Za darmo

In den Schluchten des Balkan

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Während wir zwei uns mit dem Lager beschäftigten, hörten wir die Töne einer Zither erklingen. Unser Schlafgemach hatte der Türe gegenüber eine Fensteröffnung, die mit einem Laden verschlossen war. Licht erhielten wir von einem mit Talg gefüllten Napf, in welchem ein Docht brannte.

Was wir hörten, war eine ganz richtige Einleitung von acht Takten, und dann vernahm ich zu meiner Ueberraschung in deutscher Sprache das Schnadahüpf‘l:

»‘s Diandl hat Zahnerl

So weiß wia Schnee,

Sand alle z‘samm eing‘setzt,

Drum toan‘s ihr net weh.

‚s Diandl hat sö a goldene

Riegelhaub‘n da haust,

Tragt aba a Barrocka,

Pfui Teufi, mir graust!«

Ich horchte auf. Es kam mir eine Erinnerung. Sollte es möglich sein? Auch Halef horchte.

»Sihdi, weißt du, wer so sang?« fragte er.

»Nun – wer?«

»Der Mann in Dschiddah, welcher mit bei Malek, dem Scheik der Ateïbeh, war und bei Hanneh, meinem Weibe, der Krone der Töchter. Er trug einen mächtigen Säbel und hatte ein weißes Ding um den Hals, das du Vatermörder nanntest.«

»Ja, du hast recht; dieser Mann sang genau so.«

»Mei Muatta hat‘s g‘sagt

Zu mein lieab‘n Papa,

Daß mein Ahndl ohne mi

Gar koa Großmuatta war.«

So erklang‘s von unten herauf, und dann fuhr der Sänger fort:

»Dö Köchina bringa

Dö Gäns so gern um,

Denn dö gar groß Verwandtschaft,

Dö war iahna z‘dumm.«

Halef war förmlich elektrisiert. Er sagte:

»Sihdi, ich gehe hinaus. Ich muß sehen, ob es wirklich der Mann ist, der Hanneh gesehen hat.«

»Ja, gehen wir.«

Gar nicht weit von unserer Türe führte eine Pforte durch die Gartenmauer. Als wir sie passiert hatten, sahen wir auf einem Rasenplatz eine Anzahl gleicher Talglampen brennen, deren flackerndes Licht einen Halbkreis von Zuhörern beleuchtete. Diesen gegenüber saß – ja, ich erkannte ihn sogleich – Martin Albani, unser Bekannter aus Dschiddah. Er sah uns eintreten, warf uns nur einen kurzen Blick zu, beobachtete uns weiter nicht und sang:

»Und der Türk und der Ruß,

Die zwoa geh‘n mi nix o‘,

Wann i no mit der Gretl

Koan Kriegshandel ho‘!«

Ich schritt langsam weiter, bis ich hinter ihm stand. Ich wollte ihn ebenso überraschen, wie seine Anwesenheit mich überrascht hatte. Er begann, ohne zu bemerken, daß ich hinter ihm stand, die Strophe:

»Wenn drob‘n auf dö Latschn

Der Auerhahn balzt,

Kriagt mein Diandl a Bussei,

Des grad a so schnalzt.«

Ich sah, daß er in F-dur griff. Ich bückte mich zu ihm, nahm ihm die Zither aus der Hand und sang in derselben Tonart:

»Dös Diandl is sauba

Vom Fuaß bis zum Kopf,

Nur am Hals hat‘s a Binkerl,

Dös hoast ma an Kropf.«

Er war aufgesprungen und starrte mich an.

»Was?« fragte er. »Auch ein Deutscher?«

»Ja. Grüß Gott, Herr Albani!«

»Sie kennen mich? Wunder über Wunder!«

»Und Sie mich nicht? Wollen wir nicht wieder einen Kamelsritt machen? Wissen Sie!«

»Kamelsritt? Den habe ich nur ein allereinziges Mal riskiert, und da – Bomben und Granaten, jetzt kommt mir der Verstand! Sie sind es? Sie, Sie, Sie? Da möchte man vor Freude gleich den Ofen einreißen, wenn man einen da hätte nämlich! Wie kommen denn Sie hierher nach Ismilan?«

»Ich suche Sie.«

»Mich?«

»Ja.«

»Wie so? Wußten Sie denn, daß ich hier bin?«

»Ja. Sie kommen von Tschirmen und wollen nach Menlik.« »Wahrhaftig, er weiß es! Von wem haben Sie das aber erfahren?«

»Zuerst sprach der Schmied Schimin in Koschikawak von Ihnen.«

»Ja, bei dem bin ich gewesen.«

»Das heißt, ich hatte keine Ahnung, daß Sie dieser Mann seien. Er sprach von einem Türki tschaghyrydschy, der bei ihm eingekehrt sei.«

»Türki tscha – tschi – tscho – tschu – — wie war das Wort? Wie heißt es auf deutsch?«

»Sänger.«

»Ah so! Der Kuckuck mag dieses Türkische pfeifen! Ich finde mich da schwer zurecht.«

»Und doch reisen Sie hier!«

»Na, verständlich mache ich mich schon. Geht es nicht mit Worten, so geht es mit Pantomimen. Das Gesichterschneiden ist ja eine Universalsprache, die jeder begreift. Aber setzen Sie sich und erzählen Sie mir, was – — —«

»Bitte, wollen Sie sich nicht umdrehen? Da steht einer, der Ihnen auch einen guten Abend wünschen will.«

»Wo? Da? Ah, das ist doch der Herr Hadschi Ha – Hi – Ho – — mit dem langen Namen!«

Halef merkte, daß die Rede von seinem Namen sei, er sagte in ernster Würde:

»Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.«

»Schon gut, schon gut! Diese Menge von Hadschis kann ich mir nicht merken. Lassen wir es bei dem einfachen Namen Halef. Also guten Abend, Herr Halef!«

Er streckte ihm die Hand entgegen, und Halef ergriff sie, ohne seine Worte verstanden zu haben.

»Bitte, erinnern Sie sich, daß der gute Hadschi kein Deutscher ist,« sagte ich. »Er versteht Sie nicht.«

»Ah so! Was spricht er denn?«

»Arabisch und Türkisch.«

»Grad das sind meine Schattenseiten. Na, wir werden uns schon verständlich machen. Jetzt aber ist es aus mit der Singerei. Jetzt wird erzählt!«

Die Anwesenden hatten gemerkt, daß hier eine ganz unerwartete Begegnung stattgefunden habe. Sie sahen mit sichtlichem Mißvergnügen, daß die Zither, welcher übrigens zwei Saiten fehlten, weggelegt wurde. Der Triester aber verzichtete auf das Glück, sich von ihnen bewundern zu lassen, und legte Beschlag auf mich. Er zog mich zu sich nieder und sagte:

»Jetzt erzählen Sie mir, was Sie seit damals erlebt haben!«

»Das würde mehrere Abende füllen. Lassen Sie zunächst hören, wie es Ihnen ergangen ist!«

»Gut und schlecht, beides abwechselnd. Ich habe verschiedenes getrieben, teils mit Glück, teils mit Unglück. Jetzt bin ich Kompagnon meines Kompagnon und schlage mich hier herum, um zu sehen, welche geschäftlichen Vorteile dieses Land bietet.«

»Wohin gehen Sie von hier aus?«

»Nach dem Jahrmarkt zu Menlik.«

»Ich auch.«

»Das ist herrlich. Wollen wir beisammen bleiben?«

»Ja, vorausgesetzt, daß Sie gut beritten sind. Ich habe nämlich Eile.«

»O, ich bin außerordentlich gut beritten. In dieser Beziehung gibt es gar kein Bedenken gegen unser Beisammenbleiben.«

»Ich hoffe, daß Sie besser reiten, als damals auf dem Kamele, welches wir für Sie in Dschiddah borgten.«

»Keine Sorge! Ich reite wie ein Indianer, wie ein Renz!«

»Haben Sie ein eigenes Pferd?«

»Nein.«

»O weh! Also geborgt?«

»Ja. Ich habe zwei Maultiere, eins für mich und eins für die Waren. Der Besitzer reitet auf einem dritten als Führer und Treiber.«

»Wie viel zahlen Sie?«

»Ich zahle natürlich nur für die beiden ersteren, und zwar zehn Piaster pro Stück und Tag.«

»Ja, das ist hier der gewöhnliche Preis für Fremde, welche die Verhältnisse nicht kennen und also leicht zu übervorteilen sind.«

»Wie so? Zahle ich zuviel?«

»Ja. Ein Einheimischer zahlt nur die Hälfte.«

»Ah! Warte, Bursche! Von jetzt an wirst du nur fünf Piaster pro Tier bekommen!«

»Seien Sie nicht vorschnell! Was für einen Paß haben Sie?«

»Ein Teskereh.«

»Also keine Empfehlung für die Beamten? Da dürfen Sie nicht allzu kräftig auftreten. Wo haben Sie die Tiere und den Führer gemietet?«

»In Mastanly.«

»So zahlen Sie ihm den bisherigen Preis fort, bis Sie einen andern mieten. Mit dem werde ich handeln.«

»Schön! Bin Ihnen sehr verbunden! Wie weit haben wir von hier noch bis Menlik?«

»Ungefähr fünfundzwanzig türkische Aghatsch oder fünfzehn deutsche Meilen; ich meine in der Luftlinie.«

»Das wären drei Tagreisen. Aber weil wir nicht fliegen können, so brauchen wir länger.«

»Hm! Ich auf meinem Rappen würde in nicht ganz zwei Tagen dort sein. Maultiere pflegen sehr störrisch zu sein. Wie betragen sich die ihrigen?«

»O, sehr gut!«

Er sprach das so gedehnt aus, daß ich vermutete, er sage mir eine kleine Unwahrheit, um mich nicht auf den Gedanken kommen zu lassen, von seiner Begleitung abzusehen.

»Hören Sie, lieber Albani, Sie flunkern wohl so ein bißchen?« fragte ich.

»O nein, gar nicht!«

»Sollten diese Maultiere, diese Mietmaultiere so ganz ohne Fehler sein?«

»Na, dasjenige, welches ich reite, hat einen ganz kleinen Klapps. Es hat die Angewohnheit, sich zuweilen auf die Vorderbeine zu stellen und mit den hinteren Beinen in der Luft herumzufuchteln. Und das Packtier läuft nicht immer so, wie man will. Es bleibt zuweilen stehen, um sich die Gegend mit Verständnis zu betrachten; auch legt es sich dann und wann nieder, um Denkübungen zu halten, und sonderbarerweise allemal da, wo der tiefste Schlamm ist. Aber das schadet nichts, denn es holt das Versäumte stets wieder ein. Wenn es ihm nämlich dann wieder in den Sinn kommt, daß eine kleine Bewegung für die Gesundheit eigentlich von Vorteil sei, so rennt es wie eine Eilzugslokomotive. Und dann wiehert es vor Vergnügen, wenn es sieht, daß wir zurücklaufen müssen, um die Sachen aufzulesen, die es verloren hat. Es will eben jedes Tierchen seine Pläsirchen haben, und ich bin menschlich genug, es ihm zu gönnen.«

»Danke bestens! Das größte Pläsirchen eines solchen Tierchens muß sein, seinem Herrn zu gehorchen.«

»Na, urteilen Sie nicht zu streng! Oppositionsgeist gibt es überall. Uebrigens sind das die einzigen Fehler, welche die Maultiere haben.«

»So scheint es mir, als ob Ihr Führer für sich das beste Tier ausgewählt habe?«

»Das ist wahr; aber ich kann es ihm nicht verdenken. Ein jeder ist sich selbst der nächste.«

»Das sind edle Grundsätze, nach denen aber Sie selbst sich auch der nächste wären. Ich bin neugierig, wie Sie mit solchen Tieren über die schlimmen Strecken kommen werden, welche vor uns liegen. Wohin wollen Sie von Menlik aus?«

 

»Das ist noch unbestimmt. Entweder reise ich südwärts nach Salonichi – oder nach Westen bis an das Adriatische, um dort zur See nach Triest zurückzukehren.«

»Ich rate Ihnen das erstere.«

»Warum?«

»Weil es das weniger Gefährliche ist.«

»Halten Sie denn die Menschheit hier für böse?«

»Für böse gerade nicht; aber die Leute, welche zwischen hier und der Adria wohnen, haben eigentümliche Gewohnheiten. Sie lieben die Gütergemeinschaft, das heißt nur dann, wenn ein Anderer etwas hat. Und sodann pflegen sie oftmals allerlei Schieß- und Stechübungen zu halten, und dann nehmen sie wunderbarerweise am liebsten irgend ein lebendes Wesen als Ziel.«

»Das ist freilich sehr unangenehm.«

»Sie haben allerlei Waren bei sich, vielleicht auch Geld. Das ist sehr verführerisch für Menschen von solchen Anschauungen. Es könnte leicht sein, daß man sich Ihre Sachen auf Lebenszeit von Ihnen borgt. Oder es könnte sich gar ereignen, daß Sie bei Ihrer Einschiffung bemerken, man habe Sie da oben in den Bergen erschossen, und dann in irgend einer wilden Schlucht eingescharrt.«

»Für solche Bemerkungen danke ich nun freilich. Ich habe mir die Sache gar nicht so vorgestellt. Bis jetzt ist mir weiter nichts passiert, als daß ich in Adatschaly auf eine ziemliche Weise ausgehauen worden bin, aber nicht in Marmor, und daß ich sodann eine Brieftasche verloren habe. Dieses letztere kann ich natürlich nur meiner Nachlässigkeit zuschreiben, nicht aber auf die Rechnung der hiesigen Bevölkerung bringen.«

»Vielleicht doch.«

»Kann ein Anderer schuld sein, wenn ich etwas verliere?«

»Nein, wenn Sie es wirklich verloren haben.«

»Meinen Sie, daß man mir die Brieftasche gestohlen hat?«

»Möglich. Aber wenn nicht, so konnte der Finder sie Ihnen doch zurückgeben.«

»Hm? Kannte er mich? Ich weiß gar nicht einmal, wo sie mir abhanden gekommen ist.«

»Hoffentlich ist der Verlust nicht so bedeutend?«

»Nein. Es steckten achtzig österreichische Papiergulden drin. Das wäre nicht sehr schlimm; aber ich hatte auch einige sehr, sehr liebe Andenken drin, die ich schmerzlich vermisse.«

»Was war das?«

»Verschiedenes, was Sie doch nicht interessiert.«

»Ja – kein Tod kann uns trennen!«

»Wie? Was sagen Sie?«

»So schön bist du!«

»Herr, ich verstehe Sie nicht!«

»Genaue Preisberechnung aller möglichen Skatspiele. Das ist jedenfalls ein höchst wertvolles Andenken an ein verspieltes Eichelsolo mit sieben Matadoren und drei blanken Zehnern.«

»Was Sie da sagen! Ich glaube gar, Sie wissen, was in meiner Tasche war!«

»So ziemlich.«

»Woher denn?«

»O, ich hatte das Vergnügen, mich mit einer sehr hübschen jungen Dame von Ihnen zu unterhalten.«

»Hübsch? Jung? Wo denn?«

»Sie scheinen deren viele zu kennen?«

»So ziemlich.«

»Ja, Sie reisen ja, um sich eine Frau zu suchen.«

»Alle Wetter! – Ach, jetzt weiß ich es, wen Sie meinen: die Magd der Wirtin mit dem sauren Milchkübel in —«

»Hat sie auch bei Ihnen saure Milch gerührt?«

»Von früh bis abends. Das scheint ihre Passion zu sein.«

»Jeder hat seine Passionen. Ihr Mann, der Wirt, hatte ja auch eine.«

»Welche? – Die Grobheit?«

»Nein, das war nur Angewohnheit. Seine Passion ist, gefundene Gegenstände nicht zurückzugeben.«

»Hat er etwas gefunden?«

Ich zog die Brieftasche hervor und gab sie ihm.

»Mein Portefeuille!« sagte er erstaunt. »Das hat dieser Mensch, der Wirt, gefunden?«

»Ja, und zwar noch während Ihrer Anwesenheit.«

»Der Spitzbube! Wie kommt es aber, daß er es Ihnen gegeben hat, nachdem er es mir gegenüber verheimlicht hatte?«

»Ich zwang ihn dazu. Die betreffende Donna verriet mir, daß er es versteckt hatte.«

Ich erzählte ihm das Erlebnis ausführlich. Er öffnete die Tasche und fand, daß nichts von dem Inhalte fehlte.

»Sie haben sich da meinetwegen in eine wirkliche Gefahr begeben,« sagte er. »Ich danke Ihnen sehr!«

»Ihretwegen? O nein! Als ich mich der Mißhandelten annahm, ahnte ich noch nicht, daß Sie dagewesen seien. Also haben Sie gar keine Verbindlichkeiten gegen mich.«

»Und dieses arme Mädchen! Eingesperrt also hatte er sie! Und ich habe in allen Winkeln nach ihr gesucht, ohne sie zu finden.«

»Sie wollten wohl von ihr Abschied nehmen?«

»Natürlich. Ich bin nämlich ein großer Freund vom Abschiednehmen und von rührenden Szenen überhaupt. Haben Sie sich nicht gewundert, als Sie in dem Buche deutsche Schrift fanden?«

»Ich war überrascht. Doch, für jetzt genug. Ich will morgen sehr früh aufbrechen, und da möchte ich nun zur Ruhe gehen.«

»Schlafen gehen? Doch nicht. Sie sollen ja erzählen, wie es Ihnen während dieser langen Zeit ergangen ist.«

»Das ist zu viel für heute abend. Uebrigens reisen wir ja zusammen, und da haben wir Zeit zu derlei Erzählungen.«

»Wo schlafen Sie?«

»Da durch die Pforte hinter der ersten Türe.«

»Und ich hinter der dritten.«

»Da sind wir Nachbarn, denn zwei von meinen Begleitern wohnen neben Ihnen. Ich sage Ihnen jetzt gute Nacht.«

»Gute Nacht!«

Ich ging mit Halef vorerst in den Stall, um nach den Pferden zu sehen. Sie waren wohl versorgt. Ich sagte Rih noch, wie gewöhnlich vor dem Schlafengehen, eine Sure in das Ohr und wollte mich dann nach der Lagerstätte begeben; doch wir trafen im Hofe auf den finsteren Mann, welcher uns empfangen hatte. Er blieb bei uns stehen und sagte:

»Herr, die Gäste sind fort, da der Gesang aufgehört hatte. Jetzt habe ich Zeit, mit dir zu sprechen. Willst du vielleicht mit mir kommen?«

»Gern. Mein Freund wird auch mitgehen.«

»Er hat die Koptscha und ist mir willkommen.«

Er führte uns in das vordere Haus und dann in eine kleine Stube, in welcher wir uns auf den an den Wänden liegenden Kissen niederließen. Er brachte Kaffee in zierlichen Fingans und Pfeifen von ungewöhnlicher Arbeit. Das machte den Eindruck von Wohlhabenheit. Als die Pfeifen in Brand gesteckt waren, ließ er sich bei uns nieder und sagte:

»Ihr habt das Zeichen, und ich habe euch also nicht nach den Pässen gefragt; aber sagt mir die Namen, mit denen ich euch nennen soll.«

»Mein Freund heißt Hadschi Halef Omar, und ich werde Kara Effendi genannt.«

»Woher kommt ihr?«

»Aus Edreneh. Wir haben sehr notwendig mit drei Männern zu sprechen, welche hier vielleicht eingekehrt sind.«

»Wer sind sie?«

»Du wirst Manach el Barscha kennen. Ihn und seine beiden Begleiter meine ich.«

Er fixierte uns mit scharfem Blick und meinte:

»Ich hoffe, daß ihr Freunde seid!«

»Würden wir zu dir kommen, wenn wir Feinde wären?«

»Du hast recht.«

»Oder hätten wir die Koptscha?«

»Nein. Du hättest die deine am allerwenigsten; ich kenne sie genau.«

Das klang gefährlich. Ich ließ mir aber keine Verlegenheit merken und antwortete:

»Woher kennst du sie?«

»Sie ist ein klein wenig anders als die gewöhnlichen; es ist die Koptscha eines Anführers. Sie war das Eigentum meines Bruders Deselim.«

»Ah, du bist der Bruder des Wirtes hier?«

»Ja.«

»Das ist mir sehr lieb. Ich habe die Koptscha von ihm.«

»So bist auch du ein Anführer und hast mit ihm getauscht. Freunde tauschen die Koptschas. Wo hast du ihn getroffen?«

»Bei Kabatsch im Walde, in der Hütte des Bettlers Saban.«

»Er wollte doch eigentlich nicht dorthin!«

»Nein, er wollte zu dem Bäcker und Färber Boschak in Dschnibaschlü. Dort war ich als Gast eingekehrt.«

»Und wo ist mein Bruder jetzt?«

»Noch in Kabatsch.«

»Darf ich wissen, wer und was du eigentlich bist? Es gibt viele und verschiedene Effendis.«

»Ich will dir nur ein Wort sagen, und dann wirst du wissen, wie du mich zu beurteilen hast, das Wort Usta.«

Es war das nur ein Versuch, den ich machte, er gelang vollständig. Der Mann machte eine Gebärde freudiger Ueberraschung und sagte:

»Ja, das genügt. Ich will weiter nichts wissen.«

»Daran tust du klug; ich bin nicht gewöhnt, mich ausfragen zu lassen.«

»Womit kann ich dir dienen?«

»Sage mir zunächst, ob Manach el Barscha hier bei dir eingekehrt ist.«

»Er war da mit zweien.«

»Wann?«

»Er blieb eine Nacht hier und ist gestern um die Mittagszeit wieder aufgebrochen.«

»So ist er sehr scharf geritten. Er war auch bei deinem Verwandten, dem Kiaja von Bu-kiöj, eingekehrt und hatte da ein Pferd umgetauscht.«

»Warst du bei dem Kiaja?«

»Ja. Nimm viele Grüße von ihm! Manach el Barscha ist nach Menlik. Weißt du vielleicht, wo er dort zu finden ist?«

»Ja; er hat uns seine Adresse gegeben, weil mein Bruder auch nach Menlik will. Es wohnt dort ein reicher Fruchthändler, Namens Glawa. Bei ihm steigt er ab. Es wird dir jedermann sagen, wo er wohnt.«

»Hat Manach el Barscha nach dem Schut gefragt?«

»Ja. Er will zu ihm.«

»Und ich auch.«

»So werdet ihr miteinander reiten.«

»Das denke ich; aber Allahs Wege sind wunderbar, und die Ereignisse kommen oft nicht so, wie wir es denken. Vielleicht reist Manach eher ab, als ich ihn erreiche. Da wäre es mir lieb, zu wissen, wo der Schut zu finden ist.«

»Das will ich dir sagen. Wenn du von Menlik nach Istib reitest und auf dieser Straße Radowitsch erreichst, so mußt du von diesem Orte aus grad nordwärts reiten und wirst nach dem Orte Sbiganzi kommen. Er liegt zwischen den Wassern der Bregalnitza und der Sletowska. Dort wohnt der Fleischer Tschurak. Diesen fragst du nach der Schluchthütte; er wird dir Antwort geben. Und kommst du dann zu dieser Hütte, so kannst du über den Schut alles erfahren, was du willst und was ich heute nicht weiß.«

»Ich dachte, ich würde den Pferdehändler Mosklan in Palitza treffen, aber er war nicht dort.«

»Wie, du kennst Mosklan?«

»Ich kenne diese Leute alle. Er ist der Bote des Schut.«

»Auch das weißt du? Effendi, ich sehe, daß du ein hervorragendes Mitglied des Bundes bist. Du gibst uns die große Ehre, bei uns einzukehren. Befiehl über mich nach deinem Wohlgefallen; ich bin zu jedem Dienst bereit.«

»Ich danke dir! Ich brauche nichts als die Auskunft, welche ich von dir erlangt habe, und nun laß uns zur Ruhe gehen.«

»Wann wirst du uns verlassen?«

»Morgen früh nach Anbruch des Tages. Du brauchst uns aber nicht zu wecken; wir erwachen zur rechten Zeit.«

Nach einem freundlich herablassenden Gruße gingen wir weiter.

»Sihdi,« sagte Halef unterwegs leise, »da haben wir ja alles erfahren, was wir wissen wollten. Er hielt dich für einen großen Spitzbuben und mich für deinen Freund und Verbündeten. Es gibt Menschen, welche anstatt des Gehirnes Eierkuchen im Kopfe haben. Wüßte er, daß sein Bruder den Hals gebrochen hat, und daß du Mosklan die Zähne zerschlagen hast, so würde er es wohl unterlassen haben, uns eine so glückliche Nacht zu wünschen.«

»O, lieber Halef, wir wollen nicht triumphieren. Ist es nicht möglich, daß auf irgend eine Weise die Kunde von dem Geschehenen noch während der Nacht hier anlangt?«

»Fi amahn-Allah – Gott schütze uns! Dieser Mensch würde uns erwürgen.«

»Wir haben also doch auf unserer Hut zu sein. Wir sind in das Loch der Hyäne gekrochen, um mit ihr zu schlafen. Wollen sehen, ob wir glücklich wieder herauskommen!«

Mein Schlaf war trotzdem gut und fest. Ich erwachte erst, als ich draußen die laute Stimme Albanis hörte, der Schnadahüpfln sang. Er war ein leichtlebiger, unvorsichtiger Mensch, und leider hat er nicht lange mehr gejodelt. Von dieser Reise ist er freilich glücklich zurückgekehrt, hat aber kurze Zeit darauf während des Badens im Meere seinen Tod gefunden.

Als ich hinaus in den Hof trat, verhandelte er eben mit dem Bruder des Wirtes wegen der Bezahlung. Die Zeche schien ihm viel zu hoch zu sein, doch mußte er das Geforderte zahlen. Es war wirklich zu viel, was man von ihm verlangte. Ich machte dem Wirt darüber Vorstellung, aber er erklärte mir leise:

»Was willst du denn? Wenn ich mehr als gewöhnlich verlange, so kommt dies auch dir zu gute. Er ist ein Ungläubiger und muß für diejenigen mitbezahlen, welche die Koptscha haben, denn von diesen fordere ich niemals Geld.«

»Also von mir auch nicht?«

»Nein. Du und deine Begleiter, ihr seid meine Privatgäste und habt nichts zu bezahlen.«

Das war mir in gewisser Beziehung nicht lieb, da man von Feinden doch nicht gerne Gastfreundschaft annimmt; aber ich mußte es aus Vorsicht geschehen lassen.

Ich ging mit Halef, Osko und Omar in die allgemeine Gaststube, wo wir Kaffee erhielten; dann wurde gesattelt und aufgebrochen, nachdem wir Abschied genommen hatten.