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Die Sklavenkarawane

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Die jetzt herbeikommenden Krieger waren durch die ihnen entgegengesandten Boten schon von allem benachrichtigt; sie wunderten sich also nicht, anstatt des Feldwebels und seiner wenigen Leute ein Lager zu finden, in welchem es von Menschen wimmelte. Es waren lauter kräftige, wilde und wohlbewaffnete Gestalten, die als Kampfgenossen gern willkommen geheißen wurden. – – – – – – – – – – – – – – – – – —

Am andern Nachmittag, als die Sonne fast den Horizont berührte, erreichte das kleine Geschwader eine Stelle, an welcher sich der Fluß scharf ostwärts bog und von Süden her ein kleinerer, aber hier doch ziemlich breiter Wasserlauf in denselben mündete.

»Das ist der Arm, in den wir uns rudern lassen müssen,« sagte Abd es Sirr, welcher neben Schwarz und Pfotenhauer auf dem vordersten Schiffe stand. »Ich kenne ihn und weiß auch die Stelle, an welcher uns der König der Niam-niam erwartet«

Noch bevor er eine Antwort erhielt, hörte man von vornher einen lauten, durchdringenden Schrei, und zugleich sah man ein Boot, welches aus der Mündung des Nebenflusses herbeigeschossen kam. Diesem ersten folgten mehrere, viele, eine ganze, große Flottille von Kriegskähnen. Im vordern stand Wahafi am Steuer, welcher den andern durch den erwähnten Schrei das Zeichen gegeben hatte, ihm zu folgen.

Die Schiffe hatten guten Wind gehabt und sich also ihrer Segel bedient, waren aber außerdem auch noch durch Ruderboote gezogen worden. Zu diesen letzteren spannten sich jetzt die Kähne der Niam-niam vor, mit deren Hilfe die Schnelligkeit eine verdoppelte wurde. Das Geschwader fuhr in den Nebenfluß ein und dann noch eine Strecke in demselben aufwärts, bis auch hier ein noch kleineres Flüßchen von seitwärts kam, dessen Tiefe und Breite gerade für die Dahabiëh genügte. In diesen Wasserlauf bugsierte man die Schiffe, welche dann hintereinander Anker warfen.

Dies geschah gerade noch zur rechten Zeit, als die Sonne verschwand und die nur wenige Minuten lange Dämmerung hereinbrach. Das Flüßchen wurde zu beiden Seiten von Büschen eingerahmt, hinter welchem sich ein hoher Sunutwald ausdehnte. Da, wo die Schiffe lagen, waren am linken Ufer die Sträucher mit derben, scharfen Messern niedergeschlagen worden, um Raum für einen Lagerplatz zu gewinnen. Die Äste und Zweige hatte man zum Bau von Hütten verwendet, welche ein gegen den Fluß offenes Viereck bildeten. In der Mitte desselben brannte, obgleich es noch nicht vollständig dunkel war, ein großes Feuer. Zwischen diesem und dem Wasser stand ein Kreis von Kriegern, welche unter freudigen Willkommenrufen ihre Waffen schwangen. Sie hatten sich um eine Art Podium, eine aus Erde und Zweigen errichtete Erhöhung gruppiert, auf welcher ein Mann saß, der in jeder Hand etwas hielt. Welche zwei Gegenstände das waren, konnte man nicht erkennen.

»Das ist der König der Niam-niam,« erklärte Pfotenhauer, zu Schwarz gewendet. »Er liebt es, Fremde wie auf einem Throne sitzend zu empfangen.«

»Und was hat er in der Hand?«

»Das Scepter und den Reichsapfel.«

»Alle Wetter! Also ganz wie der König auf einer deutschen Skatkarte.«

»Ja. Er hat von irgend wem erfahren, daß europäische Herrscher diese Gegenstände als Insignien ihrer Macht und Würde besitzen, und sich infolgedessen auch Scepter und Reichsapfel anfertigen lassen. Bei Audienzen hält er beides in den Händen. Lassen Sie uns aussteigen; er erwartet uns.«

»Wie habe ich ihn zu grüßen, ohne mich zu erniedrigen und ihn zu beleidigen?«

»Wie einen biedern Deutschen. Thun Sie ganz so, wie ich es mache, und haben Sie keine Sorge. Er spricht leidlich arabisch, so daß die Unterhaltung Ihnen keine Schwierigkeit bereiten wird.«

Sie gingen über das vom Bord nach dem Ufer gelegte Brett aufs Land, und ihre gewöhnlichen Begleiter folgten ihnen. Sie schritten voran; hinter ihnen kam Hasab Murat mit dem »Vater der Hälfte«, dann der »Vater der elf Haare« mit dem Hadschi und nachher der »Sohn derTreue« neben dem »Sohne des Geheimnisses«. Die andern mußten noch an Bord bleiben, nur die Niam-niam hatten ihre Boote an das Land gelegt und waren ausgestiegen; sie bildeten eine ebenso zahlreiche wie malerische Ehrengarde, welche von Wahafi angeführt wurde.

Als der Zug den Thron erreicht hatte, schlossen die Niamniam einen Kreis um denselben, und die andern erstiegen die vier Stufen, welche hinauf führten. Oben angekommen, trat Pfotenhauer ohne alle Umstände auf den König zu, streckte ihm die Rechte entgegen und sagte:

»Massik bilchair ja malik; kif chatrak – guten Abend, o König; wie geht es dir?«

Der König legte das Scepter zur Seite, ergriff und schüttelte die ihm dargereichte Hand und antwortete in gemütlichem Tone:

»Ilhamd‘illa bchair; w‘int kif halak – Gott sei Dank, gut; und du, wie geht es dir?«

»B‘anzahrak fi chair kamahn; bischkur afdalak – unter deinen Blicken auch gut; ich danke!« antwortete Pfotenhauer und fügte dann hinzu, indem er auf Schwarz deutete: »Hier bringe ich dir meinen Freund, den ich deiner Liebe empfehle. Er ist der Bruder Aswads, mit welchem ich dich verließ.«

»Wahafi hat mir schon von ihm erzählt. Er sieht seinem Bruder ähnlich und wird, wie ich hörte, Abu ‚l arba ijun, ‚Vater der vier Augen‘ genannt. Er ist mir herzlich willkommen.«

Nun legte er, indem er die Hand Pfotenhauers noch immer fest hielt, auch den Reichsapfel weg und reichte Schwarz die jetzt frei gewordene linke Hand. Das Schütteln begann von neuem, und dabei sagte der gemütliche Herrscher, indem er dem Slowaken und dessen Freunde zunickte:

»Jedenfalls ist das der ‚Vater der elf Haare‘ mit dem ‚Vater des Gelächters‘. Wahafi hat auch diese zwei erwähnt und —«

Er kam nicht weiter, denn der »Vater des Gelächters« trat rasch vor und sagte:

»Verzeihe, o König! Man nennt mich zwar so, wie du gesagt hast, aber ich gestatte das nur meinen intimen Freunden. Ich bin nämlich Hadschi Ali Ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba Abu l‘Oscher Ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd‘allah el Sandschaki!«

»Schon gut, schon gut!« lächelte der König. »Dieser Name ist für meine Zunge zu lang, und da ich mich auch als deinen intimen Freund betrachte, so werde ich dich so nennen wie vorher.«

Der »Vater der Hälfte« und Hasab Murat wurden ihm auch vorgestellt und in derselben freundlichen Weise bewillkommnet. Als nun der nächstliegenden Höflichkeit Genüge geschehen war, hielt er es für erlaubt, Ben Wafa, seinen Sohn zu begrüßen. Er umarmte und küßte ihn herzlich und zog dann auch den »Sohn des Geheimnisses« an seine Brust. Das geschah ganz so, wie ein deutscher Vater es mit seinem Kinde und dessen Freunde gethan hätte. Die Liebe zu dem Sohne und das aufrichtige Wohlwollen für die Fremden lagen so deutlich in seinen Zügen, daß der Eindruck seines Verhaltens ein außerordentlich gewinnender war.

Sein Gesicht war rund und voll, die Farbe desselben dunkelbraun. Seine breite, nicht zu hohe Gestalt stak in einem einfachen schlafrockähnlichen Gewande, um welches ein Säbel gegürtet war; eine andre Waffe trug er jetzt nicht. Den einzigen Schmuck bildete sein Haar, welches in viele dünne Zöpfchen geflochten war, welche, nach oben gerichtet, eine Art Trichter bildeten, auf dessen Spitze ein ausgestopfter Prachtfinke befestigt war.

Der Sitz des Thrones nahm drei Seiten desselben ein und hatte Platz für mehrere Personen. Schwarz und Pfotenhauer mußten sich zu beiden Seiten des Königs setzen, und die andern ließen sich rechts und links von ihnen nieder. Nun mußten die beiden ersteren erzählen. Der König hörte ihnen aufmerksam und schweigend zu und sagte, als er alles erfahren hatte, zu Schwarz:

»Hoffentlich lebt dein Bruder noch und der Elefantenjäger auch. Sollten sie ermordet worden sein, so werden Abu el Mot und Abd el Mot es mit tausend Schmerzen zu bezahlen haben; das verspreche ich dir. Morgen um diese Zeit werden wir wissen, woran wir sind, denn wir erreichen noch vor Anbruch des Tages die Schlucht es Suwar.«

»So meinst du, daß wir noch während der Nacht marschieren werden?«

»Wir gehen nicht, sondern wir fahren. Dieses Flüßchen führt so nahe an die Schlucht, daß wir nur eine halbe Stunde lang durch den Wald zu gehen haben, um sie zu erreichen.«

»Und wie steht es mit der Seribah Ulambo? Abu el Mot hat zwei Boten um Hilfe dorthin gesandt.«

»Die Boten sind zurück. Sie haben sich dort gar nicht verweilt.«

»Und welchen Erfolg haben sie gehabt?«

»Das weiß ich nicht; sie haben es mir nicht sagen wollen.«

»So hast du mit ihnen gesprochen?«

»Ja. Wir haben sie ergriffen. Ich wollte sie nicht zur Rede zwingen, sondern lieber eure Ankunft erwarten. Ich habe sie dort hinten an die Bäume binden lassen und zwei Wächter zu ihnen gestellt. Wenn ihr es wünschet, werde ich sie holen lassen.«

»Thue das, und zwar sofort!«

Es waren noch mehrere Feuer angebrannt worden, um welche sich die Niam-niam jetzt gelagert hatten. Diese Leute waren mit langen, sichelartigen Messern, Bogen und Pfeilen, Lanzen und Tarambisch bewaffnet. Auf den Befehl des Königs entfernte sich einer von ihnen, um die beiden Homr und deren Wächter herbeizuholen.

Als sie gebracht wurden, erkannte Schwarz sie sofort. Er sah deutlich, wie sie erschraken, als sie ihn erblickten. Der »Vater der elf Haare« geriet in zornige Aufregung, drohte ihnen mit den Fäusten, verschmähte aber, sie anzureden, und rief vielmehr Schwarz und Pfotenhauer zu:

»Das seinte Homr, verfluchtige und gemörderigte. Laßte wir sie nicht wieder entflohente und ausgereißte. Sie muß treffte Strafe, gerechte und exemplarigte!«

»Habe keine Sorge; sie entkommen uns gewiß nicht wieder,« antwortete ihm Schwarz. Und sich zu den Homr wendend, fuhr er fort:

»Ich sehe, daß ihr mich erkennt. Euer Schicksal hängt von eurem Verhalten ab. Wenn ihr ein aufrichtiges Geständnis ablegt, entgeht ihr dem martervollen Tode. Was habt ihr auf der Seribah Ulambo erreicht?«

 

Sie sahen ihn finster an, flüsterten sich einige Worte zu, und dann antwortete der eine von ihnen:

»Wir sind nicht in Ulambo gewesen.«

»Lüge nicht! Ich weiß genau, daß Abu el Mot euch hingesandt hat.«

»Das ist nicht wahr!«

»Ich rate dir, nicht etwa mich für einen Lügner zu erklären! Es könnte dir sonst ergehen, wie es Dauwari ergangen ist.«

»Dauwari?« rief der Mann aus.

»Ja. Ihr habt gemeint, daß wir ihm Glauben schenken und in die Falle gehen würden. Die Sonne muß euch das Gehirn verbrannt haben, da ihr uns für so albern halten konntet. Ich habe ihm die Bastonnade geben lassen, und er hat alles gestanden.«

»Dieser Hund!«

»Pah! Jetzt schimpfest du auf ihn; aber wenn auch ihr die Hiebe auf euren Füßen fühlt, werdet ihr ebenso offenherzig werden.«

»Wage es! Wir sind wahre Gläubige und Anhänger des Propheten; du aber bist nur ein Christ!«

»Ich behandle euch nicht nach eurem Glauben, sondern nach euren Thaten. Und wollt ihr meinen Glauben schmähen, welcher besser ist als der eurige, nun, so mögt ihr es thun, wenn es euch Vergnügen macht, doppelte Streiche dafür zu erhalten.«

»Zeige uns Dauwari, damit wir dir glauben können!«

»Ich habe nicht nötig, dieses Verlangen zu erfüllen, da ich euch durch die Bastonnade zur Antwort zwingen kann, werde es aber dennoch thun, weil ich als Christ Gewaltthätigkeit nicht liebe.«

Er schickte den Slowaken und den Hadschi fort, um Dauwari bringen zu lassen. Dieser konnte infolge der empfangenen Hiebe nicht gehen; er mußte getragen werden. Einige Nuehrs brachten ihn und setzten ihn neben den Homr nieder. Diese warfen ihm einen verächtlichen und zornigen Blick zu und wendeten sich dann von ihm ab.

»Ah, ihr seid hochmütig gegen ihn?« meinte Schwarz. »Nun, ihr sollt schnell demütig werden. Wolle ihr gestehen, was auf der Seribah ausgemacht worden ist?«

»Wir gestehen nichts.«

»Wollen sehen, ob ihr Wort haltet.«

Sie wurden ebenso behandelt wie Dauwari gestern. Man band ihre Füße an eine Lanze und hielt die nackten Sohlen nach oben. Schon die ersten Hiebe brachten die gewünschte Wirkung hervor: Sie gestanden, daß sie auf der Seribah abgewiesen worden seien. Das konnte freilich eine hinterlistige Ausrede sein, aber Schwarz glaubte ihren Worten. Hätten sie Hilfe erlangt und Mannschaften bekommen, so wären sie jedenfalls nicht allein zu Abu el Mot aufgebrochen. Sie wurden mit Dauwari zur Seite geschafft.

Der König hatte mehrere Leute bei sich, welche den Weg nach der Schlucht es Suwar genau kannten. Eine genügende Anzahl der Niam-niam, um die Schiffe zu bewachen, sollte bei diesen zurückbleiben. Für die übrigen waren Boote genug vorhanden, wenn man sich etwas enger als gewöhnlich setzte. Es wurde beschlossen, zu essen und dann aufzubrechen.

Nahrung gab es genug. Die Niam-niam hatten sich mit Vorrat versehen, und die andern besaßen noch mehr als genug Nilpferd- und Elefantenfleisch, welches nicht verdorben war. Was davon übrig blieb, wollte man mitnehmen, da als gewiß anzunehmen war, daß die geraubten Schwarzen, welche Abu el Mot mitbringen werde, ebenso der Speise wie des Trankes bedürftig seien.

Das noch vorhandene Fleisch wurde an den Feuern gebraten, da es sich dann länger hielt als in rohem Zustande. Dann bestimmte der König die Leute, welche bei den Fahrzeugen zu bleiben hatten. Als dies geschehen war, wurden die Boote beladen und bemannt. Die Niam-niam hatten in sicherer Erwartung der nächtlichen Fahrt Fackeln angefertigt, welche den Fluß beleuchten sollten. Der König bestieg mit den namhaftesten Teilnehmern das vorderste Boot, welches fast vierzig Personen faßte und in dessen Schnabel auf zusammengefügten Steinen ein Feuer brannte. Es stieß vom Ufer, und die andern folgten. Den alten Feldwebel und seine Leute hatte man auf den Schiffen zurückgelassen. Dauwari aber und die beiden Homr hatte man mitgenommen, da man ihrer zu bedürfen glaubte. Die beiden letzteren waren höchst kleinlaut geworden, seit sie gesehen hatten, welch eine mächtige Überzahl gegen Abu el Mot vorhanden war.

Es war eine eigentümliche Fahrt durch den nächtlichen Urwald. Das Tierleben, wenigstens das höhere, schlief; aber Tausende von Leuchtkäfern schossen durch die Finsternis und Hunderttausende, ja Millionen von Stechfliegen und Mücken flogen in das Feuer und die Flammen der brennenden Fackeln, so daß es schien, als ob es diese Insekten förmlich regne.

Der König saß am Feuer und achtete der Quälgeister nicht; Schwarz und Pfotenhauer hatten ihre Moskitonetze über die Köpfe gezogen. Hinter ihnen saß der Slowak, welcher mit dem Hadschi leise flüsterte. Das Feuer beleuchtete die nahen Ufer und warf flimmernde Lichter auf die tropischen Pflanzenformen, welche aus dem Wasser ihr Leben sogen.

»Wissen‘s,« sagte der »Vater des Storches«, »es kommt mir halt vor, als ob ich im Theater sei, wo die Malerei einen Wald vorstellt, in welchem Feen und Elfen wohnen. Schaun‘s nur, wie das Licht da an der Palme emporklettert und rund um die Krone läuft! Diese südlichen Gewächs‘ haben einen andern Charakter als unsre nördliche Vegetation. Und doch ist mir a heimischer Tannen- oder Buchenwald tausendmal lieber als so a Palmenwald. Oder nit?«

»Ich gebe Ihnen recht.«

»Versteht sich! Der Unterschied ist groß, das weiß ich, obgleich ich ka‘ Botaniker bin. Lieber beschäftige ich mich mit dera Tierwelt und aber am allerliebsten mit denen Vögeln. Was hab‘ ich hier für Vögel g‘funden und auch präpariert! Es ist halt die reine Pracht und Herrlichkeit und doch nit zu vergleichen mit dem, was man daheim im Wald zu sehen und gar zu hören bekommt. Finden‘s hier etwa das, was man Vogelg‘sang nennt? Nix davon, ganz und gar nix. Ich kann daheim stundenlang im Gras liegen und den Finken zuhören – – – hurrjeh! Was war das? Haben‘s den Kerl g‘sehen?«

Es war ein großer, dunkler Vogel mit fast unhörbarem Flügelschlage vom rechten Ufer gerade über dem brennenden Feuer hinweg nach dem linken geflogen. Der »Vater des Storches« war überrascht aufgesprungen und wiederholte seine Frage, indem er mit der Hand nach der Gegend deutete, in welcher der Vogel verschwunden war. Sein Gesicht war hell beleuchtet, und so sah man deutlich, daß seine Nase sich nach der linken Wange neigte, als ob sie auch ohne den Impuls ihres Besitzers die ganz selbständige Absicht habe, dem Vogel nachzublicken.

»Freilich habe ich ihn gesehen,« antwortete Schwarz.

»Kennen‘s ihn aber auch?«

»Natürlich. Es war ein Uhu, hier ein außerordentlich seltenes Tier.«

»Ja, er kommt nit allzuhäufig vor; wenigstens habe ich ihn hier noch nicht gesehen. Wissen‘s, wie er hier g‘nannt wird?«

»Der Zeuge.«

»Weshalb?«

»Seiner Stimme wegen. Er schreit ‚schuhud‘; das ist der Plural von ‚schahid, der Zeuge‘.«

»Richtig! Und wie ist sein lateinischer Name?«

Der »Vater der elf Haare« hatte das Gespräch gehört; das Wort »lateinisch« elektrisierte ihn; er richtete seinen Oberkörper auf und antwortete schnell, damit Schwarz ihm nicht zuvorkommen könne:

»Uhu heißt im Lateinischen Bubalus. Hatt ich gewüßte schon seit Zeit, vieler und langer.«

Pfotenhauer drehte sich zu ihm um, besann sich und fragte:

»So? Also Uhu heißt Bubalus! Und was hat denn da das lateinische Bubo maximus auf deutsch zu bedeuten?«

»Bubo hat geheißte Büffel, gehörnterigter.«

»Was Sie da wissen! Sehen Sie doch mal an! Schade nur, daß es grad umgekehrt ist. Bubo heißt Uhu, und Bubalus ist der Büffel.«

»Das konnte nicht geglaubte ich. Sie mußte sich habte geirrt.«

»Nein; ich irre mich nicht. Ich muß es doch wohl wissen!«

»Könnte nicht haben vergeßte es Sie?«

»Nein. Erkundigen Sie sich da bei Herrn Doktor Schwarz, wer recht hat!«

Schwarz mußte natürlich dem Vater des Storches recht geben, und so meinte der Slowak in unzufriedenem Tone:

»So hatt es geweste von mir Verwechstelung, kleinigkeitlichte. Kopf, gelehrter, hatt zuweilen Augenblicklichkeit, wo er seinte nicht zu Haus. Doch kommte er heim wieder sofort und gefindet zurecht sich wieder schnell. Ich hatte lernte dennoch mein Latein, gymnasialiges, und kennte Branche, wissenschaftliche, in allen Sorten. Ich hatt habte stets ein offenes Kapuz.«

»Kapuz?« fragte Pfotenhauer erstaunt. »Was soll das heißen?«

»Das wißte Sie nicht?«

»Was es bedeutet, weiß ich wohl; aber was Sie damit meinen, das ist mir unbekannt.«

»Capuz, lateinischer, heißte doch Kopf, deutscher!«

»Ah – so, so! Und was heißt denn das Wort Caput?«

»Kaput heißte Kappe, Kragenhaube. Das muß Sie doch hatt gewüßte!«

»So, das muß ich gewußt haben! Nun, lieber Freund, das ist wieder verkehrt. Kopf heißt Caput, und unter Ihrem Kapuz kann ich nur eine Haube oder Kappe verstehen.«

»Wie hatt Sie genannte mich? Lieber Freund? Behaltete Sie das für sich! Wenn Sie blamierte Latein, meiniges, so seinte ich nicht Freund, Ihriger. Freund erkennte an Kenntnis, gegenseitige. Sie hatt verweigerte mir Zustimmung, verdiente, folglich muß ich Sie betrachten als Feind, gegnerischen. Stets hatt soll seinte ich derjenigte, welcher sich verirrtumte in Verwechstelung. Ich bitt‘, sprechte Sie doch nicht wieder Latein, denn jedes Kind kann es hörte und begreifte, daß Sie es in Ihrem Leben, ganzes, nicht haben studiumtierte richtig!«

Pfotenhauer brach bei diesem Rate in ein herzliches Lachen aus; das steigerte den Grimm des Kleinen so, daß er mit dem Fuße stampfte und dabei ausrief:

»Was lachte und was fexierte Sie? Lachte Sie mich über, oder lachte Sie über sich selbst? Hat einer gehöhnte auf mich, so nehme ich Gewehr, meiniges, und werd‘ machte aus ihm eine Leiche, totmausigte!«

Er griff in der Aufregung wirklich nach seinem Gewehre und spannte den Hahn.

»Was?« fragte Pfotenhauer, dem in solchen Augenblicken sein heimischer Dialekt abhanden zu kommen pflegte. »Sie wollen mich erschießen?«

»Ja, ich erschießte Sie mit Haut und mit Haar. Ich hatt auch gehabte Ehre in Leib, meinigem!«

»Das gebe ich zu. Aber die Sache ist doch gar nicht zum Erschießen. Wollen Sie denjenigen ermorden, der das Nilpferd erschoß, als Sie sich in Gefahr befanden?«

Da ließ der Kleine die Flinte fallen, schlug sich vor die Stirn und antwortete:

»Ich selbst seinte Nilpferd! Zorn, jetziger, ist geweste größer als Nilpferd, gestriges. Sie habte mir gerettet Leben, meiniges, und ich hatt wollen erschießte Sie dafür aus Ärger, undankbarkeitlichem. Hier streckte ich aus Hand, meinige, und bitt‘ um Vergebung, leicht verzeihliche!«

Er hielt dem »Vater des Storches« die Hand entgegen, und dieser schlug ein und schüttelte sie herzlich. Der Kleine hatte sich ernstlich beleidigt gefühlt; daß er dennoch um Verzeihung bat, zeigte, welch ein gutes Herz er besaß.

Die beiden Deutschen setzten ihre unterbrochene Unterhaltung nun leiser fort, um dem Vater der elf Haare keine Gelegenheit zu geben, sich abermals an derselben zu beteiligen und in Zorn zu geraten. Gegen Mitternacht schlossen alle, welche nicht zu arbeiten hatten, die Augen, und die Ruderer plätscherten im Takte ihr monotones und ununterbrochenes Schlummerlied dazu.

Als Schwarz und Pfotenhauer geweckt wurden, war es noch finstere Nacht; die Ruder lagen still, denn die Fahrt war zu Ende, und man hatte die Boote an das Ufer befestigt; es wurde ausgestiegen.

Auch hier mußte man Leute zurücklassen, welche die Fahrzeuge zu bewachen hatten; es wurden noch mehr Fackeln angebrannt; jeder griff nach seinen Waffen und nach dem Proviante, den er zu tragen hatte, und dann wurde die Wanderung angetreten.

Der Weg führte durch einen weiten Aradebahwald, dessen Stämme in solcher Entfernung voneinander standen, daß sie dem Marsche keine besondere Schwierigkeit entgegensetzten. Fackeln brannten genug, so daß die Führer sich nicht irren konnten. Es war doch möglich, daß sich jemand von der Schar Abd el Mots schon in der Nähe befand; darum wurde alles Geräusch vermieden.

So ging es still und langsam vorwärts, nicht ganz eine Stunde lang; dann blieben die voranschreitenden ortskundigen Männer halten und machten dem Könige eine leise Meldung. Dieser teilte den Deutschen mit, daß man in der Nähe der Schlucht angekommen sei, und fragte, ob sie rieten, daß man hinabsteigen solle.

»Nein, auf keinen Fall,« antwortete Schwarz.

»Warum nicht?«

»Weil es thöricht wäre. Entweder sind die Feinde schon unten, was freilich nicht zu erwarten ist; dann würden wir ihnen geradezu in die Hände laufen. Oder sie kommen erst noch, und dann können wir recht gut warten, bis der Tag angebrochen ist. Laß die Fackeln auslöschen! Wir setzen oder legen uns hier nieder. Das ist das Klügste, was wir thun können.«

Dieser Rat wurde befolgt; die Leuchten verloschen, und nun hätte niemand, der zufällig vorübergekommen wäre, vermuten können, daß hier so viele hundert Menschen in Erwartung baldiger kriegerischer Ereignisse lagerten.

 

Wie die Abenddämmerung, so ist in jenen Gegenden auch die Morgendämmerung eine sehr kurze. Es erhob sich eine laute Vogelstimme unten im Grunde, und als ob dieselbe den Morgen wachgerufen habe, so wich die Finsternis plötzlich einer grauen Helle, welche schnell lichter und lichter wurde. Man konnte zuerst die Stämme der Bäume unterscheiden, dann auch die Äste, bald die kleineren Zweige, die einzelnen Blätter und Blüten, und während noch vor kaum drei Minuten das tiefste Dunkel geherrscht hatte, war es nun heller, lichter Tag geworden, und anstatt der einen, ersten Vogelstimme erklangen hunderte, ja tausende durch den morgenfrischen Wald.

Schwarz hatte sich erhoben und trat mit Pfotenhauer weiter vor. Die Führer waren ihrer Sache außerordentlich sicher gewesen. Nur noch hundert Schritte weiter, so wäre man über eine fast lotrechte Felswand aus Granitgestein gefallen, aus welcher Gesteinsart die Guta-Berge alle bestehen.

Noch immer befand man sich unter Aradebahbäumen, deren Kronen sich so vereinigten, daß man den Himmel durch dieselben kaum erblicken konnte. Aber geradeaus, vor den beiden Deutschen, gab es kein Laub- oder Nadeldach, denn da lag die Schlucht, welche man überblicken konnte.

Sie war an ihrem Anfange und Ende vielleicht achtzig Schritte breit, in der Mitte etwas mehr, und ihre Länge konnte das Zehnfache betragen. Die Wände stiegen an den Längsseiten so steil empor, daß es unmöglich schien, sie zu erklimmen. Hier, wo sich die Lagernden befanden, war es jedenfalls auch schwierig, hinabzukommen; aber gegenüber befand sich der Eingang, welcher zwar nur sehr schmal war, aber mit der Sohle des Thales in derselben Höhe lag, so daß der Zutritt zu der Schlucht von dort aus ohne die allermindeste Schwierigkeit zu bewerkstelligen war. Die Bäume des Waldes traten bis an den Rand der Schlucht heran; dort hörte die Vegetation vollständig auf, und an den Wänden und Abhängen des Felsens war nicht ein Grashalm zu sehen. Aber unten im Grunde wehten die Wipfel zahlreicher und sehr hoher Palmen im leisen Morgenwinde; es mußte also dort Wasser vorhanden sein.

Jetzt traten der König und Wahafi auch herbei. Dieser letztere deutete hinab und sagte:

»Dort seht ihr die hundertundvierzehn Nachl es Suwar, welche der Imam pflanzte, um den Fluch von der Schlucht zu nehmen. Sonst gibt es keine einzige Palme in der Nähe, woraus ihr ersehen könnt, daß seine Gebete mächtig gewesen sind und ein Wunder bewirkt haben.«

»Es scheint sich noch kein Mensch unten zu befinden,« antwortete Schwarz. »Wir sind Abu el Mot also wirklich zuvorgekommen und haben vielleicht genügend Zeit, die Schlucht in Augenschein zu nehmen. Wo führt ein Weg hinab?«

»Es gibt nur einen einzigen; er führt hinein und auch hinaus, kein andrer. Das ist da vorn, uns gegenüber.«

»Weißt du das genau?«

»Ja, denn ich bin mehr als einmal hier gewesen und habe vergeblich versucht, an den Felsen emporzusteigen. Ich werde jetzt vorangehen und euch nach dem Eingange hinabführen. Gebt also Befehl, daß aufgebrochen werde!«

»Halt, nicht so schnell! Du meinst, daß wir alle, die wir hier sind, in die Schlucht gehen?«

»Natürlich.«

»Und dort die Ankunft Abu el Mots erwarten?«

»Ja.«

»Dann wären wir ja verloren!«

»Wieso?«

»Abu el Mot käme durch den Eingang, würde uns bemerken und dort halten bleiben; wir wären von ihm und den Felsen eingeschlossen, könnten nicht herauf und müßten uns nach seinem Belieben abschlachten lassen.«

»Herr, welche Gedanken hast du da! Hast du denn nicht gezählt, wie viele Köpfe und Arme wir sind?«

»Was helfen noch so viele Arme, wenn die Köpfe, zu denen dieselben gehören, nicht gelernt haben, nachzudenken! Siehst du nicht, wie schmal der Eingang ist? Zwanzig Mann genügen vollständig, ihn zu verschließen.«

»So stürmen wir ihn!«

»Das würde uns teuer zu stehen kommen, denn es liegen dort große Felsbrocken, hinter denen sich die Krieger Abu el Mots verstecken können; sie würden uns töten, während wir sie nicht treffen könnten.«

»Was thut es, wenn wir dreißig, vierzig oder auch fünfzig Mann verlieren? Haben wir nicht viele hundert?«

»Wahafi, ich bin ein Christ, und als solcher ist mir das Leben auch nur eines einzigen Menschen heilig. Ich werde es also zu ermöglichen suchen, daß keiner von uns getötet wird.«

»Herr, das ist unmöglich!«

»Streiten wir uns darüber jetzt lieber nicht. Was zu thun ist, werde ich erst dann wissen, wenn ich die Schlucht gesehen habe. Ich werde also mit einigen, hörst du, nur mit einigen hinabgehen, um sie zu untersuchen; die übrigen haben hier auf meine Rückkehr zu warten. Auf keinen Fall aber werde ich zugeben, daß wir alle hinabsteigen und uns dort lagern; denn wenn wir das thäten, so wäre geschehen, was Abu el Mot wünscht: wir wären in eine Falle geraten.«

»Aber auf welche Weise willst du ihn denn besiegen?«

»Das muß sich erst noch zeigen. Ich glaube nicht, daß es geschieht, denn ich halte ihn dazu für viel zu klug, aber es ist wenigstens nicht ganz unmöglich, daß er selbst die Schlucht betritt, um in derselben zu lagern. Dann würden wir den Eingang besetzen, und er steckte in seiner eigenen Falle.«

»Warum sollte das so undenkbar sein?« fragte Pfotenhauer.

»Weil er, wenn er es thäte, geradezu Prügel verdiente.«

»Ja, wenn er es thäte, trotzdem er uns erwartet. Aber er glaubt, daß wir frühestens erst morgen kommen können. Ist es da nicht denkbar, daß er den Platz heute für sich in Anspruch nimmt?«

»Hm, das ist richtig; daran dachte ich nicht.«

»Sonst aber bin ich ganz genau Ihrer Ansicht. Auch stimme ich bei, jetzt hinabzugehen und zu rekognoscieren. Wir wollen das sofort thun, denn wir dürfen keine Zeit verlieren, da wir nicht wissen können, ob Abu el Mot nicht vielleicht schon morgen kommt.«

Die Truppen mußten noch halten bleiben; die Anführer gingen weiter, hart an dem linken Rande der Schlucht hin. Sie konnten hinabsehen. Zu beiden Seiten der Thalsohle und auch vorn und hinten standen Palmen; in der Mitte lag eine grüne Grasfläche; doch erblickte man keinen Bach noch sonst ein Gewässer. Als Schwarz seine Verwunderung darüber aussprach, antwortete Wahafi:

»Komm nur erst hinab; dann wirst du sehen, daß es Wasser gibt.«

Als man sich oberhalb des Einganges befand, brach der Felsen senkrecht ab und man mußte also ein Stück in den Wald hinein, um da nach links auf einem Umwege hinabzukommen. Das war übrigens gar nicht schwer, und nach Verlauf von beiläufig zehn Minuten senkte sich das Terrain als nicht allzu steile Böschung abwärts. Der Wald hörte auf; man kam durch einiges Buschwerk, und dann sah Schwarz zu seinem Erstaunen eine ebene, grasbedeckte Flur vor sich liegen, aus welcher sich der hufeisenförmige Berg, welcher in seinem Innern die Schlucht bildete, erhob.

Der Eingang in die letztere war, wie Schwarz abmaß, zwölf Schritte breit. Als sie ihn passiert hatten, konnten sie den langen Kessel bis an die hintere Wand überblicken. Er bot einen eigenartigen, überraschenden Anblick dar.

Von hoch oben winkten die Wipfel der Aradebahbäume herab; dann kamen die Felsen in einer Höhe von vielleicht hundert Fuß; sie waren vollständig nackt. Am Fuße derselben lief eine dammartige Erhöhung rund um das Thal; sie trug eine Rinne, in welcher sich das von der Höhe sickernde Wasser sammelte und ein Bächlein bildete, welches in der Nähe des Einganges in einem Steinloche einen unterirdischen Abfluß nahm. Dieses Wasser speiste die Talebpalmen, welche auf dem Damme in genau abgemessenen Entfernungen voneinander standen.

»Zähle sie!« sagte Wahafi zu Schwarz. »Rechts fünfzig, links fünfzig, im Hintergrunde sieben und hier vorn am Eingange auch sieben. Das gibt hundertundvierzehn. Und nun tritt näher, um nachzusehen, wie eine jede heißt!«

Er zog ihn zu der nächsten Palme. Nicht ganz manneshoch zeigte der Stamm derselben ein Wort in arabischer Schrift, welches früher eingeschnitten worden war. Die Züge waren zu mehr als fingerdicken Wülsten aufgequollen, und so fiel es nicht schwer, das Wort zu lesen.