Die bedeutendsten Staatsmänner

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KONRAD ADENAUER

Der aus dem katholischen Rheinland stammende Adenauer war schon durch seine Herkunft für eine Karriere in einer christlichen Rechtspartei bestimmt. Der Sohn aus einer Beamtenfamilie, die einen sehr bescheidenen Lebensstil pflegte sowie Pflichterfüllung und religiöse Werte als Lebensleitlinien hochhielt, besuchte das humanistische Gymnasium in Köln. Er hatte zwei ältere Brüder und eine jüngere Schwester. Nach dem Abitur 1894 begann er eine Banklehre, brach diese aber ab, als er ein Kölner Bürgerstipendium erhielt. Er studierte Jura und Politikwissenschaft in Freiburg, München und Bonn. Sein Interesse für Politik äußerte sich nicht nur ideell durch sein Studium, er wandte sich auch früh der praktischen politischen Arbeit zu. Seine Partei war das Zentrum – die einzig wählbare Partei für einen Katholiken aus dem Rheinland. Bereits 1906 wurde er in den Kölner Stadtrat gewählt, noch während des Ersten Weltkrieges wurde Adenauer zum Oberbürgermeister von Köln bestellt, eine Funktion, die er bis zu seiner Vertreibung durch die Nationalsozialisten unangefochten und höchst anerkannt ausübte. Als Kommunalpolitiker war Adenauer ein hervorragendes Beispiel, wie man bereits in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts moderne Kommunalpolitik machen konnte. Durch den Ausbau des Rheinhafens verbreiterte er die wirtschaftliche Grundlage der Stadt, gleichzeitig schuf er rund um Köln an Stelle des Festungsgürtels einen Grüngürtel, um es auch für die Bevölkerung attraktiv und lebenswert zu machen. Er förderte die Ansiedlung von Industriebetrieben, unter anderem der Ford-Werke, er investierte in Kultur- und Freizeitanlagen und betrieb die Wiedergründung der Kölner Universität, die 1798 aufgelassen worden war.

Parlamentarische Erfahrungen sammelte Adenauer schon vor 1918 – als Mitglied des preußischen Herrenhauses. Ab 1920 gehörte er dem preußischen Staatsrat an, 1928 wählte ihn das Zentrum zum Parteisprecher.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor Adenauer alle politischen Funktionen und wurde aus Köln verbannt. Er lebte in dieser Zeit in Rhöndorf, wurde immer wieder Verfolgungen ausgesetzt, zuletzt 1944 nach dem Attentat auf Hitler verhaftet und ins KZ geschickt. Versuche verschiedener Vertreter des deutschen Widerstandes, ihn für eine Mitarbeit zu gewinnen, lehnte er dezidiert ab.

Nach Kriegsende installierten ihn die Amerikaner sofort wieder als Bürgermeister, aber als die Briten das Rheinland als Besatzungszone übernahmen, wurde er seines Amtes enthoben.

Schon vor Kriegsende war die Christ-Demokratische Union gegründet worden, die den alten Zwist zwischen Katholiken und Protestanten auf der politischen Ebene überwinden sollte. In dieser Partei spielte Adenauer von Anfang an eine große Rolle, bereits 1946 wurde er Parteivorsitzender in der britischen Zone, von wo aus sich die Partei über alle vier Besatzungszonen ausbreitete.

Als die Parteien in Deutschland darangingen, eine neue Verfassung zu formulieren, wurde der Parlamentarische Rat gebildet, zu dessen Präsident Adenauer 1948 bestellt wurde. Die zu beratende Verfassung für einen Bundesstaat konnte allerdings nur für die westlichen Besatzungszonen Gültigkeit erlangen, da die russische Besatzungszone, die spätere Deutsche Demokratische Republik, sehr schnell eigene Wege ging.

Nach Abschluss der Verfassungsberatungen, an deren Ende die Formulierung des Grundgesetzes stand, wurden die ersten freien Wahlen ausgeschrieben. Adenauer stand mittlerweile an der Spitze der westdeutschen CDU, die gemeinsam mit der bayerischen CSU einen Stimmenanteil von 31 Prozent erringen konnte. Adenauer, ein strikter Gegner der SPD und einer egalitären Massengesellschaft, formte eine Koalitionsregierung aus CDU/CSU sowie FDP und DP, die nur eine geringe Mehrheit besaß. Um seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ er sich von Ärzten bescheinigen, dass er, immerhin 73 Jahre alt, das Amt eines Bundeskanzlers durchaus zwei Jahre ausüben werde können. Tatsächlich blieb er Kanzler der Bundesrepublik Deutschland bis 1963.

Adenauers Kanzlerschaft war die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, jener Phase, in der Deutschland wieder seinen Platz in der Gemeinschaft der Staaten einnahm, die Zeit, in der es auch seine außenpolitischen Präferenzen und Ziele klar formulierte. In tagespolitischen Fragen agierte Adenauer pragmatisch und kompromissfähig, vor allem wenn es um die Verteidigung der Einheit der Bundesrepublik ging. In seiner Ära schaffte das Land immerhin die Eingliederung von fast zehn Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen.

Sein Hauptinteresse, seine Liebe und seine Grundsatztreue galten der Außenpolitik, die er nach rigorosen Vorgaben lenkte, an denen er nicht rütteln ließ. Er sah die große Gefahr und Bedrohung für die Mitte Europas und ihren Frieden in der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa. Er konnte und wollte nicht an eine friedliche Koexistenz mit der Sowjetunion glauben, woraus seine strikte Partnerschaft mit den Westmächten und mit der NATO resultierte. Dazu gehörten auch die atomare Abschreckung und die damit verbundene Stationierung von Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Eines seiner großen Vorhaben war die Bildung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die sich nicht verwirklichen sollte.

Um diesem Gesamtziel zu dienen, führte er Deutschland 1950 in den Europarat, Deutschland wurde Gründungsmitglied der Europäischen Kohle- und Stahl-Union und stand damit am Anfang der heutigen Europäischen Union. 1955, nach dem Scheitern der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, wurde das Land souverän und damit Vollmitglied der NATO. In den nächsten Jahren erfolgte die deutsche Wiederbewaffnung.

Diese Politik Adenauers erfuhr in den Wahlen 1953 und 1957 ihre Honorierung, die CDU gewann beachtlich an Stimmen. Eine wichtige Ursache dieses Wahlerfolgs lag sicherlich auch in Adenauers Wahl seines Wirtschaftsministers: Ludwig Erhard und seine soziale Marktwirtschaft führten das Land in nur wenigen Jahren zu einem nie gekannten Wohlstand aller Bürger. Eine breite Palette von sozialstaatlichen Maßnahmen sicherte den innenpolitischen Frieden. Allerdings wollte Adenauer nie zulassen, dass Erhard mehr als das Amt des Wirtschaftsministers erreichen könnte. Immer wieder erklärte er ihn als ungeeignet für das Amt des Kanzlers, was zu schweren Differenzen zwischen den beiden führte. Letztlich erwies sich aber die Richtigkeit seines Urteils – Erhards Kanzlerschaft war ein Misserfolg.

Erst die Wahlen von 1961 zeigten Abnutzungserscheinungen der regierenden CDU und ihres greisen Kanzlers. Weltpolitisch stand es ebenfalls nicht zum Besten, im August 1961 begann das DDR-Regime mit dem Bau der Berliner Mauer. Adenauer musste eine Koalitionsregierung mit der FDP bilden. Vor seinem Rücktritt schloss er noch den seine Karriere als Außenpolitiker krönenden Vertrag, der zugleich der bedeutendste dieser Nachkriegszeit war: 1963 unterzeichnete er mit Charles de Gaulle den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der das gute Verhältnis der beiden altgedienten Politiker auf Dauer auf die beiden Staaten ausdehnen sollte.

Nach seinem Rücktritt 1963 blieb Adenauer noch drei Jahre Vorsitzender der CDU. In diesen Jahren kam es öfter zu Angriffen auf ihn – er hätte sich zu wenig der Frage der deutschen Wiedervereinigung gewidmet. Er jedoch hatte dies als eine Aufgabe der Westalliierten erachtet. Die Bundesrepublik Deutschland war unter Adenauers Führung strikt nach der Hallstein-Doktrin vorgegangen, die besagte, dass nur der Westen Deutschlands den Alleinvertretungsanspruch für Deutschland wahrnehmen könne. Versuche der in der Opposition agierenden SPD, Deutschland auf eine neutrale oder bündnisfreie Politik einzuschwören, scheiterten am unerbittlichen Nein des Kanzlers.

Adenauer überzeugte die Menschen durch die Einfachheit und die Klarheit seiner Sprache, er war unprätentiös, bescheiden und diszipliniert. Zweimal verheiratet, blieb er beide Male als Witwer zurück. 1904 hatte er Emma Weyer, eine Tochter aus einer wohlhabenden Kölner Familie, geheiratet, die ihm politisch und gesellschaftlich so manche Wege ebnete. Sie starb 1916, aus dieser Ehe stammten drei Kinder. Aus seiner Ehe mit Auguste Zinsser gingen fünf Kinder hervor.

Im Gedächtnis der Deutschen ist Adenauer der Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der »Größte« der Nachkriegszeit, der für Parlamentarismus und Grundgesetz stand. Politisch hatte er zu seiner Zeit keinen Widerpart – Kurt Schumacher, in diesen Jahren SPD-Chef, war für Adenauer kein ernsthafter Gegner. Schumachers Sozialismus war ideologisch aufgeladen und aufdringlich, während die Menschen in der Nachkriegszeit Sicherheit, Klarheit und Würde suchten. Sicherlich war Adenauer ein Mann mit Fortune, der in der Politik vernünftige und moralisch vertretbare Lösungen fand. Integration war für ihn ein wichtiger Grundsatz, an dem er auf europäischer Ebene, im Verhältnis zu Frankreich und in der Stellungnahme zur NATO konsequent festhielt. Die Alternative dazu wäre die Neutralität gewesen, doch Adenauers politische Erfahrungen in der »Welt von gestern«, beginnend vom Bündnissystem Bismarcks über die Weimarer Republik und die beiden Weltkriege, lehrten ihn, dass Neutralität nichts oder zu wenig wert sein könnte.

Adenauer kam nicht aus einer mit dem Geschäft der Res publica schon lange verbundenen Familie, vielmehr war er ein Homo novus, ein Newcomer, der durch diese Tatsache anderen Menschen Mut machte, dass man als Einzelner in der Politik etwas zu bewegen vermag. Dass er in seiner politischen Arbeit nicht an Traditionen gebunden war, war auch seine Stärke. Nach seinem Rücktritt widmete er sich nicht nur der Rosenzucht, sondern verfasste auch seine »Erinnerungen«.


Werke

 

Erinnerungen (1965-1968) in 4 Bänden

ARTHUR JAMES BALFOUR

Arthur James Balfour, über ein halbes Jahrhundert der mächtigste Mann der britischen Konservativen, wuchs in einer reichen britischen Adelsfamilie heran. Sein Umfeld war intellektuell geprägt, sein tägliches Leben mit Politik durchsetzt. Seine Karriere war schon durch die Tatsache vorgezeichnet, dass bereits sein Onkel Robert Cecil Marquess of Salisbury britischer Premier war. Den Traditionen der Familie entsprechend, absolvierte er Eton und studierte am Trinity College in Cambridge. Nach Abschluss seiner Studien übernahm er ein konservatives Mandat im Parlament für den Wahlbezirk Hartford.

Balfours lebenslanges Interesse galt aber auch der Wissenschaft. Schon 1879 hatte er die Abhandlung »Defence of Philosophic Doubt« veröffentlicht, in der er zu beweisen suchte, dass auch Wissenschaft auf einem Glaubensakt beruhe. Er nahm im philosophischen Diskurs der Viktorianischen Zeit, der sich zwischen Wissenschaft und Religion bewegte, den Standpunkt der Religion ein.

1885 übernahm Balfour unter der Regierung Salisbury sein erstes offizielles Amt als Präsident des Local Government Board, ein Jahr später wurde er Schottland-Minister, anschließend Erster Sekretär für Irland. Als unbedingter Gegner des Irish Home Rule erhielt er den Beinamen »Bloody Balfour«, weil er mitleidlose Unterdrückungsmaßnahmen anordnete. Gleichzeitig befand er sich in offenem Gegensatz zu den englischen Großgrundbesitzern in Irland, die in Abwesenheit, als »absentees«, die Bevölkerung unterdrückten. Balfours Politik bzw. Strategie lautete hingegen »killing home rule by kindness«.

1891 übernahm er die Funktion des Sprechers der Konservativen im House of Commons und wurde zum First Lord of the Treasury bestellt.

Ein Jahr darauf verloren die Konservativen die Mehrheit, das liberale Ministerium von William Gladstone folgte nach. In dieser Phase führte Balfour die Opposition im britischen Parlament.

Ab 1895 bildete Balfours Onkel, der Marquess of Salisbury, zum dritten Mal eine Regierung, der Neffe übernahm das Amt des Lord-Schatzkanzlers. Er war zwar ein Gegner des Burenkrieges, vertrat aber die Ansicht, dass, wenn die Briten schon einen Krieg in Südafrika führten, sie ihn auch entscheidend gewinnen müssten. In diesen Jahren erlangte Balfour immer mehr Macht – parallel zur immer weiter fortschreitenden Krankheit seines Onkels. Daher schien es nur logisch, dass er nach dem Ausscheiden seines Onkels das Amt des Premiers übernahm.

Einer seiner ersten Regierungsakte war die Erlassung des »Balfour Act«, eines Gesetzes, das die Verwaltung der Pflichtschulen völlig reorganisierte. Im folgenden Jahr wurde der »Wyndham Land Purchase Act« beschlossen, eine Regelung, die den Kauf von Land durch Pächter in Irland begünstigte. Mit dem »Committee of Imperial Defense« etablierte er eine weltweit einsetzbare Verteidigungsstrategie für das Empire. Doch keines dieser Gesetze konnte die Zustimmung der Wähler finden. Außerdem gestattete er die Einwanderung von Chinesen als Minenarbeiter in Südafrika, als es dort einen erheblichen Arbeitskräftemangel gab. Auch dies führte zu Protesten von Menschenrechtskämpfern und der Labour Party.

Einen echten Prestigeerfolg errang Balfour mit dem Abschluss der Entente Cordiale mit Frankreich, welche die englische Isolationspolitik beendete und den Kern eines europäischen Bündnissystems bildete. Zugleich wurden die Interessenssphären der beiden Großmächte abgesteckt – Großbritannien wahrte die Vorherrschaft in Ägypten und damit die Kontrolle über den Suezkanal, Frankreich behielt Marokko als sein Einflussgebiet.

1905 trat Balfour wegen parteiinterner Zwiste über den Freihandel zurück, blieb aber bis 1911 offizieller Parteiführer. Den Riss wegen Joseph Chamberlains Schutzzollpolitik konnte er aber nicht zusammenschweißen, was zu Wahlniederlagen der Konservativen 1906 und 1910 führte.

Erst 1915 übernahm Balfour wieder ein offizielles Amt: Im Kriegskabinett von Lord Herbert Henry Asquith wurde er als Nachfolger Winston Churchills Erster Lord der Admiralität, ein Jahr später wechselte er in das Auswärtige Amt. In diesen Kriegsjahren zeigte er sich bereit, Regierungsverantwortung in den beiden liberalen Koalitionskabinetten von Asquith und David Lloyd George zu übernehmen.

Seine herausragende Leistung war die Erkenntnis, dass Großbritannien in Palästina dem Zionismus Raum geben müsste. Von den jüdischen zionistischen Vertretern Chaim Weizmann und Nahum Sokolow gedrängt, erklärte er im November 1917 in einem Brief an Lionel Walter de Rothschild, dem Oberhaupt des britischen Familienzweiges der Rothschilds, dass Großbritannien bereit wäre, den Zionismus zu unterstützen. Damit legte er die Basis für die 30 Jahre später erfolgte Gründung des Staates Israel.

Nach dem Ersten Weltkrieg lastete er sich kein Regierungsamt mehr auf, blieb aber immer politisch aktiv und interessiert. 1926 zeichnete er für den »Balfour-Report« verantwortlich, der das Verhältnis zwischen dem britischen Mutterland und den Dominions neu regelte und die Grundlage für das 1931 erlassene Westminster-Statut wurde, das den Dominions – zum damaligen Zeitpunkt waren dies Australien, Irland, Kanada, Neufundland, Neuseeland und Südafrika – innere Autonomie verlieh.

Zuletzt arbeitete der schon 80-jährige Politiker an der Niederschrift seiner Memoiren, die 1930 unter dem Titel »Chapters of Autobiography« erschienen.


DAVID BEN GURION

Dem aus dem russischen Ostpolen stammenden David Grün – den Namen Ben Gurion nahm er erst in Palästina an – war die Idee des Zionismus schon seit frühester Jugend vertraut: Sein Vater Avigdor Grün, ein Hebräischlehrer, war begeistertes Mitglied von »Chovevei Zion«, seine Mutter verlor er schon im Alter von elf Jahren. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich mit seinem Jugendfreund Isaak Ben Zwi nach der russischen Revolution von 1905, die auch den Antisemitismus wieder an die Oberfläche geschwemmt hatte, der »Poale Zion«, die von den Ideen Theodor Herzls beeinflusst war, anschloss. Schon als 14-Jähriger hatte er die Ezra Jugendbewegung gegründet, die Hebräisch als Umgangssprache propagierte.

1906 wanderte David Grün nach Palästina aus, wo er als Landarbeiter in Orangenplantagen und Weingärten sein Fortkommen fand. Wie viele seiner Altersgenossen war er oftmals arbeitslos, bittere Armut und Malaria waren die ständigen Begleiter seiner Jugend. In diesen Zeiten wuchs in ihm die Überzeugung, dass die Besiedlung des Landes das Hauptziel des Zionismus sein müsse.

Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Ben Zwi und dessen späterer Ehefrau Rachel Yanait schrieb er für die zionistische Zeitschrift »Ahdut«, wobei er erstmals den Namen Ben Gurion verwendete. In der jüdischen Arbeiterbewegung erreichte er bald eine führende Position.

Nach seiner Teilnahme am Zionistischen Weltkongress in Wien ging David Ben Gurion nach Istanbul, um Jura zu studieren, warb aber auch für ein jüdisches autonomes Gebiet auf dem Territorium des Osmanischen Reiches. Doch als Aktivist der jüdischen Bewegung wurde er verhaftet und des Landes verwiesen. Er ging in die Vereinigten Staaten, wo er nach der Balfour-Deklaration, in der die Briten in einer Kompromisserklärung zustimmten, dass das jüdische Volk in Palästina eine Heimstätte haben sollte, mit Ben Zwi eine Freiwilligenbewegung mit dem Namen »Jüdische Legion« gründete. 1917 heiratete er die aus Russland stammende Paula Munweis, die bis zu seinem Tod seine politischen Aktivitäten teilte.

Erst 1918 durfte er wieder nach Palästina zurückkehren. Er betätigte sich wieder in der Arbeiterbewegung. 1920 gründete er mit Mitstreitern die jüdische Gewerkschaftsbewegung »Histradut«, die Landkauf und Besiedlung durch jüdische Einwanderer forderte. In wenigen Jahren gelang es Ben Gurion, die verschiedenen sozialistischen Gruppen in der zionistischen Arbeiterpartei Mapai zu vereinen.

In konsequenter Verfolgung seiner Ideen organisierte und leitete er die Selbstverwaltung der Jewish Agency, welche die illegale Einwanderung von Juden, vor allem aus Deutschland, organisierte. Im Machtkalkül zwischen der britischen Mandatsmacht, die nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Einwanderung nach Palästina empfindlich einschränkte, und den arabischen Einwohnern Palästinas versuchte Ben Gurion eine ausgleichende, maßvolle Rolle, die zwischen politischer Vision und der Situation angepasstem Pragmatismus oszillierte, zu spielen. Konsequent in seinen Standpunkten, aber flexibel in der Taktik erreichte er damit ein Maximum, vor allem für die von Nazi-Deutschland verfolgten Juden. Ab 1942 galt daher sein Hauptaugenmerk dem sogenannten Biltmore-Programm, das eine jüdische Masseneinwanderung für die Verfolgten forderte. Zu diesem Zeitpunkt wurde erstmals auch die Gründung eines eigenen jüdischen Staates als Programm öffentlich formuliert.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging die illegale Masseneinwanderung weiter, die Überlebenden des Holocausts wollten sicher im eigenen Land leben. Wie dramatisch die damalige Situation war, schildert Leon Uris in seinem (auch verfilmten) Buch »Exodus«. In diesen Jahren leitete Ben Gurion im Rahmen der Jewish Agency den Bereich Verteidigung; er kämpfte gegen die britische Mandatsmacht und für die Gründung eines unabhängigen Staates.

Angesichts dieser Lage sahen sich die Briten gezwungen, die Sache den Vereinten Nationen zur Entscheidung vorzulegen, die im November 1947 die Aufteilung Palästinas zwischen Juden und Arabern festlegten.

Am 14. Mai 1948 verkündete Ben Gurion die Unabhängigkeit des Staates Israel. Wenige Stunden später marschierten vier arabische Staaten in Israel ein – Gebot der Stunde war nun die Überleitung der bisher illegalen Verteidigungskräfte in eine reguläre Armee. Der Erhalt des Staates in dieser schwierigen Gründungsphase war sicherlich das Verdienst Ben Gurions. Treffend charakterisiert der Schriftsteller Amos Oz die damalige Rolle des Staatsgründers: »Ben Gurions eiserner Führungswille in diesen eineinhalb schicksalhaften Jahren des Unabhängigkeitskrieges verwandelte ihn vom ›Ersten unter Gleichen‹ in der zionistischen Führung in einen modernen König David.«

Siebenmal übernahm er in den folgenden Jahren die Ministerpräsidentschaft, fünfmal auch das Verteidigungsressort. Ben Gurion ist vor allem die militärische Verteidigungsbereitschaft Israels zu verdanken, die in den lokalen Kämpfen der folgenden Jahre das Überleben des Staates sicherte. Seine konsequent verfolgte Einwanderungspolitik machte es möglich, dass sich die Bevölkerung Israels innerhalb von fünf Jahren ab der Staatsgründung verdoppeln konnte.

Grundsätzlich versöhnungsbereit, schloss Ben Gurion 1952 mit der Bundesrepublik Deutschland ein Wiedergutmachungsabkommen. 1963 trat er als Ministerpräsident zurück, bis 1970 gehörte er dem jüdischen Parlament, der Knesset, an. Im Alter von 84 Jahren zog er sich aus der Politik zurück und lebte im Kibbuz Sde Boker in der Negev-Wüste, wo er seine Memoiren schrieb.