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ZUM PRINZIP

„Nimm etwas weniger, aber dafür von vielen!“

Wer heute glaubt, seinen Anhängern auch noch das allerletzte Hemd abknöpfen zu müssen, hängt geistig noch im letzten Jahrtausend fest oder er ist ganz einfach ein hoffnungsloser Narzisst. Sicher, das klassische Guru-Jünger-Schema verlangt die totale Unterwerfung seitens der Gefolgschaft und folgerichtig auch die Darbringung des geistigen und vor allem finanziellen Vermögens der Novizen. Diese geben alles, nur um sich am Charisma ihres Idols zu laben. Landläufig nennt man so etwas eine Sekte. Und so lange Persönlichkeitsstörungen nicht an Bannkraft einbüßen, werden fanatische Führer um ihre Gefolgschaft buhlen oder auch umgekehrt. Wie auch immer, die einen flankieren jubelnd den Wegesrand, während „Er“ sich an ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit weidet. Sie hausen in Hütten und „Er“ absolviert seinen täglichen Drive By im Rolls-Royce. Ob nun bei Bhagwan12 oder anderen vergleichbaren Führern, so und ähnlich präsentieren sich die Assoziationen, die das Wort „Sekte“ in uns hervorruft.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Denn heutzutage sind es keine offensichtlichen Gurus mehr, die den großen Reibach machen. Natürlich, das Kapital fließt wie eh und je, doch die esoterische Elite unserer Tage verhält sich weniger auffällig als noch ihre Wegbereiter. Die Rede ist hier von schlauen Unternehmern, die wissen, wie der besagte Panther läuft. Was das Marketing betrifft, scheint der Großteil von ihnen klar im Geiste. Immerhin versteht man es, sich auf smarte Art und Weise ein bekömmliches Leben zu finanzieren. In den Schlagzeilen sucht man diese spirituellen Besserverdiener vergebens. Auch von Bewunderung halten sie nicht allzu viel. Vielmehr ergibt sich diese nur als ein kaum zu vermeidendes Nebenprodukt des dahinter stehenden Vertriebsmodells. Der Beifall gehört eben dazu, man spielt halt mit. Aber dennoch, verglichen mit den hier besprochenen Systemen wirkt der althergebrachte Psycho-Kult wie ein Auslaufmodell. Zu riskant, zu viel Investment und schlichtweg zu uncool erscheint die Geschäftsgebarung einer Esoterik alter Schule.

Masse bringt Klasse – Esoterik im Netz

Wer im spirituellen Business hip sein will, dreht den Spieß um. Warum sollte man von einem begrenzten Personenkreis das gesamte Geld einfordern, wenn es auch nachhaltiger geht13? Der US-Präsidentschaftswahlkampf hat es uns erstmals praxisnah vor Augen geführt: „Nimm ein bisschen weniger, dafür aber von Tausenden“, lautete die Devise. So wie erfolgreiche Politiker mittels „Crowdfunding“14 ihren Wahlkampf finanzierten, so ähnlich bespielt auch der Businessplan esoterischer Fabrikanten alle Vertriebskanäle des Internetmarketings. Nicht umsonst sprechen die Trendforscher von „E-Soterik“ [14].

Die spirituelle Community besiedelt Facebook und Co. Man informiert sich in Foren, korrespondiert in Chats und bestellt gemeinsam im Webshop. Der Zauber eines magischen In-der-Welt-Seins vermischt sich dabei spielend mit dem Cyber der Webplattformen. Hierfür gibt es gute Gründe. Schließlich besteht die Wesensähnlichkeit der übersinnlichen und der Netzatmosphäre in ihrer Virtualität. Gerade das Internet wird so für feinstoffliche Produzenten und deren Kunden zu einer idealen Lande- und Abflugbasis.

Und hieraus lässt sich ordentlich Kapital schlagen. Denn genauso wie beispielsweise Sexshops ins Netz abgewandert sind, bestellt man nun Matrix-Amulette per Mausklick. Gerade der Internethandel hat ehemals verrufenen Angeboten zu ungeahntem Aufschwung verholfen und insbesondere auch energetischen Artikeln den Weg zur Mehrheitsgesellschaft geebnet. Das Onlinegeschäft floriert und, siehe da, beide Branchen, Erotik und Esoterik, haben die jüngste Finanzkrise ohne nennenswerte Einbußen gemeistert [64]15. Wer also mit Begriffen wie „Franchise“ oder „Affiliate-Marketing“16 mehr als nur spanische Dörfer verbindet, kann hier die Gunst der Stunde nutzen. Mitunter bringt er es in der Esoterik 2.0 zu einer viel breiteren Abnehmerschaft als so mancher altgediente Prediger.

Die Rechnung ist einfach

Es geht nicht mehr darum, einigen wenigen ihr Gesamtvermögen abzuknöpfen. Nein, heutzutage füllt man Spiritualität in kleine Fläschchen und verkauft sie an eine breite Masse. Aura-Essenzen für 24,30 Euro pro Stück, da wird wohl niemand so schnell pleite gehen. Außerdem will man ja die Kaufkraft der Kunden einigermaßen am Leben erhalten, oder?

Fälle wie Manuel? Solche kann es immer geben. Da kann niemand was dafür. Vermutlich war er noch nicht so weit.

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Spirituelle Führer dieser Tage verstehen sich als moderne Unternehmer. In diesem Sinne zielen sie weniger auf die finanzielle Totalausbeutung einzelner Jünger ab, als vielmehr auf die Erschließung eines größtmöglichen Massenmarkts. Mithilfe des Internets bedient man ein Millionenpublikum mit spirituellen Produkten. Kosten und unternehmerisches Risiko werden dabei minimiert.

SCHRITT 1

Die Startbasis

Der esoterische Weltenbau und seine Requisiten

Von unsichtbaren Welten und feinstofflichen Dimensionen

Im Folgenden werden wir uns mit einer Grundvoraussetzung für jedes esoterische Vertriebsmodell beschäftigen: dem dazugehörigen Weltentwurf. Denn jedes Drama braucht ringsum eine passende Manege – keine intergalaktische Mission ohne eine funktionstüchtige Weltraumbasis. Die Bauanleitung hierfür holen sich spirituelle Händler am Marktplatz gängiger Produktinszenierung. Doch während die Verkäufer von Lifestyleprodukten noch darauf abzielen, einem mehr oder weniger sinnvollen Produkt einen strahlenden Rahmen zu verpassen, wird im Esoterischen vielmehr die alles umhüllende Atmosphäre, das Drumherum, die Verpackung selbst, zum eigentlichen Verkaufsschlager. Einzelne Stilmittel, Effekte und Requisiten packender Kosmologien werden uns später noch begegnen. Zunächst geht es darum, den Verkaufsartikel „Welt“ per se genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir betreten sozusagen das Raumfahrtgelände.

Alles beginnt im Diesseits – die „World of“

Was das Macintosh-Universum für das iPhone liefert, besorgt die Welt des roten Bullen für ein an sich harmloses Gummibärchengetränk. Beide versorgen das Produkt mit einer ordentlichen Ladung Lifestyle. Die Träger dieses Lebensstils, ihres Zeichens die Konsumierenden, besiedeln wiederum eine weitere dieser unzähligen „Worlds of“. Und so wird ein handelsüblicher Artikel, ob nun Telefon oder Energy-Drink, zur Kernaussage eines sehr besonderen „In-der-Welt-Seins“. Nicht von ungefähr hat auch ein namhafter Schweizer Nahrungsmittelriese ganze fünf Jahre in die Produktentwicklung schicker kleiner Kapseln investiert. Denn erst die Implementierung des notwendigen Brandlands konnte Millionen dazu bewegen, von nun an umgerechnet 66 Euro17 für ein Kilo Kaffee [65] auszugeben und obendrein unsere Mülleimer mit Einweg-Aluminiumkapseln vollzustopfen. Und das immerhin in Zeiten, in denen das Haushaltsbudget der breiten Masse zusehends schrumpft und Umweltbewusstsein schon lange zum Bekenntnis schlechthin erhoben wurde.

Dieser besondere Wesenszug, der scheinbare Irrsinn rund um etablierte Markenartikel, hat Methode. Denn gut ausgeklügelte Brandlands appellieren keinesfalls an unsere Vernunft. Ob nun das hochpreisige Notebook oder enkapsuliertes Koffein ums zehnfache Geld – es zählt eben nicht mehr die Logik einer monetären Kosten-Nutzen-Rechnung, geschweige denn ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen. Warum? Dafür gibt’s gute Gründe. Gerade bei sogenannten „starken Marken“ betreten wir eine Art „Anderswelt“. In dieser sind Anschluss und Aufmerksamkeit das Maß aller Dinge. Das Kaffeebeispiel illustriert nur den damit einhergehenden Wertewandel. Ehemals Wichtiges wird irgendwie unwirklich. Eingekauft in eine Markenwelt kann nicht einmal mehr das Kerncredo „Nachhaltigkeit“ unser Denken erreichen.

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Markendesigner versorgen ihre Kunden mit durchgestylten Brandlands. Diese verleihen ihren Bewohnern ein sonderbares Selbstgefühl. Eingeladen in eine Art neue Wirklichkeit, werden reale Sachverhalte irgendwie unwirklich.

Die Wirtschaft des Unsichtbaren und die Ökonomie des Feinstofflichen

Marktanalytiker haben diese Entwicklung bereits vorweggenommen und sprechen wie Norbert Bolz von einer boomenden „Wirtschaft des Unsichtbaren“ [47].

Gemeint sind hiermit „Dinge“ wie Trends, Marken, Events, Design oder auch Wissen: Handelswaren des Ungegenständlichen18. Während nun dieses an Bedeutung gewinnt, gerät das rein Materielle zusehends in den Hintergrund. Wie gerne spricht man doch heute vom sogenannten „Emotional Design. Dabei steigt der Wert handelsüblicher Erzeugnisse in erster Linie mit einer gefühlsbetonten Geschichte, die sie uns zuflüstern. Es zählt also immer mehr die Welt, in die sie uns eintauchen lassen.

 

Doch was im Markenkosmos noch als Aufputz rund um Produkte und Dienstleistungen herum angesehen werden kann, verselbstständigt sich, sobald wir den Blick dem Esoterischen zuwenden. In Anlehnung an die obige Terminologie wäre es wohl angemessener, von einer reinen „Ökonomie des Feinstofflichen“ zu sprechen, wobei Esoteriker mit „feinstofflich“ stets das „rein Energetische“, das materiell Nicht-Gegenständliche umschreiben. Um es ein wenig zu konkretisieren: Das spirituelle Businessmodell besteht im Handel mit einem feinen, gänzlich unsichtbaren Stoff. Und das wollen wir schon mal vorwegnehmen: Es sind weder die realen Erzeugnisse – die Fläschchen und Kristalle – noch die vorgeblich darin enthaltenen Energien, welche hier wirken. Nein, Wohlgefühl und Zauber basieren in erster Linie auf der mitgelieferten Fantasystory. Denn diese verspricht dem Käufer märchenhafte neue Lebens- und Wirkbereiche. Esoteriker sprechen diesbezüglich gerne von „Dimensionen“.

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Nach dem Vorbild gängiger Kultmarken verkauft moderne Esoterik ihren Kunden ausgeklügelte Marketingwelten. Fernab von jeder realen Brauchbarkeit energetischer Produkte wird die sie umhüllende Story zum eigentlich Wertvollen. Der Konsument erwirbt phantastische neue Dimensionen.

Aus dem Spiel wird Ernst

Ein weiteres Unterscheidungskriterium sei noch genannt: Egal wie manipulativ oder gar sektiererisch, diesseitige Werbekampagnen bedienen sich gewiss vielfältiger Künste der Verführung. Dennoch bleiben diese für die meisten von uns eines: mehr oder weniger effiziente, aber irgendwie noch offensichtliche Werbung. Teils schmunzelnd, teils durchaus mit Genuss lässt man sich ein wenig an der Nase herumführen, wohl (oder hoffentlich) wissend, dass jedes Spiel auch wieder ein Ende hat.

Ganz im Gegensatz zur Architektur esoterischer Weltgebäude. Ihre Anziehungskraft besteht genau darin, dass sie das Dasein ihrer User völlig in Beschlag nehmen. Die Story löst sich sozusagen vom Erzeugnis und wickelt den partizipierenden Konsumenten rundum ein. Schön eingepackt wird der Kunde gewissermaßen selbst zum Produkt. Ausschlaggebend hierbei sind die mitgelieferten Atmosphären. Dabei betören diese vielversprechenden Entwürfe vor allem durch ihren totalitären Charakter. Wie gerne spricht man doch in spirituellen Kreisen von Wahrheit. Ein Beispiel aus der esoterischen Literatur: „Christina Soraia: Die Wahrheit deiner Seele – Erfahre durch die geistige Welt die Energie der Liebe, Schönheit und Erlösung“ [66]. Derartige Buchtitel nehmen vorweg, wohin die Reise geht. Von einem PR-Gag oder gar Spiel soll und darf keine Rede mehr sein. Von einem Ende auch nicht.

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Im Unterschied zu herkömmlichen Werbekampagnen erheben esoterische Vermarkter für sich einen expliziten Anspruch auf göttliche Wahrheit.

Zu Hause in der „World of Soulcraft“ (WoS)

Nun werden wir uns einem weiteren typischen Beigeschmack esoterischer Kosmologien zuwenden. Gemeint ist dieses subtile Gefühl von Heimeligkeit, welches mittels spiritueller Waren aller Art seinen Abnehmer findet. Zu diesem Zweck lohnt sich ein weiterer Streifzug durch die Designwelten irdischer Provenienz. Denn vieles von dem, was am Konsumverhalten überzeugter Neu-Zeitler etwas bizarr anmutet, wird im Alltag der Gegenwartskultur bereits vorweggenommen. Erweist sich doch bewährtes Marketing gerade in seinem Handel mit Identität nicht nur als bedarfsorientierter Nachbau religiöser Traditionen, sondern seinerseits auch als Wegbereiter einer modernen Seelenindustrie. Alles beginnt bereits bei Ristretto & Co. Eben diese Teilhabe an einer ganz speziellen neuen Welt hat die Crema mit dem Aroma des göttlichen Ambrosia ausgestattet und dem Bullen wahrhaft Flügel verliehen.

World Selling – das verkaufte Zuhause

Menschen wollen sich heimisch fühlen, man möchte sich zurechtfinden. Und dafür bedarf es Welten, die dies ermöglichen. Dabei segnet vor allem das Brandland seinen Konsumenten mit dem Empfinden, jemand Sinnvoller in einer sinnvollen Umgebung zu sein. Eng verbunden mit jedem Weltentwurf ist also immer auch das damit erworbene „Ich bin“ – eben sozusagen das „Branding. Kluge Marketinginszenierer wissen das nur zu gut. Sie versorgen den entwurzelten Menschen der Postmoderne wieder mit gefühlsmäßig bedeutsamen Entwürfen seiner selbst. Gearbeitet wird hierfür mit bewährten Mustern und verinnerlichten Drehbüchern. Sehr unterschwellig, aber umso effizienter vermitteln sie dem Kunden ein Gefühl von Gewissheit und Geborgenheit.

Beispiele für derartige Arrangements kennen wir reichlich. Ob nun in Disneyland, am Point of Sale einer Burger-Kette oder in einem klug konzipierten Ferienresort: immer das gleiche Schema. Ein Armband aus Plastik eröffnet den Zutritt. Das Clubmitglied weiß zu jeder Zeit, was es erwartet und vor allem auch welche Rolle von ihm erwartet wird. Derart durchdachte Storyboards finden beim Publikum regen Anklang. Appellieren sie doch an das Reflexartige und lotsen uns von einer Station zur nächsten. Ohne also genau zu wissen warum, kennt man sich irgendwie aus. Von der Dominikanischen Republik bis in die türkische Ägäis – künstliche Reservate à la „Magic Life“ versprechen Urlaub von einer hyperkomplexen Realität. Man fühlt sich aufgehoben, um nicht zu sagen zu Hause.

Esoterisches World Selling

„Esoterik ist Urlaub von der Welt.“ Dieser Ansicht von Marktforschern folgend lässt sich das Magic-Life-Beispiel ohne Weiteres auf die Resorts der Neuen Zeit übertragen: vermitteln doch auch die Erbauer überirdischer Welten segensreiche Ordnung. Ihre ausgeklügelten Geschichten versprechen göttliche Hierarchien und implizite Rollenzuschreibungen. Im Rückgriff auf altbekannte Muster erwacht im Rezipienten ein wohliges Gefühl von Vertrautheit. Der sonnig lächelnde Werbeprospekt weckt zudem seine Abenteuerlust und appelliert ans Spielerische. Geschützt von der Außenwelt wird somit auch im esoterischen Innenleben alles zu Kopflastige überflüssig. Eingeladen in eine phantastische Wirklichkeit fühlt man sich sonderbar frei, wähnt sich bei sich selbst, also wiederum zu Hause.

Esoterischer Bestseller: „The journey home“

Wenn Engelswesen zu Bestsellerautoren aufsteigen, besteht ihr Erfolg zumeist im Konzept der „wiederverkauften geistigen Heimat“. Hier verdeutlicht durch einen in esoterischen Kreisen längst legendären Bestseller, dessen Titel für sich spricht: „Die Reise nach Hause“ (engl. „The journey home“), „verfasst“ vom Lichtwesen Kryon, dem unumstrittenen „Meister der magnetischen Energien“.

Quelle: [67]

Doch halten wir noch einmal fest: Wo Reiseportale ihren Kunden eine zweiwöchige Auszeit von Stress und Alltag versprechen, erheben esoterische Vermarkter das magische Dasein zum erstrebenswerten Normalzustand. Im einen Fall handelt es sich zweifelsohne um zeitlich begrenzten Urlaub, im anderen wird das märchenhafte Drehbuch zur neuen, alles vereinnahmenden Lebensumwelt erhoben. Denken wir dabei zurück an Manuel: Die Engel übernehmen buchstäblich die Regie über sein Dasein. Man verliert sich regelrecht ins Innerweltliche.

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Produktdesigner verstehen sich heutzutage als Regisseure und verkaufen dem Kunden geistige Entlastung und vertraute „Heimat“. Ihre ausgefeilten Erzählungen und fix fertigen Welten befreien aus dem Ungemach des alltäglichen Informations-Overload. Gleich ihren diesseitigen Pendants greifen auch spirituelle Weltentwürfe auf bekannte Muster zurück. Verbunden mit dem Anspruch auf Wahrheit wird das Drehbuchskript zur neuen geistigen Heimat.

Wie im Film – die geistige Landkarte

Esoterische Weltenbauer bedienen sich also altbewährter Schemata. Verzaubert von einem subtilen Wiedererkennungseffekt geht der User mit der Geschichte in Resonanz. Wie bei einer erfolgreichen Hollywoodproduktion regt sich etwas in ihm. Brauchbare Vorlagen hierfür finden sich en masse: Ob nun „Matrix“, „Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ – unsere Medienlandschaft ist voll von phantastischen Erzählungen. Warum also das Rad neu erfinden? Das Publikum kennt diese Geschichten in- und auswendig. Spirituelle Drehbuchschreiber brauchen lediglich die darin verborgenen „cognitive Maps“19 zu reaktivieren und ein jeder ist sofort im Bilde. Gut gegen Böse, David gegen Goliath, König Artus und seine Reise nach Avalon20, die Suche nach dem Heiligen Gral. Vertrautes Wohlgefühl breitet sich aus. Um dies zu erreichen, bedienen feinstoffliche Vermarkter dieselben Hebel wie Meister des irdischen Marketings. Christian Mikunda [68] berät die Großen der Erlebniswirtschaft. Von der Shoppingmall über Las Vegas bis hin zum digitalen Cyber: Die Inszenierung sogenannter „magischer Orte“ orientiert sich an der Wiederbelebung dieser verborgenen Landkarten. Das eigentliche Produkt besteht stets in der mitgelieferten kognitiven Wegbeschreibung: die zugrunde liegende Story, der Beipackzettel macht’s aus. Er bringt wieder Ordnung in ein chaotisches Universum.

Von der „Spiritual Map“ zur „World of Soulcraft“

Und so verwundert es wohl kaum, wenn esoterische Konsumgüter mit einem kompletten Package an Literatur zum Konsumenten finden. Bücher, CDs, DVDs, Engels-Lexika: Ganze Kosmologien stehen hier zum Verkauf. Es mag paradox anmuten, doch gerade dieses Überangebot an scheinbar neuen Geschichten soll das Leben spiritueller Einkäufer erleichtern. Schließlich sagen die darin enthaltenen Settings und Skripte dem Suchenden, wo es langgeht. Der Kunde erwirbt folglich eine Art Rollenspiel, das innerhalb eines größeren Geschehens abläuft. Allem zugrunde liegt wiederum eine dazugehörende geistige Landkarte, die „Spiritual Map“. Das eigene Leben wird so plötzlich zum Schauplatz des großen Paradigmenwechsels. Der Verbraucher loggt sich ein. Er wird zum User in einer „World of Soulcraft“.

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Gleich irdischen Dramaturgen arbeiten esoterische Inszenierer mit der Aktivierung „geistiger Landkarten“. Die damit verbundenen Geschichten machen das Dasein zu einem Onlinerollenspiel. Der esoterische Konsument wandelt sich zum partizipierenden User.

Leute wie Ingrid Auer wissen um die Wirkmacht gut erzählter Geschichten. Die feinstoffliche Unternehmerin gilt als einer der Hauptlieferanten hochfrequenter Schwingungsessenzen. Hoch frequentiert ist auch ihr Webshop. Doch zu ihren Erzeugnissen zählen nicht etwa nur Engelsöle und Aurasprays. Diese bilden lediglich die Trägermedien eines spirituellen Markenkults. Denn ähnlich wie bei koffeinreichen Energydrinks wird hier die Story, die Welt, das Marketing selbst zur Ware. Liquides führt der hauseigene Onlinestore, den Beipackzettel, die Wanderkarte für die Odyssee, gibt’s bei Amazon: „Heilende Engelsymbole. Buch und Karten: 49 Schlüssel zur Engelwelt“ [69]. Ingrid Auers Orientierungshilfe für Einsteiger ging nach eigener Aussage bereits über 50.000 (!) Mal [70] über den Ladentisch21. Aber Achtung, der Internethändler spricht hier lediglich von einem „Begleitbuch“ [69] einer Art Start-up-Set, eben erst dem „Schlüssel zur Engelwelt“. Hinzu kommen noch allerhand Praxishandbücher, Einsteigersets und Audioguides. Ingrids literarisches Oeuvre ist beispielgebend für die gesamte Branche. Überschüttet sie doch ihre Kunden mit vielem, was ihren eigenen Erzeugnissen Bedeutung verleiht.

Eingeladen in Ingrids Engelsstory bleiben ihre User geistig online, immer schön eingehüllt in eine kuschelweiche Welt. Und um den Wechsel in diese nächste Dimension zusätzlich anzufachen, gibt’s ihre Produktbeschreibung, also die spirituelle Landkarte, ausschließlich gegen Geld. Werbeexperten können sich hier ein Beispiel nehmen. Ingrid Auer – ihres Zeichens nicht nur erfolgreiches Channelmedium, sondern vielmehr noch eine Meisterin im „World Selling“.

Esoterisches Who is Who: Ingrid Auer

„Ingrid Auer war bereits einige Jahre selbstständig als Kinesiologin tätig, als sie von der Engelwelt den Auftrag erhielt, Engelsymbole und Engelessenzen zu channeln, herzustellen und zu verbreiten. Als Vermittlerin zwischen der geistigen und der irdischen Welt gibt sie in Büchern, Vorträgen und Seminaren ihr Wissen und ihre Erfahrungen an interessierte Menschen weiter. Ingrid Auer gründete die Firma Lichtpunkt sowie den Ekonja-Verlag, um die Hilfsmittel der Engelwelt möglichst vielen Anwendern nahezubringen. Eine ihrer Visionen ist es, Lichtpunkt-Zentren aufzubauen, um Menschen in körperlichen, seelischen und spirituellen Notlagen beizustehen und zu helfen.“

 

So die Eigenbeschreibung auf der entsprechenden Homepage.

Nach eigenen Angaben beschäftigt Ingrid Auer einen ehemaligen Geschäftsführer aus der Pharmabranche. Wahrscheinlich mit ein Grund, dass ihre Essenzen auch in Apotheken vertrieben werden. Die normale Welt nennt Ingrid Auer „Programm 1“, die neue Ebene des Daseins spielt sich jedoch im sogenannten „Programm 2“ ab. Das Ingrid-Auer-„Netzwerk“ erstreckt sich laut Homepage über insgesamt neun Länder bis nach Japan. Der von ihr betriebene Ekonja-Verlag trägt den Namen des Geistwesens, welches Ingrid auf ihrem Werdegang begleitet. Ingrid Auer gibt an, ihre Engelsymbole, etc. medial zu empfangen. Sogenannten „unspirituellen Menschen“ aber, die ihre energiereichen Kärtchen kopieren, droht sie hingegen nicht mit ihren Schutzengeln, sondern mit durchaus irdischen Maßnahmen. Schließlich fällt das „Anpreisen und Verkaufen“ von Plagiaten „unter die Verletzung des Urheberrechtsgesetzes.“

Produkte: Bücher, Essenzen, Öle, Engelsymbole, Engelschmuck, Engelkerzen, Engelmeditationen auf CD, Engelsprays, Seminare, Workshops, Vorträge auf Kongressen, spirituelle Reisen u. v. m.

Unternehmen: Lichtpunkt & Ekonja-Verlag, Ingrid Auer GmbH, Amstetten (Österreich) Web: http://www.engelsymbole.at

Quellen: [71] [72]

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Esoterische Geschichten finden über eine Fülle an Literatur zu ihrem Wirt. Derart herausgefordert bleiben die User geistig online – in einer innerlichen phantastischen Welt.

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