Besonderes Verwaltungsrecht

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1. Gemeinden

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In den Eingangsbestimmungen der Gemeindeordnungen werden die Gemeinden als Gebietskörperschaften bezeichnet, die das Wohl ihrer Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre von der Bürgerschaft gewählten Organe fördern (vgl Art. 1 bay.GO, § 1 II m.v.KVerf., §§ 1 I, 2 II NKomVG, § 1 I GO NRW). Eine solche recht abstrakte Umschreibung des „Wesens der Gemeinden“ lässt freilich den entscheidenden Aspekt für die körperschaftlichen Dimensionen nur schwach erkennen, nämlich den örtlichen Bezugsrahmen von Organisation und Aufgabenkreis, der in der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 28 II 1 GG deutlich hervortritt. Mit der Benennung als Gebietskörperschaft erfolgte eine Bezugnahme auf das allgemeine Verwaltungsrecht, das die öffentlich-rechtliche Körperschaft als mitgliedschaftlich organisiertes rechtsfähiges Subjekt des öffentlichen Rechts kennt, welches auf gesetzlicher Grundlage öffentliche Aufgaben mit hoheitlichen Mitteln unter staatlicher Aufsicht wahrnimmt.

Konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaft ist die Gebietshoheit mit zumindest subsidiärer Allzuständigkeit (Universalität des Wirkungskreises)[25].

Kontrastierende Körperschaftskategorie ist die Personalkörperschaft: dort knüpft die Mitgliedschaft nicht an geographische, sondern an personenbezogene Merkmale an. Bsp.: IHK, Handwerkskammer, Ärztekammer[26].

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Während Art. 139 ff der DDR-Verfassung vom 7.10.1949 (GBl. DDR I S. 5) die Selbstverwaltungsgarantie für Gemeinden und Gemeindeverbände noch formell aufrechterhalten hatten, wurde die Selbstständigkeit in der Folgezeit entsprechend dem Prinzip des sog. demokratischen Zentralismus rigoros beschnitten. In der Verwaltungsstruktur der DDR bildeten kommunale Institutionen, wie Art. 41 u. 43 der DDR-Verf. von 1974 teils dokumentierten („im Rahmen der staatlichen Leitung und Planung“), teils vernebelten („Sie entscheiden eigenverantwortlich auf der Grundlage der Gesetze über ihre Angelegenheiten“), nur noch nachgeordnete Staatsorgane[27]. Nach § 1 I GÖV[28] hatten diese (die Stadtverordnetenversammlung von Berlin und die Bezirkstage; die Kreistage, die Stadtverordnetenversammlungen der Stadtkreise und die Stadtbezirksversammlungen in Berlin; die Stadtverordnetenversammlungen der kreisangehörigen Städte, die Stadtbezirksversammlungen in den Stadtkreisen und die Gemeindevertretungen) gemäß der Verfassung, den Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften in eigener Verantwortung über alle Angelegenheiten zu entscheiden, die ihr Territorium und seine Bürger betreffen, aber keine originären Kompetenzen. Sie waren lediglich „Organe der sozialistischen Staatsmacht“ (§ 1 I 3 GÖV). Mit gutem Grund wird daher in der Rspr betont, dass die jetzigen Gemeinden in den neuen Ländern weder mit den früheren Räten der Gemeinden identisch noch deren Rechtsnachfolger sind[29]. Erst das (o. Rn 6 zitierte) Gesetz vom 17.5.1990 („KommVerf DDR“) brachte eine Revitalisierung der Organisation der kommunalen Selbstverwaltung. Diese damit bereits vor der Wiedervereinigung verabschiedete KommVerf DDR knüpfte vielfach an die gängigen westdeutschen Organisationsmodelle (dazu noch unten Rn 117 ff) an, griff einzelne Elemente heraus und verband sie miteinander, ging zum Teil aber auch eigene Wege. Charakteristisch war insbesondere, dass den Gemeinden zahlreiche, durch die jeweilige Hauptsatzung auszufüllende Gestaltungsspielräume eröffnet waren. Auf diese Weise konnte durchaus von einem neuen, eigenständigen Modell gesprochen werden.

a) Der Gemeindename

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Die Gemeinden führen als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts im Rechtsverkehr ihren eigenen Namen (vgl Art. 2 I bay.GO, § 8 I m.v.KVerf., § 19 I NKomVG, § 13 I GO NRW). Hierfür genießen sie den Schutz des Art. 28 II GG und können dieses Namensrecht gegenüber Verletzungshandlungen Dritter nach Maßgabe der gerichtlichen Zuständigkeitsordnung[30] durchsetzen.

Vgl BVerwGE 44, 351 („Bahnhofsbezeichnung“): Die Gemeinde hat gegen die Bahn in der Regel einen Anspruch auf Bezeichnung des Gemeindebahnhofs mit dem korrekten amtlichen Gemeindenamen, wenn jene an diesen Namen in ihrem Tätigkeitsbereich anknüpft. Bei Gebrauch des Namens im Rahmen öffentlich-rechtlich geregelter Aufgaben ist Schutznorm die entsprechende Vorschrift der Gemeindeordnung. Im Zivilrechtsverkehr – hier in der Werbung – ist der Gemeindename gegen unbefugten Gebrauch durch § 12 BGB und § 15 MarkenG unmittelbar geschützt[31]. Zum Schutz gegenüber dem Gesetzgeber im Rahmen von Neugliederungsmaßnahmen als gestaltenden staatlichen Organisationsakten („Namensänderung“) siehe BVerfGE 59, 216 (226 ff): Auch der Gesetzgeber darf den Gemeindenamen nicht aus sachfremden Erwägungen – hier: Steuerung örtlicher Investitionsentscheidungen – ändern, da ein solcher Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nicht von Gründen des öffentlichen Wohls gedeckt ist.

Bei der materiell-rechtlichen Beurteilung können auch in öffentlich-rechtlichen Fragen des Namensschutzes ergänzend die Erkenntnisse zu § 12 BGB herangezogen werden[32].

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Die Bezeichnung „Stadt“, die ein an bestimmte Merkmale (zB Struktur, Gebietsumfang, Einwohnerzahl) anknüpfendes städtisches Gepräge des Gemeinwesens dokumentieren soll[33], dürfen solche Gemeinden führen, denen diese nach altem Recht zusteht oder auf Antrag von der Landesregierung verliehen wird (Art. 3 I bay.GO[34], § 8 III m.v.KVerf, § 20 I NKomVG, § 13 II GO NRW).

Bei kreisangehörigen Gemeinden mit mehr als 25 000 Einwohnern spricht die GO NRW (vgl § 4 I und II) bereits generell von einer „Mittleren kreisangehörigen Stadt“, bei solchen mit mehr als 60 000 Einwohnern von einer „Großen kreisangehörigen Stadt“. Vgl auch Art. 5a III, IV bay.GO und § 3 II sächs.GO zur „Großen Kreisstadt“ und § 14 III, V NKomVG zu „großen selbstständigen Städten“ und „selbstständigen Gemeinden“ (ab 30 000 Einwohnern).

Daraus wird bereits ersichtlich, dass die Gemeindeordnungen auf kommunale Gebilde unterschiedlichster Struktur, Einwohnerzahl und Größe Anwendung finden, auf kreisangehörige Gemeinden wie auf kreisfreie Städte. Ihre Geltungskraft erstreckt sich damit auf eine Kleinstgemeinde in der Mark Brandenburg und auf eine Millionenstadt wie München.

Lediglich die Amtsbezeichnung für Gemeindeorgane variiert. So heißt etwa in Niedersachsen und NRW der Bürgermeister in kreisfreien (und großen selbstständigen) Städten Oberbürgermeister (§ 7 II Nr 2 NKomVG, § 40 II 3 GO NRW).

b) Das Gemeindegebiet

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Das Gebiet einer Gemeinde besteht aus den Grundstücken, die nach geltendem Recht zu ihr gehören; gemeindefreie Grundstücke soll es nicht geben (vgl § 23 IV NKomVG, § 16 II GO NRW)[35]. Als von der Größenordnung her erstrebenswert wird ein solcher Gebietszuschnitt bezeichnet, bei dem die örtliche Verbundenheit der Einwohner gewahrt und die Leistungsfähigkeit der Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (vgl § 23 III NKomVG, § 15 GO NRW). Unter dem Motto der Steigerung der kommunalen Verwaltungskraft fand in den Ländern des alten Bundesgebietes während der 70er-Jahre eine breit angelegte territoriale Neugliederung statt, die – trotz vielfach erbitterter Widerstände vonseiten der betroffenen Kommunen[36] und ihrer Bürger – zu erheblichen Maßstabsvergrößerungen bei den übrig gebliebenen bzw neuformierten Gemeinden führte, mancherorts aber auch spürbare Verluste an Bürgernähe, demokratischer Substanz und örtlicher Verbundenheit mit sich brachte[37].

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Jene Neugliederung produzierte im Übrigen eine Vielzahl rechtlicher Folgeprobleme, von denen hier nur das Ortsrecht – Weitergeltung von Satzungen?[38] – die Namensfindung (s. oben Rn 16) und das Sparkassenwesen (dazu noch unten Rn 330 ff) erwähnt sein sollen.

c) Interne Gebietsaufgliederungen

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In einzelnen Ländern sind im Gefolge der kommunalen Neugliederung zur Korrektur der beschriebenen Fehlentwicklungen interne Gebietsaufgliederungen in Gestalt einer Bezirksverfassung vorgeschrieben, so in Nordrhein-Westfalen

Verpflichtung kreisfreier Städte zur Einteilung des Stadtgebiets in Stadtbezirke (mit Bezirksvertretungen[39] und Bezirksverwaltungsstellen) gemäß §§ 35 ff GO NRW; Möglichkeit einer Bezirkseinteilung in kreisangehörigen Gemeinden gemäß § 39 GO NRW.

und in Bayern,

Für Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern sind Bezirksausschüsse zwingend (vgl Art. 60 bay.GO).

ansonsten jedenfalls fakultativ vorgesehen (vgl §§ 64 ff bd.wtt.GO; §§ 81 f hess.GO; § 42 m.v.KVerf.; §§ 90 ff NKomVG; §§ 74 ff rh.pf.GO; §§ 70 ff saarl.KSVG; §§ 65 ff sächs.GO).[40]

2. Landkreise

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Die Kreise, die ihr Gebiet zum Besten der kreisangehörigen Gemeinden und ihrer Einwohner nach den Grundsätzen der gemeindlichen Selbstverwaltung zu betreuen haben, sind Gemeindeverbände[41] und Gebietskörperschaften (Art. 10 I bay.Verf., Art. 1 bay.LKrO; § 88 m.v.KVerf.; § 3 I NKomVG; § 1 KrO NRW). Damit ist zum einen die Körperschaftsstruktur betont, zum anderen wird klargestellt, dass es sich um kommunale Rechtssubjekte oberhalb der Ortsebene handelt, denen ein umfassender, gesetzlich geformter, auf Dauer ausgerichteter, eigenverantwortlich zu erledigender Aufgabenbestand zukommt. In diesem Sinne legt § 2 I 1 KrO NRW fest, dass die Kreise, soweit nicht gesetzlich ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung der auf ihr Gebiet begrenzten überörtlichen Angelegenheiten sind (vgl ähnlich § 3 II NKomVG)[42].

 

a) Kreisaufgaben

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Zu den überörtlichen Kreisaufgaben gehören zunächst die eigenen, substantiell als überörtlich zu qualifizierenden Aufgaben.

Insoweit wird vielfach noch zwischen sog. Existenzaufgaben (solche, die mit der Kreisexistenz notwendigerweise zusammenhängen, wie Organisations- und Personalaufgaben) und flächenbezogenen, damit kreisintegralen Sachaufgaben (wie die Unterhaltung von Kreisstraßen oder Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs) unterschieden[43]. Nicht zu den originären Kreisaufgaben, sondern zu den auf örtlicher Ebene zu erfüllenden Aufgaben gehört etwa die Stromversorgung[44].

Neben gewissen das gemeindliche Aufgabenspektrum ergänzenden Agenden[45] wird dazu auch die Wahrnehmung der sog. „Ausgleichsfunktion der Landkreise“ gezählt, die auf eine annähernd gleichwertige Wahrnehmung der örtlichen Verwaltungsaufgaben in allen kreisangehörigen Gemeinden abzielt[46] (s. auch unten Rn 75).

Dass bei einer solchen Aufgabenbeschreibung kompetentielle Konflikte zwischen Gemeinden und Kreisen in manchem Sachgebiet (Bsp.: Abfallentsorgung) gewissermaßen vorprogrammiert sind, dürfte einleuchten (näher unten Rn 52 ff)[47].

In einigen Ländern finden sich ausdrückliche Vorgaben im Sinne einer Kompetenz-Kompetenz des Kreises.

Vgl etwa § 2 II bd.wtt.LKreisO: „Hat der Landkreis im Rahmen seines Wirkungskreises für die Erfüllung einer Aufgabe ausreichende Einrichtungen geschaffen oder übernommen, kann der Kreistag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen aller Mitglieder mit Wirkung gegenüber den Gemeinden beschließen, dass diese Aufgabe für die durch die Einrichtung versorgten Teile des Landkreises zu seiner ausschließlichen Zuständigkeit gehört.“[48]

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Strittig ist vor allem, inwieweit das Instrument der Kreisumlage (u. Rn 343) als einer „Fehlbetragsdeckungsabgabe, die von den Gemeinden nach Maßgabe ihrer Finanzkraft für den Kreishaushalt aufzubringen ist“,[49] zur Finanzierung von Ergänzungs- oder Ausgleichsaufgaben eingesetzt werden darf.

Keine grds. verfassungsrechtlichen Bedenken hiergegen hat BVerwGE 101, 99 (102 ff), da die Gewährung von Zuschüssen an kreisangehörige Gemeinden oder an private Dritte keine im Hinblick auf Art. 28 II 1 GG unzulässige Aufgabenverlagerung darstelle, sondern eigentlich sogar den gemeindlichen Zuständigkeitsvorrang bekräftige[50].

b) Kreisgebiet

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Das Kreisgebiet umschließt die Gebiete der kreisangehörigen Gemeinden. Es bildet zugleich den Bezirk der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde (vgl § 1 III KreisO NRW, §§ 6 I 2, 23 I 2 NKomVG).

So agiert der Landrat in den Flächenstaaten regelmäßig als untere staatliche Verwaltungsbehörde (vgl etwa §§ 58, 59 KreisO NRW). Abweichend in Nds.: Zwar erfüllt der Landkreis als Träger der unteren Verwaltungsbehörde staatliche Aufgaben (vgl § 6 I 2 NKomVG); mangels einer entsprechenden Regelung ist jedoch weder der Landrat noch ein sonstiges Kreisorgan zugleich die untere Verwaltungsbehörde, eine Organleihe findet nicht statt.

c) Parallelen zu den Gemeindeordnungen

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Zum Namensrecht, zum Gebietsbestand und -zuschnitt verhalten sich die Kreisordnungen – wie übrigens auch in anderen Teilen – in weitgehender Parallele zu den Gemeindeordnungen, auf die zudem mehrfach verwiesen wird, sodass die in §§ 3 ff dieser Darstellung enthaltenen Aussagen zur Rechtsstellung der Gemeinden grundsätzlich auch für die Kreise gelten. Niedersachsen hat mit seinem 2011 erlassenen NKomVG aus Gründen der Normvereinfachung und Deregulierung auf unterschiedliche Gesetze verzichtet, so dass es dort der Verweisungstechnik nicht mehr bedarf. Stattdessen gibt es einheitliche Regeln für alle „Kommunen“ (s.o. Rn 13), und gemeinsame Oberbegriffe für die kommunalen Organe („Vertretung“, „Hauptausschuss“ und „Hauptverwaltungsbeamtin oder Hauptverwaltungsbeamter“, vgl § 7 I NKomVG). In Sachsen-Anhalt hat das Kommunalverfassungsgesetz vom 17.7.2014 zu einer ähnlichen Normvereinfachung geführt.

3. Höherstufige Gemeindeverbände

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Neben den Kreisen bestehen in einzelnen Bundesländern des Weiteren noch höherstufige, regional ausgerichtete Gemeindeverbände[51].

a) Landschaftsverbände und Bezirke

So finden sich in NRW die Landschaftsverbände[52] und in Bayern die Bezirke.

Die beiden Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe sind ausweislich der LVerbO NRW[53], öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenen Organen (Landschaftsversammlung, Landschaftsausschuss und Direktor des Landschaftsverbandes), die gesetzlich festgelegte Aufgaben (namentlich in den Bereichen Wohlfahrtspflege, landschaftliche Kulturpflege und Kommunalwirtschaft) erfüllen[54]. Die Finanzierung der Aufgaben der beiden Landschaftsverbände erfolgt weiten teils über eine von ihren Mitgliedskörperschaften (Kreisen und kreisfreien Städten) aufzubringende Landschaftsumlage[55].

Die Bezirke sind gemäß der bay. Bezirksordnung (BezO)[56] Gebietskörperschaften mit überörtlichem Wirkungskreis, die Aufgaben zu erfüllen haben, welche über die Zuständigkeit oder das Leistungsvermögen der Kreise und kreisfreien Städte hinausgehen. Sie handeln durch eigene Bezirksorgane (Bezirkstag, Bezirksausschüsse, Bezirkspräsident) und verfügen über einen eigenen Haushalt (mit der Möglichkeit der Abgabenerhebung und dem Instrument der Bezirksumlage).

Art. 75 m.v.Verf. sieht zur Pflege und Förderung insbes. geschichtlicher, kultureller und landschaftlicher Besonderheiten der Landesteile Mecklenburg und Vorpommern ausdrücklich die Möglichkeit zur Errichtung von Landschaftsverbänden mit dem Recht auf Selbstverwaltung vor.

b) Stadt-Umland-Verbände

In einigen Fällen haben die Landesgesetzgeber ausdrücklich angeordnet, dass bestimmte Stadt-Umland-Verbände, dh Organisationseinheiten zur kooperativen Erledigung von Verwaltungsaufgaben in Stadt-Umland-Verdichtungsräumen, einen Gemeindeverband iSd Art. 28 II GG darstellen[57].

4. Samtgemeinden, Verbandsgemeinden, Ämter

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Zu den kommunalen Rechtssubjekten zählen ferner die sog. Ämter bzw Samtgemeinden resp Verbandsgemeinden, welche aus mehreren kleinen Gemeinden zur Stärkung der Verwaltungskraft gebildet werden und mit eigenen Organen ausgestattet sind. Allerdings haben sie durch kommunale Gebietsreformen in den alten Ländern vielfach an Bedeutung eingebüßt. Regelmäßig werden sie mit dem Sammelbegriff eines Gemeindeverbandes niederer Ordnung belegt. Diese Bezeichnung wirft aber Missverständnisse auf, da diese Organisationseinheiten eher Hilfsfunktionen wahrnehmen und nur in sehr beschränktem Umfang mit Selbstverwaltungsaufgaben ausgestattet sind. Es handelt sich vielmehr um einen Typus, der den im Folgenden zu behandelnden Zweckverbänden zuzurechnen ist[58]. Daher brauchen sie keine unmittelbar gewählten Volksvertretungen (dazu noch unten Rn 77) zu besitzen.

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In den neuen Ländern haben inzwischen gleichfalls weit reichende Gebietsreformen stattgefunden[59]. Dabei hat der Organisationstypus der Ämter, insbesondere wegen des bislang vielfach äußerst kleinen Zuschnitts der Gemeinden, eine Revitalisierung erfahren[60].

Bei diesen Ämtern handelt es sich um aus aneinandergrenzenden Gemeinden desselben Kreises bestehende Körperschaften des öff. Rechts, die Träger der ihnen übertragenen Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (dazu unten Rn 206 ff) sind und die amtsangehörigen Gemeinden bei der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben zu unterstützen haben (vgl §§ 133 ff BbKVerf). Das Amt richtet zur Durchführung seiner Aufgaben regelmäßig eine eigene Verwaltung ein (vgl § 134 I BbgKVerf); als Organe fungieren ein Amtsausschuss und ein Amtsdirektor (vgl § 138 BbgKVerf). Zur Finanzierung ist eine Amtsumlage vorgesehen (§ 139 BbgKVerf). Amtsangehörige Gemeinden werden auch im Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren nach den allg. kommunalrechtlichen Bestimmungen durch das Amt vertreten[61].

5. Kommunale Zweckverbände

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In Landesgesetzen über kommunale Gemeinschaftsarbeit[62] sind als Formen gemeinsamer öffentlich-rechtlicher Aufgabenwahrnehmung neben der Gründung lockerer Arbeitsgemeinschaften (als Beratungsforum ohne Beschlusskompetenz) die vertragliche Übernahme einzelner kommunaler Aufgaben durch einen der Beteiligten in eigener Zuständigkeit (vgl §§ 23 ff GkG NRW zu solchen öffentlich-rechtlichen [Zweck-]Vereinbarungen)[63] sowie die Bildung eines Zweckverbandes vorgesehen[64]. Als Zusammenschluss mehrerer Gemeinden und/oder Gemeindeverbände ist der Zweckverband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, aber nicht selbst Gebietskörperschaft und Gemeindeverband ieS. Aus diesem Grunde ist der Zweckverband auch nicht etwa Träger eines gemeindlichen Namensrechts[65].

Hierunter fallen nur solche kommunalen Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder diesen Körperschaften jedenfalls nach dem Gewicht ihrer Selbstverwaltungsaufgaben sehr nahe kommen[66].

a) Freiverband und Pflichtverband

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Der Zweckverband verwaltet seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze nach Maßgabe der Verbandssatzung unter eigener Verantwortung mit eigenen Organen (Verbandsversammlung und Verbandsvorsteher). Nach der Art des Zustandekommens lassen sich der Freiverband bei freiwilligem Zusammenschluss und der Pflichtverband bei Zwangszusammenschluss für Pflichtaufgaben (vgl § 4 I GkG NRW) unterscheiden. In jüngerer Zeit mehrfach strittig war die Frage nach der Möglichkeit des Ausscheidens aus einem einmal gegründeten Zweckverband. In einigen Ländern ist eine Kündigung der Mitgliedschaft vorgesehen (vgl § 6 II nds.KomZG), mitunter nur aus wichtigem Grund (vgl § 69 sächs.KomZG), in anderen bleibt nur der Weg über eine Änderung der Verbandsordnung mit den notwendigen Mehrheiten (so etwa § 32 II, V GKGBbg)[67] respektive über den Erlass einer dies ermöglichenden RVO (vgl § 62 bd.wtt. GO)[68].

Bei der Beurteilung von Zwangszusammenschlüssen zu kommunalen Zweckverbänden ist zu beachten, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz gemeindlicher Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit (vgl unten Rn 52) besser durch ausschließliche Entscheidungsbefugnis der Gemeinde in ihrem Gebiet als durch bloße Mitwirkung kommunaler Organe im Rahmen einer Zweckverbandslösung verwirklicht wird[69].

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Die Befugnis, sich auf diesem Felde auch der Gestaltungsmöglichkeiten des Privatrechts (Bildung gemeinsamer Gesellschaften in der Rechtsform der AG oder der GmbH, insbesondere für Verkehrsbetriebe oder Stadtwerke, vgl unten Rn 248, 298 u. 308) zu bedienen, bleibt unberührt (vgl § 1 III GkG NRW).