Mansfield Park

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Czyta Benedict Cumberbatch, Cast Full, David Tennant
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«Mir würde es die größte Freude machen, es allmählich entstehen zu sehen», sagte Fanny.

«Ja, Sie sind dazu erzogen worden. Bei meiner Erziehung hat man diesen Punkt vernachlässigt. Und die einzige Kostprobe – die mir noch dazu von einem Mann verabreicht wurde, der mir nicht gerade der liebste auf Erden ist – hat mir nur bewiesen, daß nichts unangenehmer ist, als so einen Umbau mitzumachen. Vor drei Jahren hat der Admiral, mein hochverehrter Onkel, ein kleines Landhaus in Twickenham zum Sommeraufenthalt gekauft, und meine Tante und ich waren ganz entzückt davon. Aber gerade weil es so überaus hübsch und reizend war, fand man es unbedingt notwendig, alles umzuändern. Drei Monate lang war das Ganze nichts als ein wüstes Durcheinander, ohne einen trockenen Weg, den man betreten, oder eine Bank, auf der man sich niederlassen konnte. Nein, wenn ich auf dem Land lebe, möchte ich alles so hübsch und komplett wie möglich haben, Boskette und Blumenrabatten und lauschige Sitzplätze ohne Zahl, aber unter der Bedingung, daß ich mich um nichts zu kümmern brauche. Henry ist anders, der liebt es, sich zu betätigen.»

Es tat Edmund leid, Miss Crawford, die zu bewundern er sehr geneigt war, in so leichtfertigem Ton von ihrem Onkel sprechen zu hören. Es verletzte sein Taktgefühl, und er schwieg, bis ihr Lächeln und ihre Lebhaftigkeit ihn wieder so gefangen nahmen, daß er den unangenehmen Eindruck überwand.

«Mr. Bertram», sagte sie, «ich habe endlich Nachricht von meiner Harfe. Es wurde mir versichert, daß sie sich heil und unversehrt in Northampton befindet, und zwar seit zehn Tagen, ungeachtet der gegenteiligen Erklärungen, die wir wiederholt empfangen haben.» Edmund gab seiner Freude und seiner Überraschung Ausdruck. «Die Sache ist die, daß unsere Erkundigungen viel zu direkt waren; wir haben einen Diener hingeschickt, wir sind selbst hingefahren – siebzig Meilen von London entfernt, ist das nicht das richtige Vorgehen. Heute früh haben wir es endlich auf dem korrekten Weg erfahren. Ein Bauer hat sie gesehen und es dem Müller erzählt, der Müller hat es dem Metzger berichtet, und der Schwiegersohn des Metzgers hat Nachricht im Laden hinterlassen.»

«Ich freue mich sehr, daß Sie von ihr gehört haben, ganz gleich auf welche Weise. Hoffentlich gibt es jetzt keine weiteren Verzögerungen.»

«Sie soll morgen hier eintreffen. Aber wie, glauben Sie, wird sie zu mir gelangen? Nicht auf einem Wagen oder Karren – o nein, so etwas ist im ganzen Dorf nicht zu bekommen. Ich hätte ebensogut nach einer Tragbahre und Trägern herumfragen können.»

«Es dürfte schwer sein, jetzt mitten in der ohnehin sehr verspäteten Heuernte, Pferd und Wagen aufzutreiben. Das kann ich mir vorstellen.»

«Ich hätte nie gedacht, wie schwer! Daß hier auf dem Land Mangel an Fuhrwerken herrschen könnte, ist mir nicht in den Sinn gekommen, und so habe ich einfach mein Mädchen geschickt, um irgendeines zu bestellen. Da ich nicht aus dem Fenster schauen kann, ohne einen Bauernhof zu erblicken, und nicht im Garten spazieren, ohne an einem anderen vorbeizukommen, dachte ich, ich brauchte bloß ein Wort zu sagen, und war noch ganz bekümmert, daß ich nicht allen den Vorzug geben konnte. Stellen Sie sich meine Verblüffung vor, als ich erfahren mußte, daß ich das unvernünftigste, unsinnigste, unmöglichste Begehren der Welt gestellt und sämtliche Bauern, Knechte und Heuschober im Dorf tief beleidigt hatte! Was Dr. Grants Verwalter anbelangt, gehe ich ihm lieber aus dem Wege, und mein Schwager selbst, der sonst eitel Zuvorkommenheit ist, hat mich mit den düstersten Blicken gemessen, als er von meiner Untat hörte.»

«Sie hatten natürlich nie Anlaß, darüber nachzudenken, aber wenn Sie es bedenken, sehen Sie sicher ein, wie wichtig es ist, das Heu hereinzubringen. Es mag auch sonst nicht so leicht sein, wie Sie meinen, sich ein Fuhrwerk zu beschaffen; unsere Bauern sind nicht darauf eingerichtet, sie zu vermieten; aber mitten in der Heuernte ist wirklich keiner in der Lage, einen Tag lang ein Pferd zu entbehren.»

«Mit der Zeit werde ich das alles lernen. Aber da ich mit der echten Londoner Überzeugung hergekommen bin, daß für Geld alles zu haben ist, hat mich die imponierende Unerschütterlichkeit Ihrer ländlichen Sitten etwas in Verlegenheit gebracht. Trotzdem bekomme ich morgen meine Harfe. Henry, der die Gutmütigkeit selber ist, hat sich erbötig gemacht, sie in seinem Wagen abzuholen. Wird sie nicht höchst ehrenvoll befördert werden?»

Edmund sagte, die Harfe sei sein Lieblingsinstrument, und drückte die Hoffnung aus, sie bald zu hören. Fanny hatte noch niemals Harfenspiel vernommen und war darauf sehr begierig.

«Ich werde mich glücklich schätzen, Ihnen beiden vorzuspielen», sagte Miss Crawford.

«Mindestens solange Sie Lust haben, zuzuhören, und vermutlich viel länger. Ich liebe selbst Musik über alles, und der Ausübende hat immer mehr Vergnügen an der Sache, weil nicht nur sein Gehör befriedigt wird. Mr. Bertram, wenn Sie Ihrem Bruder schreiben, teilen Sie ihm bitte mit, daß meine Harfe endlich eingelangt ist – er hat mich soviel darüber jammern gehört! Wenn Sie wollen, können Sie ihm auch verraten, daß ich für seine Rückkehr meine traurigste Melodie einübe, um ihm mein Mitgefühl zu beweisen, denn ich bin sicher, daß sein Pferd verlieren wird.»

«Falls ich schreibe, werde ich ihm alles ausrichten, was Sie wünschen, aber augenblicklich sehe ich nicht, daß sich ein Anlaß ergeben könnte.»

«Ha, das glaube ich Ihnen! Und wenn er ein Jahr lang fortbliebe, würden Sie ihm so wenig schreiben wie er Ihnen, falls es nicht unbedingt sein müßte. Der ‹Anlaß› würde sich nie ergeben. Was für merkwürdige Geschöpfe Brüder doch sind! Sie würden einander um nichts in der Welt schreiben, solange es nicht unbedingt notwendig ist, und wenn sie schon zur Feder greifen, um mitzuteilen, daß ein Pferd gestorben oder ein Familienmitglied erkrankt ist, werden sie es mit möglichst wenig Worten abtun. Ihr habt alle den gleichen Stil, ich kenne ihn auswendig. Henry, der sonst in jeder Beziehung das Ideal eines Bruders ist, der mich liebt, sich mit mir berät, mir alles anvertraut und endlos mit mir plaudern kann, ist in seinen Briefen an mich noch niemals über die erste Seite hinausgekommen. Meistens heißt es nur: ‹Liebe Mary, ich bin soeben angekommen. Bath scheint sehr voll zu sein, ansonsten gibt es nichts Neues. Dein Dich liebender Bruder.› Das ist der wahrhaft männliche Stil, das ist das Muster eines brüderlichen Briefes.»

«Wenn sie von allen ihren Lieben getrennt sind, können sie auch ausführlicher schreiben», sagte Fanny, um Williams willen errötend.

«Meine Cousine hat einen Bruder zur See, der ein vorzüglicher Korrespondent ist», erklärte Edmund. «Darum findet sie wohl, daß Sie mit uns gar zu streng ins Gericht gehen.»

«Zur See? Natürlich in königlichen Diensten?» Fanny wäre es lieber gewesen, wenn Edmund gesprochen hätte, doch sein entschiedenes Stillschweigen zwang sie, selbst von ihrem Bruder zu erzählen. Ihre Stimme belebte sich, als sie von seinem Beruf und den fremden Häfen sprach, die er besucht hatte, doch die Zahl der Jahre, die er nun schon in der Ferne verbracht hatte, vermochte sie nicht zu nennen, ohne daß ihr die Tränen in die Augen traten. Miss Crawford drückte mit ein paar höflichen Worten ihre Hoffnung auf Williams baldige Beförderung aus.

«Wissen Sie etwas Näheres von dem Kapitän meines Vetters?» fragte Edmund. «Kapitän Marshall? Ich nehme an, daß Sie in der Flotte viele Bekannte haben.»

«Ja, unter den Admiralen. Aber …», mit hochmütiger Miene, «von den unteren Rängen wissen wir sehr wenig. Kapitäne sind zweifellos sehr brave Leute, aber sie gehören nicht zu uns. Von den verschiedenen Admiralen könnte ich Ihnen eine Menge erzählen – von ihren Flaggen und Beförderungen und Eifersüchteleien und Intrigen. Ganz allgemein kann ich Ihnen versichern, daß jeder einzelne verkannt und ungerechterweise übergangen wird. Ach ja, bei meinem Onkel habe ich eine ganze Schar von Admiralen kennengelernt. Von Konter- und Vizeadmiralen habe ich mehr gesehen, als mir lieb ist.»

Edmund wurde wieder ernst und antwortete nur: «Es ist ein edler Beruf.»

«Der Beruf wäre ganz recht, unter zwei Voraussetzungen: daß man dabei ein Vermögen macht und es vernünftig auszugeben versteht. Aber kurz gesagt, er zählt nicht zu meinen bevorzugten Berufen. Mir ist er nie in liebenswerter Gestalt erschienen.»

Edmund brachte das Gespräch wieder auf die Harfe und drückte noch einmal seine Freude über die Aussicht aus, sie bald zu hören.

Inzwischen unterhielten sich die anderen noch immer eifrig über die Verschönerung von Sotherton, und Mrs. Grant konnte sich nicht enthalten, ihren Bruder anzurufen, obwohl sie damit seine Aufmerksamkeit von Julia Bertram ablenkte: «Henry, hast du gar nichts dazu zu sagen? Du hast dich doch selbst auf diesem Gebiet versucht, und nach allem, was ich von Everingham höre, kann es sich jetzt mit jedem Landsitz in England messen. Freilich, es besitzt große natürliche Schönheiten. In meinen Augen war es vollkommen, so wie ich es gekannt habe. Das liebliche Hügelland, der herrliche Wald! Ich würde viel darum geben, es wiederzusehen!»

«Nichts wäre mir lieber, als deine Meinung über seine jetzige Gestalt zu hören», erwiderte Henry. «Ich fürchte nur, es würde deinen hohen Erwartungen nicht entsprechen. An Ausdehnung ist es so gut wie nichts – du wärest enttäuscht, wie klein es dir jetzt vorkommt. Was die Verschönerung betrifft, gab es für mich sehr wenig zu tun, viel zu wenig für meinen Geschmack. Ich hätte mich gern länger damit beschäftigt.»

«Tun Sie so etwas gerne?» fragte Julia.

«Über alle Maßen. Aber dank den natürlichen Vorzügen des Geländes, die sogar einem unerfahrenen Auge die wenigen notwendigen Veränderungen geradezu aufdrängten, und dank meiner Beharrlichkeit hat es nicht drei Monate gedauert, bis Everingham so aussah, wie es sich heute präsentiert. Den Plan dazu hatte ich in Westminster entworfen – in Cambridge etwas abgeändert – und mit einundzwanzig Jahren verwirklicht. Ich könnte Mr. Rushworth beinahe beneiden, daß dieses große Vergnügen noch vor ihm liegt. Ich habe meines allzu hastig genossen.»

 

«Rasch erfassen, rasch entscheiden und rasch handeln sind eins», sagte Julia. «Ihnen wird es nie an Beschäftigung mangeln. Anstatt Mr. Rushworth zu beneiden, sollten Sie ihm lieber mit Ihrem Rat beistehen.»

Mrs. Grant, die den letzten Teil dieser Rede gehört hatte, stimmte lebhaft zu, fest überzeugt, daß niemand ein so richtiges Urteil habe wie ihr Bruder. Da Miss Bertram ebenfalls die Idee aufgriff und mit großer Wärme erklärte, ihrer Meinung nach sei es unvergleichlich besser, sich vorerst mit Freunden und uneigennützigen Beratern zu besprechen, als die Arbeit gleich einem berufsmäßigen Architekten hinzuwerfen, war Mr. Rushworth durchaus bereit, Mr. Crawford um seine Unterstützung zu bitten; und nachdem Mr. Crawford seine eigenen Fähigkeiten mit gebührender Bescheidenheit herabgesetzt hatte, stellte er sich natürlich Mr. Rushworth vollkommen zur Verfügung. Mr. Rushworth begann umständlich vorzuschlagen, Mr. Crawford möge ihm die Ehre erweisen, nach Sotherton zu kommen und dort Quartier zu nehmen – bis Mrs. Norris, als hätte sie das Mißfallen ihrer Nichten an einem Plan erraten, der ihnen Mr. Crawford entreißen würde, ihn mit einem Gegenvorschlag unterbrach: «Mr. Crawford ist zweifellos gern dazu bereit, aber warum sollten wir uns nicht anschließen? Warum sollten wir nicht einen kleinen Ausflug arrangieren? Hier sitzen viele, die sich für ihre Pläne interessieren, lieber Mr. Rushworth, und gern Mr. Crawfords Meinung an Ort und Stelle vernehmen möchten; vielleicht dürfte sogar unsere bescheidene Meinung Ihnen gleichfalls von Nutzen sein. Ich für mein Teil sehne mich schon längst danach, Ihrer lieben Frau Mutter wieder einmal meine Aufwartung zu machen. Nur der Umstand, daß ich keine eigenen Pferde besitze, hat mich diese angenehme Pflicht so lange versäumen lassen. Aber jetzt könnte ich mitkommen und der lieben Mrs. Rushworth ein paar Stunden lang Gesellschaft leisten, während ihr jungen Leute herumstreift und alles besprecht, und dann könnten wir allesamt zu einem späten Mittagessen hierher zurückkommen oder auch in Sotherton speisen, wie es Ihrer Mutter am angenehmsten wäre, und dann eine schöne Mondscheinfahrt nach Hause machen. Mr. Crawford wird sicher so liebenswürdig sein, meine beiden Nichten und mich in seinem Wagen mitzunehmen, Edmund kann reiten, nicht wahr, Schwester, und Fanny bleibt bei dir zu Hause.»

Lady Bertram machte keine Einwendungen, und alle Beteiligten drückten ihre volle Bereitwilligkeit aus, bis auf Edmund, der alles mit anhörte und nichts dazu sagte.

7. Kapitel

«Nun, Fanny, wie gefällt dir Miss Crawford jetzt?» fragte Edmund am nächsten Tag, nachdem er selbst längere Zeit darüber nachgedacht hatte. «Wie hat sie dir gestern gefallen?»

«Sehr, sehr gut. Ich höre sie gern plaudern, sie ist so unterhaltsam. Und dabei ist sie so wunderhübsch, daß ich sie immerzu anschauen möchte.»

«Es ist ihr Mienenspiel, das ihr soviel Reiz verleiht. Sie hat ein unglaublich ausdrucksvolles Gesicht. Aber war in ihrem Reden nichts, was dir nicht ganz passend vorkam?»

«O doch! Sie hätte nicht in diesem Ton von ihrem Onkel sprechen dürfen. Ich war ganz erstaunt. Ein Onkel, bei dem sie jahrelang gelebt hat und der, was er auch für Fehler haben mag, zu ihrem Bruder so gut ist und ihn, so heißt es, wie einen

eigenen Sohn behandelt! Ich hätte es nicht geglaubt.» «Ich habe mir gedacht, daß es dich schockieren würde. Es war sehr unrecht von ihr – sehr unschicklich.»

«Und sehr undankbar, finde ich.»

«Undankbar ist ein starkes Wort. Ich weiß nicht, ob ihr Onkel gerade auf ihre Dankbarkeit Anspruch hat … Seine Frau zweifellos – und im Grunde ist es die Verehrung, mit der sie ihrer Tante gedenkt, die sie zu dieser Entgleisung verführt hat. Sie ist in einer schwierigen Lage. Bei ihrem warmen Empfinden und ihrem lebhaften Temperament muß es ihr schwerfallen, ihrer Liebe zu Mrs. Crawford gerecht zu werden, ohne den Admiral anzuklagen. Ich kann nicht beurteilen, wen mehr Schuld an dem Zerwürfnis trifft – obwohl die gegenwärtige Aufführung des Admirals einen dazu verleiten könnte, für seine Frau Partei zu nehmen. Aber es ist ein natürliches und liebenswürdiges Gefühl, das Miss Crawford bewegt, so rückhaltlos für ihre Tante einzutreten. Ich kritisiere nicht ihre Einstellung; aber sie öffentlich zu verkündigen – darin liegt die Unschicklichkeit.»

«Meinst du nicht», fragte Fanny nach einiger Überlegung, «daß diese Unschicklichkeit irgendwie auf Mrs. Crawford selbst zurückfällt? Sie hat ihre Nichte erzogen. Und wenn Miss Crawford es in diesem Punkt an Diskretion mangeln läßt …»

«Das ist eine sehr richtige Bemerkung. Ja, wir müssen annehmen, daß es die Fehler der Tante sind, die wir an der Nichte tadeln. Das läßt einen noch deutlicher empfinden, unter welch ungünstigen Umständen sie aufgewachsen ist. Aber ich glaube, ihre jetzige Umgebung wird Miss Crawford guttun, denn Mrs. Grant hat ganz die richtige Art. Es ist schön, mit welch inniger Liebe sie von ihrem Bruder spricht.»

«Bis auf den Vorwurf, daß er zu kurze Briefe schreibt. Sie hat mich fast zum Lachen gebracht. Aber gar so lieb und gut kann ich einen Bruder nicht finden, der sich nicht einmal die Mühe nimmt, seiner Schwester einen ordentlichen Brief zu schreiben, wenn sie nicht beisammen sind. William würde mich unter keinen Umständen so schlecht behandeln, das weiß ich bestimmt. Und mit welchem Recht nimmt sie an, daß du, Edmund, keine ausführlichen Briefe schreibst?»

«Mit dem Recht eines lebhaften Geistes, Fanny, der alles aufgreift, was zu seiner eigenen Unterhaltung oder zur Belustigung anderer beitragen kann. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn nicht Böswilligkeit oder Taktlosigkeit im Spiel ist, und davon ist bei Miss Crawford keine Spur zu entdecken. Sie hat nichts Scharfes, nichts Lautes, nichts Vulgäres an sich. Sie ist durch und durch von echt weiblichem Feingefühl, bis auf den einen Punkt, von dem wir gesprochen haben. Da ist sie allerdings nicht zu rechtfertigen. Ich freue mich, daß du es ebenso empfunden hast wie ich.»

Da Edmund ihre Anschauungen gebildet und ihre ganze Zuneigung gewonnen hatte, durfte er fast immer auf Fannys volle Zustimmung rechnen. Allerdings begann sich jetzt und hier die Gefahr der ersten Meinungsverschiedenheit abzuzeichnen, denn der Weg, den Edmund mit seiner Verehrung für Miss Crawford betrat, konnte ihn leicht zu einem Punkt führen, wohin Fanny ihm nicht mehr zu folgen vermochte. Miss Crawfords Anziehungskraft wurde nicht geringer. Die Harfe kam an und schien ihre Schönheit, ihren Geist und ihre Gutherzigkeit in ein noch helleres Licht zu setzen. Die Gefälligkeit, der Geschmack, das feine Empfinden, das sie beim Spiel bewies, kleideten sie vorzüglich, und zu jedem Musikstück gab es etwas Geistreiches zu sagen. Edmund verbrachte jetzt jeden Vormittag im Pfarrhaus, um sich an den Klängen seines Lieblingsinstruments zu ergötzen, und wenn er Abschied nahm, war er bereits für den nächsten Tag eingeladen. Seine Dame hatte nichts gegen einen andächtigen Zuhörer einzuwenden, und alles ging, wie es gehen mußte.

Ein hübsches, junges, temperamentvolles Frauenzimmer an der Harfe, deren anmutige Form ihre eigene Anmut voll zur Geltung brachte – dahinter die offene Glastür, die Ausblick auf einen kleinen Rasenplatz in seiner Umkränzung von sommerlich üppigem Gebüsch bot – das war genug, um jeden Mann gefangenzunehmen. Die Jahreszeit, die Szenerie, die milde Sommerluft, alles atmete Zärtlichkeit und Empfindung. Mrs. Grant und ihr Stickrahmen spielten keine überflüssige Rolle dabei. Alles stimmte harmonisch zusammen, und da jedes Ding seine besondere Bedeutung gewinnt, wenn die Liebe ihren Faden zu spinnen beginnt, waren auch die Platte mit den belegten Brötchen und Dr. Grant, der ihnen Ehre antat, aller Beachtung wert. Ohne sich in die Theorie der Sache zu vertiefen oder auch nur zu wissen, wie ihm geschah, war Edmund nach einer Woche dieses musikalischen Verkehrs beträchtlich verliebt. Zur Ehre der Dame sei gesagt, daß auch sie – obwohl er kein Weltmann und kein ältester Sohn war und die Kunst der Schmeichelei ebensowenig beherrschte wie die Finessen der leichten Konversation – ihn täglich sympathischer fand. Sie war sich darüber klar, obwohl sie es nicht vorausgesehen hatte und es kaum begreifen konnte; denn er war nicht, was man gemeinhin liebenswürdig nennt, er redete keinen galanten Unsinn, er machte keine Komplimente, seine Anschauungen waren nicht zu erschüttern, die Aufmerksamkeiten, die er ihr erwies, blieben still und einfach. Vielleicht lag in seiner Aufrichtigkeit, seiner Festigkeit, seiner Unbestechlichkeit ein Charme, den Miss Crawford wohl zu empfinden vermochte, über den sie sich aber keine Rechenschaft ablegen konnte oder wollte. Sie dachte nicht viel darüber nach. Für den Augenblick gefiel er ihr, seine Gesellschaft war ihr angenehm, und das war vorläufig genug.

Fanny wunderte sich nicht, daß es Edmund jeden Morgen ins Pfarrhaus zog. Sie wäre gar zu gern auch dabei gewesen, hätte sie sich nur ungebeten und unbemerkt hinstehlen können, um der Harfe zu lauschen. Es wunderte sie auch nicht, daß Edmund, wenn die beiden Familien sich nach dem gemeinsamen Abendspaziergang trennten, es für richtig hielt, Mrs. Grant und ihre Schwester nach Hause zu geleiten, während Mr. Crawford sich den Damen von Mansfield Park widmete; doch in ihren Augen war es ein schlechter Tausch, und wenn Edmund nicht da war, um ihr Glas Wein und Wasser zu mischen, verzichtete sie lieber darauf. Es überraschte sie nur ein wenig, daß er so viele Stunden mit Miss Crawford verbringen konnte, ohne mehr von dem Makel zu sehen, den er im Anfang bemerkt hatte, und an den sie, Fanny, sooft sie mit Miss Crawford zusammen war, durch etwas von der gleichen Art erinnert wurde. Doch so war es. Edmund unterhielt sich gern mit ihr über Miss Crawford, aber er fand nichts mehr an ihr auszusetzen; es schien ihm zu genügen, daß sie sich kein weiteres Mal über den Admiral ausgelassen hatte, und Fanny scheute sich, ihm ihre eigenen Beobachtungen mitzuteilen, um nicht boshaft zu erscheinen. Der erste wirkliche Kummer, den Miss Crawford Fanny zufügte, hing damit zusammen, daß Miss Crawford, angespornt durch das Beispiel der jungen Damen vom Herrenhaus, Lust zum Reitenlernen bekundete. Edmund begrüßte diesen Wunsch und bot ihr für ihre ersten Reitversuche seine eigene ruhige Stute an, die für eine Anfängerin besser geeignet wäre als alle anderen Pferde in den beiderseitigen Stallungen. Seine Cousine sollte dadurch nicht die geringste Unbill erfahren und keinen einzigen schönen Tag versäumen; das Pferd brauchte nur täglich, eine halbe Stunde bevor Fanny auszureiten pflegte, zu einer kurzen Lektion in den Pfarrhof gebracht zu werden. Fanny selbst war beim ersten Auftauchen dieser Idee weit davon entfernt, sich als Opfer zu fühlen; im Gegenteil, sie vermochte sich vor Dankbarkeit kaum zu fassen, daß Edmund es für notwendig gehalten hatte, sie, Fanny, um ihre Erlaubnis zu bitten!

Miss Crawfords erster Reitversuch trug ihr selber große Ehre und Fanny keinerlei Unannehmlichkeit ein. Edmund, der das Pferd zum Pfarrhof gebracht und die Lektion geleitet hatte, kehrte pünktlich mit dem Tier zurück, bevor noch Fanny und der gesetzte alte Kutscher, der ihr als Begleiter zugeteilt war, zu ihrem Ausritt bereit waren. Am nächsten Tag ging es schon weniger harmlos zu. Miss Crawford fand so großes Vergnügen am Reiten, daß sie gar nicht damit aufhören wollte. Gewandt und furchtlos und bei aller Zierlichkeit kräftig gebaut, schien sie zur Reiterin geboren; zu der reinen, wahren Freude an der körperlichen Übung gesellte sich noch das Vergnügen an Edmunds Begleitung und Unterweisung sowie das stolze Bewußtsein, sich durch ihre raschen Fortschritte vor ihrem ganzen Geschlecht hervorzutun – kurz, sie zeigte keine Lust, abzusteigen. Fanny war bereit und wartete. Mrs. Norris begann schon zu schelten, warum sie nicht längst fort sei, und noch immer zeigte sich kein Edmund, kein Pferdegetrappel war zu hören. Um ihrer Tante aus den Augen zu kommen und nach ihm Ausschau zu halten, ging sie ihm entgegen.

Obwohl die Entfernung kaum eine halbe Meile betrug, war das Pfarrhaus vom Herrenhaus aus nicht zu sehen, doch Fanny brauchte nur fünfzig Schritt weit zu gehen, um durch die große Allee den Ausblick auf den Pfarrhof und das dazugehörige Gelände zu gewinnen, das jenseits der Dorfstraße sanft anstieg. Auf Doktor Grants Wiese erblickte sie auch sogleich die ganze Gesellschaft: Edmund und Miss Crawford, Seite an Seite zu Pferde, während Dr. Grant, seine Frau und Henry Crawford mitsamt zwei oder drei Reitknechten dastanden und zuschauten. Es war offenbar eine sehr fröhliche Gesellschaft, ihr munteres Lachen und Rufen drang bis zu Fanny hinüber. Ihr klangen diese Töne nicht heiter. Sie wunderte sich, daß Edmund sie so ganz vergessen konnte, und fühlte einen schmerzhaften Stich. Sie war nicht imstande, die Augen von der Wiese abzuwenden, sie mußte alles mit ansehen, was dort vorging. Zuerst umritten Miss Crawford und ihr Begleiter das Feld, das gar nicht klein war, im Schritt; dann verfielen sie, offenbar über ihre Aufforderung, in Galopp, und Fanny mit ihrem ängstlichen Gemüt schien es ganz wunderbar, wie gut Miss Crawford schon im Sattel saß. Nach ein paar Minuten hielten sie an; Edmund war ihr ganz nahe, er sprach mit ihr, er zeigte ihr wohl, wie sie die Zügel halten müsse, er ergriff ihre Hand – Fanny sah es, oder ihre Phantasie ergänzte, was das Auge nicht mehr wahrnahm. Sie sagte sich, es sei nichts Merkwürdiges daran – was war natürlicher, als daß Edmund in seiner Gutherzigkeit sich jedermann nützlich zu machen suchte? Doch sie konnte den Gedanken nicht unterdrücken, daß Mr. Crawford ihm die Mühe hätte abnehmen können, daß es recht eigentlich Sache des Bruders wäre, seiner Schwester behilflich zu sein. Aber bei all seiner zur Schau getragenen Gefälligkeit und den Reitkünsten, deren er sich rühmte, verstand Mr. Crawford sich wohl nicht darauf, und im Vergleich zu Edmund besaß er keine wahre Güte. Und Fanny begann es unbillig zu finden, daß man der armen Stute diesen zweifachen Dienst zumutete; wenn man schon auf sie selber keine Rücksicht nahm, sollte man wenigstens an das Pferd denken …

 

Ihr Mitleid mit der Stute – und mit sich selber – linderte sich etwas, als sie bald darauf sah, daß die Gruppe auf der Wiese sich zerstreute und Miss Crawford, immer noch hoch zu Roß, aber von Edmund zu Fuß begleitet, durch das Gittertor in den Park ritt, just auf die Stelle zu, wo sie stand. Fanny erschrak bei dem Gedanken, unhöflich und ungeduldig zu erscheinen, und ging ihnen rasch entgegen, um jeden solchen Verdacht auszuschließen.

«Meine liebe Miss Price», rief Miss Crawford, sobald sie nur in Hörweite war , « ich bin selbst gekommen , um meine Entschuldigungen vorzubringen, daß ich Sie habe warten lassen. Ich habe gar nichts zu meiner Verteidigung zu sagen – ich wußte, daß es sehr spät ist und daß ich mich ganz abscheulich benehme – und darum müssen Sie mir bitte, bitte verzeihen! Sie wissen ja, der Selbstsucht muß man immer verzeihen, weil keine Hoffnung besteht, sie zu bessern.»

Fanny antwortete mit der größten Höflichkeit, und Edmund bestätigte die Worte seiner Cousine, daß sie keine Eile habe. «Sie hätte noch reichlich Zeit, doppelt so weit zu reiten, als sie gewöhnt ist», sagte er, «und Sie haben ihr sogar eine Wohltat erwiesen, daß sie nicht eine halbe Stunde früher aufgebrochen ist. Jetzt umwölkt es sich, und sie wird nicht mehr unter der Hitze leiden. Ich hoffe nur, daß Sie sich nicht zu sehr ermüdet haben. Ich wollte, Sie hätten sich den Rückweg zu Fuß erspart.»

«Das einzige, was mich beim Reiten ermüdet, ist, daß ich doch einmal vom Pferd herunter muß», sagte Miss Crawford, während sie mit Edmunds Hilfe abstieg. «Ich bin sehr kräftig, und nichts ermüdet mich als das, was ich nicht gern tue. Miss Price, ich überlasse Ihnen sehr ungern meinen Platz, aber ich wünsche Ihnen aufrichtig einen angenehmen Ritt und hoffe, daß ich von diesem lieben, schönen, entzückenden Tier nur Gutes hören werde.»

Der alte Kutscher, der mit seinem eigenen Pferd im Hintergrund gewartet hatte, kam jetzt heran. Fanny wurde in den Sattel gehoben, und sie ritten in die andere Richtung davon. Fannys Unbehagen verminderte sich nicht, als sie einen Blick nach hinten warf und sah, wie die beiden nebeneinander ins Dorf zurückgingen; auch die Bemerkungen ihres Begleiters über Miss Crawfords erstaunliche Gewandtheit, die er mit nicht minder lebhaftem Interesse als Fanny beobachtet hatte, waren nicht dazu angetan, ihr Herz zu erleichtern.

«Ja, es ist ein Vergnügen, eine Dame zu sehen, die so viel Courage zum Reiten hat», sagte er.

«Ich habe noch keine gesehen, die besser zu Pferd sitzt. Sie scheint überhaupt keine Angst zu haben. Das ist etwas anderes als mit Ihnen, Fräulein, wie Sie zuerst begonnen haben – nächste Ostern werden es sechs Jahre. Du lieber Himmel, was haben Sie gezittert, wie Sir Thomas Sie zum erstenmal in den Sattel gesetzt hat!»

Im Salon wurde Miss Crawford gleichfalls gerühmt. Ihr Verdienst bestand darin, daß die Natur sie mit Kraft und Mut ausgestattet hatte, und die Fräulein Bertram wußten es gebührend zu würdigen. Miss Crawford ritt ebensogern wie sie selber und zeigte sich ebenso begabt wie sie selber, und es machte ihnen großes Vergnügen, die eigenen Talente in einer anderen zu preisen.

«Ich war sicher, daß sie ausgezeichnet reiten würde», sagte Julia. «Sie ist wie dazu geschaffen und auch ebensogut gebaut wie ihr Bruder.»

«Ja, und ebenso kühn und energisch», fügte Maria hinzu. «Ich finde immer, es hängt vom Charakter ab, wie man reitet.»

Als sie sich abends trennten, fragte Edmund Fanny, ob sie die Absicht hätte, morgen auszureiten.

«Nein – ich weiß nicht –, nicht wenn du das Pferd brauchst …», war ihre Antwort.

«Für mich persönlich brauche ich es überhaupt nicht, aber falls du nächstens einmal zu Hause zu bleiben gedenkst, würde Miss Crawford sich, glaube ich, sehr freuen, wenn sie das Pferd etwas länger, vielleicht den ganzen Vormittag benützen dürfte. Sie wünscht sich so sehr, bis zur großen Gemeindewiese zu reiten. Mrs. Grant hat ihr erzählt, welch schöne Aussicht man von dort genießt, und ich zweifle auch nicht, daß sie dem Ausflug gewachsen ist. Aber es kann natürlich an jedem beliebigen Morgen sein. Sie möchte um keinen Preis deine Gewohnheiten stören, und das wäre auch sehr unrecht. Sie reitet nur zum Vergnügen, du tust es um deiner Gesundheit willen.»

«Morgen reite ich nicht – bestimmt nicht», sagte Fanny. «Ich war in der letzten Zeit sehr oft aus und möchte lieber zu Hause bleiben. Du weißt ja, ich bin jetzt kräftig genug, um auch zu Fuß zu gehen.»

Edmund sah sehr erfreut aus, und damit mußte Fanny sich trösten. Der Ausflug zur großen Gemeindewiese fand am nächsten Tag statt. Außer ihr beteiligten sich alle jungen Leute daran und genossen ihn doppelt: einmal in Wirklichkeit und dann fast noch mehr, als sie ihn beim abendlichen Zusammensein noch einmal Revue passieren ließen. Eine gelungene Unternehmung dieser Art regt zu weiteren an, und nachdem sie zusammen auf der Gemeindewiese gewesen waren, verspürten sie Lust, am nächsten Tag etwas Ähnliches zu versuchen. Es gab manchen schönen Aussichtspunkt, den man den Fremden zeigen mußte, und wenn das Wetter auch sehr heiß war, fanden sich doch überall, wohin es sie lockte, schattige Wege; eine Schar von fröhlichen, jungen Menschen ist nie um einen schattigen Weg verlegen. So verbrachte man vier herrliche Sommertage damit, die Crawfords zu den schönsten Punkten zu führen und ihnen die Honneurs der Umgebung zu machen. Alles ging aufs beste, alle waren lustig und guter Dinge, die Hitze gerade nur lästig genug, um einen angenehmen Gesprächsstoff zu liefern – bis am vierten Tag die Freude einer der Beteiligten empfindlich getrübt wurde. Diese eine war Maria Bertram. Edmund und Julia waren zum Essen ins Pfarrhaus eingeladen, und sie war ausgeschlossen. Mrs. Grant hatte es in der besten Absicht, mit Rücksicht auf Mr. Rushworth, getan, der an diesem Abend halb und halb in Mansfield Park erwartet wurde; doch Maria empfand es als arge Beleidigung, und es war eine schwere Belastungsprobe für ihre guten Manieren, sich ihren Zorn und ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ehe sie wieder daheim war. Und da obendrein Mr. Rushworth gar nicht kam und sie ihre schlechte Laune nicht einmal an ihm auslassen konnte, fühlte sie sich noch tiefer gekränkt; es blieb ihr kein anderes Mittel, ihre Wut zu erleichtern, als gegen ihre Mutter, ihre Tante und Fanny recht unfreundlich zu sein und ihnen den Abend möglichst gründlich zu verderben.