Za darmo

Der Oelprinz

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»Bist du Ka Maku, der Häuptling dieses Pueblo?«

»Ja,« antwortete er kurz.

»Wir wollen hier rasten. Können wir Wasser für uns und unsre Pferde bekommen?«

»Nein.«

Diese Abweisung war eine scheinbare. Es lag in seinem Plane, sie festzuhalten; er mußte ihnen also Wasser gewähren; aber sie sollten nicht ahnen, daß er sich nur gar zu gern mit ihnen befassen wolle.

»Warum nicht?« fragte Sam.

»Das wenige Wasser, welches wir haben, reicht kaum für uns und unsre Tiere.«

»Ich sehe aber doch weder eure Krieger noch eure Pferde. Wo befinden sie sich?«

»Auf der Jagd; sie werden aber bald zurückkehren.«

»Dann müßt ihr Wasser übrig haben. Warum verweigerst du es uns?«

»Ich kenne euch nicht.«

»Siehst du nicht, daß Frauen und Kinder bei uns sind? Wir sind also friedlich gesinnte Leute. Wir müssen trinken. Wenn du uns kein Wasser gibst, werden wir es uns suchen.«

»Ihr werdet es nicht finden.«

»Meinst du, daß weiße Männer keine Augen haben?«

»Sucht! Dann werde ich erfahren, ob ihr sehen könnt.«

Er wendete sich ab und that so, als ob er nichts mehr von ihnen wissen wolle. Das war dem braven Hobble-Frank zu viel; er sagte in zornigem Tone zu seinem Vetter Droll:

»Was denkt denn der Kerl eegentlich, wer und was wir sind? Wenn mir’s einfällt, so gebe ich ihm eene Kugel durch den Kopp, nachher wird er schon höflicher werden. Wir sind auserlesene, peremierende Leute, die Haare zwischen den Zähnen haben, und lassen uns nich wie Vagabunden von der hohen Pforte weisen. Ich schlage vor, in ernster Kompression mit diesem konsistenten Manne zu schprechen. Oder nich?«

»Ja,« antwortete der geborene Altenburger in seinem heimatlichen Dialekte; »es is nich sehr angenehm, Dorscht zu habe und keen Wasser zu bekomme; aber finde wer’n mersch jedenfalls; mer dürfe nur bloß suche.«

Die Reiter stiegen ab, um nach einem vorhandenen Quell zu suchen. Feuchtigkeit war genug da, denn es wuchs Gras in der Nähe des Pueblo, und gar nicht fern von demselben gab es mehrere kleine Gärten mit Mais, Melonen und andern Gewächsen, deren Gedeihen fleißiges Begießen voraussetzte. Aber das Gesuchte wollte sich trotz alles Forschens nicht entdecken lassen, so daß Frank schließlich unmutig ausrief —

»Dummköpfe sind wir, weiter nischt! Wenn Old Shatterhand oder Winnetou mit ihrer anwesenden Gegenwart hier vorhanden wären, hätten sie das Wasser längst gefunden; ja, ich gloobe sogar, daß sie es riechen thäten.«

»Dieser berühmten Krieger bedarf es nicht,« meinte da Schi-So, der Häuptlingssohn, welcher sich an den bisherigen Bemühungen nicht beteiligt, sondern denselben leise lächelnd zugesehen hatte. &”Man muß nachdenken, anstatt zu suchen.«

»So? Na, da denke doch ‘mal nach!«

Man sieht, daß unter den sich näher stehenden Personen der Reisegesellschaft das Sie oder Ihr dem Du gewichen war. Es widerstrebte dem Hobble-Frank, von dem Jünglinge, der fast noch ein Knabe war, an Scharfsinn übertroffen zu werden.

»Das habe ich schon gethan,« antwortete dieser.

»Wirklich? So habe doch die Gewogenheit, uns das offizinelle Resultat deiner geistigen Anschtrengung mitzuteilen!«

»Dieses Pueblo ist eine Festung, welche ohne Wasser nicht bestehen kann. Am notwendigsten ist dasselbe im Falle einer Belagerung, während welcher die Verteidiger den Bau nicht verlassen können. Zieht man diesen Umstand in Erwägung, so läßt sich leicht denken, wo der Brunnen zu finden ist.«

»Ah, du meenst vielleicht im Innern des Gebäudes?«

»Ja.«

»Aber wo denn da?«

»Jedenfalls nicht in einem der oberen Stockwerke,« lächelte der junge Indianer.

»Nee, ooch ich hab’ noch keen Wasserwerk off eener Kirchturmspitze gesehen. Der Brunnen wird parterre zu suchen sein.«

»Wo er schon vor Jahrhunderten, als das Pueblo erbaut wurde, angelegt worden ist.«

»Richtig! Das is so klar und deutlich wie Schtiefelwichse.

»Höre, mein lieber, jugendlicher Freund, du scheinst gar nich so dumm zu sein, wie du aussiehst. Wenn du dich so weiter fortentwickelst, is es partial möglich, daß aus dir vielleicht ,was werden kann. Also da im Erdgeschoß hätten wir zu suchen. Aber wie kommen wir hinein? Een subjektives Eingangsthor is nich vorhanden, ebensowenig sind gerade oder gewendelte Treppen zu sehen, und die gewohnheetsmäßige Leiter haben sie außergewöhnlich emporgezogen. Aber wenn wir eene ägyptisch-sarmatische Pyramide bilden, indem immer eener off die Achseln des andern schteigt, so können mehrere von uns hinauf offs Dach und von da inwendig hinunter ins Parterre gelangen, wo das Aqua destillanterium zu finden is.«

Da bemerkte Sam Hawkens:

»Das hieße den Zugang erzwingen, was wir möglichst vermeiden wollen, wenn ich mich nicht irre. Wie es scheint, können wir das umgehen; der Häuptling kommt herab. Ich denke, daß er mit uns reden will.«

Wirklich kam Ka Maku jetzt bis auf die erste Plattform herabgestiegen. Er trat an den Rand derselben vor und fragte.

»Haben die Bleichgesichter das Wasser gefunden?«

»Erlaube uns, hinauf zu dir zu kommen, dann werden wir es finden,« antwortete Sam, der Kleine.

»Denkst du, daß es hier oben fließt?«

»Nein, sondern unter dir im Erdgeschoß.«

»Du hast es erraten. Ich würde euch welches geben, aber es ist hier so selten, daß – —«

»Wir werden es dir bezahlen,« unterbrach ihn Sam.

»Das ist gut! Doch weiß mein Bruder vielleicht, daß mehrere Stämme der Roten ihre Kriegsbeile gegen die Weißen ausgegraben haben? Darf man da den Bleichgesichtern trauen?«

»Von uns hast du nichts zu fürchten. Vielleicht hast du schon einmal von uns gehört. Ich und diese beiden Krieger, welche hier neben mir stehen, werden das “Kleeblatt” genannt; da hinter mir steht – – —«

»Das Kleeblatt?« fiel ihm der Häuptling schnell in die Rede. »Da kenne ich eure Namen. Ihr heißt Hawkens, Stone und Parker?«

»Ja.«

»Warum habt Ihr mir das nicht gleich gesagt? Das “Kleeblatt” ist stets freundlich zu uns roten Männern gewesen; ihr seid unsre Brüder, und wir heißen euch willkommen. Ihr sollt Wasser haben, umsonst und so viel, wie ihr braucht. Unsre Frauen sollen es euch hinausreichen.«

Auf einen Ruf von ihm kamen die Squaws auf die unterste Plattform herabgestiegen und holten aus dem innen im Erdgeschosse befindlichen Brunnen in großen, thönernen Krügen Wasser, welches die Reisenden sich leicht herunterlangen konnten, weil einige Leitern angelegt worden waren. Das Ganze machte einen so friedlichen Eindruck, daß weder Sam Hawkens, der doch sonst so klug war, noch einer seiner Gefährten auf den Gedanken kam, daß die Freundlichkeit des Häuptlings nur Verstellung sei.

Während die Menschen sich erquickten und dann die durstigen Pferde getränkt wurden, hatte die Farbe des Himmels sich in sehr bedrohlicher Weise verändert. Er war erst hellrot, dann dunkelrot und schließlich violett geworden, und diese letztere Färbung ging nun in ein düsteres Schwarz über, ohne daß man hätte sagen können, daß eigentliche Wolken vorhanden seien.

»Das sieht bös aus,« meinte Will Parker zu Hawkens. »Was sagst du dazu, Sam? Das scheint ein Hurrikan oder Tornado zu werden.«

»Glaube es nicht,« antwortete der Gefragte, indem er mit einem langen Blicke den Himmel prüfte. »Ja, Sturm wird es geben, einen tüchtigen Sturm, aber viel, sehr viel Wasser dazu. Es wäre am besten, wenn wir unter Dach und Fach kommen könnten, und unsre Pferde auch, sonst gehen sie uns durch.«

Und sich an den Häuptling wendend, welcher noch immer auf der Plattform stand, fragte er diesen —

»Was sagt mein roter Bruder zu diesen bedenklichen Wetteranzeichen? Was wird daraus werden?«

»Ein großer Sturm mit einem solchen Regen, daß in kurzer Zeit hier alles schwimmen wird.«

»Denke das auch, habe aber keine Lust, zu schwimmen und unsre Sachen durch den Regen verderben zu lassen. Können wir nicht im Pueblo aufgenommen werden?«

»Meine weißen Brüder mögen mit ihren Frauen und Kindern zu uns heraufsteigen. Es soll sie kein Tropfen Regen treffen.«

»Und unsre Tiere? Gibt es keinen Platz für sie, wo sie uns nicht entfliehen können?«

»Da links um die Ecke des Pueblo ist ein Korral, in welchem ihr sie einsperren könnet.«

»Gut, das werden wir thun. Indessen können die Frauen zu euch emporsteigen.«

Es wurden noch einige Leitern herabgelassen, an denen die deutschen Frauen und Kinder nach der zweiten Etage und durch das dort befindliche Loch in das Innere der ersten Etage niederstiegen. Zu gleicher Zeit kamen mehrere indianische Squaws und halberwachsene Knaben herunter, welche das Gepäck, das man den Pferden und Maultieren abgenommen hatte, nach der ersten Plattform trugen und von da durch ein ebensolches Deckenloch in das Erdgeschoß schafften.

An der Seite des Pueblo, welche der Häuptling bezeichnet hatte, war durch ziemlich hohe Mauern ein offener, viereckiger Platz eingeschlossen, den Ka Maku als Korral bezeichnet hatte. Hierher wurden die Pferde geschafft. Als sie sich in Sicherheit befanden, verschloß man den Eingang durch Stangen, welche in dazu bestimmte Mauerlöcher querüber zu liegen kamen. Eben als man damit fertig war, gab es mit einemmal einen Blitz, als ob der ganze Himmel in Flammen stehe, und es krachte ein Donnerschlag, unter dem die Erde zu zittern schien. Zu gleicher Zeit begann es zu regnen, daß man kaum einige Schritte weit zu sehen vermochte, und es brach urplötzlich ein Sturm los, welcher von solcher Mächtigkeit war, daß man sich an der Mauer festhalten mußte, um nicht niedergeworfen zu werden. Die Männer eilten zu den Leitern.

Der Bankier und sein deutscher Buchhalter waren nicht so erfahren, gewandt und schnell wie die andern und darum die letzten, welche die Leitern erreichten. Alles drängte in höchster Eile hinauf nach der zweiten Plattform und nach dem dort befindlichen Loche, durch welches man mittels einer Leiter in das erste Stockwerk niederstieg. Da immer nur eine Person hineinkonnte, ging dies nicht so schnell, wie der gleich einem See niederstürzende Regen wünschen ließ. Jeder dachte nur an sich selbst und drängte vorwärts; auf andres hatte man nicht acht. So kam es, daß keinem die fünf oder sechs Indianer auffielen, welche ganz plötzlich bei dem Häuptlinge standen, der das Niedersteigen leitete.

 

Der Deckel, durch welchen das Eingangsloch verschlossen werden konnte, lag neben demselben. in der Nähe waren mehrere große, mehr als zentnerschwere Steine zu sehen, was auch niemandem auffiel. Der Bankier und Baumgarten, sein Buchhalter, waren, wie schon erwähnt, die beiden letzten. Eben als der erstere seinen Fuß auf die erste, oberste Leitersprosse setzen wollte, rief ihm der Häuptling zu

»Halt, zurück! Ihr dürft nicht da hinein!«

»Warum nicht?« fragte Rollins.

»Das werdet ihr erfahren.«

Er warf sich mit den erwähnten Indianern auf die beiden, welche, ehe sie sich nur besinnen und an Widerstand denken konnten, niedergerissen und gefesselt wurden. Ihre Hilferufe, die sie ausstießen, wurden von dem Toben des Sturmes und dem Krachen des Donners verschlungen. Ebenso schnell, wie dies geschehen war, zog der Häuptling die Leiter aus dem Loche empor und warf den Deckel auf dasselbe, worauf seine Leute die schweren Steine auf den letzteren wälzten. Die Hinabgestiegenen konnten nicht herauf; sie waren gefangen.

Hierauf wurden der Bankier und Baumgarten eine Etage tiefer geschafft und mittels Lassos in das Erdgeschoß hinabgelassen. Dann wurde auch hier der Eingang mit dem fallthürähnlichen Deckel verschlossen, Hierauf schickte der Häuptling einen seiner Leute fort, Der Mann verließ zunächst mittels der untersten Leiter das Pueblo und rannte dann trotz Blitz und Donner, Sturm und Regen längs der Felsenhöhe, an welche sich das Bauwerk schmiegte, hin, bog um eine Ecke derselben und kam dann nach vielleicht zehn Minuten an einen Platz, wo, wie es schien, die Trümmer einer herab- oder zusammengestürzten Steinwand ein Wirrwarr bildeten, welches sich sehr gut zum Verstecke eignete. Hierher hatten sich die Krieger des Pueblo mit ihren Pferden zurückgezogen, um den Weißen glaubhaft zu machen, daß sie auf der Jagd abwesend seien. Diesen Leuten meldete der Bote, daß der Streich geglückt sei und sie also zurückkehren könnten.

Ja, er war geglückt, und zwar viel, viel leichter, besser und schneller, als der Häuptling sich vorher gedacht hatte. Zu diesem unerwarteten Gelingen hatte freilich das so plötzlich hereinbrechende Wetter am meisten mitgewirkt, kaum weniger aber auch die Unvorsichtigkeit, mit welcher die Gefangenen in die Falle gegangen waren.

Erst waren, wie schon erzählt, die Frauen und Kinder von der dritten Terrasse in das zweite Stockwerk hinabgestiegen. Als sie da angelangt waren, sahen sie sich in einem ungefähr fünf Ellen hohen, fensterlosen Raume. Es war außer dem Loche oben in der Decke, durch welches sie herabgestiegen waren, nicht die kleinste Maueröffnung vorhanden. Dieses Stockwerk wurde von vier Querwänden in fünf Räume geteilt, deren mittelster der größte war; in diesem befanden sie sich. In einer Nische desselben brannte ein kleines Thonlämpchen, dessen matter Schein nur wenige Schritte weit zur Geltung kam.

Frau Rosalie sah sich kopfschüttelnd um. Als sie in dem ganzen Raume außer der Leiter und der Lampe nicht den geringsten Gegenstand entdeckte, sagte sie entrüstet:

»Na, so was habe ich ooch noch nich gesehen und erlebt! Schteckt man denn seine Gäste in so een Loch, wo es keen Kanapee und keenen eenzigen Schtuhl nich gibt! Das is ja grad wie in eenem Keller! Wo setzt man sich hin? Wo hängt man seine Sachen off? Wo macht man das Feuer? Wo kocht man den Kaffee? Keen Fenster is zu sehen, und keen Ofen is da! Das muß ich mir wirklich sehr verbitten! Wir sind Damen, und Damen schteckt man nich in – – – Dunner Sachsen!« unterbrach sie sich erschrocken, als sie den ersten Donnerschlag hörte, welcher bis in diesen Raum herabklang. »Ich gloobe gar, das hat eingeschlagen! Nich?«

»Ja, das war een Schlag, und was für eener!« antwortete Frau Strauch. »Ich guckte grad in das Loch hinauf und habe es deutlich blitzen sehen.«

»Na, dann stellt euch nur gleich alle mit ‘nander dort in die hinterschte Ecke! Die Männer schprachen unterwegs davon, daß die Gewitter hier ganz andersch offtreten als bei uns derheeme. Wenn so een rabiater amerikanischer Blitz durch das Loch herunterkommt, sind wir bei lebendigem Leibe off der Schtelle mausetot. Da is es freilich gut, daß es hier keen Heu, keen Schtroh und überhaupt keene brennbaren Sachen gibt. Verschteht ihr mich? Hört ihr’s, wie der Regen da oben auftrappst? Du meine Güte, unsre guten Männer werden durchweecht bis off die Haut! Nachher gibt’s Erkältung, Schnupfen, Leib- und Magenschmerzen, und wer hat die Sorgen und die Angst? Natürlich wir Weiber, wir Frauen, wir Damen, wie sich ganz von selbst verschteht! Wenn sie nur bald kämen!«

Ihr Wunsch wurde augenblicklich erfüllt, denn soeben kam der erste herabgestiegen, Hobble-Frank, dem nach und nach die andern folgten. Unten angekommen, schüttelte er die Nässe möglichst von sich ab, sah sich um und sagte enttäuscht:

»Was is denn das für een konfernalisches Loch hier unten? Das soll doch nich etwa eene aggregate Wohnung für provisorische Menschen sein? Ich danke für Pflaumenkuchen zu Weihnachten! Nich ‘mal das liebe Tageslicht will hier herunter! Wenn diese roten Gentlemen keenen bessern Aufenthaltsort für uns haben, werde ich ihnen nächstens eenen königlich sächsischen Baumeester herüberschicken. Der mag ihnen zeigen, was für een Unterschied is zwischen meiner brillanten “Villa Bärenfett” an der Elbe und dieser unterirdischen Hekatombe unter der Erde. Wo setzt man sich denn da eegentlich hin, wenn man müde is und een Mittagsschlummerchen riskieren will?«

»Ueberall hin, Herr Franke,« antwortete Frau Rosalie. »Platz is genug.«

»Wie? Was sagen Sie?« fragte der Hobble gereizt. »Ueberall hin? Warum setzen denn Sie sich nich? Wohl weil es Ihnen nich paßt? Und was Ihnen nich gefällt, das is wohl für mich gut genug? Da kommen Sie freilich an den Unrichtigen. Bei meinen vestibulen Anlagen und Talenten habe ich es nich nötig, mit dem fürlieb zu nehmen, was andern Leuten nich in die Suppe und in den Kaffee paßt!«

»Still, Frank!« forderte ihn Sam auf. »Es ist hier nicht der Ort und die Zeit zu solchen Häkeleien. Wir haben mehr und Besseres zu thun.«

»So? Was denn?«

»Vor allen Dingen müssen wir die Friedenspfeife rauchen, wenn ich mich nicht irre.«

»Mit diesen Indianern?«

»Ja, mit dem Häuptlinge wenigstens. Du weißt doch jedenfalls, daß man eines Roten erst dann sicher ist, wenn man das Calummet mit ihm geraucht hat.«

»Das weeß ich wohl. Aber da hätten wir doch draußen roochen sollen!«

»Warum?«

»Um eben unsrer Sicherheit willen.«

»Es gab ja keine Zeit dazu.«

»Die hätten wir uns trotz des schlechten Wetters nehmen sollen. Jetzt schtecken wir in diesem Keller und wenn die Roten es nich offrichtig mit uns meenen, so is es grad so gut, als ob – – alle tausend Deixel! Siehste, daß die Geschichte schon losgeht? Da ziehen sie die Leiter in die Höhe. Haltet sie fest; haltet sie fest!«

Er eilte hin und sprang mit ausgestreckten Armen in die Höhe, um die Leiter noch zu ergreifen, kam aber zu spät; sie verschwand oben durch die Oeffnung.

»Da habt ihr die Bescherung!« rief er zornig. »Jetzt schtecken wir in der Patsche, grad wie Pythagoras im Fasse!«

»Das war wohl Diogenes,« verbesserte Sam.

»Schweig!« fuhr ihn Frank an. »Was verschtehst du von Diogenes! Das is der Zwerg beim Heidelberger Fasse. Ich aber meene dasjenige Faß, in welchem Pythagoras schteckte, als der große Georginenzüchter Galilei zu ihm kam und ihn bat: »Karo, Karo, gib mir meinen Leviathan wieder!« Als guter Deutscher mußt du wissen, daß das kurz nach der Schlacht im Teutoburger Walde geschah, wo Dschingis Khan dem General Moreau alle beede Beene wegschießen ließ. Das eene flog nach Blasewitz, wo es die berühmte Gustel von Blasewitz in der Nähe von Wallensteens Lager fand, und das andre nach Loschwitz ins Schillerhäuschen, wo Schiller grad damals seinen Trompeter von Sigmaringen dichtete. Er und die Gustel haben nachher die Beene zusammengetragen und oberhalb Dresden bei Räcknitz unter vier Linden begraben. Ich bin selbst dort gewesen und habe das Denkmal, welches off seine Beene gesetzt worden is, mit meinen eegenen zwee Oogen gesehen. Is das nich Beweis genug? Willst du nu noch immer mit mir schtreiten?«

»Nein,« lachte Sam. »Aber die Sache mit der Leiter kommt mir nun auch einigermaßen bedenklich vor. Warum hat man sie hinaufgezogen? Hat man sie vielleicht schnell für ein andres Stockwerk gebraucht? Das wäre bei diesem Wetter ja wohl leicht möglich. Laßt einmal sehen, ob wir alle beisammen sind!«

Es stellte sich heraus, daß der Bankier und sein Buchhalter fehlten. Darum meinte Sam Hawkens befriedigt:

»Da bin ich beruhigt. Die gehören zu uns und müssen also auch noch zu uns herab. Die Leiter ist schnell anderwärts gebraucht worden, wenn ich mich nicht irre.«

»Aber warum hat mer da obe zugemacht und den Deckel offs Loch gelegt?« warf Droll ein.

»Das fragst du noch?« antwortete Frank. »Ich schäme mich wahrhaftig, daß du mein Vetter und Verwandter bist! Jeder vernünftige Mensch macht, wenn es regnet, die Klappe zu. Hier regnet es nicht bloß, sondern es gießt wie aus Badewannen. Darum is der Deckel zugemacht worden, damit es nich prima Visite uns off die Köppe regnen soll. Kannst du das begreifen?«

»Ja, lieber Freund und Vetter Heliogabalus Morpheus Edeward Franke, weil du’s so deutlich zu mache verschtehst, habe ich’s verschtande.«

»Ja, das wird der Grund sein,« stimmte Sam bei. »Wir haben Zeit; bis der Häuptling herunterkommt, wollen wir uns einmal unsre heutige Wohnung ansehen. Wir können das, weil es eine Lampe gibt.«

Sie waren von dieser »Wohnung« keineswegs erbaut. Die Räume waren vollständig leer. Es gab keinen Sitz, keine Decke, keine Spur von Stroh, Heu oder Laub, woraus man auch nur für einen einzigen Menschen ein Lager hätte bereiten können. Das zog die Stimmung der durchnäßten Leute tief herab. Doch Sam verlor seinen Gleichmut noch immer nicht, sondern sagte, als sie wieder in den mittleren Raum zurückgekehrt waren:

»Das wird bald anders werden; laßt nur erst den Häuptling kommen. Dann werden wir alles erhalten, was wir brauchen.«

Schi-So, der junge Indianer, hatte sich an der Besichtigung der Räumlichkeiten nicht mit beteiligt. Er saß, mit dem Rücken an die Mauer gelehnt, am Boden und blickte sehr ernst vor sich hin. jetzt, als er Sams tröstliche Worte hörte, brach er sein bisheriges Schweigen und sagte:

»Sam Hawkens irrt sich. Es wird nicht bald anders werden.«

»Wieso?« fragte der Genannte.

»Wir sind gefangen.«

»Gefangen? Alle Wetter! Woraus schließest du das?«

»Ich bin Indianer und weiß, woran ich bin, ihr seid erfahrene Westmänner und könnt das ebenso wissen. Als wir oben einstiegen, sah ich zwei Leitern, welche an dem nächsten Stockwerk lehnten. Wenn man schnell eine brauchte, warum hat man da nicht eine von diesen genommen, welche doch bequemer zu haben waren, sondern grad die unsrige emporgezogen?«

»Ah! Ich habe diese beiden Leitern auch gesehen. Da ist es allerdings sonderbar, daß man grad die unsrige genommen hat.«

»Und noch eins,« fuhr der Jüngling fort. »Wo ist Grinley, welcher sich den Namen eines Oelprinzen gibt?«

»Alle Wetter, ja, das ist richtig!« rief Sam in betroffenem Tone aus.

»Warum fehlen grad die beiden, welche er höchst wahrscheinlich betrügen will? Er weiß, daß wir es nicht zu dem Betruge kommen lassen werden; er will sie von uns trennen und hat sich zu diesem Zwecke an den Häuptling gewendet.«

»Aber wie und wann?«

»Denkt an die beiden Weißen, welche vor uns auf Forners Rancho gewesen sind! Er hat mit ihnen gesprochen; ich habe erfahren, daß er sogar mit dem einen längere Zeit hinter dem Hause gesteckt hat.«

»Wenn das wäre, so gäbe es freilich einen Zusammenhang, der mich bedenklich machen muß. Aber wie kann man es wagen, so viele Leute, wie wir sind, hier als Gefangene einzuschließen? Wir sind ausgezeichnet bewaffnet und können ausbrechen.«

»Wo?«

»Indem wir den Deckel öffnen.«

»Versucht das doch! Er geht gewiß nicht auf.«

»Dann durch die Außenmauer.«

»Die besteht aus Steinen und einem Mörtel, welcher sicher noch härter als Stein ist.«

»Durch die Decke.«

»Versucht es einmal, mit euern Messern hindurchzukommen!«

»Aber ich habe außer dem Häuptlinge nur Weiber und Kinder gesehen!«

»Die Krieger hatten sich versteckt. Sie sollen sich auf der Jagd befinden. Welch ein Wild gäbe es zu dieser Jahreszeit und in dieser öden Gegend zu jagen? Ihr wißt, daß mehrere Indianerstämme das Kriegsbeil ausgegraben haben. Wenn diese sich auf dem Kriegspfade befinden und zu jeder Zeit an jedem Orte erscheinen können, werden da andre so unvorsichtig sein, ihr festes Lager zu verlassen, indem sie auf die Jagd gehen und dabei ihr Leben riskieren? Gehen überhaupt die Puebloindianer in solchen Massen auf die Jagd? Leben sie nicht vielmehr von den Erträgnissen, welche sie in ihren Gärten ziehen?«

 

»Du hast recht. Deine Gründe sind nicht zu widerlegen.«

»Ja; wir sind gefangen.«

»So wollen wir uns überzeugen und vor allen Dingen versuchen, ob der Deckel da oben zu öffnen ist.«

Dick Stone und Will Parker mußten zusammentreten. Sam stieg auf ihre Schultern, so daß er den Deckel erreichen konnte, und stemmte sich mit aller Kraft gegen denselben —vergebens; er war nicht um einen halben Zoll zu bewegen.

»Es ist richtig; man hat uns eingeschlossen,« zürnte er, indem er wieder niederstieg. »Aber wir werden diesen Schuften zeigen, daß sie sich verrechnet haben.«

»In welcher Weise?« fragte Stone.

»Wir graben uns durch, entweder durch die Mauer oder durch die Decke. Wollen zunächst die erstere untersuchen.«

Bei dem Scheine des Lämpchens wurden erst in den verschiedenen Abteilungen der Etage mehrere Mauerstellen in Augenschein genommen. Es zeigte sich, daß die ganze Außenmauer, wie Schi-So gesagt hatte, in ihrer ganzen Länge aus dicken Steinen bestand, welche durch einen Mörtel verbunden waren, den kein Messer zu entfernen vermochte. Und andre, kräftigere Werkzeuge gab es nicht. Schi-So blieb auf seinem Platze sitzen, ohne sich an der Untersuchung zu beteiligen.

Nun blieb nur noch die Decke, durch welche vielleicht ein Ausgang erzwungen werden konnte. An der Untersuchung beteiligten sich alle Männer, indem je zwei sich zusammenstellten und ein dritter auf sie stieg, um mit dem Messer zu versuchen, ein Loch fertig zu bringen. Es stellte sich heraus, daß die eigentliche Unterlage aus einem eisenfesten Holze bestand, Knüppel an Knüppel nebeneinander gelegt, welches selbst seit Jahrhunderten nicht von der Feuchtigkeit angegriffen worden war und den Messern einen unbesieglichen Widerstand entgegensetzte, so daß man nicht einmal in Erfahrung bringen konnte, woraus die darauf liegenden Schichten bestanden.

Die Frauen hatten diesen Bemühungen mit banger Erwartung zugesehen; als sich dieselben als nutzlos erwiesen und die Versuche eingestellt wurden, rief Frau Rosalie zornig aus:

»Sollte man denn denken, daß es so schlechte Menschen in der Welt geben kann! Wir haben dieser indianischen Rasselbande nich das mindeste gethan und trotzdem schperren sie uns hier ein wie Schpitzbuben, die zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden sind. Wenn ich die Halunken jetzt hier hätte, Herr meines Lebens, wie wollte ich ihnen die Wahrheet sagen! Aber da sieht man wieder ‘mal, was dabei ‘rauskommt, wenn man sich off die Männer verläßt! Die sollen unsre natürlichen Beschützer sein; aber anschtatt offzupassen und uns zu beschützen, führen sie uns gradezu ins blaue Unglück’nein!«

»Sei doch schtille!« bat ihr Mann. »Du beleidigst ja die Herren mit deiner ewigen Zankerei.«

»Was? Wie? Ewig?« fragte sie erbost. »Seit wann habe ich denn geredet und geschprochen? Seit höchstens drei oder vier Sekunden. Und das nennst du ewig? Es is mir ganz egal, ob ich jemand beleidige, denn ich bin in meinem guten Rechte. Und wer recht hat, der braucht seine Zunge nich schtille schtehn zu lassen. Wir sind so dumm gewesen, uns einschperren zu lassen; ich bin nich schuld daran; aber fragen will ich doch, was wir nun zu erwarten haben und was mit uns geschehen wird?«

»Das fragen Sie noch?« antwortete der Hobble-Frank, indem es pfiffig um seine Mundwinkeln zuckte. »Es is doch ganz selbstverständlich, was mit uns geschehen wird.«

»Na, was denn zum Beischpiele?«

»Zuerscht werden wir gefesselt – – —«

»Etwa ooch wir Damen?«

»Natürlich! Dann bindet man uns an den Marterpfahl –«

»Uns Damen ooch?«

»Selbstverschtändlich! Und nachher werden wir ermordet – – —«

»Die Damen ooch?«

»Allemal! Und wenn wir dann tot sind, werden wir schkalpiert.«

»Dunner Sachsen! Doch nich etwa wir Damen ooch?«

»Freilich ooch! Die Roten pflegen die Weiber sogar lebendig zu schkalpieren; sie warten gar nich, bis sie tot sind, wissen Sie, weil die Damen schöneres und längeres Haar haben, was dem Schkalpe eenen viel größeren Wert verleiht –«

»Danke ergebenst für diese Schmeichelei!« fiel sie ihm in die Rede.

»Bitte sehr!« antwortete er. »Und sodann weil die Schkalphaut sich bei eener toten Leiche nich so gut losziehen läßt wie bei eener lebendigen.«

»Ist das wahr, oder wollen Sie mir bloß angst machen, Herr Franke?«

»Es is die volle, reene Wahrheet, off die Sie sich ganz ergebenst verlassen können.«

»So sind diese Roten ja die echten und richtigen Mordbarbaren! Aber ich lasse mich weder tot noch lebendig schkalpieren. Meine Haut bekommen sie nich, um keenen Preis. Ich wehre mich; ich verteidige meine Haare vom erschten bis zum letzten Oogenblicke. Mir sollen sie nich kommen, denn ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllern, und mich sollen sie kennen lernen!«

Bei der andern Gruppe von Gefangenen, nämlich bei dem Bankier und seinem Buchhalter, ging es weniger lebhaft her. Sie lagen miteinander im Erdgeschosse. Dort brannte keine Lampe; es war finster. Die dortige Feuchtigkeit der Luft und ein zeitweiliges Gurgeln ließen vermuten, daß sie sich in der Nähe der Wasserquelle befanden. Die Mauern waren hier unten so stark, daß das Toben des Unwetters fast gar nicht vernommen wurde. Als man sie an Lassos niedergelassen, und der Deckel sich über ihnen geschlossen hatte, horchten die beiden erst eine kleine Weile. Es blieb rund um sie her still, und nichts verriet die Anwesenheit eines andern Menschen. Darum ergriff der Bankier das Wort, natürlich in englischer Sprache:

»Seid Ihr ohnmächtig, Mr. BaumgaRten, oder hört Ihr mich?«

»Ich höre Euch, Sir. Es ist allerdings zum ohnmächtig werden. Was haben wir den Indianern gethan, daß sie uns in dieser Weise behandeln?«

»Hm, das frage ich mich auch. Warum nehmen sie grad uns zwei gefangen und nicht auch die andern?«

»Was das betrifft, so vermute ich, daß diese es nicht besser haben werden als wir.«

»Ihr meint, daß sie auch gefangen sind?«

»Ja.«

»Habt Ihr einen Grund dazu?«

»Mehrere. Einer von ihnen ist mir vor allen Dingen maßgebend. Die Roten können uns nicht gefangen nehmen, ohne unsre Gefährten auch festzuhalten, da diese uns sonst jedenfalls befreien würden.«

»Das ist richtig, aber zugleich auch traurig für uns, denn wir müssen die Hoffnung, befreit zu werden, aufgeben.«

»Fällt mir nicht ein! Ich hoffe bis zum letzten Augenblicke.«

»Auf wen?«

»Zunächst auf Gottes Hilfe. Und sodann erscheint es keineswegs ausgeschlossen, daß wir trotz allem auch auf unsre Gefährten rechnen können. Sie sind wahrscheinlich ebenso eingeschlossen wie wir, aber nicht gefesselt. Sie haben ihre Waffen bei sich. Nehmen Sie dazu, was für Kerls sie sind! Dieser Hobble-Frank ist zwar eine ganz wunderliche, originelle Persönlichkeit, aber gewiß ein unerschrockener, mutiger Mensch und tüchtiger Westmann. Von Hawkens, Parker, Stone und Droll läßt sich ganz dasselbe sagen, und was die übrigen betrifft, so gibt es außer diesem unzuverlässigen Kantor gewiß keinen, der die Hände furchtsam in den Schoß legen wird.«

»Well, denke das auch. Aber warum hat man sich unser bemächtigt? Das ist es, was ich wissen möchte. Vielleicht eines Lösegeldes halber?«

»Schwerlich. So etwas wäre die Artweißer Banditen, aber nicht diejenige der Indianer.«

»Also einfach uns ausrauben?«

»Auch nicht, wenigstens nicht allein. Wäre es nur das, so hätte man uns sogleich die Taschen geleert, anstatt uns nur die Waffen abzunehmen. Ich bin kein Westmann und kann also nichts Sicheres sagen, aber ich vermute, das Verhalten der Roten ist eine Folge der zwischen ihnen und den Weißen ausgebrochenen Streitigkeiten.«