Gelassene Eltern - zufriedene Kinder

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Wenn du häufig mit deinem Ärger zu kämpfen hast, suche Beratung. Geniere dich nicht, um Hilfe zu bitten. Du bist als Mutter oder Vater dafür verantwortlich, die körperliche oder seelische Verletzung deines Kindes zu vermeiden.

Wie du damit aufhörst, dein Kind anzuschreien

Ich nehme Ihre Ratschläge gern an. Aber sie wirken nur, wenn ich ruhig bleiben kann, was mir wirklich sehr schwerfällt. Meine Mutter hat herumgeschrien. Ich stamme aus einer Familie, in der es über Generationen üblich war, die Kinder anzubrüllen. Wie durchbreche ich diesen Kreislauf?

CYNTHIA,

Mutter dreier Kinder unter sechs Jahren

Die meisten Eltern schreien ihre Kinder an. Die Hälfte der Zeit merken wir es nicht einmal. Unsere Stimme wird einfach immer lauter. Oder, wir wissen zwar, was wir tun, aber in der Situation scheint es uns vollkommen gerechtfertigt. Hast du denn wirklich gesehen, was das Kind angestellt hat?!

Aber wir alle wissen, dass unsere Kinder besser auf uns reagieren, wenn wir nicht schreien. Schreien lässt eine schwierige Situation eskalieren, aus einer Windbö wird ein ausgewachsener Sturm. Und wie sollst du von einem Kind erwarten, dass es seine Emotionen reguliert, wenn du das noch nicht einmal selbst kannst?

Wenn wir stattdessen ruhig bleiben können, beruhigt das auch alle anderen. Wir sind ein Vorbild für emotionalen Ausgleich. Dann sind wir fähig, wirksamer einzugreifen, um das Problem zu lösen. Unser Kind lernt, wie man von der Aufregung wieder in den Ruhezustand kommt. Unsere Beziehung zu unserem Kind wird gefestigt. Es kooperiert öfters. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir, dass es unser eigener Kram ist, der uns zum Schreien bringt. Einige Eltern würden dasselbe Verhalten sehen und könnten dabei empathisch bleiben oder humorvoll damit umgehen (wirklich!). Denn egal, wie schlimm sich unser Kind verhält, dahinter steckt ein Hilfeschrei. Manchmal erfordert sein Verhalten eine entschiedene Grenze, aber nie, dass wir gemein werden. Und sowieso kannst du deinem Kind nicht helfen, während du es anschreist.

Es ist nicht leicht, mit dem Schreien aufzuhören. Du kannst unbedingt aufhören wollen und ertappst dich dann doch wieder dabei. Wenn du selbst angeschrien wirst, kostet es ungeheuer viel Arbeit nicht zurück zu brüllen. Aber wenn du weißt, dass du mit dem Schreien aufhören willst, kannst du davon ausgehen, dass es auch möglich sein wird – ganz egal, wie sehr diese Gewohnheit bereits eingefahren ist. Das ist keine Hexerei. Genauso wie beim Erlernen des Klaviers fängst du heute damit an, Tonleitern zu üben; du übst täglich und bald kannst du einfache Melodien spielen. Ein Jahr später spielst du eine Sonate. Ich habe Hunderte von Eltern gesehen, die das meisterten.

Wird es schwer werden mit dem Schreien aufzuhören? Ja, es geschieht nicht durch Zauberei. Du musst dich täglich darum bemühen, und keiner kann es dir abnehmen. Das Schreien zu lassen mag sich wie ein Wunder anhören, aber du kannst es erreichen. Wenn du kontinuierlich daran arbeitest, wirst du eines Tages plötzlich merken, dass du dich gar nicht mehr daran erinnern kannst, wann du das letzte Mal geschrien hast.

Verpflichte dich dazu. Die Forschung zeigt: Wenn wir uns in Worten bewusst auf eine bestimmte Handlungsweise »festlegen«, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie tatsächlich umsetzen, insbesondere, wenn wir daran täglich arbeiten. Allein der Wunsch nach Veränderung genügt dagegen nicht, selbst das »Bedauern« über etwas, das wir getan haben, ändert selten etwas. Also schreibe deine Absichtserklärung auf ein Blatt Papier (»Ich werde mit meinem Kind respektvoll reden«) und befestige es da, wo du den Satz oft sehen wirst. Male es dir aus, wie schön es zu Hause sein wird, wenn du dort nicht mehr herumschreist. Stell dir vor, wie du auf die Situationen, die dich heute zum Schreien bringen, gelassen reagierst – vielleicht sogar empathisch oder mit einer Prise Humor. Suche dieses innere Bild immer wieder auf. Somit programmierst du dein Unterbewusstsein.

Gib deiner Familie das verbindliche Versprechen. Allerdings gibt es einen Haken. Du musst dich einem anderen gegenüber verpflichten. Vor allem deinem Kind gegenüber musst du dich verpflichten, dass du mit dem Anschreien aufhören willst, weil dein Kind der einzige Mensch ist, der da sein wird, um dich zur Ehrlichkeit anzuhalten. Ist das ein wenig beängstigend? Ja. Aber du bist das Vorbild und willst du ein Kind, dass dich nicht anschreit, dann ist das der einzige Weg zu diesem Ziel. Erkläre also deinen Kindern, dass du dir vorgenommen hast, mit dem Schreien aufzuhören. Bastle dir eine Belohnungstabelle für »respektvollen Tonfall«. An jedem Abend entscheidet dann dein Kind (!), ob du dir einen Aufkleber verdient hast. So bleibst du in deiner Verantwortung.

(Bist du gegen Belohnungstabellen für Kinder? Ich auch, weil sie die falsche Lektion vermitteln, was wir noch in dem Kapitel über Disziplin besprechen werden. Aber da die Eltern alle Macht in der Familie haben, ist diese Tabelle ein Weg, das Kind dazu zu ermächtigen, die Eltern zur Verantwortung zu ziehen. Ich mache mir keine Sorgen, dass die Eltern dabei die falsche Lektion lernen. Lass dich nur nicht dazu hinreißen, zugleich auch deinem Kind eine Belohnungstabelle für respektvollen Tonfall aufzuzwingen. Es hat weniger Selbstkontrolle, wenn es wütend ist, als du und lernt am besten von deiner Vorbildwirkung.)

Stopp-lass-los-atme gilt für jedes Mal, wenn du merkst, dass du die Stimme erhebst oder kurz davor bist. Wie geht das?

Höre auf zu sprechen, sobald du merkst, dass du die Beherrschung verlierst. Schließe den Mund. Musst du unbedingt Töne von dir geben? Dann summe. Aber schließe den Mund.

Lass los. Wirklich. Lass diesen Moment los. Das ist kein Notfall. (Falls doch, bring alle aus der Gefahrenzone und steige dann wieder in den Prozess ein.) Steige einfach aus der Situation aus.

Atme zehn Mal tief durch. Schüttle die Hände aus. Das holt dich aus dem »Reptiliengehirn« heraus – aus dem Kampf-Flucht-oder-Erstarren-Modus – und hinein in die bewusste Gegenwart. Jetzt kannst du wählen, wie du handeln willst.

Erinnere dich daran: Du bist der / die Erwachsene und dein Kind lernt aus allem, was du gerade jetzt tust. Schau dein Kind an und sage: »Ich arbeite hart daran, ruhig zu bleiben. Ich will nicht herumschreien. Lass mich ruhig werden und dann fangen wir noch einmal von vorne an.«

Tu das, was dir hilft, aus der Kampf-oder-Flucht-Reaktion des Körpers herauszukommen – weitere tiefe Atemzüge, sage dir ein Mantra vor, spritze dir kaltes Wasser ins Gesicht, schau auf die Belohnungsliste für respektvollen Tonfall, erinnere dich daran, dass dein Kind wie ein Kind handelt, weil es eben ein Kind ist. Erinnere dich daran, dass kein Notfall besteht.

Starte einen neuen Versuch. Du wirst es merken, wenn du nicht mehr im Kampf-Flucht-Modus gefangen bist, denn dann wird dir dein Kind nicht länger wie der Feind vorkommen, sondern wie dein geliebtes Baby, dem du versprochen hast, es zu hegen, zu lieben und in guter Weise ins Leben zu begleiten. Und jetzt beginne die Interaktion von Neuem.

Ganz schön schwer, oder? Sehr schwer, wenn du von neurochemischen Stoffen überschwemmt wirst, die dich zum Angriff treiben. Aber gleichzeitig auch einfach. Du wartest einfach mit der Interaktion, bis du dich beruhigt hast.

Fragst du dich, wie dein Kind lernen wird, ohne dass du laut wirst? Verängstigte Kinder schalten in den Kampf-oder-Flucht-Modus. Dann machen die Lernzentren des Gehirns dicht. Wenn du schreist, kann dein Kind nicht lernen. Es ist immer viel wirksamer, wenn du ruhig und mitfühlend bist. Abgesehen davon, verlierst du sonst bei deinem Kind an Glaubwürdigkeit.

Fragst du dich, ob du dein Kind so nicht zu leicht davonkommen lässt? Es ist verletzt und sein »Fehlverhalten« ist ein dringender Hilferuf an dich. Es flippt aus, weil es heftige Gefühle spürt, die es noch nicht verstehen und verbal ausdrücken kann. Natürlich zeigst du Grenzen und lenkst sein Verhalten um. Aber dein Eingreifen darf niemals gemein oder angsterregend sein. Du willst, dass dir dein Kind aus Liebe folgt und dich deshalb nicht enttäuschen will und nicht, weil du ihm Angst einjagst.

Fragst du dich, ob du dann nicht unglaubwürdig wirkst? Dein Kind hat gesehen, dass du sehr aufgebracht warst. Es hat auch gesehen, dass du deine eigenen Emotionen verantwortungsvoll reguliert hast. Deine Erfahrung authentisch zu vertreten, bedeutet niemals, dass du sie an jemand anderem ungefiltert auslässt. Wie der Dalai Lama sagt: »Sei freundlich, wann immer es möglich ist. Es ist immer möglich.« Abgesehen davon sind es deine Emotionen, und nur ein Teil entsteht aus der aktuellen Interaktion mit deinem Kind. Der größere Teil stammt aus deiner eigenen Vergangenheit und der Perspektive, aus der du die momentane Situation betrachtest.

Und was, wenn du dich trotz größter Bemühungen beim Schreien ertappst? Am Anfang wird dir das passieren – und zwar nicht nur einmal. Es ist aber kein Fehler, sofern du daraus lernst. Nimm jede Zielverfehlung zum Anlass, etwas zu verändern – hinsichtlich deines Tagesablaufs, deiner Einstellung oder Selbstfürsorge – damit du es beim nächsten Mal besser machen kannst. Unterstütze dich selbst, damit du dich ändern kannst.

Beachte, dass du dein Kind immer noch leiten kannst – eben respektvoll. Wenn du das jedes Mal tust, wenn du dich beim Schreien ertappst oder kurz davor bist, dann wirst du bald genügend Achtsamkeit entwickelt haben, um dich selbst zu bremsen, noch bevor du losbrüllst.

EIN DREI-MINUTEN-PROZESS, UM AUS EMOTIONALER ERREGUNG IN DIE GELASSENHEIT ZU KOMMEN

 

Laura, Sie sagen, um Schreien zu vermeiden, soll ich warten, bis ich mich beruhigt habe, und dann mit meinem Sohn neu anfangen. Aber wenn ich wütend werde, dann schaffe ich es nicht so schnell, mich wieder zu beruhigen. In der Zwischenzeit hat mein Sohn wieder etwas angestellt und ich muss ihm den Kopf zurechtrücken.

JEN,

Mutter eines Sohnes

Der »Stopp-lass-los-atme-Prozess« setzt voraus, dass du dich schnell genug beruhigen kannst, um das, was deine inneren Knöpfe aktiviert hat, noch einmal neu zu beginnen. Aber wenn dein Körper in den Kampf-oder-Flucht-Modus geht, wirst du mit neurochemischen Stoffen vollgepumpt, die dich zum Angriff stimulieren. Dein Kind erscheint dir wie der Feind und du spürst das dringende Bedürfnis »ihm den Kopf zurechtzurücken«.

Aber der Körper braucht keine Stunde, um sich zu beruhigen, es sei denn, du bist einem Tiger begegnet. Im Ernst: Egal, was dein Kind angestellt hat, es war kein Notfall. Wenn du mehr als ein paar Minuten brauchst, um dich zu beruhigen, hat das damit zu tun, dass du deinem Körper nicht vermittelt hast, dass es falscher Alarm war. Er funktioniert weiterhin im Kampf-oder-Flucht-Modus. Und im Geist bist du immer noch auf dem Kriegspfad, also dauert es eine Stunde, bis du dich »abgelenkt« hast.

Egal, was dein Kind gerade getan hat, aus der Ruhe heraus wirst du damit konstruktiver umgehen. Hier folgt ein dreiminütiger Aha!-Moment, um dir eine neue Sichtweise der Dinge zu eröffnen und deine Kampf-oder-Flucht-Reaktion zu beruhigen.

Minute eins: Welcher Gedanke regt dich auf?

• Sag ihn dir im Stillen. Vielleicht ist es etwas wie: »Er respektiert meine Autorität nicht … das muss ich im Keim ersticken.« oder: »Er manipuliert mich bloß!«

• Bedenke, dass dieser Gedanke, der dich ärgerlich macht, ziemlich sicher aus Angst entstanden ist. Das heißt, dass er nicht so wahr ist, wie eine Interpretation der Situation, die aus Liebe entsteht.

Minute zwei: Erkenne an, dass man jede Geschichte von (mindestens) zwei Seiten betrachten kann.

• Bedenke, dass deine Eltern bestimmt ebensolche Gedanken über dich hatten und dass trotzdem etwas aus dir geworden ist. Bei deinem Kind wird es ebenso sein.

• Betrachte die Situation aus der Perspektive deines Kindes. Zum Beispiel so: »Er zeigt mir, wie aufgewühlt er ist … er darf seine Gefühle haben.«

• Bedenke, wie dein ärgerlicher Gedanke die Art und Weise beeinflusst, wie du dein Kind behandelst. Angenommen, du lässt diesen Gedanken los, wie würdest du dann auf dein Kind eingehen?

Minute drei: Unterstütze deinen Körper die Gefühle freizusetzen.

• Klopfe auf den Akupunkturpunkt an der Handkante (der Punkt für den Karateschlag) und atme dabei tief durch.

• Sage dir während des Klopfens: »Obwohl ich aufgebracht bin, bin ich sicher. Ich kann mich beruhigen und diese Situation heilen.«

• Wenn du dich beim Gähnen ertappst, ist das prima – so baut der Körper Spannung ab. Je mehr du das praktizierst, umso schneller wird sich dein Körper beruhigen.

Jetzt kehrst du zu deinem Kind zurück und beginnst aus einer inneren Haltung der Liebe von Neuem. Hört sich das schwierig an? Das ist es auch, weil wir in der Wut von den bereits erwähnten Angriffshormonen überschwemmt werden. Aber wenn wir uns ein wenig für eine andere Perspektive öffnen, dringen wir bis zur Wurzel der Haltung, die das Schreien auslöst und ändern diese. Jeder Gedanke kommt entweder aus der Angst oder aus der Liebe. Wähle die Liebe.

Dein Kind hat einen Gefühlsausbruch: Wie du dabei die Fassung bewahrst

Wenn meine Kinder Trotzanfälle haben, ertappe ich mich dabei, dass ich mich so weit weg wie möglich wünsche, und es fällt mir wirklich schwer, Empathie für sie zu empfinden.

LAURA,

zweifache Mutter

Kinder reagieren aufgrund ihrer Unerfahrenheit und kognitiven Unreife oft emotional erregt. Unsere Fähigkeit, dann dennoch ruhig zu bleiben, hilft ihnen dabei, die neuronalen Bahnen zu entwickeln, die sie zur Selbstberuhigung brauchen. Aber die meisten von uns finden es schwierig, ruhig zu bleiben, wenn unser Kind die Beherrschung verliert. Etwas in uns will laut aufschreien: »Nein!«

Nein, ich habe dafür jetzt keine Zeit!

Nein, du bringst mich in Verlegenheit; die Leute gucken schon!

Nein, was mach ich denn falsch, dass sie schon wieder einen Trotzanfall hat?

Nein, warum tut er/sie mir das an?!

Nein, warum kannst du dich nicht, wie ich, einfach zusammenreißen?

Bingo. Die meisten von uns haben als Kind gelernt, dass unsere Gefühle inakzeptabel, ja sogar gefährlich sind. Wenn also unser Kind einen Trotzanfall hat, wird unser inneres Kind getriggert. Gefahrensignale sind aktiviert. Wie immer, wenn Gefahr droht, spüren wir ein Gefühl von Panik. Wir wollen weg (Flucht) oder spüren Zorn – wir wollen unser Kind dazu bringen, dass es still ist (Kampf) oder spüren gar nichts mehr (Erstarren).

Unser Kind mit Empathie zu halten, ihm erlauben, all jene Gefühle herauszulassen? Seinen Ausbruch sogar dann zu akzeptieren, wenn er sich gegen uns richtet, ohne das persönlich zu nehmen? Das ist für die meisten Eltern zu viel verlangt. Da verflüchtigen sich alle unsere guten Absichten.

Und doch machen alle Kinder zahlreiche Erfahrungen von Angst, Wut, Frustration und Traurigkeit. Diese Erfahrungen müssen sie ausdrücken, und sie brauchen es, dass wir ihnen dabei zuhören. So lernen sie mit der Zeit, sich mit ihren Emotionen anzufreunden, damit sie lernen, diese zu bewältigen. Tatsächlich sind wir sogar ihr Vorbild. Unser Kind lernt, wie es seine Emotionen und sein Verhalten reguliert, indem es uns dabei beobachtet, wie wir unsere Emotionen und unser Verhalten regulieren. Was können wir also tun, um unsere eigenen tief verwurzelten Reaktionen auf die emotionale Erregung unseres Kindes anzugehen, damit wir für unsere Kinder präsent sein können?

Erkenne deine eigenen Gefühle an. Unsere Panik angesichts der rohen Emotionen unseres Kindes ist ein Thema unserer Kindheit. Wir werden sie nur dann los, wenn wir herausfinden, wie sie uns als Kind dienlich war. Sage zu der aufsteigenden Panik: »Danke, dass du mich beschützt hast, als ich klein war. Jetzt bin ich aber erwachsen. Diese Gefühle sind in Ordnung.«

Erinnere dich daran, dass es sich hier nicht um einen Notfall handelt. »Es ist normal, dass ich mich so fühle, wenn mein Kind emotional erregt ist. Egal, was geschieht, ich kann damit umgehen.« Niemand bedroht dich; das ist dein geliebtes Kind, das gerade jetzt deine liebevolle Unterstützung benötigt. Wenn dein Geist weiterhin Alarm schlägt, lass ihn wissen, dass du dich mit diesen Belangen später beschäftigen wirst, nicht jetzt.

Erinnere dich daran, dass es in jedem Fall eine gute Sache ist, Gefühle auszudrücken. Dein Kind wird diese Gefühle in jedem Fall spüren. Die einzige Frage, die sich stellt, ist die, ob du deinem Kind vermittelst, dass es in Ordnung ist sie auszudrücken, oder ob du ihm beibringst, dass sie gefährlich sind. Sobald es seine Emotionen fühlt, verflüchtigen sie sich (falls dich das erstaunt, es ist die unterdrückte Emotion, die bei deinem Kind ohne Vorwarnung hervorbricht und es ausflippen lässt). Selbst wenn du es nicht von ganzem Herzen bejahen kannst, wenn dein Kind einen Tobsuchtsanfall bekommt, versuche vom automatischen Nein auf ein freundliches Okay hinzuarbeiten, genauso wie in anderen Situationen, in denen dich dein Kind braucht.

Verringere den Druck. Du musst dein Kind oder die Situation nicht in Ordnung bringen. Du musst nur einfach präsent sein. Dein Kind braucht noch nicht einmal die rote Tasse oder weswegen es sonst weint; es braucht deine liebevolle Akzeptanz seiner selbst mit allen Gefühlsverstrickungen. Seine Enttäuschung, Wut, sein Kummer? All das ist in Ordnung und wird vergehen, ohne dass du etwas tust, außer dein Kind zu lieben.

Atme tief durch und wähle die Liebe. Jede Wahl, die wir treffen, ist in ihrem Kern entweder eine Bewegung hin zur Liebe oder hin zur Angst. Lass zu, dass dir die Fürsorge für dein Kind Mut macht, die Liebe zu wählen. Und zwar nicht nur die Liebe für dein Kind, sondern auch für das Kind, das du einst warst und für den Vater oder die Mutter, der oder die du heute bist. Atme einfach weiter und sage zu dir selbst: »Ich wähle die Liebe.« Zu abgedroschen? Laut Forschung funktioniert es. Aber du kannst dir leicht ein anderes wirkungsvolles Mantra suchen: »Auch das wird vorübergehen. … bei mir ging es gut aus, also wird es auch bei ihr gut gehen … ich schaffe das …«, was eben bei dir funktioniert.

Halte die Emotion aus, ohne ihrem Handlungsimpuls zu folgen. Wenn du willst, kannst du das Handeln später nachholen. Oder sogar in ein paar Minuten, sobald du dich beruhigt hast. Fürs Erste erlaube dir einfach, die Emotion zu fühlen. Atme dich hindurch. Benenne sie, wenn dir das hilft. Okay, das ist Wut. Aber was steckt darunter? Verletzung? Angst? Enttäuschung? Achte darauf, wie sich das im Körper anfühlt.

Mach es nicht kompliziert. Dein Kind braucht dich für seinen Emotionsausbruch als Zeugen, der es wissen lässt, dass es trotz der ekligen Gefühle in ihm drin noch immer liebenswert ist. Erklärungen, Verhandlungen, Reue, Gegenbeschuldigungen, Ratschläge, eine Analyse dessen, weshalb es so erregt ist, oder »Trostversuche« (»Aber, aber, wer wird denn da weinen, das reicht jetzt.«) wird diesen natürlichen Prozess abbrechen. Zwinge dein Kind nicht, sich verbal auszudrücken; bei so starker Erregung ist ihm der rationale Hirnbereich nicht zugänglich. Natürlich willst du ihm in der Situation »etwas vermitteln« – aber das muss vertagt werden. Dein Kind kann erst lernen, wenn es sich beruhigt hat. Viel musst du nicht sagen. Vielmehr kommt es auf deinen ruhigen, liebevollen Tonfall an. Vielleicht so:

Du bist in Sicherheit. Ich bin bei dir.

Ich höre dich. Jeder muss manchmal weinen.

Du schickst mich weg, also werde ich ein wenig zurückgehen, aber ich werde dich mit diesen erschreckenden Gefühlen nicht allein lassen.

Wenn du bereit bist, bin ich für eine Umarmung da.

Suche einen Weg zur Verarbeitung deiner eigenen Gefühle. Es gibt nichts, was primäre (Ur-)Gefühle stärker triggert als die Elternschaft. Auch du musst dich abreagieren, was bedeutet, diese Emotionen zu fühlen und dich hindurch zu atmen, ohne ihrem Handlungsimpuls nachzugeben. Einige von uns tun das über das Tagebuchschreiben oder Weinen, aber vielleicht brauchst du auch jemanden, der dir einfach nur zuhört. Jemanden, der der Versuchung widersteht, Ratschläge zu erteilen. Menschen, die es nicht schockiert, wenn du zugibst, dass du dein Kind am liebsten gegen die Wand knallen oder im Lebensmittelladen zurücklassen würdest, weil sie wissen, dass jeder solche Momente erlebt und du es nicht wirklich tun würdest. Jemand, der dein Weinen zulässt, der für dich so da ist, wie du es für dein Kind bist.

• Das bedeutet für Eltern harte Arbeit. Für unsere Kinder ist es aber ein großes Geschenk. Die gute Nachricht lautet: Sobald wir bei unseren Kindern die komplette Gefühlsskala bejahen, lernen auch sie, diese auf gesunde Weise zu bewältigen. Sogar unmittelbar nach jedem Tobsuchtsanfall, dem du liebevoll begegnest, wirst du positive Folgen sehen, denn dein Kind fühlt sich nach dem Entleeren dieses vollen Emotionsrucksacks viel besser. Das ist praktisch umgesetzte bedingungslose Liebe.

Natürlich kannst du auch mit dir fürsorglich umgehen, während du dein Kind ins Leben begleitest

Für mich kam die Wende, als Laura Markham darüber sprach, wie entscheidend für uns Eltern der eigene gut gefüllte Tank ist. Wenn wir den Tag leer beginnen, haben wir unseren Kindern nichts zu geben. Für mich ist es lebenswichtig, etwas zum Wiederauftanken zu haben, also stehe ich jeden Morgen um 6 Uhr auf und gehe allein Spazieren. Das verleiht mir neue Kraft und hilft mir, mich zu fokussieren, sodass ich mich dem neuen Tag und den Bedürfnissen meiner Kinder stellen kann. Verabredungen mit Freunden sind ebenfalls unverzichtbar, also bin ich in meiner Kirchengemeinde einigen Gruppen beigetreten, damit wir alle so viel Zeit mit Freunden verbringen, wie es uns guttut.

AMANDA,

Mutter zweier Kinder im Alter von vier und zwei

Der wichtigste Vorsatz aller Eltern? Geduldiger sein. Aber wenn du dich mit Geduld wappnen musst, ist das ein Signal dafür, dass deine Tankfüllung schon gefährlich zur Neige geht. Willenskraft allein genügt nicht. Deine wahre Aufgabe besteht darin, deinen Tank so weit gefüllt zu halten, dass du viel Freude und Präsenz mit deinem Kind zu teilen hast. Kinder lieben deine freudvolle Präsenz und werden so zufriedener und kooperativer.

 

Wenn du dich häufig verbittert, verbraucht oder ausgelaugt fühlst, dich oft bei negativen Gedanken über dein Kind ertappst oder das Kind regelmäßig anschreist, dann leidest du vielleicht daran, dass du dich sozusagen auf dem Altar des Elterndaseins opferst. Das geschieht dann, wenn wir vergessen, uns selbst genügend Aufmerksamkeit zu widmen. Uns unterversorgt zu fühlen, tut nicht gut. Das tötet unsere Lebensfreude. Und das ist nicht gut für unsere Kinder, die es am Ende mit einem verbitterten, negativen und ungeduldigen Elternteil zu tun haben.

Letztlich bist nur du dafür verantwortlich, wie du deine kurze Lebenszeit gestaltest. An deinem Sterbebett wirst du sonst niemanden finden, dem du Vorwürfe machen kannst, wenn du unglücklich gewesen bist. Die geheime Arbeit des Erwachsenenalters beinhaltet, dass wir noch immer weiterwachsen. Elternschaft zwingt uns zu lernen, uns selbst ebenso Eltern zu sein wie unseren Kindern. Wenn du alt genug bist, um selbst Kinder zu haben, sind deine Eltern aus dem Schneider. Jetzt stehst du selbst in der Verantwortung. Du verdienst all jene Zärtlichkeit, mit der du ein Neugeborenes überschütten würdest. Indem wir uns selbst diese Liebe geben, verwandeln wir unser Elternsein und unser Leben.

Heißt das, du solltest zu deinem Kind sagen, dass es nicht erwarten soll, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen, dass jetzt endlich einmal du zuerst an die Reihe kommst? Natürlich nicht. Beim Wachsen mit Kindern geht es darum, dein Kind zu hegen, was bedeutet, dass du darauf achtest, was es braucht und versuchst, es damit zu versorgen. Schließlich bist du der oder die Erwachsene. Aber wir können nur bis zu dem Grad gelassene Eltern sein, wie wir uns selbst »beeltern«.

Zum Teil bedeutet das, von nun an anders mit dir umzugehen, nämlich dich selbst den ganzen Tag über in kleinen Dingen fürsorglich zu behandeln. Zum Teil bedeutet es, auch deine Haltung zu verändern: Frieden in dir selbst finden. Die Lösung besteht darin, uns jeden Augenblick des Tages so gut wie möglich um uns selbst zu kümmern, ebenso wie wir es für unsere Kinder tun. Dabei erkennen wir sowohl unsere als auch ihre Bedürfnisse an. Die schlechte Nachricht lautet: Das bedeutet Arbeit. Aber genau diese innere Arbeit, uns selbst mitfühlend zu umarmen, verändert uns. Das geht so:

Mach es dir zur Gewohnheit, dich den ganzen Tag über so oft wie möglich auf dich einzustimmen. Nimm einfach einen tiefen Atemzug und lass zu, dass er den ganzen Körper mit Wohlbefinden durchströmt. Atme Ruhe ein, atme Stress aus. Einfach bei dir selbst zu sein ist eine wesentliche Form der »Aufmerksamkeit«, die wir alle brauchen.

WENN DU DICH ÜBERWÄLTIGT FÜHLST

Konzentriere dich aufs Wesentliche. Sind deine Kinder satt? Hast du sie umarmt und ihnen gesagt, dass du sie über alles liebst? Kinder spüren es, wenn wir gestresst und innerlich von ihnen getrennt sind. Dann benehmen sie sich unpassend und genauso werden sie auch oft durch eine Umarmung wieder zu ihrem besten Selbst zurückgeholt.

Hole dir Unterstützung. Elternsein ist für Menschen die größte Herausforderung überhaupt. Wie die Autorin Anne Lamott schreibt: »Geh mit dir selbst durch den Tag, wie du es mit deinem liebsten, nicht mehr ganz zurechnungsfähigen Familienangehörigen tun würdest: mit viel Humor und vielen kleinen Aufmerksamkeiten.« Damit meine ich keine Kekse. Versuch es dagegen mit einem liebevollen Kuss für deinen Ehepartner (selbst wenn sich die Ehe gerade nicht vollkommen anfühlt), einer Umarmung deines Kindes (selbst wenn es ebenso wenig vollkommen ist). Suche dir außerdem jemanden (der nicht versucht, dich oder dein Kind zu reparieren), bei dem du über das schwierige Elterndasein Dampf ablassen kannst.

Unterstütze dich selbst. Sprich mit dir wie zu jemandem, den du liebst. Verteile überall im Haus Klebezettel mit inspirierenden Gedanken, damit sich deine Laune hebt. Lass das schmutzige Geschirr im Spülbecken stehen und nimm selbst ein langes Bad. Erlaube dir, den Sonnenuntergang wirklich zu genießen. Überlege dir vor dem Schlafengehen drei Dinge, die du an dir selbst wertschätzt. Gönne dir genügend Schlaf.

Wenn du die Beherrschung verlierst, mach was draus. Du hast es also vermasselt. Dann nutze diese Gelegenheit, um in einer Lektion aus dem Alltag zu zeigen, wie sich ein reifer Mensch entschuldigt, Verbindung wiederherstellt und den Schaden wiedergutmacht. Jede Krise ist eine Chance, einander näherzukommen, sofern du bereit bist, die Dinge von beiden Seiten vorurteilsfrei zu betrachten.

Fang noch einmal ganz von vorn an. Wenn du merkst, wie du laut wirst, halte inne, atme und sage: »Es tut mir leid, da redet meine schlechte Laune … lass es uns noch einmal neu versuchen … eigentlich wollte ich das hier sagen: … « Damit übernimmst du die Verantwortung für deine Gereiztheit, sodass sich deine Kinder nicht wie schlechte Menschen fühlen. Und du bist ihnen Vorbild, infolgedessen auch sie ihren Kurs korrigieren können.

Gib deinem Kind Anerkennung. Selbst wenn es dich zum Wahnsinn treibt, gibt es doch irgendetwas, das du an deinem Kind liebst. Wenn du davon Notiz nimmst, wirkt das so, als sagtest du: »Bitte mehr davon.« Daraufhin wird dein Kind aufblühen.

Ziehe dich nie gefühlsmäßig zurück. Dein Kind ist darauf angewiesen, dass du die Vision seines besten Selbst im Herzen behältst. Wenn es dein Aufgeben spürt, wird es sich selbst aufgeben. Ist es vom Weg abgekommen, dann hol es zurück, aber folge ihm nicht auf der »low road« (dem Blitzweg zum Reptiliengehirn). Umarme das Kind mit deiner Liebe und es schließt sich dir wieder auf der »high road« an (dem langsameren Weg über das Großhirn).

Wähle einfach immer wieder die Liebe. Wenn du aufmerksam bist, wirst du merken, dass das Leben ständig Wahlmöglichkeiten bereit hält. Solltest du dein Kind streng behandeln, weil du Angst davor hast, es würde sonst nichts lernen? Solltest du deinen Ehepartner darauf hinweisen, dass du recht hattest? Solltest du dem Impuls folgen, mit dem Putzen aufzuhören und ein Schaumbad nehmen? Im Kern jeder Entscheidung geht es um die Wahl zwischen Liebe und Angst. Wähle so oft wie möglich die Liebe. Täglich bekommst du neue Chancen, mit deinem Kind so zu interagieren, dass es für euch beide heilsam ist. Dein Leben besteht aus der Summe deiner Entscheidungen. Natürlich triffst du auch ungünstige. Aber jede Wahl wendet das Verhältnis.

Wenn du natürlich jeden Tag als hart erlebst, ist das ein Zeichen dafür, dass du etwas in deinem Leben verändern musst. Du verdienst es, dich gut zu fühlen. Und dein Kind verdient dein Bestes und nicht das, was am Bodensatz noch von dir übrig ist.

Halte jedes Mal inne, wenn du merkst, dass du nachtragend oder gereizt wirst. Frage dich: »Was brauche ich gerade, um im Gleichgewicht zu bleiben?«, dann versorge dich damit, egal, ob dein Kind anwesend ist oder nicht. (Fünf Minuten auf der Treppe ausruhen und dem Vogelgezwitscher lauschen? Ein Glas Wasser? Fünf Minuten zu mitreißender Musik tanzen?). Wenn du es nicht sofort tun kannst, verabrede dich mit dir selbst für später (Ein Bad, sobald die Kinder im Bett sind? Ein Glas Wein mit deinem Ehepartner? Heute früher Schlafengehen?).

Finde heraus, welche Tageszeiten herausfordernd sind und überlege dir, was du tun kannst, damit du sie gut überstehst. Es ist dein Leben und du bist dafür verantwortlich, egal ob es sich danach anfühlt oder nicht. Wenn du dich weiterhin als Opfer fühlst, hilft es deinen Kindern nicht weiter. Erschöpft dich das Abendritual? Verändere etwas, ob das nun heißt, dass du dir die Verantwortung dafür stärker mit deinem Ehepartner teilen willst, früher damit anfängst, gut sichtbar einen Ablaufplan aufhängst, selbst früher schlafen gehst oder eine Tasse Tee genießt, während du deinem Kind vorliest.