Mansfield Park

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Czyta Benedict Cumberbatch, Cast Full, David Tennant
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4. Kapitel

Tom Bertram hatte in den letzten Jahren so wenig Zeit zu Hause verbracht, daß man ihn nur dem Namen nach vermissen konnte. Nun entdeckte Lady Bertram zu ihrem Erstaunen, wie gut es auch ohne seinen Vater ging. Edmund wußte ihn trefflich zu ersetzen: er tranchierte bei Tisch den Braten, verhandelte mit dem Verwalter, korrespondierte mit dem Anwalt, zahlte der Dienerschaft den Lohn aus und ersparte ihr jede nur denkbare Mühe oder Anstrengung, bis auf das Adressieren ihrer Briefe.

Die Nachricht von der glücklichen Überfahrt und guten Ankunft der beiden Reisenden traf mit der frühesten Post ein, doch nicht so früh, daß Mrs. Norris nicht Zeit gehabt hätte, in den gräßlichsten Befürchtungen zu schwelgen. Sie suchte auch Edmund damit anzustecken, sooft sie ihn allein erwischte. Da sie sich darauf verließ, daß eine allfällige Katastrophe ihr zuerst zu Ohren kommen würde, hatte sie sich schon zurechtgelegt, wie sie den anderen die furchtbare Kunde schonend beibringen wollte – bis Sir Thomas’ Mitteilung, daß er und sein Sohn lebend und gesund in Antigua angekommen waren, sie nötigte, ihre Aufregung und ihre zartfühlend vorbereitenden Reden bis auf weiteres zu unterdrücken.

Der Winter kam und verging, ohne daß sich dafür Verwendung bot. Die Berichte lauteten weiterhin durchaus günstig. Und Mrs. Norris hatte soviel damit zu tun, ihre Nichten zu verschiedenen Unterhaltungen zu begleiten, ihre Toiletten zu begutachten, ihre Talente zur Schau zu stellen und nach ihren künftigen Bräutigamen Ausschau zu halten, daß sie – da ihr ja obendrein noch die Sorge für ihren eigenen Haushalt, die Einmischung in den Haushalt ihrer Schwester und die Kontrolle über Mrs. Grants verschwenderisches Treiben oblag – nur sehr wenig Zeit fand, sich auch noch mit Befürchtungen um die Abwesenden zu befassen.

Die Fräulein Bertram nahmen nun den ihnen gebührenden Platz unter den jungen Damen der Nachbarschaft ein, und da sie Schönheit und glänzend ausgebildete Talente mit natürlicher Unbefangenheit und den liebenswürdigsten gesellschaftlichen Manieren verbanden, erwarben sie sich bald die allgemeine Gunst und Bewunderung. Ihre Eitelkeit war so befriedigt, daß sie ganz frei davon schienen und auf jede Vornehmtuerei verzichteten; und die Komplimente über ihr feines Benehmen, die von ihrer Tante eingeheimst und ihnen wiedererzählt wurden, bestärkten sie noch in der Überzeugung, keine Fehler zu besitzen.

Lady Bertram ging nicht mit ihren Töchtern in Gesellschaft. Sie war so träge, daß selbst die mütterliche Freude, sich an den Erfolgen und Vergnügungen ihrer Kinder zu weiden, ihr keiner persönlichen Unbequemlichkeit wert schien. Diese Pflicht trat sie an ihre Schwester ab, die sich nichts Besseres wünschte, als so ehrenvoll zu repräsentieren, und ausgiebig die Gelegenheit genoß, in Gesellschaft zu fahren, ohne auf eigene Kosten Pferde mieten zu müssen.

Fanny nahm nicht an den winterlichen Lustbarkeiten teil, aber es beglückte sie, daß sie sich jetzt als Gesellschafterin ihrer Tante anerkanntermaßen nützlich machte, wenn alle anderen ausgeflogen waren; da Miss Lee nicht mehr in Mansfield weilte, war sie Lady Bertram an solchen Abenden natürlich unentbehrlich. Sie plauderte mit ihr, hörte ihr zu, las ihr vor, und diese stillen Abende zu zweit, an denen sie keinen unfreundlichen Ton zu gewärtigen hatte, waren ihrem Gemüt, das sich sonst kaum jemals vor peinlichen Überraschungen sicher fühlte, eine unbeschreibliche Wohltat. Von den Vergnügungen ihrer Cousinen, besonders von den Bällen und mit wem Edmund getanzt hatte, ließ sie sich gar zu gern erzählen; sie dachte aber viel zu gering von ihrer eigenen Stellung, um sich einzubilden, sie könnte jemals daran teilnehmen, so daß sie ganz unbefangen zuhörte. Alles in allem war es ein erfreulicher Winter für sie; er brachte zwar keinen William nach England, doch die nie versagende Hoffnung auf sein baldiges Eintreffen war auch etwas Schönes.

Der Frühling beraubte sie ihres lieben Freundes, des alten, grauen Ponys, und eine Zeitlang drohte dieser Verlust sich auch auf ihre Gesundheit auszuwirken. Obwohl es allgemein anerkannt wurde, wie wichtig das Reiten für sie war, wurde nichts unternommen, um ihr ein anderes Reittier zu beschaffen; sie könnte ja, bemerkten ihre Tanten, immer, wenn ihre Cousinen nicht ausritten, eins von deren Pferden benützen. Doch da die jungen Damen an jedem schönen Tag regelmäßig ihre Pferde vorführen ließen und gar nicht daran dachten, ihre scheinbare Gefälligkeit bis zur Aufopferung eines wirklichen Vergnügens zu treiben, kam diese Zeit natürlich nie. So trabten sie an jedem schönen April- und Maimorgen fröhlich davon, und Fanny saß entweder den ganzen Tag bei der einen Tante zu Hause oder machte über Antreiben der anderen lange Spaziergänge, die über ihre Kräfte gingen. Lady Bertram liebte es nicht, sich Bewegung zu machen, und hielt deshalb körperliche Betätigung auch für jeden anderen für überflüssig, während Mrs. Norris, die den ganzen Tag auf den Beinen war, meinte, daß alle Leute so viel herumlaufen sollten. Edmund war nicht zu Hause, sonst hätte er dem Übel früher abgeholfen. Als er bei seiner Heimkehr Fannys Lage und deren mißliche Folgen für ihre Gesundheit erkannte, gab es für ihn nur eines. «Fanny muß ein Pferd haben!» lautete die entschiedene Erklärung, die er allem, was die Lässigkeit seiner Mutter und die Sparsamkeit seiner Tante einzuwenden hatten, entgegensetzte. Mrs. Norris meinte, man könne sicher unter den Wirtschaftspferden eine ruhige, alte Mähre auftreiben, die für Fanny noch reichlich gut genug wäre – oder auch ein Pferd vom Verwalter ausborgen – oder vielleicht würde Doktor Grant ihnen hie und da das Pony leihen, das seine Post abzuholen pflegte; sie müsse schon sagen, sie fände es absolut überflüssig und sogar unschicklich, daß Fanny, im Stil ihrer Cousinen, ein regelrechtes eigenes Reitpferd besitzen sollte. Das sei sicher niemals Sir Thomas’ Absicht gewesen – und sie müsse schon sagen, eine solche Anschaffung in seiner Abwesenheit zu machen und die großen Auslagen für den Stall noch zu erhöhen, und dies zu einer Zeit, wo ein bedeutender Teil seiner Einkünfte gefährdet schien – das sei nicht zu verantworten. «Fanny muß ein Pferd haben!» lautete Edmunds einzige Antwort. Mrs. Norris wollte das nicht einsehen. Lady Bertram hingegen gab ihrem Sohn recht. Sie war ganz seiner Meinung, daß es notwendig sei und daß auch sein Vater es für notwendig halten würde – sie fand nur, die Sache habe keine Eile, sie bat ihn nur, Sir Thomas’ Rückkehr abzuwarten, dann könne Sir Thomas alles selbst entscheiden. Im September würde er wieder daheim sein, was könnte es schaden, bis zum September zu warten?

Obwohl Edmund sich nicht so sehr über seine Mutter als vielmehr über seine Tante ärgerte, die ihre Nichte nicht der kleinsten Rücksicht wert fand, konnte er doch über ihre Bedenken nicht einfach hinweggehen. Er entschied sich schließlich für einen Ausweg, der den Vorwurf allzu großer Eigenmächtigkeit seinem Vater gegenüber ausschloß und gleichzeitig Fanny ohne weiteren Aufschub die Reitgelegenheit verschaffte, die sie nicht länger entbehren durfte. Er besaß drei eigene Pferde, von denen aber keines für eine Dame geeignet war: zwei Jagdpferde und ein sehr brauchbares Reisepferd. Dieses letztere beschloß er gegen ein Tier umzutauschen, das seine Cousine tragen konnte. Er wußte, wo ein solches zu haben war, und der Handel war bald abgeschlossen. Die neue Stute erwies sich als ein Juwel; ein Mindestmaß an Mühe verwandelte sie in ein ideales Reitpferd für Fanny, die nun fast unbeschränkt über sie verfügen durfte. Fanny hätte nie gedacht, daß irgendein anderes Tier ihr je so lieb sein könnte wie das alte, graue Pony, doch ihre Freude an Edmunds Stute übertraf bei weitem jeden früheren Genuß; und der Gedanke, daß sie dieses Vergnügen einzig Edmunds Güte verdankte, erhöhte ihr Glück so sehr, daß sie keine Worte fand, um es auszudrücken. Ihr Vetter war für sie der Inbegriff alles Guten und Großmütigen. Es schien ihr, als wisse niemand außer ihr, ihn richtig zu würdigen, und als könne sie ihre Dankesschuld ihm gegenüber niemals abtragen. Ihr Gefühl für ihn war aus Achtung, Dankbarkeit, Vertrauen und Zärtlichkeit gemischt.

Da das Pferd faktisch wie auch dem Namen nach Edmunds Eigentum blieb, konnte es Mrs. Norris dulden, daß es zu Fannys Gebrauch bestimmt war; und hätte Lady Bertram je wieder an ihre eigenen Einwendungen gedacht, wäre Edmund in ihren Augen entschuldigt gewesen, daß er nicht die Rückkehr seines Vaters im September abgewartet hatte. Als der September kam, weilte Sir Thomas immer noch in der Ferne, und die Aussicht auf baldigen Abschluß seiner Geschäfte schien um nichts näher gerückt. Gerade als er begonnen hatte, seine Gedanken der Heimreise zuzuwenden, waren neue ungünstige Umstände eingetreten, die sie auf unbestimmte Zeit verzögerten. So entschloß sich Sir Thomas, seinen Sohn nach Hause vorauszuschicken, während er selbst die endgültige Erledigung seiner Angelegenheiten abwarten wollte. Tom kam glücklich an und brachte einen ausgezeichneten Bericht über Sir Thomas’ Befinden, der aber auf Mrs. Norris seine Wirkung verfehlte. Daß Sir Thomas seinen Sohn von sich entfernte, konnte sie nur als den Ausdruck väterlicher Besorgnis unter dem Einfluß eines ihm selbst bevorstehenden Unheils deuten, und alsbald begann sie, böse Vorahnungen zu haben.

Als gar der Herbst mit seinen langen Abenden anbrach, fühlte sie sich in der traurigen Einsamkeit ihres Häuschens so furchtbar von diesen trüben Vorstellungen bedrückt, daß sie sich gezwungen sah, allabendlich Zuflucht im Eßzimmer des Herrenhauses zu suchen … Glücklicherweise näherte sich wieder die Zeit der winterlichen Lustbarkeiten, und bald war sie so von der angenehmen Aufgabe in Anspruch genommen, das Schicksal ihrer ältesten Nichte zu lenken, daß ihre Nerven sich leidlich beruhigten. Wenn es dem armen Sir Thomas nicht vergönnt sein sollte, je wieder heimzukehren, wäre es doch ein großer Trost, die liebe Maria gut verheiratet zu wissen, dachte sie oft, und zwar immer dann, wenn sie sich in der Gesellschaft wohlhabender Männer befanden, und ganz besonders als ihnen ein bestimmter junger Mann vorgestellt wurde, der kürzlich von seinem Vater eine der größten und schönsten Besitzungen der Grafschaft geerbt hatte.

 

Mr. Rushworth war vom ersten Augenblick an von Miss Bertrams Schönheit gefesselt, und da er gerne heiraten wollte, hielt er sich bald für verliebt. Er war ein schwerfälliger junger Mensch, der gerade nur den schlichtesten Hausverstand besaß, doch da in seinem Äußeren und seinen Manieren nichts Abstoßendes lag, war die junge Dame mit ihrer Eroberung recht zufrieden. Maria Bertram stand jetzt in ihrem einundzwanzigsten Jahr und fühlte sich nachgerade verpflichtet, zu heiraten; und da sie durch die Verbindung mit Mr. Rushworth in den Genuß eines größeren Einkommens gelangen würde, als ihr Vater es besaß, und obendrein noch zu einem Haus in London, was ihr besonders erstrebenswert erschien, betrachtete sie es nach dem gleichen Moralkodex als ihre offenkundige Pflicht, Mr. Rushworth zu heiraten, falls sie ihn bekommen konnte. Mrs. Norris war eifrig darauf bedacht, die Vorteile einer solchen Partie auf beiden Seiten ins rechte Licht zu setzen und die Sache mit allen Mitteln zu fördern; in diesem Sinne bemühte sie sich auch um die intime Freundschaft der Mutter des jungen Mannes, bei der er lebte, und zwang sogar Lady Bertram, auf schlechten Straßen zehn Meilen weit zu fahren, um einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Es dauerte nicht lange, bis Mrs. Norris und Mrs. Rushworth sich glänzend verstanden. Mrs. Rushworth gestand, daß es ihr größter Wunsch sei, ihren Sohn verheiratet zu sehen, und daß von allen ihr bekannten jungen Damen Miss Bertram mit ihren liebenswürdigen Eigenschaften und ihrer ausgezeichneten Erziehung am geeignetsten schiene, ihn glücklich zu machen. Mrs. Norris steckte das Kompliment ein und bewunderte dagegen die feine Menschenkenntnis, die das wahre Verdienst so gut zu würdigen wisse; Maria sei tatsächlich ihrer aller Stolz und Freude – vollkommen fehlerlos – ein wahrer Engel; von Anbetern umringt, sei sie naturgemäß recht wählerisch; doch soweit sie, Mrs. Norris, sich nach so kurzer Bekanntschaft ein Urteil gestatten dürfe, schiene Mr. Rushworth genau der junge Mann zu sein, der einen solchen Schatz verdiene.

Nachdem sie auf der schicklichen Anzahl von Bällen miteinander getanzt hatten, rechtfertigten die jungen Leute die in sie gesetzten Erwartungen, und mit einem geziemenden Vorbehalt hinsichtlich der Einwilligung des abwesenden Sir Thomas wurde die Verlobung abgeschlossen – zur großen Befriedigung der beteiligten Familien sowie sämtlicher unbeteiligter Zuschauer, die schon seit vielen Wochen von der Zweckmäßigkeit einer Heirat zwischen Mr. Rushworth und Miss Bertram durchdrungen waren.

Es mußte einige Monate dauern, bis Sir Thomas’ Einwilligung eintraf, doch da niemand an seiner aufrichtigen Freude über diese Verbindung zweifelte, verkehrten die Familien weiterhin zwanglos miteinander, und es wurde weiter kein Versuch gemacht, die Sache geheimzuhalten, als daß Mrs. Norris überall davon sprach, daß vorläufig nicht davon gesprochen werden sollte.

Edmund war der einzige der Familie, der nicht restlos begeistert war, und alle Vorstellungen seiner Tante konnten ihn nicht dazu bringen, in Mr. Rushworth einen erstrebenswerten Gefährten zu sehen. Er gab zu, seine Schwester müsse selbst am besten wissen, wo ihr Glück lag, doch daß dieses Glück hauptsächlich in einem großen Einkommen bestehen sollte, war nicht in seinem Sinn. Und wenn er mit Mr. Rushworth zusammen war, schoß ihm immer wieder der Gedanke durch den Kopf: Was der Junge doch für ein Dummkopf wäre, wenn er nicht zwölftausend Pfund im Jahr hätte!

Sir Thomas jedoch freute sich ehrlich über die Aussicht auf eine so unzweifelhaft vorteilhafte Verbindung, von der er nichts als Gutes und Angenehmes zu hören bekam. Seine Tochter hatte ganz in seinem Sinn gewählt: einen Mann aus der gleichen Grafschaft und der gleichen Gesellschaftsschicht. Er übermittelte, so rasch es nur möglich war, sein allerherzlichstes Einverständnis und stellte nur die Bedingung, daß die Hochzeit erst nach seiner Heimkehr stattfinden sollte, die er jetzt wieder lebhaft in Aussicht nahm. Er schrieb im April und hatte begründete Hoffnung, daß er noch vor Ende des Sommers seine Geschäfte zu seiner vollsten Zufriedenheit ordnen und die Heimreise antreten könnte.

So standen die Dinge im Juli – Fanny hatte gerade ihr achtzehntes Jahr erreicht – als die Gesellschaft von Mansfield durch zwei Geschwister von Mrs. Grant, die Kinder ihrer Mutter aus zweiter Ehe, bereichert wurde. Mr. und Miss Crawford waren begüterte junge Leute. Der Bruder hatte eine schöne Besitzung in Norfolk, die Schwester besaß ein Vermögen von zwanzigtausend Pfund. Mrs. Grant hatte ihre kleinen Geschwister zärtlich geliebt; doch da bald nach ihrer eigenen Heirat ihre gemeinsame Mutter starb und die Kinder von einem Onkel väterlicherseits aufgenommen wurden, den Mrs. Grant nicht kannte, hatte sie die beiden seither kaum gesehen. Im Hause ihres Onkels hatten sie ein liebevolles Heim gefunden. Admiral Crawford und seine Frau, die sich sonst in keinem Punkt verstanden, waren sich in der Liebe für ihre Pflegekinder einig. Zumindest beschränkte sich hier ihre Gegnerschaft darauf, daß jedes seinen eigenen Liebling erwählt hatte, den es dem anderen vorzog. Der Admiral war in den Jungen vernarrt, Mrs. Crawford hatte das Mädchen ins Herz geschlossen. Es war der kürzlich erfolgte Tod ihrer Tante, der Miss Crawford bewog, sich ein anderes Heim zu suchen, nachdem sie noch ein paar Monate lang probiert hatte, es bei ihrem Onkel auszuhalten. Admiral Crawford war ein Mann von lasterhaften Sitten, der es vorzog, seine Mätresse unter sein Dach zu bringen, anstatt seine Nichte bei sich zu behalten. Diesem Umstand verdankte Mrs. Grant den Vorschlag ihrer Schwester, sie bei sich aufzunehmen, ein Vorschlag, der ihr höchst willkommen war. Mrs. Grant hatte zu diesem Zeitpunkt so ziemlich alle Hilfsmittel erschöpft, mit denen sich eine kinderlose Dame auf dem Lande die Zeit zu vertreiben sucht; nachdem sie ihr Lieblingswohnzimmer mehr als ausreichend mit hübschen Möbeln gefüllt und für Garten und Hof die erlesensten Pflanzen und Geflügelsorten ausgewählt hatte, empfand sie ein starkes Bedürfnis nach etwas häuslicher Abwechslung. Der Besuch ihrer Schwester, die sie stets geliebt hatte und nun mindestens bis zu ihrer Heirat bei sich zu behalten hoffte, war ihr höchst erwünscht, und sie fürchtete nur, daß das stille Leben in Mansfield eine junge Dame, die an das lebhafte Treiben von London gewöhnt war, nicht befriedigen würde.

Miss Crawford war gleichfalls nicht ganz frei von Zweifeln, die sich aber vor allem auf den Lebensstil ihrer Schwester und den Ton der dortigen Gesellschaft bezogen. Erst nachdem sie vergeblich versucht hatte, ihren Bruder zu überreden, daß er sich mit ihr auf seinem eigenen Landsitz niederließe, entschloß sie sich zu dem Wagnis, es bei ihrer Schwester zu probieren. Henry Crawford empfand leider die stärkste Abneigung gegen alles, was einer Beschränkung seines Lebens auf einen bestimmten Ort oder einen bestimmten Gesellschaftskreis ähnlich sah. In diesem Punkt, der für ihn grundlegend war, konnte er seiner Schwester nicht entgegenkommen, aber er begleitete sie mit der größten Bereitwilligkeit nach Northamptonshire und verpflichtete sich ebenso bereitwillig, sie innerhalb einer halben Stunde nach Empfang der Nachricht wieder abzuholen, wenn es ihr dort nicht gefiele.

Die Begegnung verlief für beide Teile sehr befriedigend. Miss Crawford fand eine Schwester, die weder pedantisch noch verbauert war, einen Schwager, dem man den Gentleman ansah, ein bequemes, wohleingerichtetes Haus vor; und Mrs. Grant begrüßte in ihren Geschwistern, die sie fortan noch inniger ins Herz zu schließen hoffte, ein überaus einnehmendes junges Menschenpaar. Mary Crawford war auffallend hübsch, Henry zeichnete sich, ohne eigentlich schön zu sein, durch gute Haltung und vornehmes Wesen aus. Beide waren lebhaft und liebenswürdig, und Mrs. Grant traute ihnen daraufhin alle anderen guten Eigenschaften zu. Sie war von beiden ganz entzückt, besonders von Mary. Da sie selbst nie in der Lage gewesen war, sich ihrer eigenen Schönheit zu rühmen, erfüllte sie jetzt die Schönheit ihrer Schwester mit doppeltem Stolz. Sie hatte nicht erst Marys Ankunft abgewartet, um sich nach einer passenden Partie für sie umzusehen, und ihre Wahl war auf Tom Bertram gefallen. Der älteste Sohn eines Baronet war nicht zu gut für ein Mädchen mit zwanzigtausend Pfund, das überdies Marys Eleganz und Bildung besaß. Und da Mrs. Grant eine warmherzige, freimütige Frau war, hatte Mary noch nicht dreimal unter ihrem Dach geschlafen, als sie ihr bereits ihren Plan anvertraute.

Miss Crawford freute sich, eine so vornehme Familie in der nächsten Nachbarschaft zu finden, und die Fürsorglichkeit ihrer Schwester mißfiel ihr ebensowenig wie deren Wahl. Es war ihr Wunsch, zu heiraten, vorausgesetzt, daß es eine gute Partie war, und da sie Mr. Bertram in London gesehen hatte, wußte sie, daß gegen seine Person ebensowenig einzuwenden war wie gegen seine gesellschaftliche Stellung. Sie tat zwar, als sei das Ganze ein Scherz, versäumte aber nicht, ernsthaft darüber nachzudenken, und bald wurde auch Henry in den Plan eingeweiht.

«Und jetzt», fügte Mrs. Grant hinzu, «habe ich noch eine Idee, die das Ganze erst vollkommen macht. Ich möchte euch beide so gern in meiner Nähe behalten, und darum, Henry, sollst du die jüngere Miss Bertram heiraten, ein liebes, hübsches, gebildetes Mädchen, das dich sehr glücklich machen wird.»

Henry verneigte sich dankend.

«Liebste Schwester», sagte Mary, «wenn es dir gelingt, ihn zum Heiraten zu überreden, werde ich vollends entzückt sein, eine so gescheite Schwester zu besitzen, und nur bedauern, daß du nicht ein halbes Dutzend Töchter anzubringen hast. Wenn du Henry dazu bringst, mußt du geradezu die Klugheit einer Französin besitzen, denn alles, was englische Kunst vermag, haben wir vergeblich an ihm ausprobiert. Ich habe drei beste Freundinnen, die alle der Reihe nach sterblich in ihn verliebt waren. Was sie und ihre Mütter (sehr tüchtige Damen!) ebenso wie meine arme Tante und meine Wenigkeit für Mühe aufgewendet haben, um ihn zum Heiraten zu überreden, zu überlisten oder zu verlocken, ist mit Worten nicht zu sagen! Er ist der schlimmste Flirt, den du dir vorstellen kannst. Falls die Fräulein Bertram nicht Wert auf ein gebrochenes Herz legen, sollen sie Henry lieber aus dem Weg gehen.»

«Lieber Bruder, das will ich nicht von dir glauben!» «Nein, dazu bist du bestimmt zu gütig. Du wirst mich gerechter beurteilen als Mary und mir meine Jugend und Unerfahrenheit zugute halten. Ich bin ein vorsichtiger Mensch und habe keine Lust, mein Lebensglück voreilig aufs Spiel zu setzen. Niemand kann einen höheren Begriff vom Ehestand haben als ich. Und was eine gute Frau bedeutet, finde ich am vollkommensten in der weisen Zeile des Dichters ausgedrückt: ‹Des Himmels letzte, beste Gabe!›»

«Da hörst du es, Schwester! Merkst du, wie er das eine Wort betont? Siehst du, wie er lächelt? Glaub mir, er ist ganz abscheulich! Die Lehren des Admirals haben ihn vollkommen verdorben.»

«Es macht mir wenig Eindruck, was junge Leute über die Ehe sagen», erwiderte Mrs. Grant.

«Wenn sie behaupten, daß sie eine Abneigung dagegen haben, schließe ich daraus nur, daß sie dem oder der Richtigen noch nicht begegnet sind.»

Dr. Grant beglückwünschte seine Schwägerin lachend, daß sie persönlich offenbar keine Abneigung gegen den Ehestand empfinde.

«Nein, wirklich nicht! Und ich schäme mich dessen gar nicht. Meiner Ansicht nach müßte jeder, der gut heiraten kann, es auch tun. Ich mag es nicht, wenn man sich wegwirft, aber sobald sich eine vorteilhafte Möglichkeit bietet, sollte jeder Mensch heiraten.»