Star-Steamer

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Star-Steamer
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Michael Schenk



Star-Steamer



Mit Volldampf durchs Weltall





Dieses ebook wurde erstellt bei






Inhaltsverzeichnis





Titel







Prolog







Im Nebel







Das Dampf-Motorrad-Rennen







Beim Lord-Admiral







Eugenius McDenglot







Der Brennstoff Britanniens







Eine unangenehme Nachricht







Audienz bei Viktoria II.







Das Dampf-Luftschiff und eine geheime Mission







Mit dem Dampf-Schlepper im Asteroiden-Gürtel







Planung und Probleme







Im Gentlemen´s Club







Captain der „Star-Steamer“







Einmal ein Royal Marine – Immer ein Royal Marine







Die Dampf-Schrauber







Lösungen und eine Mannschaft







Geschäftliche Geheimnisse







Die „Star-Steamer“







Im Schloss von Versailles







Zollinspektion







Eine unheimliche Beobachtung







Wieder in der Navy Ihrer Brittanischen Majestät, Viktoria II.







Im Meteoriten-Hagel







Differenzen und ein Unfall an Bord







Des Kaisers Schiff







Der erste Tote







Auf Hauke 27







Immer unter Dampf und eine grausame Entdeckung







Kapitän Yoshida Tanaka







Heimtückischer Angriff







Bei den Maulwürfen von Hauke 27







Überlegungen







Das gläserne Schiff







Landgang auf Hauke 27







Der Konstabler







Warten auf Nachrichten







Ein Preuße und seine Nadel







Ein Wolf im Schafspelz







Einigkeit







Die List







Zweimal „Fuji Maru“







Feindkontakt







Banzai







An Bord der „Orion Nigra“







Von Ehre und Bushido







Der Köder







Plan zur Vernichtung







Von Krachledernen und Dampf-Besen







Gnadenlos







Den Feind geentert







Fragen und Antworten







Konsequenzen







Der Verräter







Gerechtigkeit







Ausklang







Impressum neobooks







Prolog











Star-Steamer







- Mit Volldampf durchs Weltall -











Steampunk – Science Fiction



von



Michael H. Schenk



© M. Schenk 2018












Die Ölkriege und die Wasseraufstände der vergangenen Jahre waren endlich vorbei, und ihre Auswirkungen hatten das politische Antlitz der Erde ebenso dramatisch beeinflusst, wie die Veränderungen der Klimazonen. Energie war zu einer knappen Ressource geworden. Das europäische Festland stöhnte unter Treibhausklima und Monsun, die nördlichen Staaten wurden hingegen aus gutem Grund als „Nebelländer“ bezeichnet. Die Hoffnung auf die Nutzung der riesigen Solarkraftanlagen in Afrika hatte sich zerschlagen. Sie befanden sich fest im Besitz der Warlords und den europäischen Staaten blieb nur die Wahl, sich ausbeuten zu lassen oder neue Wege der Energiegewinnung zu gehen. Die Nutzung der Dampfkraft wurde zum Fundament jeglicher Zivilisation.



Kaum berechenbare Elektrostürme schränkten die Nutzung von Kommunikationseinrichtungen dramatisch ein und das weltweite Internet war aufgrund des nicht zu behebenden Virenbefalls endgültig abgeschaltet worden. Nur wenige Computer arbeiteten noch, streng abgeschirmt von der Außenwelt und jeglicher externer Verbindung. Mechanische Rechengeräte ersetzten die elektronische Datenverarbeitung und das globalisierte Wirtschaftssystem war zusammengebrochen. Soziale Unruhen und Aufstände fegten alte Regierungen und Nationen hinweg. Manche verschwanden für immer von der politischen Landkarte oder wurden von anderen aufgesogen.



Das kleine Königreich von Britannien war noch immer eine Insel oder vielmehr ein Verbund von Inseln, und dies hatte dazu geführt, dass seine Monarchie die Zeiten der Unruhe weit besser überstand, als die Staaten auf dem europäischen Festland. England war noch immer England und wie so oft stand das Schicksal des Inselreiches auf des Messers Schneide.



Kaiser Napoleon III. hatte seine Regimenter zum Siegeszug durch Europa geführt. Französische Dampfpanzerbataillone patrouillierten mit polnischen Ulanen an der russischen Grenze. Bayern nutzte die Gelegenheit, verbündete sich mit dem Franzosenkaiser, und vertrieb mit dessen Hilfe die verhassten Preußen aus Berlin. Viele von diesen waren ist in die Nebelländer geflohen. Nebelländer wie das Königreich England, welches sich wieder einmal einer überwältigenden Übermacht gegenüber sah.



Während Napoleons Truppen mit den bayerischen Elitedivisionen der „Krachledernen“ an der Atlantikküste standen, musste Britannien um sein Überleben fürchten. Noch herrschte ein unsicherer Friede, doch jeder spürte, dass der Krieg unausweichlich schien.



Drei Dinge würden über Englands Schicksal bestimmen – Die Royal Navy, der englische Nebel und die Effektivität britischen Dampfes.







Im Nebel




Es war der typische englische Nebel, der über dem Inselreich lag. Er schien das Meer und Britannien in eine Schicht dichter Watte zu hüllen. Eine undurchdringlich scheinende Lage weißen Dunstes, die in zwanzig Metern Höhe abrupt endete und über der sich die Umrisse der schottischen Küste in sternklarer Nacht erhoben. Die Nebelbank ragte weit auf das Wasser hinaus, bevor sie sich, überraschend schnell, auflöste und den Blick auf das Meer freigab. Der Nordatlantik war überraschend ruhig. Eine Seltenheit in den Gewässern vor den zerklüfteten Inseln der Hybriden.



Auf dem Nebel schien ein merkwürdiger Gegenstand zu schwimmen. Er ähnelte einem altertümlichen Waschzuber, in dem sich ein Mann befand, der aufmerksam umher spähte und sich überwiegend auf das frei sichtbare Wasser des Nordatlantiks konzentrierte. Inmitten des „Waschzubers“ ragte ein kurzer Mast ohne Segel auf, der den Eindruck noch verstärkte, dass es sich um ein ungewöhnliches Wasserfahrzeug handelte, welches irrigerweise über den Dunst hinweg glitt. Es wiegte sich leicht hin und her, als folge es dem Fluss der Wellen und in gewisser Weise war dies auch so.

 



Der Mann sah sich abermals um, musterte den Nebel mit skeptischem Blick und beugte sich dann über ein kurzes Rohr, welches aus dem Rand des Waschzubers ragte.



„Der Nebel steigt auf“, rief er in einen metallenen Trichter. „Ich brauche mehr Dampf in den Mast, damit der Korb höher kommt.“



Irgendwo, aus dem Dunst des Nebels, war ein gedämpftes Rumpeln zu hören, und der Mann legte die Hand auf einen Hebel, als sich der Waschzuber anhob. Nun wurde deutlich, dass er sich an der Spitze eines Mastes befand, dessen Teleskopelemente sich nun unter dem Druck des einströmenden Dampfes weiter auseinander schoben. Der Beobachter fluchte leise, als er den Hebel umlegte und es dabei zischte. Eine kleine Dampfwolke stieg auf, an der er sich beinahe die Hand verbrühte hätte.



„Sagt dem Chief, er soll sich den verdammten Mast einmal vornehmen“, knurrte er missmutig in das Sprechrohr. „Das verdammte Ventil ist undicht und ich hätte mir fast die verdammte Hand verbrannt.“



Etliche Meter unterhalb seiner Position sahen sich zwei sehr unterschiedliche Männer an und mussten gleichzeitig lächeln. Einer von ihnen klopfte gegen das Gegenstück des Schalltrichters. „Der Chief steht direkt neben mir und ich werde es ihm ausrichten“, meinte er freundlich. „Aber es ist nun einmal ein altes Mädchen und gelegentlich lässt sie etwas Dampf ab.“



Das „alte Mädchen“ war ihrer britannischen Majestät Dampfkanonenboot

Thunderer

 und das kleine Kriegsschiff war tatsächlich alt und hätte längst außer Dienst gestellt werden sollen. Aber die Küsten des Inselreiches waren lang und es gab nie genug Schiffe, um sie zu überwachen. So war auch

H.M.S. Thunderer

 noch immer ein Bestandteil der Royal Navy, wenn auch sicher einer der ältesten.



Als ihr Rumpf in Liverpool zum ersten Mal das Salzwasser der See gekostet hatte, war sie ein hochmodernes Novum gewesen. Das Dampfkanonenboot stellte einen Kompromiss dar, zwischen der Erfordernis von schnellen und gut bewaffneten Einheiten, und der Notwendigkeit, die Schiffe kostengünstig und in größerer Stückzahl bauen zu können. Meist brachten Kompromisse etwas hervor, das niemanden wirklich zufrieden stellte. Dies galt auch für

H.M.S. Thunderer

.



Ihre Pratt & Whitney-Dampfturbinen brachten sie auf fünfundzwanzig Kilometer in der Stunde und sie war, für die damalige Zeit und ihre Schiffsklasse, ungewöhnlich schwer bewaffnet. Anstelle der sonst üblichen Rotationsdampfgewehre führte sie eine einzige Dampfkanone, wie sie sonst erst auf den großen Fregatten ihrer Majestät zu finden waren. Die

Thunderer

 war ein schnelles und stark bewaffnetes Schiff, und diese Vorzüge mussten mit einigen Nachteilen bezahlt werden. Es gab keine effektive Panzerung, und so gut wie keinen Komfort für die siebzehn Männer und Frauen der Besatzung. Die Lordadmiralität hielt Bequemlichkeit auch nicht für erforderlich, da die neue Thunderer-Klasse nur in küstennahen Gewässern operieren sollte.



Inzwischen war das kleine Schiff alt geworden, die Kolben der Dampfmaschinen waren ausgeschlagen, und die Ventile klapperten und zischten, aber es war ein Schiff, es schwamm und es war noch immer Bestandteil der Navy.



Ein Kompromiss galt auch für die Zusammensetzung ihrer Mannschaft. Die Offiziere und einige wenige Seeleute gehörten der Royal Navy an, die meisten waren jedoch Fischer von den umliegenden Inseln, die sich der königlichen Marine verdingten, um ihre Familien ernähren zu können.



Die beiden ungleichen Männer auf der Brücke der

Thunderer

 liebten ihr altes Mädchen gleichermaßen, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen.



Für Captain Eugenius McDenglot war es das erste eigenständige Kommando, so klein es auch sein mochte. Er war Anfang der Dreißig, schlank und hochgewachsen. Ein gut aussehender Mann, dem die Offiziersuniform der königlichen Marine eigentlich ausgezeichnet stand und den man vielleicht für ein Anwerbungsplakat verwendet hätte, wenn da nicht ein paar Eigenheiten gewesen wären, die McDenglot eher ungewöhnlich erscheinen ließen. Über der regulären Uniformhose trug der Schotte einen Kilt von schlichter dunkelgrüner Farbe, und statt des glatt rasierten Gesichtes oder des sauber gestutzten Oberlippenbartes, verbarg er seine fein geschnittenen Gesichtszüge hinter einem buschigen Vollbart. Es machte ihn weit älter als er tatsächlich war und nur die unternehmungslustig blitzenden Augen verrieten das Feuer der Jugend. Eugenius McDenglot war der Chef des Clans der McDenglots und als solcher versuchte er, wenigstens äußerlich einem würdigen Patriarchen zu gleichen. Diese Eigenheit hatte schon zu Konflikten mit vorgesetzten Offizieren geführt und sich auch als Hemmschuh für die Karriere des Schotten erwiesen, doch so sehr er die Royal Navy liebte, so fühlte er sich zugleich auch den Traditionen seiner schottischen Heimat verbunden.



Finnegan Walker war der Chief an Bord. Er hatte ungefähr die Größe des Captains, war jedoch ungleich schlanker. Man konnte ihn guten Gewissens als hager bezeichnen und der Engländer sah dies durchaus als Vorteil. Seine Statur erlaubte es ihm, auch in die engsten Winkel an Bord zu gelangen. Er liebte die alte

Thunderer

, da er einst an ihrem Bau mitgewirkt hatte und jede Schraube und Platte, jedes Ventil und jedes Rohr an Bord kannte. Seine Fähigkeiten hielten das „alte Mädchen“ am laufen. Zudem verfügte der Chief über die Fähigkeit, die Besatzung als Einheit zusammenzuhalten. An Bord eines Dampfkanonenbootes wurde das sehr geschätzt, denn unter den siebzehn Männern und Frauen gab es kaum Privatsphäre. Streitigkeiten schlichtete Finnegan Walker mit seinem englischen Humor oder seinen überproportional großen Händen, die einer Bärenpranke zu Ehren gereicht hätten.



Die Brücke der

Thunderer

 war gerade groß genug, die beiden Männer und einen Dritten, den derzeitigen Rudergänger, aufzunehmen. Spötter behaupteten, ein Vierter müsse sich dick einölen, um sich irgendwie dazwischen quetschen zu können. Der Rudergänger stand am Rad und überwachte zugleich die Anzeigen und Ventilhebel des Steuerpultes. Die gläsernen Fenster der kastenförmigen Brücke waren mit metallenen Streben aufgeklappt. Inmitten des Nebels war es feucht und kühl, doch die Männer wollten sich keinen Laut entgehen lassen, der von draußen hereindringen mochte. Ohne direkte Sicht war die Brückenbesatzung auf ihr Gehör und die Augen des Beobachters im Mast angewiesen.



Dessen Stimme wurde nun erneut hörbar. „Schiff voraus. Hält auf die Küste zu. Ich denke, es steuert Skye an.“



Eine der Augenbrauen von Eugenius McDenglot bewegte sich unmerklich. „Ist eine Flagge zu erkennen?“



„Keine Flagge gesetzt“, kam die Antwort.



Jetzt rutschte auch die zweite Augenbraue hoch. „Ein Schmuggler?“



„Negativ, Captain. Dafür ist es zu groß. Es hält noch direkt auf uns zu und ich kann die Seitenlinien des Rumpfes nicht erkennen, aber ich schätze, es ist wenigstens ein Zweimaster. Er hat die typischen Konturen eines Kriegsschiffes. Wie erwähnt, keine Flagge am Vormast, aber ich möchte wetten, es ist ein Franzose.“



„Dann ist es auch ein Franzmann“, stimmte McDenglot zu. Etwas leiser wandte er sich an Finnegan Walker. „Ich bin nicht so verrückt gegen seine Augen zu wetten. Wenn Jordan meint es sei ein Franzose, dann stimmt das auch.“



Der Chief wippte leicht auf den Fersen. „Was hat ein Froschfresser hier oben verloren? Noch dazu ohne Hoheitsfahne? Da stimmt etwas nicht, Captain.“



„In der Tat. Juckt die Nase?“



„Und wie“, versicherte der Chief.



„Es könnte trotzdem ein Schmuggler sein“, überlegte Eugenius McDenglot. „Wir befinden uns offiziell nicht im Krieg mit dem Franzosenkaiser, auch wenn es ein gegenseitiges Handelsembargo gibt. In London zahlt man eine Menge Goldvictorias für eine Flasche echten französischen Champagners.“



„Kann ich nicht verstehen“, warf der Rudergänger ein. „Ich hab es Mal probiert und das Zeug schmeckt wirklich übel.“



„In den besseren Kreisen ist es Pflicht, dass es gut schmeckt“, versicherte der Captain grinsend. „Obwohl man dort wissen sollte, dass nichts über einen guten schottischen Maltwhiskey geht.“



„Oder ein gut temperiertes Ale“, fügte Finnegan hinzu.



Der Captain verzichtete auf einen unpatriotischen Kommentar. Er hatte sich nie mit warmem Bier anfreunden können. „Nun, jeder hat so seine Vorlieben“, meinte er diplomatisch. „Wie dem auch sei, da draußen, außerhalb des Nebels, schwimmt ein Franzose, und das muss etwas zu bedeuten haben. Hier oben im Norden treibt sich normalerweise kein Froschfresser herum und wenn der Bursche nicht einmal Napoleons Trikolore gehisst hat, dann hat er auch etwas zu verbergen.“



Die Katastrophen und Unruhen so vieler vergangener Jahre hatten zu dramatischen Veränderungen auf dem europäischen Festland geführt. Es war eine Epoche der Bürgerkriege, in denen die Nationen zu stark geschwächt waren, um noch gegeneinander Kriege um die verbliebenen Ressourcen führen zu können. Nur Frankreich war ungewöhnlich stabil geblieben und sogar gestärkt aus dieser furchtbare Zeit hervorgegangen. Die Pariser Aufstände hatten ihr Ende gefunden, als Napoleon III. den Thron bestieg und die alte Republik unter seinem Banner einte. Es schien fast, als hätte ganz Frankreich nur auf ein solches Symbol alter Einheit gewartet, denn der neue Franzosenkaiser hatte einen unvergleichlichen Siegeszug über den Kontinent angetreten. Vielleicht waren die anderen Nationen zu geschwächt oder einfach nur der Kämpfe müde gewesen, denn die meisten hatten sich Napoleon rasch unterworfen. Preußen hatte zunächst Widerstand geleistet, doch nachdem sich Bayern mit Napoleon verbündete, war sein Ende abzusehen gewesen. Viele Preußen, wie man alle Deutschen jenseits der alten Weißwurst-Grenze nannte, waren in die nördlichen Länder geflohen, andere dienten nun dem Franzosenkaiser. Jede Eroberung füllte die geschwächten Ränge seiner Armee erneut auf, und außerhalb der Grenzen des Kaiserreiches nannte man die Vasallen Napoleons schlicht „Franzosen“, obwohl dies, zumindest nach Geburtsland, keineswegs immer zutraf. Seine Truppen waren ausgedünnt und mussten eine immens lange Grenze bewachen. Bevor Napoleon erneut seinen Eroberungsgelüsten nachgeben konnte, musste seine Armee erst wieder zu Kräften kommen. Dies mochte der Grund sein, warum England noch immer ein unabhängiges Königreich war.



Zwischen dem Königreich England und dem europäischen Kaiserreich Napoleons III. herrschte Frieden, doch es war ein unsicherer und merkwürdiger Frieden, der vielen Beschränkungen unterlag. Es gab nur wenige Handelsbeziehungen und diese waren auf sorgfältig ausgewählte Güter beschränkt. Die wenigen Touristen fanden sich in beiden Reichen in der Gesellschaft aufmerksamer „Reisebegleiter“ wieder, die sehr darauf achteten, was man zu Gesicht bekam. Misstrauen herrschte zwischen Engländern und Franzosen, und ein kleiner Funke genügte möglicherweise schon, um einen Flächenbrand zu entzünden. Die Aufgabe der Royal Navy, und damit auch von

H.M.S. Thunderer

, war es, diesen Funken zu verhindern und zugleich die Küsten des britischen Inselreiches zu schützen.



Es war keine einfache Aufgabe, denn Napoleon handelte mit Irland und irische Schmuggler umgingen gerne das Handelsembargo, um verbotene Waren gewinnbringend auf der großen Insel zu verkaufen. Ebenso schwunghaft, und weitaus gefährlicher, konnte der Handel mit Informationen sein. Es war riskant und fast unmöglich, Geheiminformationen an den Grenzbeamten vorbei zu schleusen, die See hingegen bot viele Möglichkeiten, jede Kontrolle zu umgehen. Zudem tummelten sich in den internationalen Gewässern Fischereiboote verschiedener Länder und schon oft war Streit um ertragreiche Fischgründe ausgebrochen. Die Fischer kämpften um ihre Ausbeute und gelegentlich auch um ihr Leben, denn manche Begegnung verlief ruppig und endete mit Gewalt. Es war die Aufgabe der Navy, das zu verhindern. Aus diesem Grund lag die

Thunderer

 in ihrer gegenwärtigen Position in der Nebelwand. Der Rumpf des Dampfkanonenbootes blieb im Dunst verborgen, während der Ausguck darüber einen guten Ausblick über das Meer bot. Es war ein alter Trick, der jedem Schmuggler bekannt war, dennoch konnte der „Waschzuber“ leicht übersehen werden.



Finnegan Walker wippte erneut auf den Fersen. „Es müsste bald Tag werden. Wenn der Nebel steigt, dann löst er sich rasch auf. Dann wird der Froschfresser uns sehen.“



„In der Tat, das gefällt mir auch nicht“, gab der Captain zu. „Ich möchte ihm lieber heimlich zusehen und feststellen, was er hier vorhat.“

 



„Wir können ja hinüberdampfen und ihn fragen“, schlug der Chief treuherzig vor. „Wir sind ja nicht im Krieg mit dem Kaiser.“



Erneut grinsten sie sich wie Verschwörer an. „Noch nicht“, brummte McDenglot. „Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Der verdammte Kerl ist hungrig und Britannien wäre für ihn ein passender Happen.“



„Aber ein schwer verdaulicher.“



Der Schotte warf einen ärgerlichen Blick auf das fest montierte Fernglas, das auf einem massigen Stativ neben dem Ruder stand. Er hätte das fremde Schiff zu gern mit eigenen Augen gesehen und es gefiel ihm nicht, auf die eines anderen angewiesen zu sein, gleichgültig, wie gut diese auch waren. Er blickte in den Niedergang, dessen schmale Treppe im Hintergrund der Brücke unter Deck führte, und hob seine Stimme. „Erster Offizier auf die Brücke! Und O´Ley soll seine Maschinen auf Volldampf vorbereiten!“



„Meinen Sie wirklich, dass er kommt?“, fragte der Rudergänger.



„Der Ausguck sagt, er hält auf uns zu“, erwiderte der Chief.



„Ich meinte den Franzosenkaiser.“



„Oh.“ Chief Walker warf einen Blick zum Captain.



Der zuckte die Schultern. „Ja, er wird kommen. Er wird sich England nicht entgehen lassen. Zurzeit ist Kaiser Napoleon noch damit beschäftigt, seine Macht auf dem Festland zu konsolidieren. Er hat eine Menge Länder erobert, seine Armeen haben gelitten und wenn wir Glück haben, braucht er eine Weile, bis er bereit ist, uns zu besuchen.“ Der Schotte lachte leise. „Im Augenblick scheint er daran kein Interesse zu haben, aber das hängt eher damit zusammen, dass eines der verheerenden europäischen Beben den Tunnel zwischen uns und dem Festland zum Einsturz gebracht hat. England ist wieder eine Insel und der Kaiser benötigt Schiffe, um uns zu erreichen. Ich habe nicht die Informationen die dem Lord-Admiral verfügbar sind, aber ich wette darauf, dass Napoleon längst dabei ist, seine Flotte zu vergrößern.“



„Unsere Navy ist besser“, meinte der Rudergänger im Brustton der Überzeugung.



Eugenius McDenglot lachte erneut, aber es war ein Lachen ohne Freundlichkeit. „Wir dürfen den Kerl nicht unterschätzen. Der Kaiser verfügt über die größeren Ressourcen. Immerhin, das will ich gerne zugeben, haben wir die besseren Schiffe und die besseren Seeleute.“



„Und Thermionit für unsere Dampfmaschinen“, fügte der Chief hinzu.



„Und Thermionit, ja.“ Der Captain kratzte sich unbehaglich in seinem Vollbart, während er in den Nebel hinaus starrte. „Das haben die Franzmänner nicht und ich hoffe, sie bekommen es auch nie in größeren Mengen in die Finger. Solange die Franzosen ihre Dampfmaschinen mit Solarenergie oder Kohle und Holz befeuern müssen, solange haben wir mit Thermionit einen großen Vorteil. Unsere Dampfmaschinen sind wesentlich effektiver und sie sind Witterungsunabhängig.“ Eher unbewusst wies er auf das Vordeck hinaus, obwohl es im Nebel kaum zu erkennen war. „Die englischen Dampfkanonen sind, dank Thermionit, den Sprengpulverkanone des Kaisers überlegen. Und seine verdammten Laserwaffen kann er bei unserem guten britischen Nebel nicht einsetzen, zumal die Batterien der Solaranlagen nichts taugen.“



„Trotzdem wird er kommen?“, fragte der Rudergänger nach.



„Trotzdem wird er kommen“, stimmte Eugenius McDenglot zu. „Sein Stolz lässt gar nichts anderes zu.“ Er leckte sich kurz über die Lippen und wandte sich dann dem Sprachrohr zu. „Brücke an Ausguck. Was macht der Franzose?“



Beobachter Jordan hatte ein vorgewärmtes Teleskop in den Händen, drückte nun eine Taste und hörte das leise Zischen der Dampfkammer, mit dem sich das Instrument auseinander schob. Er setzte es an und stellte auf das fremde Schiff scharf. „Liegt knapp fünfhundert Meter vor der Nebelbank und refft die Solarsegel. Ich glaube, der will ankern und hat keine Ahnung, dass wir hier sind.“



McDenglot nickte unwillkürlich, obwohl Jordan das nicht sehen konnte. „Fahr den Mast wieder ein Stück herunter. So weit, wie es geht. Gerade so, dass man den Froschfresser noch im Auge behalten kann.“



„Schon erledigt, Captain“, kam die Erwiderung. „Ich habe mir schon gedacht, dass uns der Bursche besser nicht erkennt.“



„Guter Mann, Jordan“, lobte McDenglot.



„Wenn wir unser Radar nutzen könnten, dann wüssten wir mehr“, murmelte der Chief.



„Wenn der Franzose sein Radar nutzen könnte, dann wüsste er auch mehr“, erwiderte McDenglot lächelnd. „In gewisser Weise können wir froh sein, dass der Nebel die Radarwellen blockiert. Ich wette, deswegen ist der Bursche auch hier. Der weiß genau, dass unser Küstenradar jetzt nichts sehen kann.“



„Kann es auch sonst nicht“, erwiderte Walker. „Selbst die stärksten Anlagen haben gerade mal vierzig Kilometer Reichweite. Da kann man leicht eine Lücke finden. Früher, vor den Elektrostürmen, sollen Radargeräte viele hundert Kilometer abgetastet haben.“



„Bah, eine maßlose Übertreibung.“ Der Captain starrte in den Nebel hinaus. „Das übliche nostalgische Geschwätz. Früher war alles besser, größer und schöner … Verdammter Unfug.“



Hinter ihnen waren Schritte im Niedergang zu hören, als Lydia Smythe herauf kam. Da es kühl war, hatte sie sich den Schlechtwettermantel übergezogen, doch auch der konnte ihre vollendeten weiblichen Formen nicht ganz verbergen.



„Erster Offizier auf der Brücke“, meldete sie förmlich und rückte die Offiziersmütze zurecht. Deren Form wirkte ein wenig bauchig, da die junge Frau den Wust ihrer kastanienbraunen Locken darunter verbergen musste. „Was liegt an, Captain? Ein Schmuggler?“



„Ein unbekanntes Kriegsschiff, Erste“, antwortete Eugenius McDenglot. „Hat keine Lichter und keine Flagge gesetzt, aber Jordan schwört darauf, dass es ein Franzose ist. Er scheint zu ankern.“



„Jordan?“ Sie lächelte unmerklich. „Dann ist es auch ein Franzmann. Was will der hier oben im Norden?“



„Die Antwort auf diese Frage würde mich auch interessieren“, gab der Captain zu.



Die junge Offizierin quetschte sich irgendwie zwischen McDenglot und den Rudergänger. „Vielleicht will er im Auftrag des Kaisers den Fischfang überwachen und wartet auf die auslaufenden Boote. Die müssten ja bald von Skye und Mull auslaufen.“



„Zur Fischereiüberwachung würde er seine Flagge zeigen.“ Der Captain nahm die Offiziersmütze ab und fuhr sich durch die kurz geschnittenen Haare. „Und zum Schmuggel benutzt man keine Kriegsschiffe. Ich denke, dass der Bursche hier auf ein Überbringerboot von der Küste wartet. Es ist wohl besser, ich sehe mir das einmal selber an.“



Finnegan Walker sah zu, wie der Schotte an die metallene Leiter trat. Sie führte durch eine Dachluke den Teleskopmast hinauf zur Aussichtsplattform. „Jordan wird nicht begeistert sein, Sir. Ist ziemlich eng da oben in der Kotzkiste.“



Die Bewegungen der See übertrugen sich auf den Rumpf des kleinen Schiffes und die Höhe des ausgefahrenen Teleskopmastes multiplizierte deren Auswirkungen auf die Beobachtungsplattform. Diese schwang selbst bei leichten Wellen auf derart beachtliche Weise, dass die Seeleute den Ausguck nicht umsonst als „Kotzkiste“ bezeichneten.



Der Nebel war noch immer sehr dicht und Eugenius McDenglot schien sich durch undurchdringliche Watte empor zu hangeln, bis sein Kopf plötzlich den Dunst durchstieß. Er sah freien Sternenhimmel über sich und die Umrisse des Beobachters. Jordan hatte die gedämpften Laute auf der Leiter gehört und half seinem Captain herauf.



„Er hat die Segel gerefft, und Bug- und Heckanker fallen lassen. Keine Kabinenbeleuchtung und keine Positionslampen, Captain. Der Kerl hat Dreck am Stecken.“



Das Licht der Sterne warf Reflexe über das ungewöhnlich ruhige Wasser des Nordatlantiks und das ankernde Schiff lag nur wenige hundert Meter vor der Nebelbank. Es war in allen Einzelheiten zu sehen und Captain McDenglot schlug Jordan anerkennend auf die Schulter. „Fraglos ein Franzose und ein Zweimaster. Sieht ganz nach einer 6-Kanonen-Fregatte aus. So etwas schickt der Kaiser nicht einfach auf Spazierfahrt. Die haben etwas vor und dazu wollen sie den Schutz der Nacht ausnutzen.“ Er blickte in den Sternenhimmel hinauf. „Er hat die richtige Nacht abgepasst. Blaue Lichtfäden am Himmel. Der verdammte Elektrosturm wird wieder jeden Kurzstreckenfunk stören. Wer den Franzosen sieht, kann seine Beobachtung nicht weitermelden.“



Jordan ni