmal die Woche gehalten wird

Das einzige Mal, dass Anbetung und Gottesdienst in der Bibel gemeinsam vorkommen, hat nichts mit Soundsystemen, Sitzbänken, Predigten oder Lobpreisbands zu tun. Es geht stattdessen darum, dass Jesu Leben ständig in uns zum Ausdruck kommt – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. In Römer 12,1-2 schreibt Paulus, dass wir unseren Körper als seinen Tempel darbieten sollen. Er schreibt: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, was euer vernünftiger Gottesdienst ist. Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, dass ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

Es ist bemerkenswert, welche Ressourcen, Energie und Zeit in einen Gottesdienst, der nur einmal die Woche gehalten wird, investiert werden. Man möchte meinen, dass bei der Wichtigkeit, die diesem Ereignis beigemessen wird, es konsequenterweise zahlreiche biblische Anweisungen geben müsse, um sicherzustellen, dass auch alles richtig ausgeführt wird. Aber die Suche nach derartigen Geboten oder Anordnungen bleibt im gesamten Neuen Testament ohne Erfolg. Stattdessen findet man Verse, Kapitel und ganze Bücher, die davon handeln, wie wir als geistliche Familie miteinander leben sollen. Man findet Gebote und Anordnungen, dass wir dienen und anbeten sollen, aber nicht nur an einem Tag der Woche. Wie kommt es, dass wir uns so weit von den einfachen und klaren Prioritäten der Bibel entfernt haben?

William Law war ein englischer Autor und Mystiker des 18. Jahrhunderts. Er hinterließ einen starken Eindruck bei John Wesley und der Gemeindegründungsbewegung der Methodisten. Law machte schon vor vielen Jahren folgende Beobachtung, die ein Schlag ins Gesicht seiner Zeitgenossen war, aber immer noch aktuell ist: „Es ist klar zu sehen, dass wir im gesamten Evangelium kein einziges Gebot in Bezug auf einen öffentlichen Gottesdienst finden können; es handelt sich also wahrscheinlich um eine Gepflogenheit, auf die die Bibel kaum Wert legt. Dass wir regelmäßig einen solchen Gottesdienst besuchen sollen, wird in der Bibel nie erwähnt, während die Frömmigkeit und Hingabe, die unser normales Handeln im Alltag bestimmen sollen, fast in jedem Vers der Bibel zu finden sind. Unser gesegneter Herr und seine Apostel beschäftigten sich nur mit solchen Dinge, die mit dem alltäglichen Leben zu tun haben.“2

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