Stil und Text

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2.4 Kontextbezogenheit



Wir machen uns jetzt die Erkenntnis zu Eigen, dass das Wesen und die kommunikative Leistungsfähigkeit von Stil nur dann erfasst werden können, wenn GestaltungsakteGestaltungsakt, Gestaltungsprodukte und interpretative Aktivitäten mit Gestaltungskontexten relationiert werden.





2.4.1 Gestaltungskontexte



„Stil ist immer das Wie einer Ausführung, auf welchem Gebiet des Lebens auch immer“ (Riesel/Schendels 1975: 15), aber, wie zu ergänzen ist, immer bezogen auf ein Was als Gestaltungskontext, denn: „Stil ist relational!“ (Sandig 2001). Wesentliche Gestaltungskontexte überblickend, ergibt sich folgendes Bild: Der Stil eines Textes steht in Relation





 zu anderen Textstilen, von denen er sich unterscheidet;



 zu textuellen Gestaltungsrahmen (wie TextsorteTextsorte oder Textgattung), innerhalb deren er sich entfaltet;



 zu Ebenen der Vertextung (wie TexthandlungTexthandlung, TextthemaTextthema und TextarchitekturTextarchitektur), auf denen er sich manifestiert;



 zu situativen Kontexten der Textkommunikation (dazu gehören die Kommunikationsteilnehmer in ihrer Sozialcharakteristik oder Individualität, aber auch der KommunikationsbereichKommunikationsbereich, der Kommunikationskanal u.a.m.), an die er angepasst, auf die er zugeschnitten werden kann, für die er typisch sein kann, auf die er verweisen kann.





Im Folgenden wenden wir uns einzelnen Vertextungsebenen zu und untersuchen, wie sie sich im Gestaltungsrahmen einer bestimmten TextsorteTextsorte stilistisch beschreiben lassen. Auf ‚Situation‘ als Gestaltungskontext kommen wir im Abschnitt 2.5 zu sprechen.





2.4.2 Stil auf verschiedenen Vertextungsebenen

2.4.2.1 TexthandlungTexthandlung: Stil als das Wie ihrer Durchführung



TexthandlungenTexthandlung sind textbildende Äußerungen oder Äußerungssequenzen. Auf der Texthandlungsebene ist Stil die Art und Weise, wie eine Texthandlung durchgeführt worden ist. Die Unterschiedlichkeit von Stil tritt bei konstant gesetzter Texthandlung zutage. Es gibt verschiedene Typen von Texthandlungen. Nach der jeweiligen kommunikativen Funktion muss unterschieden werden zwischen Texthandlungen, die der thematischen Entfaltung von Texten dienen, und Texthandlungen, die auf das Erzeugen von thematischem Textsinn gerichtet sind. Beispiele für Erstere sind BESCHREIBENBESCHREIBEN (von Gegenständen und Vorgängen), BERICHTENBERICHTEN (über ein Ereignis), ERÖRTERN (von Problemen), ARGUMENTIERENARGUMENTIEREN (zu einer strittigen These), ERZÄHLENERZÄHLEN/Erzählen (einer Geschichte), SCHILDERNSCHILDERN (von Eindrücken) und ERKLÄREN (von Sachverhalten). Texthandlungen dieses Typs gelten als „Grundformen thematischer Entfaltung“ (Brinker 2010: 56ff.). Beispiele für Letztere sind MITTEILENMITTEILEN, BITTENBITTEN, SICH-ENTSCHULDIGENSICH-ENTSCHULDIGEN, GRATULIERENGRATULIEREN und BEVOLLMÄCHTIGENBEVOLLMÄCHTIGEN. Mit Texthandlungen dieses Typs werden kommunikative Kontakte zwischen den Kommunikationspartnern hergestellt.



Unsere bisherigen Beispielanalysen wurden aus gutem Grund textsortenbezogen durchgeführt. TextsortenTextsorte sind aus der kommunikativen Praxis von Menschen hervorgegangen und komplexe Muster für die Bewältigung konkreter kommunikativer Aufgaben in einem konkreten SituationskontextSituationskontext (siehe auch 2.7.1). Die Muster von Textsorten schließen Texthandlungs- und GestaltungsmusterGestaltungsmuster ein. Es gibt textsortentypische GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzip, die im Kontext textsortentypischer TexthandlungenTexthandlung den Status von Gestaltungserfordernissen, Gestaltungsalternativen oder Gestaltungsoptionen haben. Greifen wir exemplifizierend noch einmal die Textsorte Kontaktanzeige auf und überlegen wir uns, wie sich textsortentypische Wie-Was-Relationen im Bezugsfeld von Texthandlung bzw. Texthandlungsstruktur (einer Verknüpfung von Texthandlungen) ausfindig machen lassen.



DD

, Mann,

 40+/186/90, sportl., naturverb., attr., kreativ, kunstint., intell., offen, belesen, selbstst., komm., ehrlich, vielgereist, bodenständig, m. Kinderwunsch. BmB.





■■■■■■■■■■■■■■@web.de







oder Chiffre: ■■■■■■■■







Beispieltext 9: Kontaktanzeige





Zur Kommunikationsaufgabe, vor der Produzenten von Kontaktanzeigen stehen und an der sich Rezipienten von Kontaktanzeigen orientieren, gehört der Vollzug von zwei TexthandlungenTexthandlung: BESCHREIBENBESCHREIBEN und AUFFORDERNAUFFORDERN. An beide lassen sich textsortentypische GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzip anschließen.



a) BESCHREIBENBESCHREIBEN (Kontaktanzeige)



Diese TexthandlungTexthandlung ist wie auch andere Themenentfaltungshandlungen an spezifischen abstrakten thematischen Struktureinheiten identifizierbar: an den Einheiten OBJEKT und SPEZIFIZIERUNG. Entweder ist es ein GEGENSTAND (auch eine Person, ein Zustand o.Ä.), der anhand von MERKMALEN spezifiziert wird (Gegenstandsbeschreibung), oder es ist ein VORGANG, dessen Spezifizierung anhand seiner einzelnen PHASEN erfolgt (Vorgangsbeschreibung). Produzenten von Kontaktanzeigen sind zu einer doppelten Gegenstands-, hier Personenbeschreibung angehalten: zu einer Selbst- und zu einer Partnerbeschreibung. Es kommt darauf an, die eigene Person und den Wunschpartner so zu beschreiben, dass sich Personen, die sich für geeignet halten, angesprochen fühlen zu antworten. Stilistisch relevant ist das Wie des BESCHREIBENsBESCHREIBEN.



Zur Beispielanalyse: Ein erstes beschreibungsbezogenes GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip ist

Anonymität

: die Anonymität der Selbstbeschreibung. Der Textproduzent spricht von sich selbst in der 3. Person und verwendet einen Gattungsnamen (

Mann

) anstelle eines vollständigen und authentischen Personennamens. Ein weiteres Prinzip ist

Detailliertheit

Detailliertheit: die Detailliertheit der Selbstbeschreibung. Der Textproduzent reiht 13 adjektivische Persönlichkeitsmerkmale aneinander und erwartet offensichtlich von seiner noch unbekannten Wunschpartnerin, auf deren Profilbeschreibung er verzichtet, dass ihr seine Eigenschaften zusagen, zu denen auch eine in die Zukunft weisende gehört (

m. Kinderwunsch

). Die Detailliertheit der Selbstbeschreibung ist hier allerdings keine Ausprägung von AnschaulichkeitAnschaulichkeit. Maßgebend ist der GestaltungsaktGestaltungsakt des Subjektivierens.

Subjektivität

Subjektivität und

Detailliertheit

 sind miteinander verknüpft. Hinzu kommt eine von

Objektivität

Objektivität geprägte Textpassage, die sich in unkommentierten Alters- (

40

+

), Größen- (

186

) und Gewichtsangaben (

90

) manifestiert. Wie zu erkennen ist, wird auch bei dieser Anzeige das Gestaltungsprinzip

Knappheit

Knappheit realisiert. Die Alters-, Größen- und Gewichtsangaben erscheinen in Ziffernschreibweise; Maßeinheiten wie

cm

 oder

kg

 sind ausgelassenAuslassen; die Adjektive sind alle nachgestellt und dadurch sprachökonomisch unflektiert; der unbestimmte Artikel

ein

 vor dem Gattungsnamen

Mann

 ist ausgespart; Verwendung finden SchreibabkürzungenSchreibabkürzung (

sportl.

,

attr.

 usw.) und ein Kürzel aus dem Autokennzeichensystem Deutschlands (

DD

 anstelle von

Raum Dresden

).

Knappheit

 und

Detailliertheit

 schließen sich eigentlich gegenseitig aus, stehen hier aber in einem Gestaltungskonflikt, den die Bewältigung der Kommunikationsaufgabe mit sich bringt.



b) AUFFORDERNAUFFORDERN (Kontaktanzeige)



Produzenten von Kontaktanzeigen müssen, wollen sie Zuschriften erhalten, eine Kontaktmöglichkeit angeben. Stilistisch relevant ist das Wie des AUFFORDERNsAUFFORDERN, auf die Anzeige zu antworten und somit interaktional zu handeln. Im Kontext dieser TexthandlungTexthandlung, mit der sich der primäre Zweck von Kontaktanzeigen erfassen lässt, stehen ebenfalls mehrere GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzip. So korrespondiert die

Anonymität

 der beschreibenden Textpassagen mit der

Chiffriertheit

Chiffriertheit der textschließenden auffordernden Passage. Eine E-Mail-Anschrift und eine redaktionelle Chiffre sind als alternative Adressen für Zuschriften angegeben.

Chiffriertheit

 ist mit

Knappheit

Knappheit verknüpft. Verknappt gestaltet ist auch eine zweite auffordernde Textpassage: Das InitialwortInitialwort

BmB.

 steht anstelle eines elliptischen Satzes (

Bitte mit Bild.

) bzw. anstelle eines grammatisch ausgeformten Satzes (etwa

Gebeten wird um Zuschriften mit Bild.

). BITTENBITTEN ist eine Variante von AUFFORDERN.





Andere stilistische Facetten der TexthandlungenTexthandlung BESCHREIBENBESCHREIBEN und AUFFORDERNAUFFORDERN zeigen sich in Vorgangsbeschreibungen, z.B. im Gestaltungsrahmen der TextsorteTextsorte Kochrezept (siehe Text 10). Stilfragen, die sich in diesem Rahmen stellen, sind u.a.:





 Wie ist die Zutatenliste gestaltet?



 Wie werden die Phasen der Zubereitung einer Speise beschrieben?










Beispieltext

10

: Kochrezept

 Super TV, Nr. 40/2015, 92.



c) BESCHREIBENBESCHREIBEN (Kochrezept)



Der Blick auf Text 10 erbringt in Bezug auf die TexthandlungTexthandlung BESCHREIBENBESCHREIBEN, dass die Zutatenliste aus einer asyndetischen Reihe mit 10 Aufzählungsgliedern besteht, also auf dem GestaltungsaktGestaltungsakt des Detaillierens beruht. Mit dem GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip AnschaulichkeitAnschaulichkeit hat auch das nichts zu tun, denn es geht stilistisch in erster Linie um etwas anderes: um

Übersichtlichkeit

Übersichtlichkeit im Dienste leichter Rezipierbarkeit – unterstützt durch die Verwendung von Sonderzeichen: geometrischer Trennungspunkte (bullet points) zwischen den Aufzählungsgliedern. Zu erkennen ist, dass in die Zutatenliste Mengenangaben integriert sind (

200

g

,

2


EL

 u.a.) sowie Bearbeitungs- (

fein geschnitten

) und Verwendungshinweise (

zum Anbraten

).

 



Die eigentliche Vorgangsbeschreibung mit den Phasen der Zubereitung von

Pasta in der Parmesankruste

, typographischTypographie/typographisch von der Zutatenliste durch Verwendung eines anderen Schrifttyps abgesetzt, ist in zwei nummerierte Teiltexte gegliedert. Auf Grund dessen können wir für den gesamten Text das GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip der

visuellen

Gegliedertheit

Gegliedertheit als formale GestaltqualitätGestaltqualität im Kontext des BESCHREIBENsBESCHREIBEN verorten. Bei der Realisierung des GestaltungsaktsGestaltungsakt Visuell-Gliedern sind unterschiedliche GestaltungsmittelGestaltungsmittel zum Einsatz gekommen: graphische (Absatzgliederung), typographische (Schrifttypen), geometrische (Sonderzeichen). Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die Verwendung von zwei Schriftfarben: Schwarz für den Haupttext, Pink für die Sonderzeichen und einiges andere. Bei der Beschreibung der einzelnen Zubereitungsphasen werden einheitlich InfinitivsätzeInfinitivsatz anstelle von ImperativsätzenImperativsatz verwendet (

Nudeln bissfest kochen.

 statt

Kochen Sie die Nudeln bissfest!

). Damit einher geht die

Unpersönlichkeit

Unpersönlichkeit des Textes, die für die TextsorteTextsorte typisch ist. Verwendung finden ausschließlich Infinitive von Handlungsverben (

kochen

,

enthäuten

,

würzen

 usw.), was diesem Teiltext

Dynamik

Dynamik verleiht, die mit dem Prinzip

Statik

Statik der verblosen Zutatenliste kontrastiert. Stilistische Unterschiede zwischen Zutaten- und Zubereitungstext lassen sich also auch an Gestaltungsprinzipien festmachen.



Mehrere visuell voneinander abgesetzte Teiltexte dieses Kochrezepts komplettieren die Beschreibung des Gerichts und seiner Herstellung durch knappKnappheit gehaltene Angaben weiterer Merkmale. Im oberen und unteren Bereich des Textes finden sich Angaben zur





 Ernährungsweise:

Vegetarisch

;



 Zubereitungszeit:

Nur

15

 Minuten

 /

15

 Min.

 und



 Kalorienmenge:

605

 pro Portion

 usw.





Diese Angaben sind im Rahmen des Textsortenmusters als fakultativ einzustufen. Ebenso ist das Foto im oberen Teil des Textes etwas Fakultatives. Es illustriert den sprachmedialen Text, womit wir aber nun tatsächlich einen GestaltungsaktGestaltungsakt zur Realisierung von

Anschaulichkeit

Anschaulichkeit, den des Illustrierens mittels eines Fotos, erkannt hätten.



d) AUFFORDERNAUFFORDERN (Kochrezept)



Der Blick auf Text 10 erbringt in Bezug auf die TexthandlungTexthandlung AUFFORDERNAUFFORDERN, dass sie nicht – wie in Kontaktanzeigen – am Textende vollzogen wird, dass sie vielmehr Begleithandlung sämtlicher Beschreibungshandlungen ist. Insofern ist die

Unpersönlichkeit

Unpersönlichkeit des BESCHREIBENsBESCHREIBEN zugleich GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip des AUFFORDERNs. Wir begegnen einer weiteren Variante des AUFFORDERNs: dem UNTERWEISENUNTERWEISEN. Mit der Zutatenbeschreibung werden Rezipienten im Hinblick darauf unterwiesen, was für die Vorbereitung des Kochens beschafft und getan werden muss, mit der Zubereitungsbeschreibung im Hinblick darauf, was in welcher Reihenfolge getan werden muss, damit der Kochvorgang gelingt.



DISKUSSION



In der Literatur wird auch von Stilhandlungen gesprochen. Können

Gestaltungsakte

Gestaltungsakt

 problemlos als stilistische

Texthandlungen

Texthandlung

 aufgefasst werden?



In einem handlungstypologischen Rahmen ist diese Frage zu bejahen, in einem textstilistischen Bezugsfeld eher zu verneinen.





Zum handlungstypologischen Rahmen:

 Texthandlungstypologisch kann man beispielsweise zwischen Basis-, Situierungs- und Ästhetisierungs-Handlungen unterscheiden (vgl. Hoffmann 2012a: 233f.). Basis-Handlungen wie BESCHREIBENBESCHREIBEN oder AUFFORDERNAUFFORDERN sind in situativer wie ästhetischer Hinsicht völlig unbestimmt – entsprechend vielfältig sind ihre stilistischen Facetten. Situierungs-Handlungen hingegen haben den kommunikativen Zweck, Basis-Handlungen der jeweiligen KommunikationssituationKommunikationssituation anzupassen. Darunter können Anpassungen an den KommunikationsbereichKommunikationsbereich fallen. Beispiele für diesen Handlungstyp sind THEORETISIEREN in der Wissenschaft, PORTRÄTIEREN im Journalismus und ADMINISTRIEREN im Behördenwesen. Textproduzentenseitige Aktivitäten schließlich, die den kommunikativen Zweck haben, die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf die Machart des Textes zu lenken (siehe 2.6.1), kann man handlungstypologisch als Ästhetisierungs-Handlungen bestimmen, z.B. AUFFÄLLIG-MACHEN, ORIGINALISIEREN, SPANNUNG-ERZEUGEN.





Zum textstilistischen Bezugsfeld:

 In diesem Bezugsfeld ist der Handlungsbegriff unnötig, ja störend. Wenn man Stil als die Art und Weise der Handlungsdurchführung bestimmt (vgl. Sandig 2006: 9), kann Stil wohl nicht selbst eine Handlung sein. Auch die Konstruktion von Gleichzeitig- und Zusatzhandlungen (vgl. Sandig 1986: 59f.) hilft aus diesem terminologischen Dilemma nicht heraus. Es ist zweckmäßiger, sich an der Sprechakttheorie zu orientieren, die Sprechakte als ein Ensemble von Teilakten beschreibt, und ‚GestaltungsaktGestaltungsakt’ als einen Teilakt von TexthandlungenTexthandlung zu bestimmen.





2.4.2.2 TextthemaTextthema: Stil als das Wie der Versprachlichung und Vertextung des Themas



Wie wir am Beispiel von Kontaktanzeigen sehen, kann ein und dasselbe Thema (‚Partnersuche‘) ganz unterschiedlich versprachlicht werden:

Frau sucht Mann

 (Text 3),

Ich suche Dich!

 und

Prinzessin sucht Frosch

 (Text 4) oder einfach nur

Mann

, wobei die Prädikation

sucht Frau

 rezeptiv zu ergänzen (zu inferieren) ist (Text 9). Wir erfahren aus den Beispieltexten außerdem, dass Teilthemen des Themas ‚Partnersuche‘, insbesondere die Teilthemen ‚Persönlichkeitsmerkmale der suchenden Person‘ und ‚Persönlichkeitsmerkmale der gesuchten Person‘, in unterschiedlicher DetailliertheitDetailliertheit versprachlicht werden können. In einem der Texte (Text 9) werden 13 Wertadjektive aneinandergereiht, um Vorzüge der eigenen Person aufzulisten, was deutliche Parallelen zu Werbetexten erkennen lässt, während die partnerbeschreibenden Merkmale gänzlich fehlen. Des Weiteren können wir registrieren, dass das Thema ‚Partnersuche‘ nicht zwangsläufig texteröffnend genannt sein muss. Die Textanfänge sind literarisch gestaltet, zitieren aus dem Refrain eines Songtextes, wie in Text 3 (

Schwere See, mein Herz?

), oder bestehen aus einem Regionalkennzeichenkürzel, wie in Text 9 (

DD

). Anders hingegen Text 4: Er beginnt mit dem elliptischen ThemasatzThemasatz

Suche Dich!

 Mit Themasätzen, aber auch ThemawörternThemawort (vgl. van Dijk 1980: 50) wird das Thema eines Textes explizit formuliert bzw. bezeichnet. Das Thema ‚Partnersuche‘ fügt sich natürlich nicht nur in den Gestaltungsrahmen ‚Kontaktanzeige‘ ein. ‚Partnersuche‘ kann zum Thema werden auch in Ratgebertexten, in psychologischen und poetischenPoetizität/poetisch Texten, nicht zuletzt in allen erdenklichen Formen privater Kommunikation.



Schlussfolgernd können wir festhalten: Stil ist auf der Vertextungsebene TextthemaTextthema die Art und Weise, wie das Thema eines Textes versprachlicht und vertextet worden ist. Zu den Vertextungsarten gehört, wie das Thema eines Textes entfaltet worden ist. Themenentfaltungshandlungen repräsentieren zwar einerseits einen Texthandlungstyp und sind – wie fast alle TexthandlungenTexthandlung – stilistisch variabel durchführbar, was sich in verschiedenen Stilen des BESCHREIBENsBESCHREIBEN (vgl. 2.4.2.1), BERICHTENsBERICHTEN, ARGUMENTIERENsARGUMENTIEREN usw. manifestiert, andererseits kann ein und dasselbe Thema bspw. beschreibend oder berichtend entfaltet werden. Das aber erfordert nicht irgendeinen, sondern einen bestimmten Stil, denn die jeweilige Art der ThemenentfaltungThemenentfaltung muss auch stilistisch kenntlich gemacht werden. Für jede Grundform thematischer Entfaltung gibt es daher eine Stilform mit Indikator-Funktion, was in Stilkennzeichnungen wie ‚berichtender Stil‘ oder ‚beschreibender Stil‘ seinen Ausdruck findet. So gesehen ist die Entscheidung für eine Art der thematischen Entfaltung immer auch eine stilistische Entscheidung.



Bevor Beispiele für die Versprachlichung und Vertextung des Themas analysiert werden, sollte noch geklärt sein, was der Begriff TextthemaTextthema eigentlich erfasst. Die textlinguistische Diskussion hierzu beiseite lassend (vgl. u.a. Adamzik 2004: 118ff.), wollen wir ‚Textthema‘ als objektsemantisches Zentrum eines Textes begreifen, d.h. als Kerninformation darüber, auf welches Objekt (Gegenstand, Zustand, Lebewesen, Ereignis, Begriff usw.) alle weiteren Informationen (als Teilthemen) bezogen sind.



Wenden wir uns nun einigen thematisierungsstilistischen Unterschieden zu, die bei einem Vergleich von Texten mit Übereinstimmung im Thema am besten hervortreten.



a) Arten der Entfaltung des Themas – Stil als Indikator





Brandstiftung in Berlin-Wilmersdorf





Auto des BZ-Journalisten Gunnar Schupelius angezündet



Von Tanja Buntrock





Das Auto, das in der Nacht zu Montag in Berlin-Wilmersdorf angezündet worden war, gehört dem Kolumnisten der



BZ



, Gunnar Schupelius. Nun ermittelt der Staatsschutz, ob das Fahrzeug des Journalisten gezielt angegriffen worden war.





Nach der Brandstiftung in Wilmersdorf, wo – wie berichtet – in der Nacht zu Montag in der Ahrweilerstraße ein Auto angezündet und fünf weitere beschädigt wurden, ermittelt nun der Staatsschutz: Denn der in Brand gesetzte Mini Cooper gehört dem B.Z.-Journalisten Gunnar Schupelius. In seiner Kolumne „Mein Ärger – der gerechte Zorn von Gunnar Schupelius“ schimpft der Autor etwa über Graffiti am U-Bahnhof oder erörtert, warum „die Grünen nicht regieren können“, und sucht mit seinen konservativen Thesen die Kernleserschaft der Boulevardzeitung anzusprechen.



Ob der Brandanschlag gezielt Gunnar Schupelius’ Auto galt oder dieses zufällig angezündet worden war, sei noch unklar, hieß es bei der Polizei. „Ob eine politische Motivation die Zielrichtung war oder es andere Hintergründe gibt, müssen die Ermittlungen ergeben“, sagte ein Sprecher. Ein Selbstbezichtigungsschreiben läge derzeit nicht vor. Gunnar Schupelius wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern.





Beispieltext 11: Medienbericht





tagesspiegel.de (19.03.2014: 9:20 Uhr).



Brandstiftung,

 gemeingefährliches, mit hohen Strafen bedrohtes Gefährdungsdelikt. Wegen

schwerer B.

 wird nach § 306 a StGB mit Freiheitsentzug nicht unter einem Jahr bestraft, wer in Brand setzt: 1) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude, 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, 3) eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während Menschen sich darin aufzuhalten pflegen. Wenn durch die B. wenigstens leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht wird, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren (§ 306 c StGB). Eine

besonders schwere Brandstiftung

 (§ 306 b StGB) liegt vor, wenn eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht wird (Freiheitsstrafe nicht unter 2 Jahren). Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren droht demjenigen Täter einer schweren Brandstiftung, der 1) einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt, 2) in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder 3) das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert (§ 306 b Abs. 2 StGB). Die

einfache B.,

 bei der nicht ohne Weiteres Menschenleben gefährdet werden, wird nach § 306 StGB mit Freiheitsentzug von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Strafbar sind auch die

fahrlässige B.

 (§ 306 d StGB) und das

Herbeiführen einer Brandgefahr

 (§ 306 f StGB).

 





Beispieltext



12



: Lexikonartikel





DUDEN. Recht A–Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf. Mannheim 2007: Dudenverlag, 89.



Aus dem Vergleich von Text 11 und Text 12 geht zunächst hervor, dass beide Texte stilistisch völlig unterschiedlich sind, aber ein gemeinsames Thema haben: das Thema ‚Brandstiftung‘. Doch die Übereinstimmung im Thema besteht nur partiell, denn ‚Brandstiftung‘ ist in Text 11 ein EREIGNIS und in Text 12 ein BEGRIFF (die begriffliche BedeutungSemantik/semantisch des Wortes

Brandstiftung

). Den Texten liegen also verschiedene „Thementypen“ (Adamzik 2004: 123f.) zugrunde. Damit im Zusammenhang ist die ThemenentfaltungThemenentfaltung eine jeweils andere. Es stehen sich zwei TexthandlungenTexthandlung gegenüber: das BERICHTENBERICHTEN über ein EREIGNIS anhand von FAKTEN und das BESCHREIBENBESCHREIBEN eines BEGRIFFs anhand von MERKMALEN seiner Struktur. Auf Grund der Indikator-Funktion von Stil stehen sich auch zwei Stilformen gegenüber: der berichtende und der beschreibende Stil.





Berichtender

Stil

Stilberichtender entsteht in Text 11 durch





 das Verwenden faktenbezeichnender Lokal- und Temporalangaben (

in Berlin-Wilmersdorf

;

in der Nacht zu Montag

), die ein Ereignis in Raum und Zeit einordnen;



 die Wahl der Tempusformen Präteritum und Präteritumperfekt zur Kennzeichnung vergangenen und vorvergangenen Geschehens (

wurden angezündet und beschädigt

;

war angezündet worden

 u.a.);



 das zeitliche Strukturieren des Ereignisablaufs mit Hilfe von Tempusformen (Präteritum, Präteritumperfekt), temporalen Adverbien (

nun

), temporalen Präpositionen (

nach

) u.a. Mitteln.





Beschreibender

Stil

Stilbeschreibender entsteht in Text 12 durch





 das HinzufügenHinzufügen von Wesensmerkmalen des zum ThemawortThemawort gewordenen Begriffs

Brandstiftung

 mit Hilfe eines Gattungsworts (

Gefährdungsdelikt

) und definierender Attribute (

gemeingefährlich

;

mit hohen Strafen bedroht

), wodurch die begriffliche BedeutungSemantik/semantisch des Themaworts in eine definierte Bedeutung überführt wird;



 das HinzufügenHinzufügen von Differenzierungsmerkmalen des Begriffs mit Hilfe klassifizierender Attribute (

schwere B.

;

besonders schwere B.

;

einfache B.

;

fahrlässige B.

), wodurch die begriffliche BedeutungSemantik/semantisch hierarchisch strukturiert wird;



 das einheitliche Verwenden der Tempusform Präsens, deren atemporale Variante den begrifflichen Bestimmungen Allgemeingültigkeit verleiht (z.B.

wird bestraft

;

setzt in Brand

;

liegt vor

).





Will man den Unterschied zwischen dem berichtenden und dem beschreibenden Stil an GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzip bzw. GestaltqualitätenGestaltqualität festmachen, so bieten sich die klassischen Gegensatzpaare ‚KonkretheitKonkretheit‘ vs. ‚AbstraktheitAbstraktheit‘ sowie ‚DynamikDynamik‘ vs. ‚StatikStatik‘ an (Näheres dazu in 3.2).



b) Arten textsortentypischer FormulierungFormulierung von Thema und Teilthemen



Die stilistischen Unterschiede zwischen beiden Beispieltexten (Texte 11 und 12) sind auch an thema- und themenstrukturbezogenen Formulierungsweisen erkennbar. Eine Erklärung für die Unterschiede liegt in der Zugehörigkeit der Texte zu verschiedenen TextsortenTextsorte. Auf die Beispieltexte bezogen stehen sich zwei weitere Stilformen gegenüber: der journalistische Stil im Textsortenrahmen Medienbericht (Text 11) und der fachliche Stil im Textsortenrahmen Lexikonartikel (Text 12). Da der Artikel zum Fachgebiet Rechtswesen verfasst ist, kann die Stilkennzeichnung ‚fachlicher StilStilfachlicher‘ präzisiert werden. Es handelt sich hier um den juristischen StilStiljuristischer.





Journalistischer Stil

 (Text 11) beruht u.a. auf





 dem Verwenden faktenbezeichnender RealienwörterRealienwort (Eigennamen, Kalenderdaten, ZahlwörterZahlwort u.a.), wodurch der Ereignisdarstellung GenauigkeitGenauigkeit verliehen wird (Eigennamen im Beispieltext sind Ortsteilnamen:

Berlin-Wilmersdorf

; Straßennamen:

Ahrweilerstraße

; Personennamen:

Gunnar Schupelius

);



 dem Wiedergeben von recherchierter Rede, wobei deren Wortlaut originalgetreu (direkte RedeRededirekte) oder vom Original abweichend (z.B. per indirekter RedeRedeindirekte) übernommen werden kann (Beispiele für beide RedewiedergabeformenRedewiedergabeform finden sich vor allem im letzten Abschnitt des Beispieltextes);



 dem Bevorzugen von gemeinsprachlicher Lexik, wodurch der Ereignisdarstellung AllgemeinverständlichkeitAllgemeinverständlichkeit verliehen wird;



 dem HinzufügenHinzufügen von Informationsquellen, die als „Glaubwürdigkeitssignale“ (Lüger 1995: 99) fungieren (

hieß es bei der Polizei

;

sagte ein Sprecher

);



 „anregenden Zusätzen“ (ebd.: 112), auch als Rezeptionsstimulantien oder AttraktivmacherAttraktivmacher bezeichnet, im Dienste von Interessantheit und UnterhaltsamkeitUnterhaltsamkeit. Auf solcherart Zusätze (Wortspielereien, alltagssprachliche Formulierungen, AnspielungenAllusion u.a.m.) kann verzichtet werden, wenn dem Thema etwas Außergewöhnliches innewohnt, etwa wenn das Opfer des Brandanschlags ein bekannter Journalist ist (Text 11) oder der Brandstifter ein Feuerwehrmann.





Juristischer Stil

 (Text 12) beruht u.a. auf





 dem ErsetzenSubstituieren von gemeinsprachlicher Lexik durch ein- und mehrgliedrige TerminiTerminus aus dem Fachgebiet des Rechtswesens (

Gefährdungsdelikt

;

Freiheitsentzug

);



 dem Verwenden von gemeinsprachlicher Lexik mit fachsprachlicher SemantikSemantik/semantisch (vgl. z.B.

schwere B.

;

besonders schwere B.

;

fahrlässige B.

);



 dem Herstellen intertextueller Beziehungen in Form von Verweisen auf Gesetzesgrundlagen mit Paragraphenzeichen (z.B.

nach §

306

a St

GB

);



 dem Herstellen von Tatbestand-Rechtsfolge-Konstruktionen (vgl. Nussbaumer 2009: 2137), z.B.

wegen schwerer B. wird mit Freiheitsentzug nicht unter einem Jahr bestraft

 (= Rechtsfolge) –

wer in Brand setzt:

1

) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude,

2

) ein Gebäude, ein Schiff oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient

  (= Tatbestand).





Die aufgezeigten Verfahren und Mittel des juristischen StilsStiljuristischer folgen dem GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip GenauigkeitGenauigkeit.



Zum Wie der FormulierungFormulierung von Thema und Teilthemen gibt es – andere Texte heranziehend – noch einiges mehr zu sagen. So muss das Thema keinesfalls explizit und klarKlarheit formuliert sein. Es kann auch angedeutetAndeuten, versteckt, verdeckt oder verschwiegen werden.





Andeuten

Andeuten

 des Themas:

 Andeutungen finden wir z.B. in Romantiteln wie „Die Klavierspielerin“ (Text 6). Hier wird lediglich die Hauptfigur sozial kategorisiert. Der Titel legt die Interpretation nahe: ‚Es geht um eine Klavierspielerin.‘ Andeutungen können ausgebaut werden, wie im Romantitel „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ (Roman von Jonas Jonasson). Hier wird jedoch nur der Inhalt des extrem kurzen ersten Kapitels komprimiertKomprimiertheit wiedergegeben.





Verstecken

Verstecken

 des Themas:

 In Witzen und Bildwitzen (Text 7) ist das Thema in die PointePointe eingearbeitet, quasi in ihr versteckt, und aus ihr zu erschließen. Ein geläufiges Witzthema sind ‚Missverständnisse‘.





Verdecken

Verdecken

 des Themas:

 Beispiele für diese Gestaltungsmöglichkeit liefert die Werbekommunikation in großer Zahl. Dabei werden originelleOriginalität GestaltungsideenGestaltungsidee realisiert – wie in einer Werbeanzeige für den Peugeot 806, in der das ThemawortThemawort, d.h. der Produktname, in einen kindlichen, krakelig handgeschriebenen, orthographisch fehlerhaften „Erpresserbrief“ integriert worden ist – ein weiterer Fall von MustermischungMustermischung (siehe Text 13):




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