Midnight Dates: Lust & Schmerz

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Kapitel 2 – Keine Regeln

Nach einer heißen Dusche, ein paar Stunden Schlaf und einer warmen Mahlzeit, fühlte ich mich augenblicklich besser. Ich trug einen schwarzen Hosenanzug mit weißer Bluse, hatte mir meine blonden Haare hinter dem Kopf zusammengebunden und den Hauch von Make-Up aufgelegt.

Da mir aber die Decke in meinem kleinen Apartment, im nördlichen Ende von Brooklyn, auf den Kopf fiel und meine Kater Gremling auch schon versorgt war, entschied ich mich dazu, die Akte von Andrew Scamander durchzuarbeiten.

Dieser Mann weckte mein Interesse.

Früher war er ein Junge, dessen Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen und sich die meiste Zeit seines Daseins alleine rumschlagen musste. Er übernahm die Firmen der Eltern mit 14, führte sie zu nicht gekannten Ruhm und ließ sich gleichzeitig in Krisengebieten der Welt fotografieren. Es folgten Eliteschulen in Paris, Harvard und schließlich noch zwei Jahre, an denen Andrew völlig von der Bildfläche verschwunden war.

Er war ein Mysterium, das so wenig mit der Presse redete, als ob jedes Wort seine geheime Identität als Superheld aufdecken könnte. Ein verschwiegener Kerl, was ihn natürlich zur Zielscheibe von allerlei Spekulationen machte.

Die Klatschpresse zerriss ihn als Schurken, von dem man nicht wusste, wie er sein Geld machte und mit Despoten in aller Welt verhandelte. Andere wiederrum mutmaßten, dass er als Spin-Doctor und Berater für wichtige Politiker tätig war.

Nachdem ich die dünne Akte bearbeitet hatte, kam mein pechschwarzer Gremling durchs offene Fenster des vierten Stocks hinein und kuschelte sich zu mir auf die Couch. Es musste mittlerweile fast 10 PM sein. Die Nacht hatte ihr dunkles Tuch über die Stadt geworfen. In der Ferne konnte man einige Wolkenkratzer erkennen und das Lichterspiel, welches Nacht für Nacht der Finsternis trotzte. Genau wie Gremling und ich, war auch Andrew Scamander ein Nachtmensch. Ob er jetzt noch arbeitete?

Seitdem ich mich erinnern konnte, war es schon immer die Dunkelheit, welche mir am meisten lag. Meine Eltern kamen aus Kansas und arbeiteten nachts im Schichtdienst. Immer, wenn ich die beiden sehen wollte, musste ich wach bleiben und mich nachts alleine beschäftigen. Die Dunkelheit war mein Freund. So war es in der Highschool und so auch im Studium. Wenn andere auf Partys gingen, musste ich mit Jobs Geld verdienen oder lernte in der Bibliothek. Andrew Scamander schien ein ähnlicher Mensch zu sein. Nur, dass er Millionen hatte und mehrere Firmen sein eigen nannte.

Noch einmal sah ich auf die Uhr.

„Wo du immer bist, ist mir ein Rätsel“, hauchte ich und gab Gremling ein paar Drops. Dabei sah ich auf die Akte. „Und wo wir gerade bei Rätsels sind …“

Vielleicht brauchte ich einfach eine Ablenkung von den krachenden Niederlagen der letzten Tage. Ich gab meinem Kater einen Kuss, nahm die Autoschlüssel und erhob mich.

Wir hatten noch nicht einmal Mitternacht … die Nacht war also noch jung.

***

„Hat sie mich auf den Arm genommen?“, flüsterte ich leise zu mir selbst und drehte mich in alle Richtungen.

Noch einmal überprüfte ich die hastig hin gekritzelte Adresse. Tatsächlich war im Firmenhauptsitz von „Scamander Industries“ noch jemand und tatsächlich schlich sich ein leichtes Klingeln in mein Ohr, als die junge Dame behauptete, nicht zu wissen, wo Andrew Scamander verweilte.

Also wedelte ich mit der Akte, faselte etwas von einem Durchsuchungsbeschluss und deutete an, dass Beihilfe zu Straftaten nicht unter drei Jahren bestraft werden könnte. Es tat mir wirklich leid, als die junge Frau einbrach, mit den Tränen kämpfte und mir schließlich die Adresse aufschrieb, zu der ihm der Chauffeur jeden Samstag brachte.

Ich würde mich definitiv für sie einsetzen, falls Scamander sie feuern sollte. Andererseits war diese Stadt ein Haifischbecken und jeder wollte irgendwie überleben. Trotzdem - versuchen musste ich es.

Ich staunte nicht schlecht, als mich das Navigationsgerät zu einem stilgelegen U-Bahnhof im östlichen Teil von Harlem manövrierte. Der Stadtteil, der früher einmal Little Africa hieß und vor Jahrzehnten von den Italienerin übernommen würde, war mittlerweile einer der teuersten der Stadt. Überall schossen neue Hochhäuser aus dem Boden, die Grundstückspreise explodierten und nur dort, wo die wenigen Bewohner wiederstand gegen die großen Firmen leisteten, ließen die Mieter die Häuser verfallen.

So wie hier.

Das Rauschen des Harlem Rivers drang mir an die Ohren. Von der Seeseite wehte ein salziger Geruch in die Stadt und vermischte sich mit dem Smog zu einer ganz eigenen Komposition. Heißer Nebel stieg von den Abgasrohren auf, als ich die Treppe der U-Bahn herunterschritt und meine Taschenlampe anknipste.

Hatte die Sekretärin mich etwa wirklich auf den Arm genommen? War es vielleicht sogar die Strategie des Andrew Scamander, unliebsamen Besuch auf solche Weise in die Irre zu führen? Langsam wurde der Typ noch interessanter, als er ohnehin schon war.

Ohne zu nachdenken, dass mein nächtlicher Einsatz von Erfolg gekrönt sein könnte, schlich ich weiter die Treppen herab. Viele sagten, dass es mehrerer, andere U-Bahn-Netze, unter dem eigentlichen Gleisen gäbe. Notfallbahnen, früherer Versuche von Firmen, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert reichten. New York war eine Stadt der Extreme, aber auch mit einer Geschichte, die viele überraschte. Jeder Schritt, jeder Atemzug sprühte vor Historie.

So kam es mir auch vor, als ich den Bahnsteig betrat. Die Absperrgitter hatte jemand beiseite gerissen. Werbeplakate von Firmen, die längst nicht mehr existierten, brannten sich in meinen Geist. Zeitungen, Schlafsäcke und Spritzen lagen überall auf dem Boden verteilt.

Ein ganz normaler Unterschlupf für jene, die nicht viel Glück im Leben hatten, dachte ich mir und wollte gerade umkehren, als mir der Schein von Flammen auffiel. Zuckende Silhouetten tanzten am anderen Ende der Schachts, aus dem normalerweise die U-Bahn erscheinen sollte, um die Menschen zur Arbeit oder nach Hause zu bringen.

Das rötliche Orange flackerte kurz auf und war dann wieder verschwunden. Selbst im September war es hier noch ausnehmend warm, als ob hinter den Wänden die Heizungen auf Hochtouren arbeiten würden.

Ich näherte mich langsam und erkannte bei jedem Schritt, dass Rufe und Schreie lauter wurden. Sicherheitshalber knipste ich meine Taschenlampe aus, steckte sie weg und legte meine Hand auf den Griff meiner Pistole.

Umso näher ich kam, desto lauter wurden die Stimmen. Der Boden knirschte unter meinen Füßen, als ich den Gleisen in den Tunnel folgte und dem Licht nachging, wie eine Motte.

Als ich um die Ecke bog, erkannte ich zuerst hell loderndes Feuer aus Tonnen. Es mussten fünf oder sechs sein, die hier aufgestellt wurden. Eine Menschenmenge aus circa 30 Personen feuerte zwei Männern an, welche mit erhobenen Fäusten und verschwitzen Körpern aufeinander losgingen.

Jedermann war hier vertreten. Der Punk schrie neben dem Mann im Anzug, flankiert von zwei Damen in Jeans. Dazu drei Bauarbeiter, etliche Chinesen mit breitem Grinsen, Obdachlose, die sichtlich Spaß hatten und ganz normale Menschen, die ich im wahren Leben, oberhalb der Tunnel, niemals wahrgenommen hätte. Sie alle bildeten eine atmende, pulsierende Masse, die sich kaum mehr unterscheiden ließ.

Ein wahres Tollhaus, eine Parallelwelt, welches ohne jedwede Regeln auszukommen schien. Meine Finger glitten von der Waffe, als ich mich näherte. Im Kreis der Anwesenden konnte ich einen Hünen erkennen. Blond, mit Vollbart bis zur Brust und Tätowierungen, welche alleine schon Angst machten. Er kämpfte gegen …

Meine Augen weiteten sich. Beinahe hätte ich den Mann nicht erkannt, welcher aus der Nase blutete und ein geschwollenes Auge sein eigen nannte. Vollgeschwitzt und mit konzentriertem Blick grinste Andrew Scamander den Mann an.

Er tänzelte wie eine Tier, das nur darauf wartete, zuzuschlagen. Seine Muskeln spielten unter seiner Haut, die Haare klebten auf seiner Stirn. Er duckte sich, schlug dem Typen zwei Harken in die Nieren und musste seinerseits drei Schläge einstecken.

Für einen Moment sackte er zusammen, während der blonde Hüne jubilierte und sich vom Publikum anfeuern ließ. Ein Mann mit Hut nahm weiterer Wetten an und wedelte mit unzähligen Dollar-Noten umher.

Im Schein des Feuers glänzte seine Haut rötlich. Aus den Gesten und Bewegungen der Menschen erkannte ich, dass sie Scamander abschrieben, jedoch lachte dieser nur und zwinkerte den Obdachlosen zu. Sie reckten ihre Hände in die Höhe, als wussten sie, was gleich kommen würde.

Scamander erhob sich, atmete durch. Sein massiver Brustkorb hob und senkte sich. Er zog sich die blutigen Bandagen an seinen Händen zurecht und wartete, bis der blonde Riese seine Jubelorgie hinter sich gebracht hatte.

„Bereit?“ Die tiefe Stimme des Mannes drang mühelos an meine Ohren.

Der Hüne nickte und hob die Fäuste.

Für eine Sekunde wurde ich das Gefühl nicht los, dass Scamander nicht menschliche Kräfte entfesselte. Er schoss auf den Mann los, versetzte ihm zwei Schläge, bis er seine Deckung sinken ließ. Mit dem Knie und einem gezielten Haken, schickte er den Mann schließlich auf den kalten Beton.

Die Menge hielt einen Moment inne und jubilierte schließlich.

Scamander hob die Hand zum Sieg und während ich mich näher an ihn heran wagte, half er dem blonden Kontrahenten auf die Beine. Schließlich setzte er sich hin, redete mit diesem oder jenen Zuschauer und nahm sein Geld vom Buchmacher mit dem Hut entgegen.

Ich wartete, bis sich die Menge auflöste und Scamander auf einer alten Bank im Flackerlicht der Flammen Platz nahm. Seinen Durst vertrieb er mit Wasser und Whiskey.

 

„Andrew Scamander, nehme ich an?“ Ich wusste die Antwort, wollte mich aber nicht gleich als Cop zu erkennen geben. Marke und Pistole verstaute ich so gut es ging.

„Nie gehört“, antwortete der Mann. „Wären sie so freundlich?“ Er hielt mir Desinfektionsspray und frische Bandagen unter die Nase. „Einfach mal kurz einsprühen, der Rest heilt von allein.“

Ich beäugte ihn von oben bis unten. Zwei Rippen waren blau, das Auge zugeschwollen, mehrere Cuts zierten sein Gesicht, die Nase blutete und auch sonst wirkte sein durchtrainierter Körper mehr als mitgenommen. „Vielleicht wäre ein Besuch im Krankenhaus die bessere Lösung?“

Amüsiert schüttelte er mit dem Kopf und nippte an seiner Whiskey-Flasche. „Glauben Sie mir, ich habe schon schlimmere Wunden selbst geflickt.“

„Oh, schön, dass typisch männliche Ego.“ Ich nahm das Spray, versorgte seine Wunden und verband einige Blessuren.

Er schien nicht das geringste Problem damit zu haben, dass eine wildfremde Frau, nicht gerade geschickt, über seine schweißnasse Haut fuhr. Während ich mich an die Arbeit machte, redete er mit den Obdachlosen.

Jedoch nicht, wie die meisten Menschen das taten, sondern als Gleichgestellte, beinahe gute Bekannte. Er drückte ihnen das Bündel Geld in die Hand.

„Vielen Dank, dass wir euren Platz wieder nutzen durften.“

„Du würdest ihn auch umsonst bekommen, Andy“, antwortete ein älterer Herr mit Pudelmütze, Vollbart und mehreren Lagen an Kleidung. „Außerdem scheint dir der Platz hier Glück zu bringen.“

„Das ist nicht der Platz, dass seid ihr!“

Gemeinsam wurde gelacht und aus einer Flasche Whiskey getrunken. Alleine beim Anblick wurde mir schon ein wenig übel, aber ihm schien das nicht im Geringsten zu interessieren. Als die Obdachlosen sich verabschiedeten und wir alleine im U-Bahn-Tunnel zurückblieben, hatte ich die meisten seiner Wunden versorgt.

„Ich dachte, Sie sind nicht Andrew Scamander?“

„Kommt auf den Menschen an, der fragt.“ Er lächelte mir verschmitzt zu.

Zärtlich streichelte ich über seinen Rücken, massierte das Spray ein und bemerkte, wie ein Kloß sich langsam meinen Hals hochdrückte. Wie lange war das her, seitdem ich einen Mann so berührte?

Gott, ich musste dringend mal wieder raus.

Er drehte sich und fixierte mich mit seinen Augen, als würde er in meiner Seele lesen wollen. „Und gerade fragt mich eine Polizistin. Habe ich recht?“

Ich sah an mir herab. So ein Mist!

Pistole und Dienstmarke waren einfach zu gut unter dem Blazer zu erkennen. Zumindest für ein geübtes Auge, war es ein leichtes, das zu sehen.

„Ich nehme nicht an, dass Sie mich verhaften wollen?“

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nur ein Gespräch, ganz unter uns.“

„Dann sollte ich wohl lieber meine 5th Avenue-Anwälte anrufen“, antwortete er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

So war das mit erfolgreichen und reichen Menschen – die meisten waren so von sich überzeugt, dass sie auf perverse Art nur noch reicher und erfolgreicher wurden. Ein Paradoxon des Universums, könnte man meinen. Doch eine innere Stimme schrie mich mit jeder Sekunde ein wenig mehr an, dass er anders sein könnte.

„Wie wäre es mit einem Drink und wir lassen die Anwälte beiseite?“, schlug ich vor, in der Hoffnung, dass er einem weiteren Problem der Reichen und Mächtigen anheimgefallen war – der puren Langeweile.

Andrew Scamander erhob sich. Die Muskeln glänzten, als er tief einatmete. Er stand in schweren Schuhen und nur mit einer Hose bekleidet vor mir. „Sie laden mich zum Drink ein?“, wollte er wissen und näherte sich.

Himmel, was für ein arroganter Typ, dachte ich mir, als uns nur noch wenige Zentimeter trennten. Ich konnte die Hitze seiner pulsierenden Haut spüren und erkannte jede Schweißperle, die sich windend einen Weg seine Stirn herab suchte.

„Warum nicht?“, antworte ich schließlich. „Es sei denn, Sie haben heute Abend noch mehr Kämpfe auszufechten.“

Ohne eine weitere Sekunden zu überlegen, setzte ich mich breitestes Grinsen auf und kam nun meinerseits ein Stück näher.

Auch er lehnte sich nach vorne, als ob er mich küssen wollte, wich im letzten Moment aus und hob seinen grauen Mantel hoch. Lässig schwang er sich in das Kleidungstück. „Ich weiß nicht einmal Ihren Namen.“

„Detectiv Lisa Caulfied.“ Ich schüttelte seine Hand. „Nennen Sie mich Detectiv.“

„Nein.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Wenn wir etwas trinken gehen, werde ich dich Lisa nennen.“

Ich hasste diesen Balanceakt zwischen Professionalität und persönlichem Gehabe. Das hatte ich leider schon viel zu oft erlebt. Dieses männliche - wer kann am weitesten pissen - war mir alles andere als fremd. Die Polizeischule war nichts anderes, als ein Stahlgewitter, in dem man abgehärtet wurde.

„Gut“, ich drückte seine Hand noch fester. „Also, wo soll es hingehen, Andrew?“

Er drehte sich so schnell, dass sein Mantel um ihn wehte. „Ich kenne ein schönes Lokal, was rund um die Uhr geöffnet hat“, entgegnete er bereits während er ging.

„Ein Fast-Food-Restaurant? Für etwas so feines bin ich gar nicht angezogen.“ Meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.

Obwohl ich mich beeilen musste, während ich ihn verfolgte, konnte ich erkennen, dass er lächelte. „So etwas in der Art.“ Andrew beeilte sich, nahm die Treppe nach oben und schritt in die nächste Seitenstraße.

Dort wartete eine Limousine auf ihn. Kaum war er eingestiegen, begrüßte er den Fahrer durch das Trennfenster mit Handschlag, flüsterte ihm etwas zu und lehnte sich schließlich entspannt zurück, während ich immer noch in die offene Tür starrte.

„Na, was ist los, Detectiv? Haben deine Eltern dir verboten in fremde Wagen einzusteigen?“ Er zuckte mit den Schultern, hatte die Tür bereits in der Hand und wollte sie schließen. „Wenn das so ist …“

„… nein, warte!“ Schnell war ich eingestiegen und atmete den Duft von teurem Leder ein.

Andrew hatte bereits eine weitere Flasche Whiskey in der Hand und füllte zwei Gläser. Er ließ Eiswürfel in die Flüssigkeit sinken und gab mir ein Glas. Noch bevor ich reagieren konnte, stieß er mit mir an. „Also, was kann ich diesmal für das NYPD tun?“

„Diesmal?“ Ich wurde hellhörig „Was gab es denn beim letzten Mal?“

Er sah erst in das Glas, dann blickte er gedankenverloren nach draußen. „Wenn man bestimmten Leuten vor den Karren pinkelt, gibt es immer welche, die einen Fallen sehen wollen.“ Dann fixierte er mich. „Besonders, wenn es ums Geld geht.“

„Und du hast dich mit den falschen Leuten angelegt?“

„Nein“, hauchte er, als wäre er äußerst stolz darauf. „Genau mit den richtigen Ärschen, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen und richtig Dreck am Stecken haben.“ Er nahm einen großen Schluck. „Dabei meine ich nicht den üblichen Mist, den jede Firma über legale Steuertricks spart, sondern die richtig großen Dinger.“

Ich lehnte mich nach vorne. „Und die wären?“

Gerade als ich den Satz beendet hatte, kam der Wagen zum Stehen. Mir fiel auf, dass Andrew sich nicht im Geringsten die Mühe machte, sich etwas anzuziehen. Als ich aus dem Fenster sah, erkannte ich, dass wir unter einer Brücke parkten.

Was zum Teufel war hier los, verdammt?

Er öffnete alleine die Tür, stieg aus und ging schweigend in Richtung eines Eisentores, welches unter der Brücke eingelassen wurde. Mit der Faust hämmerte er mehrmals davor. Unsicher sah ich mich um. Niemand war hier zugegen.

Ich erschreckte mich kurz, als der Sichtschutz vom Eisentor geschoben wurde und uns aus der Dunkelheit zwei Augenpaare anfunkelten.

Nur einen Herzschlag, dann wurde der Sichtschutz auch wieder geschlossen und die Tür geöffnet.

„Was ist mit der?“, wollte eine tiefe Stimme aus der Finsternis wissen.

„Sie ist ein Cop“, fügte eine andere, weibliche hinzu.

Andrew trat ein. „Die ist in Ordnung. Ich sage euch, wann ihr sie auf die Straße werfen könnt.“

Was für ein beruhigendes Gefühl! Und verdammt, ich musste meine Dienstwaffe besser verstecken!

Endlich konnte ich zwei riesige Kerle und eine nicht minder riesige Frau ausmachen, die mich mit kühlen Augen anstarrten. Ich quetsche mich an ihnen vorbei. Leder, Lack, gefärbte Haare, Ohr- und Nasenringe, Muskeln überall.

Kein Zweifel – das Trio wollte alleine mit ihrem Auftreten Angst und Schrecken in die Glieder ihrer Feinde jagen. Zumindest bei mir funktionierte das hervorragend. Und das obwohl ich Waffe und Ausweis unter dem Blazer trug.

Schnell huschte ich an den drei Schränken vorbei und fand Andrew an der Bar sitzend wieder. Er feixte mit dem Kellner, der ihm ein Unterhemd gab. Schnell warf Andrew sich dieses über, deutete auf mich und schon stand ein weiterer Whiskey neben seinem. Erst als ich mich setzte, konnte ich die Eindrücke etwas auf mich wirken lassen.

Es waren gerade einmal zwei Räume, welche vom Zigarrenqualm durchschwängert waren. Rotes Samt und blaues Satin waren die vorherrschenden Farben. Alles hier wirkte kitschig und doch passend ausgesucht. Diese kleine Kneipe mitten in einer Brücke musste früher einmal ein Wartungsraum gewesen sein. Nun standen die erlesensten Getränke hinter dem Tresen und Menschen lachten, johlten und genossen an diesem Ort die Abgeschiedenheit der Nacht.

Frauen trugen Abendkleider oder waren interessant tätowiert. Männer Netzhemden oder Anzüge. Ein bunt zusammen gewürfelter Haufen von Typen, die entweder Macht hatten oder cool genug waren, um hierhin zu gehören.

Ich gehörte zu keine der beiden Kategorien.

„Wie beißt der Laden?“, wollte ich wissen.

Andrew sah sich um. „Er hat keinen Namen. Und das ist auch gut so.“

Danach folgte Schweigen. Gut, wenn er es so wollte.„Wir haben ein paar Unregelmäßigkeiten entdeckt“, gab ich zu bedenken, wobei mir klar war, dass ich mich gerade ziemlich aus dem Fenster lehnte.

„Ach ja?“ Andrew ließ sich nicht aus der Reserve locken.

„Von einer anonymen Quelle“, fügte ich hinzu. „Jemand scheint dir schaden zu wollen.“

Er lachte auf, stieß mit mir an und musterte mich mit diesen stahlgrauen Augen. Diesmal hielt ich seinem Blick stand. „Das kann schon sein.“ Andrew goss den Whiskey in sich hinein. „Um ganz ehrlich zu sein, würde es mich sehr wundern, wenn ich nicht im Fadenkreuz von diesem Typen landen würde.“

„Diesen Typen?“

Er winkte ab, hatte scheinbar das Interesse am Gespräch verloren und starrte auf den Fernseher oben in der Ecke. „Hey Matt, kannst du das Mal lauter stellen?“

Auch ich sah hoch. Während wie von unsichtbarer Hand die Balken der Lautsprecherboxen auf der Mattscheibe nach rechts wanderten, konnte man plötzlich die fordernde Stimme der Nachrichtensprecherin hören.

„… laut neuesten Erkenntnissen ist das Video echt. Die beiden jungen Männer Charles Thommsen und Richard DuBond sind enge Freunde des erst gestern entlasteten James Earling III. Wir sehen hier Videoausschnitte der beiden, in der sie die Tat zugeben.“

Tatsächlich konnte man in den nächsten Sekunden die beiden Milchbubis erkennen. Mit leerem Blick sahen sie in die Linse und sprachen mit dünner Stimme:

„Alle Anschuldigungen gegen James Earling III. und seine Familie sind wahr. Er versorgte das ganze College mit Drogen und auch die Gerüchte wegen Tiffany stimmen.“

Die Menge hinter mir jubilierte. Anscheinend hatte der gute James hier nicht wirklich Freunde. Auch Andrew konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Noch einmal wiederholten die Jungs ihre Worte:

„Alles ist wahr, auch wenn es keine Ermittlungen mehr gegen ihn gibt.“

Mehr musste ich gar nicht hören. Mit offenem Mund starrte ich in Richtung des Fernsehers. Wochen hatte ich versucht die beiden zu verhören, doch das einzige, was ich erreichte, war kurze Statements ihrer Anwälte zu bekommen. Auch Tiffany, das vermeidliche Opfer und all die anderen Mädels wollte ich unbedingt sprechen. Doch sie war verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Angeblich hatte sie ihr Studium in Europa fortgesetzt. Von wem diese gesponsert wurde, war allen Beteiligten mehr als klar.

Es hätte eine, eine einzige Aussage gereicht, um den Prozess gegen James Earling III. zu starten. Aber plötzlich waren alle verschwunden. Einige Mädels bekamen auf heiterem Himmel Eliteplätze auf Unis in Europa. Andere gaben ihm sogar ein Alibi und fuhren plötzlich dicke Autos.

 

Und jetzt?

Als wollte das Schicksal mich verarschen, sagen die beiden besten Freunde des Jungen im Fernsehen aus.

„Das gibt es doch nicht.“

„Mh, wird sich vielleicht strafmildernd auswirken“, stellte Andrew fest und ließ sich nachgießen.

Auch ich trank. „Du denkst doch nicht, dass die beiden das freiwillig getan haben?“ Noch einmal verfestigte ich meinen Blick. „Sie dir an, wie sie in die Kamera gucken. Die beiden sind total verängstigt.“

„Kann sein“, wiegelte er ab. „Auch wenn die beiden ihre Aussage wiederrufen, so wird es unter Umständen doch für eine Ermittlung reichen.“ Er sah mich an. „Ihre Chance, Detectiv.“

Ich nickte, malte mir schon aus, dass ich tatsächlich Chancen hätte, bis eine Überlegung mich stocken ließ. Ich lehnte mich auf die Bar. „Woher wusstest du, dass ich mit dem Fall betraut bin.“

Seine Augen wanderten über meinen Körper. Wieder kam er nah heran. „Ich kann Zeitungen lesen.“ Er sah auf die Uhr. „Jetzt ist es kurz vor Mitternacht. Ich bin mir sicher, Charles Thommsen und Richard DuBond werden bald einen sehr langen Urlaub in Japan oder Frankreich oder am Ende der Welt verbringen. Wenn du dich beeilst, vielleicht kannst du sie noch festsetzen. Immerhin haben die Jungs sich selbst belastet und niemand kennt den Fall besser als du.“ Er streichelte mir über die Wange. Trotz der anderen Gerüche und der Kämpfe, die er bestritten hatte, war noch immer eine Nuance eines herben Parfüms zu riechen.

„Du bist gut informiert“, wisperte ich.

Behutsam glitt seine mit Bandagen eingewickelte Hand über meine Haare. „Ich bin nur ein besorgter Bürger. Wenn du Fragen hast – gegen Mitternacht bin ich öfter hier.“

Unsere Lippen trennten nur wenige Zentimeter. War es der Alkohol oder Aussicht doch noch Erfolg zu haben? Gleichgültig.

Irgendwas ließ meinen Verstand aussetzen. Dieser Typ lachte wie ein Wolf, der mit einem Schaf spielte. Seine Zähne blitzen auf, als er seinen Kopf zur Seite lehnte.

Ich würde ihn ausnutzen müssen, um ihm jede Information zu entlocken, die für uns wichtig war. Seine eigene Arroganz war ihm im Weg und die Gewissheit, dass er jede Frau bekommen könnte. Gut so, dass machte es für mich einfacher. Und doch wurden meine Knie weich.

Es benötigte ein wenig Anstrengung, bis ich mein Gesicht wegziehen konnte. Mit großen Schritten schnellte ich zur Tür. „Danke, für die Drinks.“

Er hob das Glas. „Sehr gerne, Lisa. Jederzeit wieder.“

„Und Andrew?

„Mh?“

„Bitte verlass im Moment die Stadt nicht. Nur, falls das NYPD noch ein paar Fragen an dich hat.“

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