Das kleine Paradies

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Das kleine Paradies
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Das kleine Paradies

von Ida Uhlich

Imprint

Das kleine Paradies

Ida Uhlich

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de Copyright: © 2015 Ida Uhlich ISBN 978-3-7375-8452-4 Cover & Konvertierung: Sabine Abels / www.e-book-erstellung.de Titelbild: © A. Karnholz (fotolia.com)

Kapitel 1

Julia saß vor ihrem Laptop und starrte auf die gerade geöffnete E-Mail. Mit großen Augen las sie immer wieder die Zeilen ... Aufgrund ihrer interessanten Bewerbung, würden wir uns freuen, wenn Sie am 21.06.2009 zu uns nach Schottland kommen würden. Wir würden uns gerne von Ihren Talenten selber überzeugen und laden Sie zu einem 1-wöchigen Foto-Shooting ein. Bitte melden Sie sich bei meiner Teamassistentin Susan McKinsey....

Immer und immer wieder flogen ihre Augen über diese Zeilen. Sie konnte es nicht fassen.

Sie sprang auf und suchte verzweifelt ihr Telefon. Wie immer, hatte sie es verlegt und wie immer suchte sie es. Nach einigen Minuten und mehreren Schimpfwörtern, sah sie es in der Küche neben dem Herd liegen.

»Oh shit, da bist du ja, du kleines Ding. Ich hasse Versteckspielen!«

Sie wählte die Kurztaste 1.

Am anderen Ende ertönte eine schläfrige Stimme.

»Jaaa?«

Kaum vernahm sie einen Laut, mehr konnte man zu diesem Jaaa nicht sagen, legte sie auch schon los. Ohne Luft zu holen, ließ sie ihrer Aufregung freien Lauf. Am anderen Ende war ihre beste Freundin Rose.

»Oh Rose, stell dir nur vor. Ich habe eine E-Mail von Mr. John bekommen. Er will, dass ich eine Woche nach Schottland komme, um dort mein Können unter Beweis zu stellen. Er schickt mir sogar Flugtickets und lässt mich vom Flughafen abholen. Ist das nicht irre?«

Gähnend fragte Rose: »Hey, du hast ihm dein Bild geschickt, oder?«

Verwirrt antwortete sie: »Ja, na und? Das war eine Bewerbung, da muss ich doch ein Bild mitschicken.«

»Kein Wunder, dass die dich dann sehen wollen«, sagte sie tonlos.

Kopfschüttelnd saß Julie vor dem Hörer und klopfte mit dem Finger dagegen.

»Halloooo? Gehen sie bitte aus der Leitung und lassen sie meine beste Freundin ran. Die, die mir immer geduldig zuhört und keine blöden Reden schwingt.«

Am anderen Ende der Leitung gluckste es.

»Okay, bin schon leise. Erzähl weiter.«

»Na ja, da schreibe ich mir-nichts-dir-nichts eine Bewerbung und glaube keine Sekunde daran, dass die mich nehmen und nun steige ich nächste Woche bereits in den Flieger. Ich weiß gar nicht, warum die mich nehmen? Ich...«

Sie wurde diesmal wirsch unterbrochen.

»Moment! Stopp! Was heißt hier, du hast keine Sekunde daran geglaubt, hä? Die wären schön blöd, wenn die so ein Talent nicht erkennen. Und... wenn du weiter so ein blödes Zeug redest, dann hole ich die andere wieder ans Telefon.«

Julia musste lächeln. Rose war einmalig und sie konnte sich immer auf sie verlassen. Viele Schicksalsschläge hatte die Freundschaft wachsen lassen. Rose war, im Gegensatz zu Julia, die Verrückte. Julia dagegen die Ruhigere. Beide ergänzten sich prima.

»Hör mal, du fliegst doch da nicht alleine hin?«

Besorgt klang jetzt die Stimme am anderen Ende.

»Warum denn nicht? Das ist eine Arbeit wie jede andere.«

»Wie bitte? Spinnst du? Du fliegst nach Schottland. Das ist nicht gerade um die Ecke. Wenn du Hilfe brauchst, dann kann ich nicht schnell genug bei dir sein. Julia, das ist zu weit weg.«

Julia verdrehte die Augen und starrte genervt an die Decke.

»Julia, verdrehe jetzt nicht die Augen! Ich meine es ernst!«

»Oh man Rose, wie machst du das? Woher weißt du...«

»Schatz, ich kenne dich einfach zu gut. Und deswegen mache ich mir auch Sorgen. Du kannst nicht mal alleine zum Bäcker gehen, ohne ein Chaos zu verursachen. Möchtest du, dass die Schotten nie wieder Deutsche ins Land lassen?«

»Nun hör aber auf. So schlimm bin ich nicht. Außerdem sind meistens die Anderen schuld... erinnerst du dich?«

sagte Julia entrüstet und schmiss das Telefon aufs Sofa. Sie hörte eine kreischende Stimme, die allerdings von weit her an ihr Ohr drang. Grinsend nahm sie den Hörer wieder an ihr Ohr.

»Waaas?«, fragte sie entnervt.

»Wehe, wenn du mich wieder wegschmeißt«, polterte Rose.

Beide mussten lachen.

»Julia, ich meine es doch nur gut mit dir. Ich gebe zu, dass meistens die Menschen in deiner Umgebung unlogische und eigenartige Sachen machen und du dann in eine Beschützer-Verteidigungs-Rolle rutschst. Doch irgendwie musst du daran beteiligt sein. Vielleicht dringst du ja in ihre Gedanken ein und gibst absurde Kommandos?«

»Rose, was für Kommandos? Außerdem, was soll schon passieren?«

»Frage mich lieber nicht, denn ich könnte dir so einiges aufzählen.«

»Okay, dann möchtest du also, dass ich mir so eine super Gelegenheit durch die Lappen gehen lasse?«

»Also bevor du mich wieder wegwirfst... nein, natürlich nicht. Aber ich habe ein blödes Gefühl dabei. Ich kann dir nicht sagen wieso.«

»Rose, das ist doch nicht das erste Mal, dass ich ohne dich fahre. Außerdem, wenn du ehrlich bist, passieren mir solche Dinge nur, wenn ich deinen Hintern retten muss.«

Am anderen Ende gluckste es wieder.

»Oh Gott, du hast ja recht. Aber ich möchte trotzdem nicht, dass du allein fährst.«

»Rose, du kannst doch im Moment nicht weg. Deine Chefin, für die du Vertretung machst, kommt erst in 2 Wochen zurück. Außerdem, wie sieht das denn aus, wenn ich mit einer Freundin anreise, hä?«

»Schon gut, schon gut.«

Es war einen Moment still. Julia hörte nur ein lautes Schnaufen. Sie wartete ungeduldig. Sie wusste, Rose überlegte und wollte nicht gestört werden.

»Julia, ich habe eine Idee.«

»Na endlich, ich dachte schon du wärst eingeschlafen.«

»Julia, hör mir jetzt zu!«

»Jaaaaa, erzähl schon.«

»Also, ich werde meinen Stiefvater Tom, der zurzeit in London ist, anrufen. Der kennt da einen Lord McDerby in Aberdeen. Bei ihm wirst du dich melden, oder sogar übernachten. Hast du nicht gesagt, dass das Anwesen von diesem Mr. John in der Nähe von Aberdeen liegt?«

»Ja, aber der Typ ist mir doch auch fremd. Dann kann ich doch auch bei Mr. John übernachten?«

»Der Typ ist dir fremd aber nicht mir und meinem Stiefvater. Ich brauche diese Sicherheit! Oder ich komme mit! Du hast die Wahl!«

Sie überlegte kurz und versuchte dagegen zu halten.

»Das sieht doch blöd aus, wenn ich zu Mr. John sage, dass ich gerne in ihrem Team mitarbeite, aber ich bleibe nicht beim Team. Du weißt doch, wie es beim Shooting so zugeht. Das kann manchmal bis in die Nacht hinein gehen.«

Sie grummelte vor sich hin und machte einen Schmollmund.

Rose wurde lauter: »Wir brauchen gar nicht zu diskutieren, Julia. Ich rufe gleich morgen meinen Stiefvater an und dann gebe ich dir die Adresse.«

Sie ließ keine Widerrede zu. Julia verfluchte ihre Hilflosigkeit. Wieso konnte sie nur für andere stark sein und nie für sich?

»Na gut. Aber eines sage ich dir, wenn das nicht gut ankommt, dann übernachte ich dort wo auch die anderen aus dem Team sind.«

»Ja, ja, Kleines.«

»Oh Gott ich hasse es, wenn du „Kleines“ sagst.«

»Gute Nacht Kleines und bis Morgen. Leg dich jetzt wieder schlafen. Es ist mitten in der Nacht und ich brauche, im Gegensatz zu dir, meinen Schönheitsschlaf.«

Sie legte einfach auf und ließ Julia mit ihren Gedanken alleine.

Frechheit! Ich bin kein „Kleines“! Ich werde es ihr beweisen, dass ich auch ganz gut auf mich alleine aufpassen kann. Wir werden ja sehen, wer hier recht behält. Pah!

Sie ging ins Schlafzimmer und schmiss sich aufs Bett. Vor Aufregung konnte sie jedoch nicht einschlafen und so ging sie nochmals alles gedanklich durch. Sie hatte sich wirklich kaum Chancen ausgerechnet. Okay, sie war gut als Fotografin, doch es gab so viele, die besser waren.

Haben die mich wirklich wegen meines Aussehens genommen?

Sie verwarf diese Frage sofort wieder.

Mein Aussehen hat damit bestimmt nichts zu tun. Ich bin eine gute Fotografin!, entschied sie.

Sie sprang wieder auf und ging ins Bad. Sie blickte ihr Spiegelbild an und rümpfte die Nase. Skeptisch zog sie die linke Braue hoch. Ihre Augen waren von einem so dunklen braun, dass sie, wenn sie wütend wurde, eine schwarze Farbe annahmen. Sie hatte ein kleines rundes Gesicht und eine Stupsnase. Sie passte proportional zu dem Rest. Ihre Lippen waren voll und sie hatte blendend weiße Zähne. Ihr Teint war rein und leicht gebräunt. Das hatte sie von ihrem spanischen Großvater. Sie blickte missmutig in den Spiegel und steckte sich die Zunge raus.

Laut sagte sie: »Von wegen ich brauche keinen Schönheitsschlaf. Die ganze Woche würde nicht dafür reichen.«

Sie knipste das Licht aus und legte sich wieder ins Bett.

Am nächsten Morgen besorgte sie sich Lektüre von Schottland und von der Umgebung, wo das Anwesen stand. Sie wusste nicht viel über Mr. John. Nur, dass er stinkreich war und ab und zu für ebenso stinkreiche Leute Foto-Shootings veranstaltete. Das war sozusagen sein Hobby. Er hatte ein riesiges Haus auf dem Anwesen und es wurde gerne für Promotionszwecke genommen. Was man nicht so alles machte, wenn man vor lauter Geld Langeweile hatte? Ihr konnte das ja egal sein. Die Arbeit war bestimmt sehr spannend und sie konnte viel lernen. In seinem Team waren nur die Besten. Ihr wurde mulmig bei diesen Gedanken. Würde sie allem gerecht werden? Oder würde sie sich blamieren? Sie holte tief Luft und wollte schon fast die Sache in Gedanken absagen, da stieß sie mit Edgar zusammen. Er war mehr als ein guter Nachbar und immer zur Stelle. Er bekam von Rose jedes Mal eine detaillierte Instruktion, wann und wo er auf sie achtgeben sollte.

 

»Hey, nicht so schnell.«

Sie war erleichtert, ihn angerempelt zu haben und nicht einen Fremden.

»Oh Gott Edgar, ich hab dich gar nicht gesehen. Ich war so tief in meinen Gedanken.«

»Was ist denn passiert? Du hast ja ganz rote Wangen.«

Das war auch etwas, was sie an sich hasste. Immer wenn sie aufgeregt war, bekam sie rote Wangen. Er schaute sie besorgt an. Sie hakte ihn unter und erzählte ihm alles. Sie musste aufblicken, da er mit seinen 1,90m um genau 30 Zentimeter größer war als sie. Er sah verdammt gut aus. Er hatte dunkles Haar und braune Augen. Er war schlang, nach Rose Ansicht zu schlank. Julia war es dagegen egal. Sie nahm ihn so wie er war. Sie wollte nie die Menschen ändern. Trotz des guten Aussehens, lebte er eigenartigerweise sehr zurückgezogen. Weder Julia noch Rose konnten dies verstehen oder wussten warum. Sowie Julia das Thema ansprach, zog er eine Mauer um sich herum. Gemeinsam gingen sie in das Cafe an der Ecke. Sie hatten dort einen Stammplatz und setzten sich.

»Ich freue mich für dich, ehrlich! Doch du fliegst nicht alleine dort hin, oder?«

Sie stieß ein Zischen aus: »Oh Gott, fang nicht du auch noch an.«

Er legte den Kopf schief und lächelte sie an.

»Lass mich raten.... Rose?«

»Jaaaa, natürlich Rose! Sie kann es nicht lassen, mich ständig zu bemuttern.«

»Sie meint es doch nur gut. Sie macht sich halt Sorgen.... So wie ich«, legte er nach.

»Ich werde das allein durchziehen. Und es wird alles gut gehen. Ich mache mir mehr Gedanken um mein Können. Das ist ein sehr starkes Team. Sie sind alle sehr bekannt in unseren Kreisen. Ich habe eher Angst zu versagen.«

»Nun hör aber auf, ja. Du hast dir auch bereits einen Namen gemacht. Denk nur an deine Ausstellung. Die ist doch super gelaufen. Das hat sich bestimmt rumgesprochen.«

Er lächelte sie an und nahm ihre Hand.

»Sei unbesorgt. Du wirst es ihnen zeigen, da bin ich ganz sicher!«

Sie war froh über die Worte. Sie bestärkten sie darin, doch den Auftrag anzunehmen. Und... alleine nach Schottland zu fliegen.

»Und wenn sie mich nicht mögen?«

»Was für eine blöde Frage!«, sagte er vergnügt.

Skeptisch schaute sie ihn an und zog ihre Augenbraue hoch.

»Julia, jeder andere sollte sich diese Frage stellen. Aber doch nicht du! Ist dir denn noch nie aufgefallen, dass du nur einen Raum betreten musst und du hast zweidrittel der Leute im Sturm erobert.«

Mit fester Stimme sagte sie: »Du übertreibst!«

Er schüttelte den Kopf. Genau das mochte er an ihr. Sie war in allem fast perfekt ohne es zu wissen. Und so benahm sie sich auch. Vielleicht war das ja der Grund, warum ihr die Herzen zuflogen?

»Nein, ich übertreibe nicht. Überleg mal, kannst du mir spontan sagen, mit welchen Leuten du nicht klar kommst?«

Schnell, viel zu schnell antwortete sie: »Und ob. Da wäre der... na ja der eine bei der Ausstellung... oder letztes Jahr bei der Silvesterfeier... oder in meiner Ausbildung, da war...«

Er hob die Hand und stoppte damit ihren Versuch Menschen zu finden, die auf der Nicht-gemocht-werden-Liste standen.

»Das ist jetzt ein Witz, oder? Du erwähnst drei Leute innerhalb der letzten 10 Jahre? Hast du denn nie darüber nachgedacht, warum dich die meisten Leute mögen?«

»Tun sie doch aber nicht!«

Er schüttelte den Kopf.

»Julia, bleib einfach so wie du bist. Mach dir um Gotteswillen keine Gedanken darüber, ob sie dich mögen oder nicht. Glaub mir, sie werden nicht nur deine Arbeit lieben.«

Er sagte dies sehr ernst und drückte ihre Hand etwas.

»Okay, Themawechsel«, sagte sie schnell und zog ihre Hand zurück.

Er musste lächeln.

»Was ist?«

»Das sagst du immer, wenn es für dich zu unangenehm wird.«

»Na und. Ich könnte ja auch sagen, hör auf mit der Schschschsch...«

Er legte ihr einen Finger auf den Mund.

»Sag es nicht. Das würde nicht zu dir passen. Zu Rose schon eher.«

»Oh ja, da hast du absolut Recht!«

»Warum fährt sie nicht mit? Das würde mich beruhigen.«

»Oh, sie muss ihre Chefin vertreten. Sie kommt erst übernächste Woche wieder. Sie soll sich das auf keinen Fall vermasseln. Du weißt doch, ihre Chefin möchte nächstes Jahr auf Rente gehen. Sie wäre die perfekte Nachfolgerin. Auch Dr. Schmidt würde sie gerne auf den Posten sehen.«

»Kann ich gut verstehen. Sie ist eine echte Perle!«

Er musste schmunzeln.

»Ist dir schon einmal aufgefallen, dass du genau diesen Ausdruck und ein Schmunzeln im Gesicht hast, wenn du von Rose sprichst?«, neckte sie ihn.

Sie wusste, dass er sie faszinierend fand.

Er kratzte sich verlegen am Kopf.

»Oh man, fällt das so auf?«

»Hmmmm, ein wenig.«

»Okay, Themawechsel!«, imitierte er sie.

Sie lachte auf und nahm jetzt seine Hand.

»Schon gut Ed. Aber irgendwann reden wir mal darüber. Versprochen?«

Er nickte nur und rief die Kellnerin zum Bezahlen.

Die Woche verging schnell, doch sie hatte alles geschafft. Sie konnte sogar ihren letzten Auftrag fertig stellen und war mit sich und der Arbeit zufrieden. Selbst wenn im Privatleben so einiges schief ging, im Berufsleben ist sie ein Profi. Alle, die mit ihr zusammen arbeiten, schätzen sie.

Die Abschiedsszene auf dem Flughafen glich eher einer bevorstehenden 5-monatigen Weltreise als einer 1-wöchigen Schottlandreise. Rose gab ihr noch so viele Tipps und Ratschläge mit auf dem Weg, dass ihr schon ganz schwindelig wurde. Nachdem Rose auch noch den Finger hob, um ihre Drohung auszusprechen, dass sie sofort kommen würde, wenn ihr jemand wehtut, reichte es Julia.

»Rose hör auf! Du benimmst dich ja schlimmer als es meine Mutter getan hätte.«

Rose war abrupt still und Julia tat es bereits leid, sie so angefahren zu haben. Sie schlang schnell ihre Arme um ihre „beste Freundin“ und flüstere ihr ins Ohr.

»Ich melde mich, sowie ich meine Koffer vom Band genommen habe, versprochen! Ich werde mich auch täglich bei dir melden und Bericht

erstatten. Ich werde mich auf nichts Spontanes einlassen und immer vor einer Entscheidung alles klar überdenken. Also ich meine, wenn es um Männer geht.«

Sie grinste Rose lieb an und küsste sie auf die Wange. Dann verschwand sie hinter der Passkontrolle.

Ed wusste nicht genau, wie er Rose trösten sollte und sagte verlegen: »Nu ist sie weg!«

Rose wischte sich die eine Träne weg und blickte auf. Sie war zwar größer als Julia, doch auch sie musste zu ihm aufblicken.

»Oh Ed, was mache ich jetzt nur ohne sie? Es ist ja nicht nur, dass sie mir fehlt, sondern ich bin jetzt alleine.«

Das sagte sie so traurig, jedoch wiederum so lustig, dass er lächeln musste. Reflexartig legte er seinen Arm um ihre Schulter und zog sie zu sich ran.

Leise sagte er: »Du bist nicht allein Rose, ich bin doch da.«

Verblüfft über so viel Zärtlichkeit in seiner Stimme, stand ihr Mund weit offen.

Kapitel 2

Julia genoss den Flug und entspannte sich. Noch eine gute Eigenschaft, die sie hatte. Die Herausforderung konnte noch so groß sein, nervös wurde sie immer erst kurz vor dem Arbeitsbeginn. Dies wiederum machte Rose oft nervös. Manchmal arbeiteten sie zusammen. Julia als Fotografin und Rose als Assistentin in der Agentur von Dr. Schmidt; Werbemanagement. Sie lehnte sich zurück und las ihre Klatsch-Zeitschriften. Sie musste sich auf die Stars und Sternchen vorbereiten. Ihr neuer Auftrag hatte ja mit ihnen zu tun. Sie wusste nichts genaues, jedoch ging es immer um irgendeinen Promi. Nach der Landung und der Abholung ihres Koffers, löste sie ihr Versprechen ein und rief Rose an. Es klingelte nur 1x, Rose war sofort dran.

»Hey Kleines, du bist also gut in Aberdeen gelandet?«

Bei dem Wort Kleines zuckte sie zusammen.

»Oh nein, Kleines versucht gerade aus dem brennenden Flugzeug rauszukommen.«

»Julia! Hör auf mit dem Scheiß! Ich find das nicht witzig!«

»Schon gut, schon gut. Es ist alles in Ordnung. Es ist nichts passiert. Ich stehe hier in der großen Ankunftshalle und stell dir vor, ich habe sogar meinen Koffer gefunden. Keiner hat mich angesprochen und ich habe keinen verletzt. Bin ich gut oder bin ich gut?«

Julia grinste und stand in Gedanken neben Rose. Sie konnte sich ihre Mine genau vorstellen und musste kichern. Sie bemerkte nicht, dass sich ein Mann näherte. Er blieb vor ihr stehen und wartete höflich. Unbemerkt und auf Abstand. Er wusste nicht, ob er sie ansprechen sollte. Er war unsicher, ob sie die Person ist, die er abholen sollte.

Julia kreischte vergnügt, als sie das Gemeckere von Rose vernahm. Sie drehte sich dabei um und stolperte über ihren Koffer. Sie verlor das Gleichgewicht und wäre der Länge nach hingeknallt, wenn der Fremde sie nicht aufgefangen hätte. Sie spürte starke Arme um ihre Taille und vernahm ein leises Lachen. Noch in seinen Armen hob sie ihren Kopf nach hinten und blickte in zwei kristallblaue Augen. Für zwei, drei Sekunden erstarrte sie und versuchte sich dieses Bild vorzustellen.

Der Koffer unter ihren Füßen, ihr Oberkörper gegen seine Brust, die Haare wirr im Gesicht und der Mund offen.

Ein ganz normales Julia-Willkommens-Bild!

»Oh...«, entfuhr es ihr leise.

Er stellte sie ohne Mühe wieder auf die Beine. Sie zog ihre Klamotten wieder gerade und sagte verlegen: »Danke! Es tut mir leid, dass ich sie genötigt habe, mich aufzufangen.«

Seine Stimme war tiefer als sie angenommen hatte.

»Gern geschehen! Sind sie Julia Montana?«

Auf seiner Stirn bildeten sich drei Falten und seine Augen kniff er zusammen, so dass sie nur noch einen Strich bildeten. Für einen Moment dachte sie, dass er die Augen geschlossen hatte.

»Ja, die bin ich!«

Sichtlich erleichtert, dass er die richtige Person angesprochen hatte, streckte er seine Hand aus.

»Ich bin Kevin Brown, also Kevin. Ich bin hier um dich abzuholen. Leider war der Chauffeur von Jack, äh ich meine Mr. John, unabkömmlich.«

»Oh...«, entfuhr es ihr wieder.

Oh Gott, er denkt bestimmt, ich bin bescheuert. Mensch Julia, reiß dich zusammen und bilde ganze Sätze.

»Okay, dann fährst du mich also zu Lord McDerby?«

Er legte seine Stirn wieder in Falten und fasste sich verlegen an die Stirn.

»Nein, das muss ein Missverständnis sein. Ich soll dich zum Anwesen mitnehmen.«

Sie überlegte kurz. Das fing alles schon wieder eigenartig an und sie musste grinsend an Rose denken. Durch ihr Lächeln war er nun erst recht skeptisch.

Pikiert und etwas lauter als gewollt, fragte er: »Bist du doch nicht Julia Montana?«

Sie legte ihren Kopf schief, stemmte ihre Arme gegen die Hüfte und fragte verblüfft: »Würde ich sonst mit dir mitgehen?«

»Ja! Du wärst nicht die erste«, schnaubte er verächtlich.

»Vielleicht wäre ich es aber doch!«, konterte sie.

Sie biss sich auf die Lippe und verstand seine Andeutung nicht. Unsicher schaute sie ihn an und wartete auf eine grimmige Reaktion. Wie sie so dastand, frech und doch unbeholfen, schlicht und doch interessant, einfach und doch undurchschaubar, verursachte sie in ihm ein kleines Gefühl von Neugier. Er konnte die Frauen, die sich um Promis rissen, nicht ausstehen. Jack wusste es und trotzdem lud er immer wieder einige Mädels ein, damit er sich amüsieren sollte. Jack fand nämlich, dass er viel zu wenig Frauenkontakt hatte. Er war froh, dass diese Frau anscheinend nicht dazugehörte. Er wollte Jack diesen Gefallen erst nicht tun, da er dachte, er solle wieder so eine affektierte Schnecke abholen. Doch Jack hatte ihn angefleht für den Chauffeur einzuspringen. Erst als Jack hoch und heilig versprochen hatte, dass es kein Model oder Ähnliches sein würde, willigte er ein. Er hatte sowieso gerade hier in Aberdeen zu tun. Nun stand er vor dieser Frau, die ihn anscheinend nicht erkannte, oder nicht erkennen wollte und die nicht aussah wie eine aufgedonnerte Promijägerin.

Die Pause dauerte ihr zu lange und skeptisch fragte sie: »Äh... du wurdest doch von Mr. John beauftragt mich abzuholen?«

 

Dabei zog sie die linke Braue hoch.

Süß, fand er und brachte nur ein zaghaftes Nicken zustande.

Hoffentlich entpuppt sie sich nicht doch noch als Nervensäge. Das wäre schade, da ich gerade anfange sie zu mögen.

Er war so in seinen Gedanken vertieft, dass er sie ansah, nein er starrte sie an. Julia wurde langsam nervös.

»Mr. Brown? ...äh, ich meine Kevin, ist alles in Ordnung? Soll ich lieber ein Taxi nehmen? Das macht mir wirklich nichts aus. Ich möchte dich nicht davon abhalten, etwas Wichtigeres zu tun.«

Tsss, das sind ja mal ganz neue Töne, dachte er. Diese Frau zog ein Taxi ihm vor.

Schnell sagte er: »Nein, nein, ich habe Jack versprochen dich abzuholen. Ich halte meine Versprechen.«

Sie nickte und wollte ihren Koffer nehmen. Doch er kam ihr zuvor und griff danach.

»Danke, aber ich kann das auch alleine.«

»Ich zweifle nicht daran!«

Er lief grinsend vor und sie musste sich anstrengen, dass sie Schritt halten konnte.

Was für ein komischer Mensch, dachte sie. Verdammt gutaussehend, aber eigenartig. Oh Gott, hoffentlich wird das hier nicht die größte Verarsche aller Zeiten. Ich werde Rose gleich anrufen, wenn ich angekommen bin. Sie wird sich bestimmt Gedanken machen, weil ich vorhin so schnell auflegt habe.

Kaum hatte sie das zu Ende gedacht, klingelte ihr Smartphone. Ein Blick aufs Display bestätigte ihre Vermutung.

Rose!

Sie ließ es klingeln und machte große Schritte, da der Abstand zwischen ihnen bereits größer wurde. Kevin drehte sich um.

»Möchtest du nicht rangehen?«

»Oh nein, ich rufe später zurück. Rennen und telefonieren geht gar nicht!«

Erst jetzt bemerkte er, dass sie Schwierigkeiten hatte, hinterher zu kommen.

»Entschuldige«, sagte er grinsend, »ich laufe zu schnell?«

»Nein, ist schon okay.«

Sie log und er sah es ihr an. Er drehte sich zur Seite und zeigte mit der Hand zu einem Auto.

»Wir sind schon da.«

Er öffnete ihr die Tür und sie stieg ein. Das war kein Auto, das war eine sündhaft teure Limousine. Er startete und sie hörte nichts. Rein gar nichts. Sie fragte sich, ob es überhaupt einen Motor gab. Sie blickte aus dem Fenster und betrachtete die Häuser und Straßen. Sie spürte, dass er sie beobachtete. Das machte sie nervös.

Um überhaupt etwas zu sagen, denn die Stille war fast unerträglicher als seine Blicke, fragte sie: »Wie lange müssen wir denn fahren?«

Er wandte sich wieder dem Verkehr zu und manövrierte das große Schlachtschiff gekonnt durch die Straßen.

»Ca. 1 Stunde. Wenn wir aus der Stadt heraus sind, fängt der schöne Teil Schottlands an.«

»Oh, Schönheit findet man auch hier«, sie zeigte mit der Hand zum Fenster, »man muss sie nur erkennen. Sie ist überall.«

Ihre Antwort gefiel ihm. Das war kein hochnäsiges Geschwafel. Sie hatte ihre eigene Sicht.

»Warst du schon einmal in Schottland?«

Sie schüttelte mit dem Kopf. Sie fuhren gerade über eine Brücke und sie schaute fasziniert hinunter zum Fluss. Plötzlich schrie sie: »Kannst du hier anhalten, oder ist es verboten?«

»Was hast du vor?«

»Ich möchte fotografieren.«

Ihre Augen leuchteten und ihre Wangen wurden rot. Wenn sie ein gutes Motiv erkannte, war sie immer sehr aufgeregt. Wie ein kleines Kind, das gerade etwas Neues zum Spielen gefunden hatte.

»Kein Problem!«

Er bremste langsam ab. Währenddessen holte sie bereits die Kamera aus dem kleinen Koffer. Sie zappelte herum und er sagte lächelnd: »Lass mich wenigstens anhalten.«

»Fällt mir schwer, aber ich warte!«

Der Wagen stand und sie sprang raus. Er schüttelte den Kopf und stieg dann auch aus. Er lief ihr nach und stellte sich hinter sie. Er versuchte krampfhaft ein schönes Motiv zu erkennen. Jedoch sah er nur Wasser und Häuser, die sich kaum im Fluss spiegelten, da die Oberfläche durch den leichten Wind krisselig war.

»Was fotografierst du in Gottesnamen da nur?«

Sie ließ sich nicht stören und schoss vier Bilder. Beim ersten Bild legte sie ihren Oberkörper über die Brüstung und fokussierte nur das Wasser an. Er machte einen Schritt nach vorne und hielt sie am Arm fest. Erschrocken fuhr sie herum.

»Ich dachte schon, du wolltest springen?«, sagte er etwas panisch.

»Sehr witzig!«

Sie drehte sich wieder um und schoss das nächste Bild aus der Hocke.

»Warum durch das Geländer, wenn du oberhalb freie Sicht hast?«

»Weil ich die reine Schönheit einfangen möchte.«

Für das dritte Bild musste sie zwei Schritte zurücktreten. Sie stieß an seine Brust und er wich nicht zurück. Sie bemerkte es vor Eifer gar nicht. Er atmete tief ein… sie roch verdammt gut und ihre Haare kitzelten ihm am Hals. Es war für ihn eine eigenartige Situation. Es war schon lange her, dass er eine fremde Frau so dicht hat an sich herankommen lassen. Zu allem Ärger von Jack.

»Was fotografierst du jetzt?«, fragte er neugierig.

»Siehst du dort hinten den Baum, wo der Ast leicht das Wasser berührt?«

Er beugte sich ein wenig hinunter und legte sein Kinn auf ihre rechte Schulter. Nun hatte er die gleiche Sichthöhe wie sie. Leicht berührte er ihre Wange. Sie roch noch immer gut.

»Ja, jetzt schon!«

»Der Ast wirft einen Schatten. Da das Wasser aber keine glatte Oberfläche hat, ist der Schatten verzerrt. Dadurch wirkt das Motiv sehr bizarr.«

Für das vierte Bild, drehte sie sich blitzschnell um und drückte ab. Kevin starrte noch in Richtung Baum. Verwirrt schaute er sie an.

»Warum mich?«, brummte er.

»Weil du jetzt das erste Mal ein entspanntes Gesicht hast. Kein Zusammenkneifen der Augen, keine Falten an der Stirn und kein grimmiger Blick.«

»Ich habe grimmig geschaut?«

Nun war er doch ein wenig irritiert. Sie lächelte nur.

»Kann ich sie sehen?«

»Moment, ich zeig sie dir gleich.«

Geduldig wartete er.

»So, fertig!«

Sie wollte zum Auto marschieren, doch er protestierte.

»Hey, du wolltest mir doch die Bilder zeigen.«

»Ja doch, im Auto.«

Etwas verwirrt, da ihn sonst nie einer warten ließ, lief er ihr hinterher. Kaum saß er, da hielt sie ihm die Kamera hin. Er starrte auf die Bilder und konnte es nicht fassen. Er erkannte die Motive kaum wieder. Bewundernd starrte er sie an.

»Hey, du hast wirklich ein geschultes Auge für die Schönheit.«

Sie schüttelte ihren Kopf.

»Was hast du erwartet? Ich bin Fotografin. Das ist die Voraussetzung für diesen Beruf.«

Sie packte sorgsam ihre Kamera wieder in den Koffer.

»Ja schon, aber es gibt auch viele Schauspieler, die nicht schauspielern können.«

»Wieso den Vergleich mit Schauspielern?«

»Weil ich mich da auskenne.«

Wieder hob sie die Braue und er musste grinsen. Er fand das einfach zu süß.

Vorsichtig fragte sie: »Wieso, bist du auch einer?«

»Hmhmm.«

»Ein richtiger? Ich... ich meine ein bekannter?«

Er nickte ruhig und beobachtete sie von der Seite. Sie schaute auf ihre Schuhe und flüsterte in Deutsch: »Mist, verdammter... Da schaue ich mir die blöden Klatschblätter an und erkenne ihn nicht.«

Was sie nicht wusste... er konnte deutsch. Also grinste er in sich hinein und ließ sie in dem Glauben, dass er nichts verstand. Sie biss sich auf die Lippen und schaute verlegen zu ihm.

»Ein echter Promi also?«

Er nickte wieder ganz ruhig und fand das recht amüsant. Sie wiederum flüsterte weiter in Deutsch.

»Na toll, das nenne ich doch mal einen super Start. Ohne Fettnapf geht bei mir aber auch gar nichts.«

Er hielt an einer roten Ampel und fragte: »Hey, was redest du da?«

Verlegen blickte sie auf ihre Hände, die ständig auf und ab wippten, als wenn sie Musik hören würde. Sie wechselte wieder ins Englisch.

»Oh entschuldige bitte, das war unhöflich von mir. Aber ich ärgere mich darüber, dass ich nicht weiß, wer du bist.«

Er ignorierte ihre Verlegenheit.

»Ist schon okay. Oftmals wäre es mir sehr recht, wenn die Leute mich nicht erkennen würden. Also mach keine große Sache daraus.«

Sie hielten wieder an einer roten Ampel. Sie wandte sich zu ihm und fragte verlegen: »Darf ich es noch einmal versuchen? Ich meine, wenn du mich mal anschauen würdest?«

Diesen Wunsch erfüllte er ihr sehr gerne.

»Aber ohne Stirnrunzeln und ohne die Augen zuzukneifen«, verlangte sie schnell.

Er grinste. Er war Schauspieler, das dürfte wohl kein Problem sein. Er schaute sie an und versuchte so lässig wie möglich auszusehen. Sie flog mit ihren Augen über die Stirn, zur Nase, über die Wangenknochen zum Mund und dann blickte sie in seine Augen. Dies machte sie so hochkonzentriert und mit weitaufgerissenen Augen, dass er schallend lachen musste. Verwirrt und wütend starrte sie ihn an: »Was ist?«