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Die blinde Rosa

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Die Frau zeigte auf ein von Rauche geschwärztes Liebfrauenbild, das auf der Schautafel stand, und sagte:

– Alle Sonnabend wird hier eine Kerze angezündet für die Rückkehr oder . . . die Seele des Jan Slaets!

Betenden Blickes hob der Fremde die Augen zum Himmel empor und voll Begeisterung rief er ans:

– O, Gott! sei gesegnet, daß Du die Liebe doch mächtiger gemacht hast als den Haß! . . . Mein Feind hat meinen Namen mit dem finsteren Andenken seines Hasses in seinem Herzen verschlossen; – meine Freundin hat in meinem Gedächtnisse gelebt, alles rings umher mit ihrer Liebe beseelt, mein Gedächtniß hier erhalten und mich hier beliebt gemacht . . . während achtzehnhundert Meilen mich von ihr trennten! Dank, o Gott, ich bin genug belohnt!

Eine lange Stille herrschte bis Jan Slaets der Aufregung seines Gemüthes Meister wurde. Indessen achteten die Leute des Hauses seine sichtbare Rührung. Der Mann hatte selbst seine Arbeit wieder aufgenommen, aber er gab sorgsam Acht um beim geringsten Zeichen zum Dienste des Gastes herbei zu fliegen.

Dieser hatte Peerken auf seine Kniee gehoben und fragte jetzt:

– Mutter, wohnt Rosa schon lange bei Euch?

Die Frau schickte sich an ihm die Sache des Laugen und Breiten auseinander zu setzen, sie rückte ihr Spinnrad näher zu ihm heran, und nachdem sie sich niedergelassen, hob sie an:

– Ich will Euch sagen, Mynheer, wie das gekommen ist, Ihr müßt wissen, als der alte Meulinckx todt war, da haben die Kinder getheilt; und Rosa, die um alles Geld von der Welt nicht geheirathet haben würde – es ist unnöthig, daß ich Euch sage warum – Rosa hat ihren Antheil an ihren Bruder unter der Bedingung abgetreten, daß er sie Zeit Lebens bei sich behalten solle. Daneben beschäftigte sie sich mit dem Mützenmachen. Sie gewann einen schönen Stüber, und brauchte dieses Geld ihrem Bruder nicht abzugeben. Allen ihren Verdienst verwandte sie auf gute Werke; sie besuchte die Kranken und ließ den Doktor auf ihre eigenen Kosten kommen, wenn’s bei den Leuten gar zu knapp herging. Sie hatte alle Zeit ein gutes Wort im Munde um Jedermann zu trösten und etwas Erquickendes in der Tasche um die Kranken zu erfreuen. So geschah es auch, daß mein Mann – wir waren noch kein halb Jahr verheirathet – eines Tages mit einer tödtlichen Erkältung nach Hause kam – hört, daher hat er auch noch diesen Husten behalten. – Das haben wir nächst Gott der guten Rosa zu danken, daß unser guter Nelis noch nicht auf dem Kirchhofe liegt. Acht Mynheer, hättet Ihr sehen können, was sie aus reiner Menschenliebe für uns that! Sie brachte Decken – denn es war kalt und wir waren bitter arm; – sie ließ noch zwei Doktoren aus einer andern Gemeinde kommen um zusammen über unseren Nelis Rath zu pflegen; sie wachte bei meinem Manne, sie erleichterte seine Leiden und meinen Kummer durch ihre liebreichen Worte, und gab uns all das Geld, was nöthig war um Speise zu kaufen und die Medicin zu bezahlen; – denn Rosa war überall beliebt und wenn sie auf den Hof zu Mevrouw oder zu den reichen Pächtern ging um Hilfe für die Armen zu bitten, so wurde eine milde Gabe ihr niemals verweigert. – Und, Mynheer, das hat so sechs Wochen gedauert, daß unser Nelis krank im Bette lag – und Rosa hat uns beschützt und hat uns geholfen, bis er nach und nach wieder anfangen konnte zu arbeiten . . .

– Wie müßt Ihr die arme Blinde lieb haben! seufzte der Reisende.

Der Mann richtete sich einen Augenblick von der Arbeit auf; Thränen glänzten in seinen Augen und mit wahrer Begeisterung rief er aus:

– Könnte mein Blut ihr das Gesicht wiedergeben, ich ließe es mir abzapfen bis zum letzten Tropfen!

– Dieser Ausruf machte einen tiefen Eindruck auf Jan Slaets. Die Frau bemerkte dieß und gab ihrem Manne mit dem Kopfe ein ermahnendes Zeichen um ihm Stille anzubefehlen. Dann fuhr sie fort:

– Drei Monate später schenkte Gott uns ein Kind: – es sitzt auf Eurem Schooße – Rosa, die lange zuvor um seine Ankunft wußte, wollte es über die Taufe halten, und Peer, der Bruder meines Mannes« sollte Pathe sein.

Am Tage der Taufhandlung war die Rede von dem Namen, den man dem Kinde geben sollte. Rosa bat: man möchte das Kind Joannes heißen, aber der Pathe – er ist sonst ein guter Mensch aber halsstarrig, der wollte – und dagegen war Nichts einzuwenden – daß es Petrus heißen sollte, gleich ihm. Nach langem Streite hat man es Joannes Petrus getauft: wir heißen es Peerken, weil sein Pathe – auf den es doch hierbei ankommt, da es ein Knäbchen ist – es so haben will und böse sein würde, wenn wir es nicht thäten. Aber Rosa will von keinem Peerken hören: sie nennt das Kind nicht anders denn Janneken, und der Junge ist schon daran gewöhnt und weiß daß er Janneken heißt, weil dies Euer Name auch ist, Mynheer . . .

Der Reisende drückte das Kind in leidenschaftlicher Aufregung an seine Brust und küßte es feurig. In sprachlosem Sinnen starrte er auf das lachende Gesicht des Knäbleins hin, während sein Herz von einer süßen Wehmuth überströmte.

Die Frau fuhr fort:

– Rosas Bruder hatte sich mit Leuten von Antwerpen verbunden um Lebensmittel aller Art in der Umgegend aufzukaufen und nach England zu führen. Er sollte mit diesem Handel reich werden, sagte man, denn allwöchentlich führte er wohl zehn Wagen voll Lebensmittel nach Antwerpen. Anfangs ging Alles gut; plötzlich aber machte Jemand in Antwerpen bankerott, und der unglückliche Tist Meulinckx, der sich für Alles verbürgt hatte, kam aufs Stroh und ward so todtarm, daß all sein Gut noch nicht zur Hälfte genügte um seine Schulden zu bezahlen. Er selbst starb darüber; unser Herr möge seine Seele haben! – Rosa ist dann zu Nand Flinck, an der Ecke dort, in ein kleines Kämmerchen gezogen; aber in demselben Jahre noch kam Karel, der Sohn von Nand – den das Loos bei der Aushebung getroffen – mit entzündeten Augen nach Hause zurück. Noch war er nicht vierzehn Tage zu Haus, da ward er blind. Rosa, die Mitleiden mit ihm hatte und nur der Stimme ihres guten Herzens folgte, hatte ihn während seiner Krankheit gepflegt und führte ihn nun am Arme spazieren um ihn etwas zu erquicken. – Aber Rosa bekam dieselbe Krankheit an den Augen – und seitdem hat sie nie wieder das Licht erblickt! Nand Flinck ist gestorben und die Kinder haben sich dann zerstreut. Der blinde Karel ist in der Nähe von Lier bei einem Pachter untergebracht . . . Wir haben dann Rosa gebeten bei uns zu wohnen und haben ihr versichert, daß wir sie gern sehen, und gern unser Leben lang für sie arbeiten würden; – und sie ist mit Freuden gekommen. – Und das können wir versichern, daß Gott es hört: sie ist nun fast sechs Jahre hier, und noch hat sie von uns Nichts Anderes denn Worte der Freundschaft gehört; sie ist aber auch die Güte und Liebe selbst – und wenn etwas geschehen soll, was Rosa angenehm sein könnte, so schlagen sich unsere Kinder und rauer sich gegenseitig die Haare aus dem Kopfe um nur der Erste sein zu können . . .

– Und sie bettelt! seufzte der Reisende.

– Ja, aber, Mynheer, das ist nicht unsere Schuldt antwortete die Frau voll gekränkten Stolzes. Glaubt doch nicht, daß wir vergessen haben, was Rosa einst für uns gethan hat – und hätten wir uns ihretwegen in den Pflug spannen und Hunger leiden sollen, so hätte sie doch noch nicht betteln dürfen. Was denkt Ihr wohl von uns, Mynheer? Nein, wir haben es länger denn sechs Monate verhindert und dies ist das einzige Leid, was wir Rosa angethan haben, – Als unsere Familie sich so schleunig vermehrte, da dachte Rosa in ihrem engelgleichem Gemüthe, daß sie uns vielleicht zur Last allen könnte, und sie hat uns beistehen wollen. Es war Nichts dagegen auszurichten, sie wurde krank vor Verdruß; wir sahen es wohl, und nach halbjährigem Bitten haben wir es ihr endlich erlauben müssen. Es ist doch keine Schande für eine blinde Frau! Und sind wir gleich arm, so haben wir es doch,, Gott sei gelobt, nicht so nöthig! Von dem, was sie sich erbittet, bringt e uns zuweilen wohl einen Theil auf – wir können doch nicht immer mit de armen Blinden in Zwist sein – und wir geben es ihr doppelt zurück; de n, obschon sie es nicht weiß, ist sie doch köstlicher gekleidet als wir, und da Essen, was wir ihr vorsetzen, ist auch viel besser als das unsrige. Es steht im er ein besonderes Töpfchen für sie am Feuer. – Seht da ist es: ein Paar Eier mit Buttersauce bei ihren Bataten! – Von dem übrigen Gelde, was sie erhält, will sie, wenn ich anders ihre Worte richtig verstanden habe, einen Sparpfennig für unsere Kinder, wenn sie groß sind, zurücklegen. Wir danken ihr für ihre Liebe; aber wir können nur wenig dazu thun, Mynheer.

Der Reisende hatte in tiefster Stille dieser Erklärung gelauscht; nur ein seliges Lächeln, das auf seinem Antlitze strahlte, und eines leichte Bewegung der Augen bewiesen, wie sein Herz von seligen Gefühlen überströme.

Schon hatte die Frau aufgehört zu sprechen und ihr Spinnrad wieder in Gang gesetzt. Eine Weile blieb der I Reisende noch in Gedanken versunken. Plötzlich setzte er das und auf die Flur, und zu dem arbeitenden Manne sich wendend, sprach er fast im Tone eines dringenden Befehls:

– Hört auf mit Eurer Arbeit!

Der Besenbinder begriff ihn nicht und stand auf, erstaunt über den Ton seiner Stimme:

– Hört auf, sage ich – und gebt mir die Hand, Pachter Nelis.

– Pachter! murmelte der Besenbinder verwundert,

– Kommt, kommt! rief der Reisende, werft Eure Besen zur Thür hinaus: ich gebe Euch eine Hufe, vier Milchkühe, ein Kalb, zwei Pferde und Alles was sonst in einer guten Bauernwirthschaft nöthig ist. – Ihr glaubt mir nicht? fuhr er fort, indem er dem Besenbinder eine Handvoll Goldstücke zeigte, es ist wahr, was ich sage! Ich könnte Euch dieses Geld geben, aber ich achte u liebe Euch viel zu sehr, um Geld in Eure Hand zu legen! Zum Eigenthümer einer guten Hufe will ich Euch machen, und Euch und Eure Kinder will ich beschirmen, selbst noch nach meinem Tode!

Die guten Leute sahen sich an mit feuchtem Blicke und schienen das Alles so recht noch nicht zu begreifen. Während der Reisende seine Zusage erneuern wollte, faßte ihn Peerken bei der Hand, als wenn er ihm etwas zu sagen hätte.

 

–– Was willst Du, liebes Kind? fragte er.

– Mynheer Jan, antwortete der Junge, seht, die Bauern kommen vom Felde. Ich weiß wohl wo Rosa ist. Soll ich ihr entgegenlaufen, um zu sagen, daß Ihr gekommen seid?

Der Reisende faßte Peerken‘s Hand und zog ihn selbst nach der Thür:

– Komm, komm, führe mich! sagte er.

Und einzig nur durch Geberden von der Familie Abschied nehmend, folgte er dem Kinde, das sich mit hastigen Schritten nach der Mitte des Dorfes wandte. Als sie die ersten Häuser erreicht hatten, kamen die Landsleute erstaunt aus Scheunen und Ställen herbeigelaufen und schauten ihnen gaffend nach, wie wenn etwas Wunderbares vor ihren Augen geschehen sei. In der That war es ein wunderbares Schauspiel, das Kind im Hemdchen und bloßen Füßchen lachend und fröhlich schwatzend an der Seite des Unbekannten dahin hüpfen zu sehen. Die erstaunten Leute konnten nicht begreifen, was der reiche Herr, der ihnen wenigstens ein Baron zu sein schien, mit Besenbinders Peerken vorhabe. Noch größer ward indessen ihr Erstaunen, als sie sahen, wie der Fremdling sich bückte und das Kind küßte. Der einzige Gedanke, der Einigen in den Kopf kam und für den man sich bald vor allen Hausthüren entschied, war daß der reiche Herr das Kind seinen Eltern abgekauft habe, um es an Sohnes Statt anzunehmen. Dies war schon öfter von Stadtleuten geschehen, die keine Kinder hatten – und Besenbinders Peerken mit seinen großen blauen klugen und blondem Krausköpfchen, war doch wohl der hübscheste Junge im Dorfes – Aber es war doch seltsam und hübsch, daß der reiche Herr das Kind gleich in seinem Hemdchen mitnahm!