Das Dorf Band 11: Der Graf

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Das Dorf Band 11: Der Graf
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Karl Olsberg

Das Dorf

Band 11: Der Graf

Copyright 2017 Karl Olsberg

ISBN 9783741895029

Published by epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

www.karlolsberg.de

Minecraft ®/TM & © 2009-2017 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.

Gewidmet Johannes Reker

in dankbarer Erinnerung.

„Geld ist ein guter Diener,

aber ein schlechter Herr.“

Francis Bacon

1. Ein seltsamer Besucher

„Musst du deine Sachen überall rumliegen lassen!“, schimpft Golina. „Wie soll ich denn hier saubermachen, wenn du den ganzen Kram einfach überall fallen lässt, statt ihn ordentlich wegzuräumen?“

„Das ist kein Kram“, verteidigt sich Primo, „das sind meine Rüstung und mein Flammenschwert und die Elytren, die ich von Charon bekommen habe, und der Unsichtbarkeitstrank, den mir Ruuna geschenkt hat, nachdem ich das ganze Dorf aus dem Ende befreit habe ...“

„Du hast uns befreit?“ Golina stemmt wütend die Arme in die Hüften. „Und wer hat sich aus Charons Fähre in die Tiefe gestürzt, ohne irgendwelche Flügel auf dem Rücken, und ist auf dem Enderdrachen geritten?“

„Also gut, wir haben das Dorf gemeinsam befreit ...“

„Ja, aber komischerweise sind es nicht wir gemeinsam, die versuchen, dieses Haus in Ordnung zu halten, sondern immer bloß ich, während du im Dorf herumstolzierst!“

„Aber Linchen, ich muss doch aufpassen, dass das Dorf in Sicherheit ist. Auch wenn Artrax jetzt im Ende gefangen ist, kann man nie wissen.“

„Nenn mich nicht Linchen! Du weißt, dass ich das nicht mag. Und Dorfbeschützer hin oder her, du könntest ruhig deine Sachen wegräumen.“

„Aber wo soll ich sie denn hinräumen? Die Kisten, die wir haben, sind voll von Vorräten und Nanos Spielzeug und deinen ... äh, wunderschönen Kleidern und ... und wir haben nun mal keinen Platz, um noch eine weitere Kiste aufzustellen.“

Golina seufzt. „Ja, das ist genau das Problem. Wir haben keinen Platz. Dieses Haus ist viel zu eng für uns drei. Und außerdem ...“

„Was, außerdem?“

„Na ja, es ist ein bisschen ... einfach.“

„Einfach? Was meinst du damit?“

„Einfach eben. Es ist nichts ... Besonderes an diesem Haus.“

„Nichts Besonderes? Aber das Haus hat eine Schmiede! Kein anderes Haus im Dorf hat eine.“

Golina wirft die Hände in die Luft. „Großartig! Das ist wirklich eine tolle Besonderheit dieses Hauses!“ Sie schüttelt den Kopf. „Ihr Männer habt einfach kein Gefühl für die schönen Seiten des Lebens.“

„Ich verstehe dich nicht, Linch... äh, ich meine, Golina. Ich habe mein ganzes Leben hier gewohnt, und mir hat nie etwas gefehlt. Was stört dich denn an diesem Haus?“

„Du meinst, außer dem Gehämmere deines Vaters, das ich den ganzen Tag ertragen muss, und der Tatsache, dass wir keinen Platz für den ganzen Krempel haben, den du überall rumliegen lässt, und keine Bilder an den Wänden und kein bisschen ...“

Sie wird durch aufgeregte Rufe unterbrochen, die von draußen erklingen.

„Ein Fremder! Ein Fremder kommt!“

„Quatsch, das ist kein Fremder. Der hat eine Nase wie wir.“

„Aber ich kenne ich ihn nicht, und er ist nicht von hier, und deshalb ist er ein Fremder, und außerdem, guck mal, wie der aussieht!“

Primo greift sich rasch seine Diamantrüstung und sein Flammenschwert.

„Das sehe ich mir besser mal an“, sagt er, froh, der Diskussion mit Golina entkommen zu können.

Draußen stehen Olum, der Fischer, und Kaus, der Bauer, und blicken über den Fluss Richtung Osten. Von dort nähert sich tatsächlich eine seltsame Gestalt. Wie Olum gesagt hat, ziert eine große Nase ihr Gesicht, doch ihre Haut wirkt grau. Am seltsamsten aber ist die Kleidung des fremden Dorfbewohners: Er trägt eine dunkle, vornehm aussehende Jacke mit silbernen Knöpfen über einer grün gestreiften Hose.

„Der sieht aber elegant aus“, schwärmt Golina, die hinter Primo aus dem Haus getreten ist, gefolgt von Paul, dem Wolf, der ihr kaum von den Fersen weicht.

„Findest du?“, fragt Primo. „Aber eine Diamantrüstung ist doch noch viel eleganter, meinst du nicht auch?“

„Hrmpf!“, macht Golina.

Der seltsame Besucher überquert in diesem Moment die Brücke zum Dorf. Paul knurrt.

„Sei still!“, zischt ihn Golina an, woraufhin der Wolf den Schwanz einzieht und winselt.

Der Fremde bleibt vor ihnen stehen, verbeugt sich und sagt: „Ich wünsche den Herrschaften einen guten Tag.“

„Welchen Herrschaften?“, fragt Olum und dreht sich suchend um.

„Ich glaube, der meint uns“, stellt Kaus fest.

„Wer bist du, und woher kommst du?“, will Primo wissen.

„Mein Name ist Igor, werter Herr. Ich komme im Auftrag meines Herrn, des Grafen.“

„Des was?“

„Aber ihr werdet doch sicher vom Grafen gehört haben, werter Herr?“

„Äh, nein“, sagt Primo, der sich ein wenig dumm vorkommt.

„Herzlich willkommen in unserem bescheidenen Dorf, Igor“, begrüßt Golina den Fremden. „Womit können wir dir helfen?“

Der Besucher sieht sich um und rümpft die Nase. „Ähem, ‚bescheiden‘ trifft es wohl recht gut, werte Dame. Nun, wie dem auch sei, ich bin hergekommen, um einzukaufen.“

„Einkaufen?“, ruft Kaus erfreut. „Das ist eine hervorragende Idee! Ich hätte da wunderbares Getreide, aus dem man herrliches Brot backen kann ...“

„Wer will schon so was Langweiliges wie Getreide kaufen?“, wendet Olum ein. „Der werte Herr möchte doch sicher viel lieber Fisch, erst letzte Woche frisch aus dem Fluss gefangen ...“

„Hat hier jemand was von Einkaufen gesagt?“, ruft Hakun, der Fleischer, der in diesem Moment den Dorfweg entlanggeeilt kommt. „Ich habe da leckeren Rinderbraten im Angebot ...“

„Ihr habt nicht zu fällig Wein?“, fragt der Besucher. „Ein Mouton Rothschild wäre angenehm, sofern es ein akzeptabler Jahrgang ist. Notfalls täte es auch ein guter Tropfen aus der Region Châteauneuf-du-Pape.“

„Was redet der da?“, fragt Hakun.

„Das muss irgendeine Fremdensprache sein“, gibt Olum zurück.

„Ich sehe schon, ich muss meine Ansprüche ein wenig zurückschrauben“, sagt der Besucher. „Habt ihr womöglich frischen Hummer? Austern? Nein? Kaviar vielleicht?“

„Was ist denn Kaviar?“, will Hakun wissen.

„Das sind Fischeier“, erklärt der Besucher.

Olum bekommt einen Lachkrampf. „Fischeier! Wuahaha! Seit wann legen denn Fische Eier? Das wären dann ja Fischhühner! Hahahahaha ...“

„Ich hätte frische Eier“, sagt Hakun. „Die sind zwar nicht von Fischen, aber auch sehr schmackhaft.“

„Ähem, nun, ich werde wohl nehmen müssen, was ich bekommen kann. Was sollen sie denn kosten, die Eier des werten Herrn?“

Hakun zuckt mit den Schultern. Er hat noch nie Eier verkauft und daher keine Ahnung, welchen Preis er dafür verlangen soll. „Äh ... einen Smaragd, würde ich sagen.“

Der Fremde kramt in seiner dunklen Jacke und holt eine Handvoll grün schimmernder Edelsteine hervor. „Na gut, ich nehme zehn Stück.“

Er reicht die Smaragde Hakun, der sie mit großen Augen anstarrt. „Ich dachte ... ich meinte eigentlich, ein Smaragd für ... äh, Moment, ich bin gleich zurück!“

Während er die Dorfstraße entlang rennt, sehen die anderen sich verwundert an.

„Dein Herr muss sehr reich sein“, vermutet Golina.

„Reich?“, fragt der Besucher. „Selbstverständlich ist er reich. Unermesslich reich sogar. Schließlich ist er ein Graf.“

„Und wo genau, sagtest du, lebt dieser Graf?“, fragt Primo.

Doch bevor er eine Antwort bekommt, hält Olum dem Besucher einige Fische hin. „Seht doch, werter Herr, hier, das sind echte Fischhühner! Sie haben zwar noch keine Eier gelegt, aber dafür sind sie fast ganz frisch!“

Der Besucher betrachtet die Fische, die schon ein bisschen seltsam riechen, mit gerümpfter Nase. Doch dann nickt er, greift in seine Tasche und holt noch mehr Smaragde hervor.

„Na schön, ich nehme ein Dutzend davon.“

„So viele hab ich gerade nicht bei mir“, ruft Olum, der sein Glück nicht fassen kann. „Warte einen Moment, ich hole nur schnell meine Angel.“

„Und ich?“, fragt Kaus. „Was ist mit mir? Wollt Ihr nicht vielleicht auch etwas von meinem wundervollen Getreide kaufen, werter Herr? Ich versichere Euch, es ist von hervorragender Qualität!“

„Na schön, wenn es sein muss“, sagt der Fremde. Er drückt Kaus ebenfalls ein paar Edelsteine in die Hand. „Ich nehme fünf Büschel Getreide.“

Nun rennt auch Kaus begeistert davon, vorbei an Magolus und Birta, die in diesem Moment den Dorfweg entlangkommen.

„Was ist denn hier los?“, fragt der Priester. „Wieso herrscht hier so eine Aufregung? Und warum sagt mir niemand Bescheid, wenn wir wichtigen Besuch haben?“

„Und wer seid Ihr?“, fragt der Fremde. Sein Gesicht scheint Missfallen auszudrücken.

„Mein Name ist Magolus. Ich bin der Oberste Hohepriester von Allen und außerdem der wichtigste Mann im Dorf.“

„Das glaubst auch nur du!“, wendet Golina ein.

„Ein Priester?“, sagt der Fremde. „Ich fürchte, dafür hat mein Herr keine Verwendung.“

„Keine Verwendung?“, fragt Magolus. „Was soll denn das heißen?“

„Ich bin hier, um für meinen Herrn einzukaufen, und nicht, um mir irgendwelches Geschwätz anzuhören.“

Magolus läuft rot an. „Geschwätz? Was für Geschwätz? Meinst du damit etwa die Worte Notchs, unseres Herrn?“

„Ich kenne nur einen Herrn, und das ist der Graf!“

„Das ... das ist Notchlästerung! Blasphemie! Eine Unverschämtheit! Primo, wirf diesen Frevler aus meinem Dorf!“

 

„Äh ...“, beginnt Primo, doch Golina kommt ihm zuvor.

„Magolus, erstens ist das nicht dein Dorf, und zweitens ist dieser vornehme Herr unser Gast. Dort, wo er herkommt, herrschen vielleicht andere Sitten. Außerdem hat er für die Waren unseres Dorfes viele Smaragde bezahlt. Wir sollten ihn mit Respekt behandeln, auch wenn er unseren Glauben nicht teilt.“

„Smaragde? Viele Smaragde, sagst du? Wie viele denn? Und wofür?“

In diesem Moment kommt Hakun angerannt, einen Armvoll Eier dabei. Unterwegs fallen ihm zwei herunter und zerplatzen auf dem Dorfweg. Paul schlabbert sie begeistert auf.

„Äh, nun sind es leider nur noch acht, aber ...“

Der Besucher winkt ab. „Schon gut. Gib mir einfach alle, die du hast.“

„Äh, hier, bitte“, sagt Hakun verdutzt.

Nun kommen auch Kaus und Olum herbeigerannt. Kaus trägt ein Bündel Getreide unter dem Arm, das er dem Fremden übergibt, während Olum zum Fluss rennt und seine Angel auswirft.

„Schon gut, gib dir keine Mühe, Fischer“, sagt der Besucher. „Ich nehme erstmal die Fische von letzter Woche. Den Rest kannst du mir geben, wenn ich das nächste Mal wiederkomme.“

„Äh, gut, das mache ich!“

Olum übergibt die Fische, die er bei sich hat.

„Ich wünsche den werten Damen und Herren noch einen guten Tag“, sagt der seltsame Besucher, dreht sich um und wandert in Richtung der östlichen Ebene davon.

Nachdenklich blickt Primo ihm nach.

„Der hat mit Smaragden bezahlt?“, fragt Magolus. „Für Olums Fische?“

„Das hat er in der Tat“, sagt Golina. „Dieser Graf muss wirklich unermesslich reich sein!“

In ihrer Stimme liegt ein merkwürdiger Unterton, der Primo nicht gefällt, obwohl er ihn nicht recht deuten kann.

2. Der reichste Mann im Dorf

Nachdem der seltsame Besucher wieder verschwunden ist, wirkt Golina noch gereizter als zuvor. Gegen Mittag kommt Willert mit Nano zum Mittagessen. Er hat ihren Sohn mit in den Wald genommen, um ihm beizubringen, wie man sich in der Wildnis orientiert – eine sehr nützliche Fähigkeit, wie Primo findet. Golina allerdings ist nicht so begeistert von diesem Unterricht. Sie findet, der Junge sollte lieber etwas „Vernünftiges“ lernen, zum Beispiel Getreide anbauen und Brot backen wie ihre Eltern oder auch das Schmiedehandwerk seines Großvaters.

„Macht euch die Füße sauber, bevor ihr ins Haus kommt!“, ruft sie. „Ihr bringt ja den ganzen Dreck herein!“

„Was denn für Dreck?“, fragt Willert.

Primo kann nur mit den Schultern zucken.

„Was gibt’s heute zum Essen?“, fragt Nano.

„Pilzsuppe“, antwortet Golina.

„Och nö! Nicht schon wieder Pilzsuppe!“

„Tut mir leid, aber wenn ich ständig hinter euch herräumen muss, hab ich keine Zeit, etwas anderes zu kochen.“

„Du könntest doch ein gebratenes Hähnchen von Hakun kaufen“, schlägt Nano vor.

„Gebratenes Hähnchen? Hast du eine Ahnung, wie teuer das ist? Solange dein Herr Vater nur den ganzen Tag durchs Dorf stolziert, anstatt richtig zu arbeiten, können wir uns sowas nicht leisten!“

„Moment mal!“, protestiert Primo.

„Was meinst du denn mit ‚teuer‘?“, fragt Willert. „Normalerweise gibt einem Hakun doch ein Hühnchen im Tausch gegen irgendetwas, und manchmal auch einfach so, wenn er genug übrig hat.“

„Früher vielleicht. Aber die Zeiten haben sich geändert. Jetzt kostet ein einziges Ei schon einen Smaragd, und ein gebratenes Huhn wahrscheinlich drei oder vier. Smaragde haben wir aber nun mal nicht, im Unterschied zu anderen Personen im Dorf, die plötzlich reich geworden sind.“

Willert sieht Primo fragend an. „Wovon redet sie?“

Der erzählt ihm kurz, was geschehen ist.

„Das ist aber wirklich merkwürdig“, meint Willert. „Von einem Grafen habe ich noch nie gehört.“

Das bringt Primo auf einen Gedanken. „Vielleicht sollte ich mal mit Margi sprechen. Möglicherweise weiß sie, wer das ist, oder sie findet in einem von Nimrods Büchern etwas darüber.“

„Solltest du da nicht lieber Nimrod selber fragen?“

„Nimrod? Der weiß doch nicht mal, wo das Buch ist, das er gerade in der Hand hält. Aber Margi hat in der Bibliothek ein bisschen aufgeräumt. Sie kennt sich inzwischen ganz gut aus.“

„Wie du meinst. Na, ich geh dann mal wieder. Habt noch einen schönen Tag.“

„Willst du nicht noch zum Essen bleiben? Golina hat frische Pilzsuppe gekocht ...“

„Äh, nein danke, ich habe gerade keinen Hunger!“ Damit verabschiedet er sich.

Primo stochert lustlos in der faden Brühe herum. Sie schmeckt wirklich nicht besonders gut. Golina hat viele großartige Eigenschaften, aber ihre Kochkunst gehört nicht dazu.

„Ich mag nicht mehr!“, sagt Nano, nachdem er erst die Hälfte seines Tellers leergegessen hat.

„Der Teller wird aufgegessen!“, kommandiert Golina. „Sonst kommt Artrax und holt dich!“

„Das kann er gar nicht! Er ist nämlich im Ende in der Kreisbahn gefangen, das habe ich selber gesehen. Und da bleibt er bis in alle Ewigkeit und noch drei Tage länger, das hat Tante Ruuna gesagt.“

„Du isst jetzt auf!“, sagt Golina in wütendem Ton.

„Ich mag aber nicht! Immer nur diese blöde Pilzsuppe!“ Nano wirft den Teller auf den Boden, so dass Suppe in alle Richtungen spritzt.

„JETZT REICHTS MIR ABER!“, brüllt Golina.

Obwohl er weiß, dass das nicht sein kann, hat Primo Angst, sie könnte sich gleich in einen Nachtwandler verwandeln, so wie sein bester Freund Kolle, wenn er wütend wird.

„Du gehst jetzt sofort ins Bett und machst deinen Mittagsschlaf!“, befiehlt er Nano.

„Ich bin aber nicht müde“, protestiert der Junge.

Golina wirft ihm einen wütenden Blick zu. Nano zuckt zusammen und geht mit hängendem Kopf in sein Bett.

In diesem Moment öffnet sich die Tür und Kolle und Margi treten ein.

„Oh, entschuldige, ich sehe, ihr seid gerade beim Mittagessen“, sagt Golinas Freundin. „Wir kommen später wieder.“

„Nein, ihr könnt ruhig bleiben“, sagt Golina. „Hier mag sowieso keiner mein Essen!“ Dann bricht sie in Tränen aus.

„Was hast du denn?“, fragt Margi und setzt sich zu ihr.

„Komm, wir gehen lieber ein bisschen spazieren“, sagt Primo zu Kolle.

„Was ist denn bloß auf einmal im Dorf los?“, fragt Kolle. „Alle sind plötzlich so gereizt. Vorhin habe ich gehört, wie Hakun sich mit Jarga gestritten hat. Er hat ihr erzählt, dass er jetzt der reichste Mann im Dorf sei und ihr alle ihre Schafe abkaufen könne, wenn er nur wolle, und sogar immer noch Smaragde übrig hätte. Da ist sie wütend geworden.“

„Das kann ich verstehen.“

„Aber ich verstehe es nicht. Wieso hat Hakun auf einmal so viele Smaragde?“

„Das ist wegen dieses seltsamen Besuchers“, sagt Primo und erzählt, was geschehen ist.

Kolle schüttelt den Kopf. „Das ist wirklich merkwürdig. Meinst du, da steckt vielleicht Artrax dahinter?“

„Glaubst du ernsthaft, Artrax würde uns für Smaragde Eier und Fische abkaufen?“ Primo lacht. „Außerdem sitzt er im Ende fest, und Seine Singularität hat mir versprochen, uns zu warnen, falls er aus irgendeinem Grund freikommen sollte. Nein, mit Artrax hat das ganz bestimmt nichts zu tun.“

„Trotzdem“, sagt Kolle. „Mir gefällt das nicht. Dass jetzt auf einmal einige Dorfbewohner Smaragde haben und andere nicht, führt bestimmt zu noch mehr Streit.“

„Ach was“, meint Primo. „Die beruhigen sich schon wieder.“

Doch da irrt er sich. Schon am nächsten Tag kommt es während des Notchdienstes zu einer heftigen Auseinandersetzung.

Es beginnt mit Magolus‘ Predigt: „Notch, der Herr, spricht: Wer arm ist, wird eingehen ins Himmelreich. Wer aber reich ist und die Gaben des Herrn nicht mit den Bedürftigen teilt, der wird im Nether schmoren.“

„Was ist denn das für ein Unfug?“, ruft Hakun. „Ich soll meine Smaragde mit anderen teilen?“

„Unfug?“, brüllt Magolus. „Du wagst es, das Wort Notchs als Unfug zu bezeichnen? Raus aus meiner Kirche!“

„Das ist nicht deine Kirche“, widerspricht Hakun. „Sie gehört dem ganzen Dorf. Du kannst froh sein, dass du hier drin wohnen darfst! Und außerdem hast du mir gar nichts zu befehlen. Immerhin bin ich jetzt der reichste und wichtigste Mann im Dorf, und ...“

„He, Moment mal!“, ruft Olum dazwischen. „Der reichste Mann im Dorf bin ja wohl ich!“

„Quatsch! Der Fremde hat mir zehn Smaragde gegeben und dir nur ein Dutzend!“

„Aber ein Dutzend ist nun mal mehr als zehn, du Dummkopf!“

„Ist es nicht! Und außerdem habe ich ein Dutzend Hühner, und jedes von denen legt jeden Tag ein Ei, und wenn ich jedes Ei für einen Smaragd verkaufe, dann habe ich nach einer Woche ... ganz schön viele Smaragde!“

„Ich finde, Magolus hat vollkommen recht!“, meldet sich Jarga, die Schäferin, zu Wort. „Ihr solltet uns allen von euren Smaragden etwas abgeben, sonst kommt ihr alle in den Nether!“

„Kommt ja überhaupt nicht infrage!“, gibt Hakun zurück. „Wenn du Smaragde haben willst, dann kannst du dem Fremden ja ein paar von deinen Schafen verkaufen!“

„Das mache ich auch!“, schreit Jarga. „Ich werd’s dir beweisen: Meine Schafe sind viel mehr wert als deine doofen Hühner! Die geben nämlich Wolle!“

„Sind sie überhaupt nicht! Sie können ja nicht mal Smaragde ... ich meine, Eier legen!“

„Aber meine Fische, die können ...“, beginnt Olum.

„RUHE JETZT!“, brüllt Magolus dazwischen. „Während des Notchdienstes redet nur einer, und das bin ich! Und wenn hier drin noch einmal einer was von Smaragden sagt, wird der Zorn Notchs über ihn kommen, und meiner auch!“

„Wenn das so ist, dann gehe ich!“, ruft Hakun. „Ich habe es nicht nötig, mir dieses Gequatsche über das Teilen anzuhören. Ihr seid ja bloß neidisch!“ Damit steht er auf und verlässt die Kirche. Nach kurzem Zögern folgen ihm Kaus und Olum.

Einen Augenblick lang herrscht Stille. Es ist noch nie vorgekommen, dass Gemeindemitglieder einfach so mitten während des Notchdienstes gegangen sind. Magolus, der normalerweise nie um ein schlaues Zitat aus seinem Heiligen Buch verlegen ist, wirkt ratlos und geknickt.

„Nun, äh, ich wollte den Notchdienst ohnehin gerade beenden“, sagt er. „Gehet hin in Frieden!“

Draußen bilden sich Grüppchen, die über die neue Entwicklung im Dorf diskutieren. Hakun, Olum und Kaus streiten sich lautstark darüber, wer der reichste und wichtigste Mann im Dorf ist. Magolus tuschelt mit Birta und Jarga. Primos Vater steht mit Kolles und Golinas Eltern beieinander. Sie alle haben sorgenvolle Gesichter und blicken immer wieder zu den drei Neureichen herüber. Nur die Kinder scheinen unbekümmert: Sie spielen mit Asimov fangen.

Primo diskutiert mit Golina, Margi und Kolle, was das alles zu bedeuten hat. „Wir müssen herausfinden, was es mit diesem Grafen auf sich hat“, beschließt er.

Zu seiner Überraschung widerspricht ihm Golina nicht. „Ich würde auch gern mehr über ihn erfahren“, sagt sie mit verträumtem Blick. „Es muss toll sein, so reich zu sein ...“

„Mir gefällt das nicht“, meint Kolle. „Diese Smaragde haben unser Dorf entzweit. Was, wenn dieser seltsame Fremde wiederkommt und noch mehr kauft?“

„Darüber wären Hakun, Kaus und Olum bestimmt froh“, sagt Golina. „Die haben jedenfalls etwas, das sie dem Herrn Grafen verkaufen können. Und Kolles Vater hat immerhin Bücher anzubieten. Ein so vornehmer Herr liest bestimmt gern. Wir dagegen haben nichts ...“

„Deine Eltern haben doch auch Getreide, so wie Kaus“, sagt Primo.

Golina zuckt nur traurig mit den Schultern.

„Margi, hast du denn irgendetwas über diesen Grafen herausgefunden?“, fragt Primo.

„Leider nicht. In keinem der Bücher in der Bibliothek steht etwas über einen Grafen.“ Sie runzelt die Stirn. „Das einzige, was mir einfällt, ist eine alte Geschichte, die ich mal als Kind gelesen habe. Aber die hat sicher nichts mit diesem Besucher zu tun.“

„Was denn für eine Geschichte?“, fragt Primo.

„Sie handelte von einem bösen Mann, der Graf Drakulus hieß und in einem fernen Land lebte“, erzählt Margi. „Es war ein ziemlich gruseliges Buch, und ich habe davon Alpträume bekommen. Aber mein Vater, der damals noch lebte, hat mir erzählt, dass es bloß eine ausgedachte Geschichte ist und ich keine Angst haben muss, weil es diesen Graf Drakulus in Wirklichkeit gar nicht gibt.“

„Und was, wenn es ihn doch gibt?“, fragt Primo.

„Muss denn jeder, der reich ist, gleich böse sein?“, fragt Golina. „Dieser Besucher war doch einfach bloß großzügig. Er hat den Reichtum seines Herrn mit uns geteilt, indem er Olum, Kaus und Hakun ihre Waren abgekauft hat. Dafür sollten wir dankbar sein!“

 

„Vielleicht hast du recht“, meint Margi. „Es ist auf jeden Fall nicht seine Schuld, dass die drei auf einmal so eingebildet und überheblich sind. Und ich glaube auch nicht, dass diese alte Geschichte irgendetwas damit zu tun hat. Selbst, wenn sie nicht ausgedacht wäre, haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass der Besucher und sein Herr böse sind.“

„So oder so, wir sollten versuchen, mehr über diesen Grafen herauszufinden“, sagt Primo.

„Und wie willst du das machen?“, fragt Kolle.

„Wenn der Besucher das nächste Mal kommt, werde ich ihn fragen, wo sein Herr wohnt, und dann gehe ich hin und schaue mir diesen Grafen mal genauer an.“

„Wahrscheinlich sehen wir den nie wieder“, bemerkt Golina. „Was sollte ein so vornehmer und reicher Mann wie der Graf denn schon von einfachen Dorfbewohnern wie uns wollen?“

Doch mit dieser Einschätzung liegt sie falsch, wie sich schon bald herausstellt.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?