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Die blinde Rosa

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Ein wehmüthiges Lächeln tauchte auf dem Antlitze des Reisenden auf.

– Lauw, Lauw! rief er aus, wir irren; wir werden wieder Kinder durch die Erinnerung! Glaubt mir, Rosa hat Euch nicht geliebt, wie Ihr wohl denkt; sie nahm Euren Ring nur ans Freundschaft und der Weihe wegen. Ich war in meiner Jugend rauh und barsch, und habe Nicht immer edelmüthig an meinen Kameraden gehandelt; aber sollen vierunddreißig Jahre, die über Alles, über Menschen und Dinge, so zerstörend vorüber gegangen sind, unsere schlimmsten Leidenschaften allein unerkaltet gelassen haben? Ach, Lauw, soll der einzige Mensch, der mich nicht vergessen hat, mein Feind sein und bleiben? Kommt reicht mir Eure Hand; laßt uns Freunde sein: ich will Euch für den Rest Eures Lebens glücklich machen.

Der Todtengräber zog seine Hand voll Bitterkeit zurück und sprach im düsteren Tone:

– Vergessen? Ich Euch vergessen? Es ist zu spät! Ihr habt mein Leben vergiftet. Kein Tag ging vorüber ohne daß ich an Euch dachte. Geschah es um Euren Namen zu segnen? Ah, ah, urtheilt selbst darüber, Ihr der Ihr mich unglücklich gemacht habt!

Die bebenden Hände zusammen gefaltet, hob der Reisende seine Augen gen Himmel und rief mit Verzweiflung aus.

– Gott! Gott! der Haß allein erkennt mich! Der Haß allein vergißt mich nicht!

– Ihr habt wohl gethan, ergriff der Todtengräber lachend das Wort, daß Ihr hierher gekommen seid um bei Euren seligen Eltern zu schlafen. Ich habe Euch ein gutes Grab aufgehoben: ich werde den stolzen Langen Jan unter die Dachtraufe legen, da kann das Regenwasser die Bosheit von seiner Leiche spülen.

Ein plötzliches Zittern schüttelte die Glieder des Reisenden und ein Blitz der Wuth und Entrüstung schoß aus seinen Augen. Diese gewaltige Aufregung verschwand indessen schnell um einem Gefühle der Muthlosigkeit und des Mitleidens Platz zu machen.

– Ihr weist die Hand eines Bruders zurück, der nach vierunddreißigjähriger Abwesenheit in seine Heimath wiederkehrt: der erste Gruß, den Ihr an Euren alten Kameraden richtet ist bitterer Spott? o Lauw, Ihr handelt nicht wohl? – Doch sei es: sprechen wir nicht mehr davon. Sagt mir nur, wo meine seligen Eltern begraben liegen.

– Ich weiß es nicht, murmelte der Todtengräber. Es ist länger denn fünfundzwanzig Jahre daß sie todt sind, und seitdem habe ich schon dreimal auf demselben Platze ein frisches Grab gegraben . . .

In diesen Worten lag für den Reisenden etwas außerordentlich Peinliches; kraftlos ließ er sein Haupt auf seine Brust nieder sinken, während er, den Blick starr zu Boden gerichtet, in einer schmerzlichen Verzweiflung versunken blieb.

Der Todtengräber nahm seine Arbeit wieder auf, doch mit einer gewissen Trägheit, als wenn auch ihn plötzlich ein tiefes Nachsinnen ergriffen hätte. Er sah und erkannte das bittere Leid des Reisenden und erschrak selbst innerlich über die geheime Rachsucht, die sich bei ihm geregt und ihn angetrieben hatte seinen Nebenmenschen so mitleidslos zu martern. Diese Umwandlung seines Gemüthes prägte sich sichtbar auch auf seinem Antlitze aus; das höhnische Lächeln verschwand von seinen Lippen und er betrachtete seinen trauernden Kameraden mit steigendem Mitgefühl. Langsam näherte er sich ihm, faßte seine Hand und mit leiser doch eindringlicher Stimme sprach er:

– Jan, Freund, vergebt Ihr mir was ich gethan und gesagt habe? Ich habe freventlich und bös gehandelt; aber, Jan, wißt Ihr was ich durch Euch gelitten habe?

– Lauw! rief der Andere, voll Rührung seine Hand erfassend, es waren Irrthümer unserer Jugend! Und sieh, wie wenig ich an unsere Feindschaft dachte: daß Ihr nur meinen Namen nanntet, das ist schon ein unnennbares Glück für mich ich bin Euch noch dankbar dafür, obwohl Ihr mir das Herz gebrochen habt durch Euren bitteren Spott . . . Und nun, Lauw, sagt mir wo liegt Rosa begraben? Im Himmel noch wird sie sich freuen, wenn sie uns versöhnt und verbrüdert an ihrer letzten Ruhestätte stehen sieht!

– Begraben! fragte der Todtengräber. Gäbe Gott, daß sie begraben wäre, die Arme!

– Was? Was wollt Ihr damit sagen? rief der Reisende, lebt Rosa noch?

– Ja, sie lebt, war die Antwort, wenn man das schreckliche Loos, was sie zu tragen hat, anders leben nennen kann.

– Ihr macht mich zittern. Um Gottes Willen, sprecht, welches Unglück hat sie denn betroffen?

– Sie ist blind.

– Blind? Rosa blind? Keine Augen mehr um mich wiederzusehen! Wehe, wehe mir!

Vom Schmerze übermannt ging er wankend nach der Bank zurück und sank auf sie nieder.

Der Todtengräber näherte sich ihm.

–– Seit zehn Jahren ist sie blind, sagte er, – und sie bettelt um ihr täglich Brod . . . ich gebe ihr jede Woche zwei Stüber und wenn wir backen, da ist immer ein kleines Brod für sie dabei.

Der Reisende sprang auf und des Todtengräbers Hand kräftig drückend, rief er aus:

– Dank, Dank! Gott segne Euch für Eure Liebe zu ihr! Ich nehme es auf mich, Euch in seinem heiligen Namen zu belohnen. Ich bin reich, sehr reich. Heute noch werden wir uns wiedersehen. Aber nun, ohne Zögern, mir gesagt wo Rosa ist; jeder Augenblick ist eine Zeit des Unglücks für sie . . .

Bei diesen Worten zog er den Todtengräber an der Hand mit sich fort und wandte sich nach dem Ausgange des Kirchhofes hin. An der Mauer wieß Lauw mit dem Finger in die Ferne und sprach:

– Seht Ihr dort hinter dem Busche den kleinen Schornstein rauchen? Es ist die Hütte des Besenbinders Nelis Oems. Dort wohnt sie.

Ohne fernere Nachweisungen abzuwarten schritt der Reisende in der bezeichneten Richtung durch das Dorf und bald erreichte er die einsame Wohnung.

Es war eine niedere, von Reisholz und Lehm erbauete Hütte, aber von außen reinlich mit weißem Kalke beworfen.

Unweit der Thür lagen vier kleine Kinder in der warmen Sonne, wühlten in der Erde herum, oder machten Kränze aus blauen Kornblumen und rothen Kornrosen. Sie waren barfuß und fast halb nackt: das älteste Kind, ein kleiner Junge von sechs Jahren, trug Nichts als ein leinenes Hemdchen auf dem Leibe. – Während seine drei Schwesterchen den Unbekannten voll Schüchternheit und gewissermaßen beschämt anblickten, betrachtete das Knäbchen ihn im Gegentheil mit einem gewissen mit Verwunderung und Aufmerksamkeit gemischten Freimuthe.

Der Reisende lachte den Kindern freundlich zu, trat aber unverweilt in die Hütte, wo er den Mann in einem Winkel beim Besenbinden, die Frau am Heerd beim Spinnrade fand.

Diese Leute mochten ungefähr dreißig Jahre erreicht haben und schienen beim ersten Blicke mit ihrem Loose zufrieden zu sein. Uebrigens war bei ihnen alles rundum so sauber als das Landleben es in einer so beschränkten Wohnung nur zuzulassen vermag.

Sein Eintritt überraschte sie sehr wenig, obwohl sie ihm aus Höflichkeit entgegenkamen um ihm zu Diensten zu stehen. Gewiß dachten sie, er wolle sie nach dem Wege fragen und der Mann war schon bereit zur Thüre zu gehen um ihm den Weg zu zeigen . . . Als er aber sichtbar aufgeregt und vor Ungeduld bebend fragte: »Wohnt Rosa Meulinckx nicht hier?« da wechselten beide Ehegenossen einen unbeschreiblichen Blick mit einander und wußten vor Verwunderung kaum was sie sagen sollten.

– Ja, Mynheer, antwortete endlich der Mann, Rosa wohnt hier: aber sie ist betteln gegangen. Wollt Ihr sie gern sprechen?

– Gott, Gott! wo ist sie? rief der Reisende. Kann man sie nicht augenblicklich finden?

– Das dürfte schwer halten, Mynheer; sie ist mit unserer Trientje weggegangen um ihre wöchentliche Runde zu machen; in einer Stunde aber wird sie sicher zu Haus sein.

– Darf ich denn hier warten, gute Leute? fragte der Reisende.

Kaum waren diese Worte seinem Munde entfallen, so eilte der Mann auch schon in das Seitenkämmerchen und holte einen Sessel herbei, der, obschon rauh und grob von Form, gleichwohl reinlicher schien als die lahmen Stühle, die im Zimmer standen. Damit nicht zufrieden, zog die Frau noch ein schneeweißes Tuch aus einem Kasten hervor, und dasselbe über den dargebotenen Stuhl breitend, wollte sie daß der Fremde sich darauf niederlasse. Dieser war er- staunt über eine so einfältige doch aufrichtig gemeinte Gutherzigkeit, und gab das Tuch unter lauten Dankbezeigungen an die Frau zurück, hierauf nahm er Platz und indem er seine Augen durch das Zimmer schweifen ließ, schien er etwas zu suchen, was ihm von Rosa sprechen möchte. Wie er nun das Haupt nach der einen Seite hingewandt hatte, fühlte er plötzlich eine kleine Hand sanft in die seine niederfallen und seine Finger streicheln. Durch dieses Zeichen der Zuneigung überrascht, wandte er sich um.

Da fiel sein Blick in die blauen Augen des Knäbleins, das ihn mit einem himmlischen Liebeslächeln anblickte, als wenn er sein Vater oder Bruder gewesen wäre.

– Komm hier her, Peerken, rief die Mutter; Du mußt nicht so zudringlich sein, mein Kind!

Peerken indessen schien diese Ermahnung nicht zu hören, er starrte den Unbekannten nach wie vor an und streichelte seine Hand, so daß dieser nicht wußte was er davon denken sollte, so unbegreiflich war der Eindruck, den die Zuneigung des Kindes auf ihn machte.

– Lieb Kindchen, seufzte er, was sind Deine blauen Augen doch schöne sie rühren mich in der Seele! Komm, ich -will Dir was geben, weil du so artig bist.

Er nahm eine kleine mit silbernem Bügel und bunten Perlen verzierte Geldbörse aus der Rocktasche, ließ einige kleine Münzen hineingleiten und gab sie dem Jungen, der das Geschenk wohl mit Erstaunen betrachtete, doch die Hand des Reisenden darum nicht losließ.

Die Mutter näherte sich ihm und sagte verweisend zu dem Kleinen:

– Peerken, Peerken, Du mußt nicht unartig sein; bedank Dich bei Mynheer und küß ihm die Hand.

Das Knäbchen küßte seine Hand, neigte das Köpfchen und sagte mit klarer Stimme:

– Ich danke Euch, Mynheer, langer Jan . . .

Ein Blitzstrahl würde den Reisenden nicht gewaltiger getroffen haben als das Aussprechen seines Namens durch dieses unschuldige Kind. Thränen stürzten wider seinen Willen über seine Wangen; er nahm das Kind auf seinen Schooß und blickte ihm tief in die Augen, während er ausrief:

 

– O, Du Engelchen! Kennst Du mich denn? Mich, den Du noch nie gesehen hast? Wer lehrte Dir denn meinen Namen?

– Blinde Rosa, war die Antwort.

– Aber wie ist es möglich, daß Du mich erkannt hast, oder ist es Gott selbst, der Dein kindlich Gemüth erleuchtete?

– Ach! ich erkannte Euch gleich, erzählte Peerken; wenn ich Rosa betteln führe, dann erzählt sie immer von Euch; und sie sagt, daß Ihr so groß seid, schwarze Augen habt, die funkeln; und daß Ihr wiederkommen und uns Allen schöne Sachen mitbringen würdet . . . und ich fürchtete mich auch nicht, Mynheer, denn Rosa hat gesagt, daß ich Euch lieb haben müßte, und daß Ihr mir einen großen Bogen und einen Pfeil mitbringen würdet.

Der Reisende lauschte aufmerksam den süßen, einfältigen Offenbarungen des Kindes. Plötzlich nahm er es auf seinen Arm, küßte es liebreich und sprach dann in feierlichem Tone:

– Vater, Mutter, dies Kind ist reicht Ich werde es erziehen, unterrichten und reichlich beschenken! Daß es mich erkannt hat, dies muß sein Glück auf Erden sein!

Die Eltern waren ganz bestürzt vor Verwunderung und Freude. Der Mann antwortete stammelnd:

– Ach, es ist zu viel Güte. Wir erkannten Euch allzumal; aber wir waren doch unserer Sache nicht gewiß. Rosa hat uns nicht gesagt, daß Ihr ein reicher Mynheer seid.

– Und Ihr auch, guten Leute, Ihr kennt mich? rief der Reisende. Ich bin hier zwischen Freunden: ich finde eine Familie, Verwandtschaft – da wo bisher allein Tod und Vergessenheit mir entgegentraten.