"Take Care!"

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„Take Care!“

Mit dem Fahrrad durch die Staaten. Ein Erlebnisbericht

Hermine Stampa-Rabe

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2012 Hermine Stampa-Rabe

Illustrationen von Hermine Stampa-Rabe

ISBN 978-3-8442-2991-2

Hermine Stampa-Rabe

Georg-Pfingsten-Str. 19

D-24143 Kiel

Tel.: 0431-735565

e-mail: hermine.st-r@easysixt.de

Für mein Kläuschen

!!! Hunde !!!

Meine größten Angstgegner waren nicht die Berge, sondern die vielen großen Hunde, die mich täglich beißen wollten.

Kentucky besteht überwiegend aus bewaldeten Bergen, den Appalachen. Verstreut lagen inmitten großer gepflegter Rasen Einfamilienhäuser und landwirtschaftliche Betriebe etwas zurückliegend an der Straße, auf der wir fuhren. Keines dieser Anwesen besaß einen Zaun, um das Grundstück einzufrieden. Gegen ungebetene Gäste hielten alle Hausbesitzer einen oder mehrere Hunde, die frei herumlaufen konnten. Ein Rennradfahrer hätte ihnen vielleicht aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit entkommen können, aber ich mit meinem mit 40 Pfund bepackten Rad war dazu nicht in der Lage. Darum mußte ich mich jedem Hund stellen.

In Kentucky startete ich mal wieder sehr früh und als Erste. Alle anderen schliefen noch. An diesem einen Tag zählte ich mal alle Hunde, die giftig bellend zu mir auf die Straße gelaufen kamen, um mich zu beißen. Ich kam auf die stattliche Zahl von 37 großen Hunden. Am frühen Morgen konnte ich mich noch mit meinem gekauften Pfeffer-Spray gegen sie verteidigen. Aber plötzlich war die Dose leer. Was nun? Ich suchte nach einem passenden Stock. Über Nacht war ein heftiger Gewittersturm über das Land gezogen. Aber die Bewohner hier reinigten sofort die Straße von allem, was da so heruntergefallen ist. Und Büsche standen nicht am Straßenrand, nur hohe Bäume oder nichts. Aber dann fand ich doch einen schön handlichen Stock. Den steckte ich hinter meinem Fahrradsattel quer unter den Expander, der meinen Schlafsack, die Schlafunterlage und das Zelt auf dem Gepäckträger festhielt. Natürlich verschanzte ich mich bei jeder Abwehraktion so, daß sich mein Fahrrad zwischen dem Hund und mir befand. Mit einem Stock fühlte ich mich wieder stark. Beim nächsten anstürmenden Hund stieg ich vom Rad. Das Tier blieb geifernd und bellend stehen und sah mich dabei böse an. Ich zog den Stock heraus, sah den Hund auch böse an und sagte zu ihm, daß ich ihn schlagen werde. Dabei schwang ich den Stock vor mir zischend durch die Luft und verstärkte das zischende Geräusch noch mit dem Mund. Der Hund kniff seinen Schwanz ein und sauste davon. Nun fühlte ich mich sicher. Ich radelte weiter. So ging es noch dreimal. Aber beim vierten Hund brach mir mein Stock in drei Teile, weil er ausgetrocknet war. Nur ein kurzes Stückchen verblieb mir in der Hand. Der Hund hatte es glücklicherweise nicht gesehen und war schleunigst verschwunden. Nun besaß ich wieder nichts zu meiner Verteidigung. In diesem Gebiet gab es keine Stöcke. Bei den nächsten Hunden versuchte ich es mit freundlichem Reden. Sie blieben wie immer, wenn ich abstieg, in einiger Entfernung bellend stehen. Wenn ich zu ihnen sprach, waren sie ruhig. Stieg ich aber wieder auf mein Rad und wollte weiterradeln, kamen sie in kurzen Sprüngen bellend hinter mir her. Sie waren schneller als ich. Also mußte ich wieder absteigen und mit ihnen sprechen. Wenn ich Glück hatte, kam der Besitzer heraus und rief seinen Hund zurück. Das war aber nur ganz selten der Fall. Dann stellte ich fest, daß ich, während ich mit dem Hund freundlich sprach, ganz langsam mit dem Rad weitergehen konnte. War ich aus seinem Hoheitsgebiet heraus, konnte ich ruhig aufsteigen und weiterfahren.

Bei einem Einfamilienhaus funktionierte auch dieses Patent nicht. Der große mich giftig angeifemde Hund kam viel dichter an mich heran als die anderen. Ich hätte mir beinahe vor Angst in die Hosen gemacht. Während ich mit dem Hund laut sprach, schaute eine ältere Frau aus dem Fenster. Ich bat sie, den Hund doch bitte ins Haus zu holen. Sie kam heraus und rief den Hund. Der drehte sich noch nicht einmal zu ihr um. Sie kam ganz dicht an ihn heran. Dann lief er aber wieder weiter von ihr weg und bellte giftig weiter in meine Richtung. Ich bat sie, doch einen Stock zu holen, um ihn ins Haus zu treiben. Sie sah sich um, pflückte einen langen Grashalm, der sich vorne hinunterbog und ging damit zu dem Hund, um ihm damit zu drohen. Der sah sie nur verächtlich an und bellte mich weiter giftig an. Sie redete langsam und sanft auf ihn ein. Er ignorierte sie völlig.

Als ein Autofahrer kam, der mein Notlage sah, war ich bald erlöst. Er stieg aus und jagte den Hund davon. Als ich weit genug entfernt war, holte ich tief Atem. Wie sollte das bloß noch weitergehen? Schließlich hatte ich nicht dauernd soviel Zeit; denn ich mußte doch meinen Campingplatz zeitig erreichen. Im bald zu durchradelnden Wald fand ich einen neuen langen und brauchbaren Stock. So konnte ich mich bis zum Abend meiner Plagegeister erwehren.

Ich glaube, die Hunde hatten sich an der ganzen Straße morgens schon zugebellt:

„Da kommt eine kleine Fahrradfahrerin mit vielen roten Packtaschen auf ihrem Rad. Ihr Pfefferspray ist alle und ihr Stock ist zerbrochen. Die könnt ihr ruhig beißen!“

Vorwort:

Als ich mir 1986 mein jetzt von mir wieder gefahrenes Rad in Itzehoe bei einem sehr guten Fahrradgeschäft für meine Bedürfnisse bestellte - es sollte leicht, für meine kleine Figur passend, normal große Laufräder, Schutzbleche, Beleuchtung, einen starken Gepäckträger und Bergschaltung haben - erzählte mir der Inhaber, Herr Kaina aus Itzehoe, daß er gerade eine Fahrradgruppe mit guten Rädern für die U.S.A.-Durchquerung von Ost nach West ausgerüstet hätte. Auf meine Frage, wieviel Kilometer das denn seien und er mir erwiderte, so zwischen fünftausend und sechstausend, da dachte ich, daß das doch überhaupt nicht möglich sein könne. Ich für meinen Fall hatte damals eigentlich nur gewöhnliche Wanderfahrten und Ferienfahrten in Deutschlands Süden und den 300 km Marathon rund um den Vättem-see in Schweden im Auge. Aber diese U.S.A.-Durchquerung konnte ich nicht vergessen, eben weil sie mir utopisch erschien.

Die Jahre gingen ins Land.

1990 las ich den Bericht eines deutschen Radwanderers, der die amerikanische Pazifikküste entlanggeradelt ist. Da erwachte auch in mir das Abenteuerfieber, diese Strecke zu radeln. 1992 setzte ich meinen Traum mit meiner Tochter Gudrun in die Tat um. Die wunderbare Landschaft und die freundliche Bevölkerung weckten in mir den Wunsch, noch öfter und vielleicht auch länger hier mit dem Fahrrad zu fahren.

Da ich einem amerikanischen Radsportverein beigetreten war, erhielt ich von dort regelmäßig das Monatsblatt. Hierin las ich schon 1990, daß dieser Verein auch geführte Fahrradexpeditionen quer durch die Vereinigten Staaten unternimmt, die drei Monate dauern, da die Fahrradfahrer mit Packtaschen und Zelt unterwegs sind und auch abends regelmäßig kochen. Von diesem Verein kaufte ich mir Bücher, wie ich trainieren und mich ernähren sollte und setzte alles eisern in die Tat um.

Zwei Herzen schlugen in meiner Brust: eins für meinen Mann, Kläu-schen, und eins für mein sportliches Abenteuer. Aber das zweite Herz gewann den Kampf. Als ich es meinem Kläuschen behutsam beibrachte, was ich vorhatte, war er schon halbtot vor Angst um mich. Schließlich kann er aus Angst vor einem Absturz nicht einmal mit dem Flugzeug fliegen. Allein schon bei dem Gedanken daran, daß ich zweimal über den Atlantik fliegen mußte, drehte sich bei ihm der Magen um.

Kläuschen wußte, daß mich das Fahrradfahren glücklich machte und ich immer wieder zu ihm nach Hause zurückkam. Er selbst fuhr auch Fahrradtouren, nur nicht so große und anstrengende, oder wie er sagte: „Nicht solche verrückten!

In Kiel vertraute ich mich ihm völlig an, wenn wir gemeinsam ausradelten. Er ist ein Wanderführer erster Güte. Waren wir gemeinsam unterwegs, fuhr ich hinter ihm her und konnte bei dem glücklichen Gefühl, in seiner Nähe zu sein, meine Seele baumeln lassen. Er sorgte für alles und bot mir Schutz.

Schließlich fand er sich notgedrungen mit der Tatsache ab, daß ich die große Fahrradexpedition „TransAmerika mitfahren wollte. Er liebte mich so, wie ich bin.

Und meine beiden Söhne Olaf und Achim mit meinen Schwiegertöchtern Ines und Alexandra schüttelten nur den Kopf über mich und wie sie sagten, „solche verrückte Tour.

Meine 86jährige Mutter konnte gar nicht verstehen, wie ich meinen lieben Mann überhaupt so lange allein lassen konnte und mochte. Ganz abgesehen davon, daß ich sie sonst regelmäßig besuchte und alles für sie tat, um sie glücklich und so gesund wie möglich zu erhalten. In der kommenden Zeit würde das nämlich wegfallen. Da mußten dann meine Geschwister für mich einspringen.

Meine Tochter Gudrun und meine Schwester Ursel konnten mich verstehen. Sie glaubten an mich und hofften inständig, daß ich alles so schaffen werde, wie ich es mir vorgenommen hatte.

1998 war es endlich soweit. Bei meinem amerikanischen Radsportverein "ADVENTURE CYCLING" meldete ich mich für die erste Gruppe TRANS AMERICA 1998 an. Am 4. Mai 1998 sollte ich abends zum Treffpunkt in Williamsburg sein, das östlich von Richmond in Virginia liegt. Mein Flugzeug brachte mich sicher über "den großen Teich". Und dann begann mein lang ersehntes und heiß begehrtes Fahrradabenteuer. Ich konnte es kaum erwarten, starten zu dürfen.

Hermine Stampa-Rabe

1. KAPITEL - VIRGINIA


Der Sprung über den Atlantik

Hamburg - Richmond

 

Ganz aufgeregt, daß es nun endlich losging, wickelte ich Ende April 1998 am Vorabend des Abfluges auf dem Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel alle Formalitäten ab und gab schon mein verpacktes, treues Fahrrad und den Seesack mit allen meinen Utensilien auf.

„Kläuschen, meine Füße tun mir so weh, als würde ich in meinen neuen Fahrradschuhen an den Außenseiten wie auf einer stumpfen Messerschneide laufen. Wenn ich dieses Problem schon heute habe, muß ich sofort wieder nach Kiel zurückfahren und sie gegen meine alten Ledertumschuhe austauschen. Dazu passend werde ich auch gleich meine alten Mountainbike-Pedalen mitbringen.“

Am folgenden Morgen wieder in Hamburg-Fuhlsbüttel angekommen, nahm ich mit einem sehr schlechten Gewissen von meinem Mann, der in Deutschland bleiben mußte, Abschied. Es war eine schwere Trennung. Aber mein Wunsch, quer durch die Vereinigten Staaten zu radeln, war größer als hierzubleiben.

„Sei vorsichtig und paß gut auf dich auf. Auf jedem vom Verein angegebenen Postamt wird ein Liebesbrief auf Dich warten, mein Liebstes. Und melde Dich bitte, wenn Du angekommen bist.“

Eine letzte liebevolle Umarmung, ein Winken, dann mußte ich durch die Sperre, denn mein Flugzeug wartete schon auf mich. Mit meinem Fernweh im Gepäck wagte ich den langen Flug über den „großen Teich“, den Atlantik, nach Chicago, U.S.A.

Anschließend nahm ich mein Gepäck in Empfang und ließ ich mich von der dem Chicagoer Flughafen eigenen Bahn zum angegebenen Flugplatz-Terminal bringen. Mein Versuch, von einer Telefonbox aus nach Kiel zu telefonieren, schlug dauernd fehl. Den Operator am anderen Ende der Leitung konnte ich nicht verstehen, weil er viel zu schnell Englisch sprach. So gab ich ganz geknickt auf. Nach einer langen Wartezeig konnte ich in eine kleinere Maschine umsteigen, die mich nach Richmond in Virginia, meinem Ziel-Flughafen, bringen sollte.

Während des Fluges mußte ich mindestens eine Stunde geschlafen haben. Als ich aus dem Fenster schaute, umgab mich Nacht. Hin und wieder sah ich tief unter mir auf der Erde viele kleine Lichter leuchten, die in einem Dorf oder einer Stadt brannten.

Mit der Uhrzeit an meinem Handgelenk konnte ich nichts anfangen; denn die Zeit, die im Flugzeug angegeben wurde, differierte um eine ganze Stunde. Der nette Herr an meiner rechten Seite beobachtete mein Erstaunen und sagte:

„Wir haben eine Zeitverschiebung durchflogen. Sie reisen in Fahrradgarderobe. Haben Sie auch Ihr Fahrrad mit im Gepäck?“

„Ja, am 5. Mai möchte ich in Yorktown, Virginia, mit einer Fahrradgruppe die Vereinigten Staaten per Fahrrad mit Packtaschen und Zelt überqueren.“

„Das ist aber eine sehr lange, anstrengende und abwechslungsreiche Tour, glaube ich. Ihrem Akzent entnehme ich, daß Sie nicht aus Amerika kommen.“

„Nein, ich bin Deutsche und wohne in Kiel an der Ostsee hoch im Norden Deutschlands zwischen der Dänischen Grenze und der bekannten Hafenstadt Hamburg.“

„Vor einigen Jahren verlebte ich mit meinem Sohn einen Urlaub in Heidelberg. Dort hatte es mir sehr gefallen. Die Deutschen waren alle sehr nett zu mir.“

Er lächelte in Erinnerung daran in sich hinein.

Bevor wir in Richmond landeten, bat ich ihn:

„Könnten Sie bitte für mich von der Telefonbox aus bei meinem schon von Deutschland aus gebuchten Hotel anrufen, damit ich abgeholt werde? Hier in Amerika komme ich mit dem Telefon nicht zurecht. Das muß ich erst noch lernen.

„Aber gem.

In Richmond angekommen, rief er für mich per Telefon beim Hotel an.

„Das Taxi kommt bald. Und passen Sie bitte sehr gut auf sich auf. Take care!

Dann verabschiedete er sich lächelnd und wünschte mir viel Freude bei meiner Amerika-Durchquerung.

Nachdem ich meinen Seesack und meinen Fahrradkarton in Empfang genommen hatte - das Hoteltaxi wartete schon - stellte ich fest, daß die linke Handbremse einen gehörigen Schlag bekommen hatte. Der Bremsgriff war verdreht. Fassungslos schaute ich darauf.

Vor dem Flughafen umschmeichelte mich warme, laue Luft. Welch ein Unterschied zu dem feuchten und kühlen Wetter in Schleswig-Holstein, dem ich gerade entronnen war.

Der junge Taxifahrer lud alles ein und brachte zwei andere Fluggäste und mich zum Hotel, wo ich ganz interessiert erwartet wurde.

Hinter dem Empfangstisch stand ein junger Mann, bei dem ich mich vorstellte.

„Welches Zimmer haben Sie für mich vorgesehen?

„Sie sind die Frau, die unsere Vereinigten Staaten mit dem Fahrrad mit Packtaschen und Zelt durchqueren möchten?

„Ja, das habe ich fest vor.

„Diese wunderschöne Tour habe ich vor zwei Jahren auch schon gefahren. Unterwegs werden sie sehr viele interessante und nette Menschen kennenlemen, so wie ich.. Und mit dem kleinen Fahrrad wollen Sie das große Abenteuer bestehen?

„Ja, da ich nur 1,56 m groß bin, brauche ich ein so kleines Rad.

In der Zwischenzeit hatten sich der Hotel-Chef und einige Angestellte um mich versammelt und staunten über mich.

Der Chef fragte mich mit ganz großem Respekt in seinen Augen und der Sprache:

„Wie sind Sie eigentlich auf diese Idee gekommen?

„1990 durch die Ankündigung in einem amerikanischen Fahrrad-Magazin. Und weil ich für drei Monate auf meiner Arbeitsstelle keinen Urlaub bekommen konnte, nahm ich mir vor, 1998 dieses große Abenteuer zu wagen, wenn ich in Rente gekommen bin. Und nun bin ich hier und kann es gar nicht erwarten, starten zu dürfen. Darf ich bitte mein Fahrrad mit auf meine Zimmer nehmen, so, wie ich es per Telefon von Deutschland aus schon gefragt hatte?“

„Aber selbstverständlich.“

Voll der neuen Eindrücke hatte ich das unbedingte Bedürfnis, mit Kläuschen per deutscher „freecall-Karte“ zu telefonieren. Die Sehnsucht nach ihm zehrte in mir. Das Telefonieren funktionierte aber damit nur nach Deutschland und nicht innerhalb der Vereinigten Staaten. Die Uhr zeigte hier kurz vor 24.00 Uhr. Niemand nahm zu Hause ab.

„Ach ja,“ dachte ich bei mir, „durch die Zeitverschiebung ist es in Kiel augenblicklich sechs Stunden früher, also mittags 12.00 Uhr. Er befindet sich auf der Arbeitsstelle.“

So sprach ich auf das Band. Anschließend wechselte ich bei meinem Fahrrad die neuen Pedalen gegen die Mountainbike-Pedalen aus und hängte die Packtaschen, die ich gefüllt aus dem Seesack holte, an das Rad. Erst danach legte ich mich um 1.30 Uhr frisch geduscht ins riesige und komfortable Doppelbett. Kläuschen fehlte mir sehr.

Die ersten Schwierigkeiten

Richmond (48 km) 48 km

Am nächsten Morgen ging das Kramen in meinen Packtaschen nach Fahrradgarderobe für die Fahrt nach Richmond zum Fahrradgeschäft los. Hinterher sah es hier aus wie nach einer Bomben-Explosion, hatte aber den Vorteil, nun zu wissen, was sich in welcher der Taschen befand.

Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich im Hotel. Der Chef und die Bediensteten waren traurig, daß ich schon wieder abreiste. Sie standen voller Respekt in zwei Reihen bis zur Tür für mich Spalier.

„Bitte, schreiben Sie uns unbedingt eine Karte, wenn Sie am Pazifik angekommen sind. Take care!“

Draußen umgab mich kühle Luft. An das Gefühl, mit dem vollbepackten Rad zu fahren, mußte ich mich jetzt gewöhnen. Für heute hatte ich mir vorgenommen, ein günstigeres Motel zu suchen, das ich bald fand und in dem ich in meinem Zimmer die Packtaschen zurückließ.

Die Fahrt zum Fahrradgeschäft auf der Westseite der riesigen und bergigen Stadt Richmond war spannend. Von überall wurde ich freundlich und anerkennend gegrüßt; denn hier war ich zwischen den Autos die Einzige auf einem Fahrrad. Hin und wieder erreichte mich zwischen den großen Wolken die Sonne. Es wurde sehr warm. Im Fahrradgeschäft gab ich mein Rad in sofortige Reparatur und konnte es am frühen Nachmittag wieder abholen.

„Mit dem Bremsgriff konnten wir nichts weiter machen, als ihn etwas gerade zu biegen. Einen so kleinen Bremsgriff für kurze Kinderfinger haben wir hier leider nicht auf Lager. Aber auf die Bremse können Sie sich voll verlassen. Sie funktioniert wieder. Take care wünschen wir Ihnen bei Ihrem bemerkenswerten Abenteuer!

Erst am Spätnachmittag erreichte ich wieder mein Motel. Mein Wunsch, bei der Post Päckchen und Briefmarken zu holen, ging nicht in Erfüllung, weil die Post schon um 17.00 Uhr geschlossen hatte. Das wurde auf den nächsten Tag nach dem Frühstück verschoben.

Per Telefon konnte ich in Kiel jetzt auch niemanden mehr erreichen und sprach wieder aufs Band. Meine Gedanken kreisten um mein gemütliches Zuhause. Wie vermißte ich mein liebevolles Kläuschen. Meine Kinder waren ja schon groß und selbständig. Olaf und Ines wohnten in Hamburg, Achim und Alexandra bei Stuttgart und Gudrun in Berlin. Wir waren es gewohnt, uns nur selten zu sehen. Was hätte ich ohne das Telefon gemacht, die unsichtbare Nabelschnur, die uns verband?

Eine seelische Leere hielt mich lange vom Schlaf ab.

Als deutsche Sportlerin in Amerika beim Frühstück

Richmond - Williamsburg (79 km) 127 km

Ein Waffelhaus lag unserem Motel als einzige Alternative zum Frühstücken gegenüber. Dort nahm ich Platz.

„Was möchten Sie essen?

„Haben Sie Müsli?

„Nein, so etwas führen wir nicht. Sie können Waffeln, Spiegeleier, Speck, Pommes frites, Bratkartoffeln und Pfannkuchen bekommen.

„Nein, danke. So etwas verträgt mein Magen morgens nicht. Haben Sie Cornflakes?“

„Ja, verschiedene kleine Päckchen für Kinder.“

In meinem holperigen Englisch versuchte ich, mich diesem jungen Mädchen gegenüber verständlich zu machen. Sie brachte mir kleine Schachteln zum Auswählen.

„Geben Sie mir bitte 1 Päckchen Cornflakes, 1 Päckchen Haferflok-ken, 1 Joghurt, 1 Glas Apfelsinensaft und ein großes Glas mit heißer Schokolade.“

„Keine Milch?“

„Nein, danke.“

Sie schaute mich ungläubig an.

Als sie mir alles auf den Tisch gestellt hatte, schüttete ich mir die Cornflakes und Haferflocken in eine Schüssel, den Joghurt darüber und übergoß alles mit dem Apfelsinensaft. Während ich alles verrührte und anfing, dieses zu essen, sah ich in meinen Augenwinkeln, wie meine Kellnerin ihre Kollegin heranwinkte und sie auf mich aufmerksam machte. Gemeinsam standen sie in meiner Nähe und beobachteten mich. So etwas hatten sie wohl noch nie gesehen.

Nachdem ich meine heiße Schokolade mit Genuß ausgetrunken hatte, löffelte ich glücklich mein Müsli in mich hinein. Die Gäste an den anderen Tischen aßen heiße Waffeln mit Kirschen oder Spiegeleier mit Speck, Pommes frites, Pfannkuchen, Bratkartoffeln oder Hamburger. Dazu tranken sie alle heißen Kaffee.

In meinem Motelzimmer suchte ich nun aus meinen Packtaschen die zwei neuen Ritzelsätze zum Auswechseln, alle Garderobe für die kalte Zeit in den Rocky Mountains und meine Nahrungsmittelergänzungs-präparate (Lachsöl-Kapseln, Coenzym Q10, Blütenpollen mit Gelee Royal und Anabolloges) hervor und legte alles auf den Tisch. Von meinem Verein ADVENTURE CYCLING besaß ich eine Liste mit Poststationsadressen während meiner langen Fahrrad-Expedition. Zu Hause hatte ich schon beschlossen, von dem warmen Williamsburg aus diese Sachen vorzusenden, um meine Packtaschen zu erleichtern. Für meine Präparate hatte ich schon von Deutschland dicke Briefumschläge mit den entsprechenden Adressen darauf mitgebracht und die abgezählten Pillenbeutelchen ebenfalls. So begann ich nun, alles in die entsprechenden Briefumschläge zu stecken.

Die aussortierte Garderobe sowie die beiden Kartons mit den schweren Ritzelsätzen kam in den roten Ortlieb-Sack. Tatsächlich schaffte ich alles noch bis 10.15 Uhr. Dann checkte ich bei Dauerregen in meinem Motel aus und fuhr mit meinem Rad, das bis oben hoch bepackt war, zum Postoffice, wo mir die nette junge Frau dabei half, alles auf den Weg zu bringen. Dieses wurde für die Post ein Großauftrag. Alle Postangestellten standen staunend vor mir und ließen sich mein mir bevorstehendes Fahrradabenteuer erzählen. Sie konnten es gar nicht glauben. „Take care“, wurde mir von ihnen und den anwesenden Postkunden zugerufen, als ich das Postgebäude verließ.

 

Ganz erleichtert radelte ich - vom Kopf bis zu den Füßen in Regensachen eingepackt - auf der (60) Richtung Williamsburg. Hin und wieder riß der Regen ab, setzte aber bald wieder ein. In einem "Gasthaus" an der Strecke brauchte ich eine Erholungspause, um meinen Durst zu löschen. Durch meinen Fahrradsturzhelm fiel ich auf, als ich den Gastraum betrat und wurde von meinem Wirt so lange ausgefragt, bis er alles über mein Abenteuer wußte, auf das ich nun ganz heiß war beginnen wollte. Nach diesem netten Gespräch und als ich mein Riesenglas Spezie ausgetrunken hatte, setzte ich mich wieder mit den besten Wünschen der Wirtsleute und Anwesenden auf mein Rad und ab ging es in bergiger Landschaft, hier rolling hills genannt, weiter nach Williamsburg, meinem heutigen Ziel entgegen.

In Williamsburg fragte ich mich durch und fand schließlich nach langem Suchen - in der Zwischenzeit war es ganz trocken geworden - unseren Treffpunkt für den 04. Mai, die "Wesley Foundation“. Alle Türen standen offen. Niemand war anwesend. So stellte ich mich draußen in den Garten und wartete. Als zwei junge Mädchen kamen fragte ich sie: „Habt Ihr Sarah Lambert, unsere Gruppenleiterin vom ADVENTURE CYCLING Club gesehen? Sie wollte hier anwesend sein.“

„Nein, aber wir wissen, daß ihr alle dort in dem einen großen Raum in eurem Schlafsack auf dem Fußboden schlafen sollt.“

„Na, sehr rosig sieht das ja nicht aus“, dachte ich so bei mir. Schließlich kam Sarah auf ihrem blauen Cannondale-Rad an. Irgendwie wußte ich, daß sie es war.

„Du bist sicher Hermine Stampa-Rabe aus Deutschland, nicht wahr?“ „Ja, das bin ich. Dann bist du Sarah. Auf dich habe ich hier gewartet.“

„Komm mal mit in den Saal. Dort befinden sich Kartons. In dem einen sind deine bestellten Sachen. Die kannst du dir mitnehmen. Ich fahre wieder zurück nach Jamestown zu meinem Freund. Wir sehen uns dann hier am 4. Mai um 19.00 Uhr wieder, wenn alle ankommen. By!“

Und weg war sie wieder.

Nach einiger Zeit des Suchens fand ich ein nettes Motel, in dem ich bis dahin schlafen konnte. Meine Augen fielen mir vor Müdigkeit zu.

Williamsburg - Yorktown - Williamsburg (72 km) 199 km

Nach dem Frühstück im gegenüberliegenden Frühstücks-Restaurant, wo ich mir das gleiche wie am Tag zuvor im Waffelhaus bestellte und aß, ging ich zu Fuß los, sah mir die hübsche restaurierte Stadt der Siedler an und kaufte mir im großen Einkaufszentrum 4 1 Trinkwasser.

Williamsburg war ein hübsches kleines Städtchen mit einem großen College. Überall gingen oder fuhren auf dem Fahrrad Studenten mit freundlichen und lächelnden Gesichem herum. Ich fühlte mich zwischen all den Menschen sehr wohl.

Weil heute das Wetter nach dem morgendlichen Regen sonnig, sehr warm, aber windig wurde, entschloß ich mich kurzfristig, auf dem Colonial Parkway nach Yorktown zu radeln, den ich auf Umwegen fand. Bis Yorktown durchradelte ich eine sehr große Parklandschaft. In diesem kleinen geschichtsträchtigen Ort kam ich an die Atlantikküste und sah die riesige Brücke, die sich über den James River spannte, an dem Yorktown liegt. Am Uferstrand sonnten sich die Menschen im weißen Sand und der heißen Sonne.

Auf meinem Rückweg nach Williamsburg verfuhr ich mich und landete auf der (238), kehrte aber wieder um und kam zu dem geschichtlichen Schlachtfeld, auf dem damals die große und entscheidendste Schlacht geschlagen wurde.

Glücklicherweise fand ich hier meinen Parkweg wieder und erreichte ziemlich müde mein Motel. Zum Essengehen hatte ich mich zwar schon geduscht und umgezogen, entschied mich dann aber fürs Hierbleiben. Ich hatte keine Lust mehr, wieder wegzugehen.