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II

Die Stunde der Abreise ist erschienen! Da, vor den Hütten steht ein schöner junger Mann, den Stock über die Schulter geworfen und den Bündel auf dem Rücken. Seine sonst so lebendigen Augen irren langsam umher, sein Angesicht ist ernst und Alles scheint Gemütsruhe in ihm zu verrathen; obgleich das Herz ihm heftig klopft und seine Brust schwere Athemzüge schwellen und krampfhaft bewegen.

Seine Mutter hält eine seiner Hände fest und überhäuft ihn mit den wärmsten Liebesbezeugungen; die arme Frau weint nicht: ihre Wangen beben unter der Gewalt, die sie sich anthut um ihren Schmerz zu verbergen. Sie lacht ihrem Kind zu um es zu trösten; aber dies Lächeln, erzwungen und peinlich, ist entsetzlicher noch als die bitterste Klage.

Die andere Wittwe ist beschäftigt den kleinen Knaben zu beschwichtigen und ihm weiß zu machen, daß Jan bald zurückkommen wird; aber das Kind hat, bei der jahrelangen Trauer seiner Eltern schon begriffen, daß der Abschied ein schreckliches Unglück ist, – und es schreit nun aus vollem Halse.

Der Großvater und Trien sind drinnen, um die letzten Zubereitungen zur Reise fertig zu machen: sie höhlen ein Festbrod aus und füllen es mit Butter. Dann kommen sie mit dem Reiseproviant vor die Thüre und bleiben bei dem Jüngling stehen.

Der Stall ist offen; der Ochs schaut traurig nach seinem Herrn hin und brüllt einmal um das andere ganz schwermüthig; man sollte sagen, daß das Thier begreift was da vorgeht.

Alles ist bereit: er ist auf dem Punkte fortzugehen. Schon hat er die Hand seiner Mutter fester gedrückt und einen Fuß vorausgesetzt; da schlägt er noch einmal sein Auge rund umher, umfaßt in einem langen Liebesblick die niedere Hütte wo seine Wiege stand, die Haide und die Wälder, welche die Zeugen seiner Kinderspiele waren und die magern Felder, die sein jugendlicher Schweiß so oft schon befeuchtet! Hierauf fällt sein Auge der Reihe nach auf Alle die er liebt, bis auf den Ochsen, seinen treuen Gefährten in der sauren Arbeit er verbirgt das Gesicht in seine Hände und zerdrückt die Thräne, welche über seine Wange rollt und schluchzt mit kaum hörbarer Stimme: »Lebet wohl!«

Dann hebt er sein Haupt wieder empor, schüttelt seine langen Haare und schreitet mit Entschlossenheit fort.

Doch Alle folgen ihm; noch wollen sie ihn nicht verlassen. Nicht weit vom Dorfe, am Kreuzwege, hängt ein Muttergottesbild unter dem Lindenbaume. Trien hat es an einem schönen Maiabend dorthin gehängt und Jan an dem Fuß des Baumes einen Betstuhl gezimmert. An dieser heiligen Stätte, wo jeden Tag Einer von den guten Leuten ein Dank- oder ein Bitt-Gebet zu Gott empor steigen läßt, soll ihren bebenden Lippen das letzte Lebewohl entschlüpfen . . .

Schon sehen sie in der Ferne den Lindenbaum und bereiten sich zum letzten Abschied vor. Der Jüngling mäßigt seinen Schritt, während seine Mutter mit herzlichen Liebkosungen zu ihm spricht:

»Jan, liebes Kind, vergiß nicht was ich dir empfohlen habe. Halte Gott stets vor Augen und unterlasse nie vor dem Schlafengehen zu beten. So lang du dies thust, wird dein Herz rein bleiben; und solltest du einmal dein Gebet vergessen haben, so denk den andern Tag an mich, deine Mutter, und du wirst wieder brav werden; wer an Gott und seine Mutter denkt hat einen Schirm gegen jedes Uebel, lieber Sohn.«

»Ich will immer, immer an euch denken Mutter,« schluchzte der Jüngling, »und wenn ich traurig bin und der Muth mich verläßt, wird die Erinnerung an euch mich stärken und trösten; – denn ich werde, das fühle ich wohl, unglücklich sein: ich seh euch gar zu gerne.«

»Und dann mußt du nicht fluchen, hörst du wohl, und nicht liederlich leben, du wirst in die Kirche gehn, nicht wahr? und uns so oft als möglich über deine Gesundheit benachrichtigen und stets denken, daß ein Wort von dir, deine Mutter glücklich macht, nicht wahr? o ich werde jeden Tag ein Gebet an deinen Schutzengel richten, auf daß er dich nicht verlasse.«

Die sanften Laute seiner Mutter rührten den Jüngling tief; er traute sich nicht sie anzublicken, denn in diesem feierlichen Moment hätte ihn das feuchte Auge seiner Mutter zu sehr ergriffen; so hörte er sie mit gesenktem Haupte an. Seine einzige Antwort bestand in einem festeren Händedruck und einem langen Seufzer, der die Worte »Mutter, liebe Mutter« fast erstickt.

Sie nahten schweigend dem Kreuzwege, der Großvater begab sich an die andere Seite des Jünglings und sagte mit ernster Stimme: »Jan, mein Sohn, du wirst deine Pflichten erfüllen ohne Widerwillen und mit Liebe, nicht wahr? deinen Vorgesetzten gehorsam sein und mit Geduld selbst eine Ungerechtigkeit erleiden, die sie dir zufällig angethan hätten? jedem gefällig und dienstfertig sein? guten Willen zeigen und Alles thun was dir auferlegt wird? dann wird Gott dir, beistehen und Vorgesetzte und Kameraden werden dich lieben« . . .

Trien mit ihrer Mutter und dem Kleinen waren schon unter dem Lindenbaum auf dem Gras an der Bank knieend und beteten.

Jan hatte die Zeit nicht dem Großvater auf seine Empfehlungen zu antworten; seine Mutter zog ihn an die Bank.

Jetzt knieen sie Alle nieder und beten mit aufgehobenen Händen . . .

Der Wind rauscht durch die Zweige des Lindenbaums, die Frühlingssonne scheint milde auf den sandigen Weg, die Vögel in den Lüften fingen ihr fröhliches Lied; und doch ist Alles ruhig und feierlich, während sie ihr frommes Gebet flüstern . . .

Es ist vorbei; sie stehen Alle auf; doch ihre Augen sind in Thränen gebadet. Die Mutter umhalst ihr Kind unter bitteren Klagen und obgleich die andern mit offenen Armen bereit stehen um Abschied zu nehmen, läßt sie ihren theuren Sohn doch nicht von sich; sie küßt ihm die Thränen von den Wangen und murmelt unverständliche Worte vor Kummer und vor Liebe.


Endlich setzt sich die ermattete Wittwe, die trotz ihrer Erschöpfung noch immer weint, auf die Bank nieder.

Jan umhalst hastig seinen Großvater und Trien's Mutter; schiebt das weinende Brüderchen, das sich um seine Beine geklammert hatte, freundlich von sich, lauft dann noch zu seiner Mutter, küßt sie auf die Stirne und ruft mit schneidender Stimme: »Lebewohl!« und geht ohne sich weiter umzusehen, auf das Dorf. Bald hat ihn ein naher Busch dem Blicke seiner Eltern entzogen.

Trien, die das Festbrod unter dem Arme trägt, kann ihm kaum folgen.

Einige Zeit gehen die beiden jungen Leute neben einander ohne zu sprechen; ihre Herzen klopfen heftig, eine tiefe Schamröthe bedeckt Beider Stirnen und Wangen, sie wagen es nicht aufzusehen. Feierliche Stunde, in der zwei Seelen vor einem Bekenntniß beben, welches ihnen ein heilig bewahrtes Geheimniß enthüllen soll!

Jan sucht schüchtern Trien's Hand, und faßt sie; doch als ob diese Berührung ein Verbrechen wäre und diese Hand ihn brennte, läßt er sie los und zittert.

Doch nach einer Pause ergreift er sie wieder und spricht mit einem tiefen Seufzer:

»Trien, werdet ihr mich nicht vergessen?«

Thränen waren des Mädchens einzige Antwort.

»Werdet ihr warten, bis Jan vom Militär zurückkommt,« fragte der Jüngling wieder, »darf er wenigstens diesen Trost mitnehmen um nicht vor Kummer zu sterben?«

Das Mädchen heftet seine großen, blauen Augen auf ihn; der lange, sehnsüchtige Blick, den es auf ihm ruhen läßt, dringt wie ein Sonnenstrahl in sein Herz und läßt es in früher nie gekannter Seligkeit schwelgen.

Bewußtlos steht er einen Augenblick da, er weiß nicht wie es kam, doch haben seine brennenden Lippen die Stirne des Mädchens berührt. Dann wich er scheu zur Seite und schlang seinen Arm um einen Eichenstamm.

Dort vor ihm strahlt das Gesicht der Geliebten im keuschen Feuer des Liebesglücks; er legt sich die Hand aufs Herz, das ihm jetzt in wildem Pochen die Brust fast zersprengt; und doch ist eine unaussprechliche Wonne auf seinem Gesicht zu lesen; seine Augen leuchten, er hebt den Kopf stolz in die Höhe, es schien, daß der einzige Blick der Geliebten ihn mit Riesenkraft und Riesenmuth begabt hatte.

Da tönte hinter dem Gehölze eine bekannte Stimme, es naht Jemand, der ein fröhliches Lied sang . . .

Es war des Kartoffelbauers Karl, der auch mitziehen mußte und sich ins Dorf begab.

Trien that sich Gewalt an um ihre Rührung zu verbergen. Aus ihren süßen Träumen geweckt, warf sie einen flüchtigen Blick auf ihren Freund, um ihn zum Fortgehen zu bewegen, auf daß nicht Karl ihn erreiche und ein fremdes Auge lese, was in ihrer Seele vorging.

Doch Karl schritt schnell voran um seinen Kameraden einzuholen, Trien bemerkte es wohl und sagte schnell.

»Jan, wenn ihr fort seid, werde ich allein für eure Mutter, euren Großvater und euer Brüderchen sorgen; ich werde das Feld pflügen und auch den Ochsen pflegen, daß ihm nichts abgeht. Ich bin dazu stark und gesund genug und ihr sollt bei eurer Zurückkunft Alles wiederfinden, so wie ihr es bei eurem bitteren Abschiede gelassen habt.«

»Alles,« wiederholte der Jüngling, ihr tief in die Augen blickend, »Alles?«

»Ja, Alles, so lang ihr wegbleibt, will ich nicht auf die Kirmeß; ohne euch ist mir doch Alles gleichgültig. Aber . . .ihr müßt auch nicht thun wie der häßliche Schmidt euch rieth, vom Trinken und den netten Mädchen, denn wenn ich das wüßte, so läge ich lieber im Kirchhof . . .«

In diesem Augenblick legte Karl seine schwere Hand auf Jan's Schulter und sang zum Scherz mit trauriger Stimme:

 
»Gott, schöner Schatz, was ist das Herz mir schwer,
Ich soll jetzt fort von dir zum Militär,
Adieu, vergiß mein nicht!«
 

Das Mädchen wurde schamroth. Jan, der ihre Verlegenheit bemerkte, antwortete lachend auf den Scherz des Kameraden und faßte ihn beim Arm um mit ihm gegen das Dorf zu ziehen. Trien folgte schweigend.

Wie sie in das Dorf kommen, finden sie vor der Krone noch drei junge Leute mit dem Ranzen auf dem Rücken, die auf die Ankunft von Jan und Karl warteten.

 

Ein Jeder küßt seine Eltern und Freunde. Trien allein küßt Niemanden; aber in den verstohlenen Blick, den sie mit Jan austauscht, indem sie ihm das Festbrod giebt, liegt ein rührendes Einverständniß ihrer Seelen.

Die Rekruten ziehen nach der Stadt.

Trien verläßt das Dorf ohne zu weinen, doch am kleinen Gehölz geht ihr das Herz über, sie kehrt mit der Schürze vor den Augen zur Hütte zurück, wo jetzt Alles so leer ist und vom Sohn und Geliebten die Erinnerung des traurigen Abschiedes übrig bleibt.

III

An einem schönen Augustmorgen verließ Trien hüpfend und tanzend das Dorf um heimzukehren; ihr Gesicht verrieth durch seine süße Miene Fröhlichkeit und Eile; leichten Schrittes ging sie über den staubigen Weg, und von Zeit zu Zeit entschlüpften unvernehmliche Laute ihrer tiefathmenden Brust, als spräche sie mit sich selbst.

In der einen Hand hielt sie zwei große Blatt Schreibpapier, in der anderen eine geschnittene Feder und ein Fläschchen voll Tinte, die ihr der Küster geschenkt hatte.

Unterwegs begegnete ihr die schöne Kaet (Katherine) des Holz- schuhmachers, die, singend und einen Bündel Klee auf dem Kopfe tragend, aus einem Seitenwege trat und ihre Freundin mit der Frage anhielt: »He, Trien, wo lauft ihr denn mit dem Papier hin? Was seid ihr eilig, es brennt doch nirgends? – Sagt, wie steht es mit eurem Jan?«

»Ja, mit unserm Jan,« antwortete Trien, »das weiß der Herrgott, liebe Kaetje. Seit er von hier weg ist, haben wir dreimal von ihm Nachricht erhalten, daß er wohl auf war. Jetzt aber ist es sechs Monate her, daß ein Kamerad von Turnhout in der Krone eine Botschaft von ihm für uns zurückließ; es mag auch schwierig sein, denn er steht irgendwo über Maestricht hin, und von dem fernen Ort gibt es hierher nicht alle Tage Gelegenheit.«

»Kann er denn nicht schreiben, Trien?«

»Er hat es wohl gekonnt, und als wir als kleine Kinder zusammen zum Küster in die Schule gingen, hat er fürs Schönschreiben sogar einen Preis bekommen. Doch wird er es jetzt vergessen haben, so gut wie ich.«

»Und was wollt ihr mit dem Papier thun?«

»Ja seht, Kaet, seit zwei Monaten habe ich mein altes Schreibbuch wieder aus der Kiste geholt und mich von neuem im Schreiben geübt. Jetzt will ich's versuchen, ob ich einen Brief fertig kriege. Ob es geht, weiß ich zwar nicht. Habt ihr in eurem Leben schon einen Brief geschrieben?«

»Nein, aber ich habe schon viele lesen hören, denn mein Bruder Dries, der in der Stadt wohnt, schreibt uns fast alle Monat Einen.«

»Und wie sieht das aus, so ein Brief? was steht darin? ist es als ob man mit Jemand spricht?«

»Bei weitem nicht, Trien, das wäre was schönes! immer mit Komplimenten und großen Worten, die man fast gar nicht versteht.«

»Ach, Kaet, wie finde ich mich da heraus! Wenn ich zum Beispiele so schreiben wollte; Jan, wir sind traurig, weil wir nicht wissen, wie's mit Euch steht; Ihr müßt uns bald Nachricht schicken, sonst wird Eure Mutter krank u.s.w. – das wird er doch auch verstehn?«

»O du einfältig Ding, das ist ja kein Brief, so sprechen alle Leute, so gelehrt sie auch sind; wartet einmal, seht so fängt es immer an: Sehr geehrte Eltern, ich ergreife mit zitternder Hand die Feder, um, um . . . da kann ich nicht mehr weiter.«

»Nun, um zu schreiben.«

»O, da wißt ihr es besser als ich; ihr wollt mich zum Besten haben, das ist nicht schön von euch, Trien.«

»Wo denkt ihr hin, Kaet, wenn ihr die Feder in die Hand nehmt, so wird es doch nicht sein, um ein Butterbrod zuschneiden; ich muß über eure Einfalt lachen, aber ich begreife nicht, warum euer Bruder immer zittert, wenn er sich ans Schreiben setzt. Nr kann gewiß nicht gutschreiben, und dann ists noch ärger, denn wenn Einer zittert, so schreibt er noch schlechter.«

»Nein, das ist die Ursache nicht, aber Dries lebt luftig in der Stadt und verlangt immer Geld, darum zittert er, denn der Vater ist so böse. Doch noch eins Trien, wie steht's mit der Kuh?«

»Ziemlich gut, das arme Thier hat etwas ausgestanden, doch jetzt erholt sie sich. Das Kalb haben wir an einen Bauer van Wechel-der-Zande verkauft, es war ein so hübsch schäckiches Thier.«

Bei diesen Worten entfernten sich die beiden Mädchen.

»Meinen Gruß zu Haus, Trien,« rief Kaet ihr nach, »seht, daß ihr mit eurem Brief fertig werdet und grüßt den Jan von uns.«

»Sonntag nach dem Hochamte will ich euch erzählen, wie's gegangen ist. Einen guten Tag an eure Schwester.«

Kaet's Stimme tönte durch die hohen Baume, sie sang in hellen Lauten den Refrain vom bekannten Mailiede.

 
Den Maibaum that man pflanzen,
Mit grünem Laub geschmückt;
Man sah die Jugend tanzen
Um ihn, froh und beglückt.
 
 
Ihr Mädchen allzusammen
Benutzt die Jugendzeit;
Das Alter löscht die Flammen
Der tollen Heiterkeit.
 

Trien blieb träumend stehen, bis die Stimme ihrer Freundin hinter dem Walde verscholl. Dann eilte sie halb gehend und halb hüpfend auf dem Wege weiter und erreichte endlich ihre Wohnung. Dort saßen die beiden Wittwen an einem Tische, mit Ungeduld auf Trien wartend. Der alte Großvater, vom Rheuma befallen, lag im Bett in den Alkoven und steckte den Kopf zwischen die Vorhänge heraus, um wenigstens mit Aug und Ohr bei dem großen Werke, das man unternehmen wollte, gegenwärtig zu sein.

Sobald sich das Mädchen in der Flur hören ließ, rafften die bei- den Wittwen in aller Hast die Sachen zusammen, die auf dem Tische lagen, und wischten ihn mit der Schürze rein. »Komm her, Trien,« sagte Jan's Mutter, »setze dich auf Großvaters Stuhl, er ist viel bequemer.«

Das Mädchen nahm am Tische Platz, legte das Blatt Papier vor sich hin, und steckte sich die Feder zwischen die Lippen.

Die Frauen und der Großvater sahen das sinnende Mädchen höchst neugierig an; das Brüderchen stemmte sich mit beiden Armen auf den Tisch, und gaffte ihr in Mund und Augen, um herauszubekommen , was sie mit der Feder thun wollte.

Doch Trien stand auf ohne ein Wort zu sprechen, nahm eine Kaffeetasse vom Kasten herab, schüttete die Tinte aus dem Fläschchen hinein, und setzte sich dann wieder an den Tisch, wo sie das Papier nach allen Seiten herumwandte.

Endlich tauchte sie die Feder in die Tinte und schickte sich zum Schreiben an. Nach einem Augenblicke hub sie ihren Kopf in die Höhe und frug dann:

»Nun sagt mir, was soll ich schreiben?«

Die beiden Wittwen sahen einander fragend an, und blickten auch auf den kranken Großvater hin, der den Hals aus dem Vorhange steckte und unverwandt nach Triens Hand hinsah.

»Nun schreibt, daß wir alle wohlauf sind,« sagte der Alte hustend, »so fängt ein Brief doch immer an.«

Das Mädchen bemerkte mit lächelnder Miene:

»Nun das wäre auch arg; daß wir alle wohlauf sind – und ihr liegt seit vierzehn Tagen krank im Bett.«

»Das könnt ihr ihm zuletzt im Brief immer noch sagen, Trien.«

»Nein, Mädchen, weißt du was du thun sollst?« sprach Jan's Mutter, »frage ihn zuerst, wie es mit seiner Gesundheit steht, sobald wir das auf dem Papier haben, werden wir wohl etwas dazu finden.«

»Nein, Kind,« sagte die andere, »schreib zuerst, daß du die Feder in die Hand nimmst, um zu hören, wie es mit seiner Gesundheit steht. So fing der Brief von Peter's Tieft auch an, den man uns gestern beim Bäcker vorlas.«

»Ja, das sagte des Holzschuhmachers Kaet auch, aber ich thu' es doch nicht, denn es ist so kindisch,« sagte das Mädchen ungeduldig. »Jan wird doch von selbst wissen, daß ich mit meinen Füßen nicht schreiben kann.«

»Setzt zuerst seinen Namen oben aufs Papier,« sagte der Großvater.

»Welchen Namen? Braams?«

»Durchaus nicht; Jan!«

»Ihr habt Recht, Vater,« antwortete das Mädchen, »geh' fort, Paul, thu' deine Arme vom Tisch herunter, und ihr, Mutter, setzt euch etwas mehr zurück, sonst werdet ihr mich sicher stoßen.«

Sie setzte die Feder an's Papier und während sie nach dem Platz suchte, wohin sie schreiben sollte, buchstabierte sie für sich den Namen des abwesenden Freundes.

Da stand Jan's Mutter mit einem Mal auf und ergriff des Mädchens Hand.

»Warte noch ein Bisschen, Trien, das Jan allein gefällt mir nicht, es ist zu kurz, es sollte etwas dabei sein. Wäre es nicht besser, geliebter Sohn, oder liebes Kind, dazu zu setzen?«

Diese Worte hörte Trien fast nicht, sie leckte am Papier und rief halb unmuthig:

»Seht, das kommt davon, da ist ein großer Klex auf dem Papier, und da hilft das Lecken nichts, er geht doch nicht heraus. Ich will das andere Blatt nehmen.«

»Nun, Trien, was sagt ihr dazu, geliebter Sohn, ist doch viel hübscher?«

»Nein, das will ich auch nicht hinsetzen,« murmelte Trien verdrießlich, »kann ich denn an Jan schreiben, als ob ich seine Mutter war?«

»Aber was willst du denn schreiben?«

Eine tiefe Schamröthe bedeckte des Mädchens Stirn.

»Wenn wir lieber Freund schrieben, findet ihr das nicht am Besten?«

»Das will ich denn doch auch nicht,« sagte die Mutter, »setze lieber kurzweg Jan.«

»Lieber Jan?« frug das Mädchen.

»Ja, so ist's gut,« antworteten Alle mit Einem Mal, als waren sie über die Lösung des schwierigen Räthsels hoch erfreut.

»Doch bleibt mir auch vom Leib,« rief das Mädchen, »und haltet den kleinen Paul, daß er mich nicht stößt.«

Das Mädchen begann die Arbeit, nach einem Augenblick standen ihr die hellen Schweißtropfen auf der Stirn, sie hielt ihren Athem an und war von der Anstrengung ganz roth, dabei seufzte sie tief auf, als hätte sie sich einer schweren Last entledigt und sagte heiter: »Uf! das L ist doch ungeheuer schwer! Doch jetzt steht es da mit seinem langen Hals.«

Die beiden Frauen standen auf und sahen mit Verwunderung auf den daumlangen Buchstaben.

»Das ist artig,« rief Jan's Mutter, »die Krähenfüße da heißen also lieber Jan? Es ist doch ein schönes Ding um das Schreiben, man sollte fast sagen, es stecke Hexerei dahinter.«

»Laß mich nur fortarbeiten,« sagte Trien mit Muth, »es wird schon gehen. Wenn die Feder nur nicht so spritzte!«

Trien arbeitete fleißig darauf los, der Großvater keuchte und Hustete, die Frauen trauten sich nicht zu rühren, das Brüderchen beschäftigte sich damit die Finger in die Tinte zu tauchen und das bloße Aermchen schwarz zu malen.

Als nach einer Weile die erste Linie voll großer Buchstaben dastand, unterbrach das Mädchen seine Arbeit.

»Nun, Trien, wie weit bist du?« frug Jan's Mutter, »du mußt uns doch immer vorlesen, was du auf dem Papier niederschreibst.«

»Ihr seid so eilig,« sagte Trien, »hier steht noch nichts als: lieber Jan, doch ist es schon hübsch, ich bin ganz in Schweiß. Lieber hol' ich noch den Mist aus dem Stall; ihr denkt sicher, daß Schreiben keine Arbeit ist – Paulchen bleib von der Tinte, sonst wirfst du die Tasse noch um.«

»Mach' nur weiter, Mädchen,« sagte der Großvater, »sonst wird der Brief in der nächsten Woche noch nicht fertig.«

»Das weiß ich wohl,« antwortete Trien, »doch sagt mir auch, was ich schreiben soll.«

»Erkundige dich vor allem nach seiner Gesundheit.«

Das Mädchen schrieb wieder während einer Weile, wischte zwei oder drei mißlungene Buchstaben mit ihrem Finger aus, suchte das Haar zu fassen, das in die Feder gekommen war, ärgerte sich über den Küster, der ihr so dicke Tinte gegeben hatte und las dann mit lauter Stimme:

»Lieber Jan, wie geht es mit Eurer Gesundheit?«

»So ist's recht,« sprach die Mutter, »schreib nun, daß wir alle gesund sind, Menschen und Vieh, und daß wir ihm einen guten Tag wünschen.«

Trien bedachte sich einen Augenblick und fuhr dann im Schreiben fort. Bald darauf las sie:

»Wir sind Gottlob alle gesund und der Ochs und die Kuh auch, bis auf den Großvater, der krank ist, und wir wünschen Euch alle zusammen einen guten Tag.«

»Herr Gott,« rief ihre Mutter, »wo Hast du das gelernt, Trien? Der Küster . . .«

»Sprecht nicht mehr mit mir,« fiel ihr das Mädchen in die Rede, »ihr stört mich nur; ich merke jetzt, daß es gehen wird.«

Während einer halben Stunde herrschte die tiefste Stille. Die Arbeit schien leichter vor sich zu gehen, denn das Mädchen lächelte zuweilen beim Schreiben, nur Paul störte sie, der jetzt mit allen fünf Fingern in die Tinte fuhr und seinen ganzen Arm schwarz gefärbt hatte. Wohl zehnmal hatte Trien die Tasse von der einen Seite des Tisches auf die andere gestellt, aber der Kleine war auf die Tinte so erpicht, daß er gar nicht fortzubringen war.

Endlich standen die zwei ersten Seiten von oben bis unten beschrieben. Auf die Bitte der Frauen las nun Trien mit einem gewissen Stolz Folgendes vor:

 

»Lieber Jan!

»Wie geht es mit Eurer Gesundheit? Wir sind Gottlob alle gesund und der Ochs und die Kuh auch, bis auf den Großvater, der krank ist – und wir wünschen Euch alle zusammen einen guten Tag. Es ist schon sechs Monate her, daß wir von Euch nichts mehr gehört haben. Laßt uns doch wissen, ob Ihr noch lebt. Es ist doch schlecht von Euch gethan, daß Ihr uns so ganz vergeßt, wir die Euch so gerne sehen, daß Eure Mutter den ganzen lieben Tag von Euch spricht, und daß ich des Nachts immer von Euch träume, daß Ihr unglücklich seid und daß ich Eure Stimme immer in mein Ohr rufen höre, Trien, Trien, und dann aus dem Schlummer auffahre. – Und der Ochs, das arme Thier, guckt immer aus dem Stall und seufzt und weint fast vor Kummer. – Und daß wir noch immer nichts von Euch wissen, kränkt uns sehr; Ihr müßt mit uns Mitleiden haben, Jan, sonst zehrt Euere gute Mutter vollends aus. Sobald sie Euren Namen nur hört, fängt sie an zu schluchzen und zu weinen, daß mir selbst dabei das Herz entzwei bricht. . . «

Beim Anhören dieser Zeilen waren allen die Thränen in die Augen gekommen, doch der traurige Inhalt der letzten Worte überwältigte sie vollends; das Mädchen wurde durch lautes Schluchzen unterbrochen. Der Großvater hatte sein Haupt auf den Rand des Bettes gelegt, um seine Thränen so zu verbergen; Jan's Mutter, zu tief erschüttert, um ihre Rührung bezwingen zu können, sprang auf und umhalste stumm das Mädchen, das mit Erstaunen die Wirkung ihres Aufsatzes betrachtete.

»Trien, Trien, wo holst du die Worte?« rief die andere Wittwe. »Das geht Einem wie Messerstiche durch's Herz! Es ist aber auch recht schön!«

»Oh, es ist die lautere Wahrheit,« schluchzte Jan's Mutter, »er muß es hoch erfahren, was mein Gemüth auszustehen hat. Lest nur fort, liebe Trien; ich kann es nicht begreifen, daß ihr so schön zu schreiben versteht; das ist ganz unerhört. Eure Hände, Kind, sind gewiß zu gut dazu, die Kuh zu melken und auf dem Felde zu arbeiten; aber Gott läßt so vieles in der Welt geschehen.«

Ueber diese Lobsprüche erfreut, sagte das Mädchen mit stolzer Miene:

»Ist es weiter nichts? Ich will's im Schreiben mit dem ersten besten aufnehmen; jetzt hab ich's heraus wie so ein Brief sein muß. Doch hört zu, es ist noch nicht aus:

»O Jan, wenn Ihr das wüßtet, würdet ihr uns alsbald Nachricht zukommen lassen.«

»Der Klee ist mißglückt, wegen der schlechten Saat und des Frostes; dafür lacht uns der Spergel an, so zart wie Butter. Das Korn hat auch etwas von der Dürre gelitten; doch hat uns der Herrgott mit schönem Buchwaizen und Sommer-Kartoffeln gesegnet. Und der Peter ist mit einem Mädchen von Pulderbosch getraut, das schielt, ihm aber auch etwas ins Haus bringt. Jan Sus, der Maurer, ist vom Dache des Brauers auf den Rücken des alten Schmidts gefallen, der seitdem auf dem Todbette liegt.«

Das Mädchen schwieg.

»Ist das Alles,« frug die Mutter unmuthig. »Soll er nicht erfahren, daß unsere Kuh gekalbt hat?«

»Ach ja, das habe ich vergessen. Nun, da steht's schon: Unsere Scheckin hat ein Kalb, es geht ihr gut und das Kalb ist verkauft.«

»Schreibst du ihm nichts von den Kaninchen, Trien?« frug der Großvater.

Das Mädchen schrieb und las dann:

»Großvater hat Kaninchen in den Stall gethan, sie sind so fett wie Dachse, doch das größte davon wollen wir am Leben lassen bis Ihr wiederkehrt. Das wird dann ein leckeres Mahl geben, Jan!«

Hier brachen Alle in ein heiteres Lachen aus; der Kleine, der die allgemeine Freude sah, klopfte, in Erwartung des leckeren Mahles, jauchzend in die Hände. Unglücklicherweise begegnete seine Hand der Kaffeetasse, die über den Tisch, rollte; wie ein schwarzer Nach ergoß sich die Tinte über den schönen Brief.

Jetzt war es mit dem Lachen aus; Alle sahen sich schweigend und düster an und hoben Hände und Augen zum Himmel empor, während Paulchen, eine Tracht Schläge fürchtend, zum Voraus heulte, daß die Ohren gellten.

Lange wurde das Kind mit Vorwürfen überhäuft und man jammerte über den Unfall, bis man zuletzt auf die Frage kam:

»Gott, was sollen wir jetzt thun?«

»Nun,« sagte Trien mit Entschlossenheit, »das Unglück ist so arg nicht; ich hatte doch vor, den Brief abzuschreiben, er war mir so nicht recht. Die Buchstaben sind zu groß und die Zeilen gehen ganz schief. Jetzt will ich's besser machen, ich habe neuen Muth bekommen. Laßt mich schnell ins Dorf laufen, um Tinte und Papier zu holen und meine Feder ausbessern zu lassen, sie ist zu stumpf geworden.«

»So geh' denn schnell, mein Kind,« war die Antwort. »Da hast du ein Fünffrankenstück vom Kalb. Laß es beim Küster wechseln; wir wollen dem armen Jan doch etwas Geld schicken. Paul, aus dem Haus! und komm vor dem Abend nicht zurück!«

Trien riß die Thür auf und lief, ein zufriedenes Lächeln im Angesicht, gegen das Dorf. Der Sieg, den sie errungen, die Gewißheit, von nun an an Jan schreiben zu können, und eine Art Stolz über ihre Kunst, füllten ihr Herz mit süßer Freude.

Am Lindenbaum, beim Kreuzweg, sah sie von fern den Briefträger auf sie herkommen. Bei diesem Anblick blieb sie stehen und ihr Herz pochte; denn da der Weg nur zu den Lehmhütten und in die unbewohnte Haide führte, zweifelte sie nicht, daß der Bote einen Brief von Jan hinbringe.

Und wirklich hielt er ihr einen Brief aus der Tasche hin und sagte lachend:

»Trien, hier habe ich etwas für euch, das von Venloo kommt; doch es kostet fünf und dreißig Cents.«

»Fünf und dreißig Cents!« murmelte Trien, während sie den Brief anfaßte und die Aufschrift träumend beobachtete.

»Ja, ja,« antwortete der Bote, »es steht auf der Adresse; ich werde euch um eine solche Kleinigkeit nicht betrügen.«

»Könnt ihr das wechseln?« frug Trien, und gab ihm das Fünffrankenstück.

Der Briefträger wechselte das Stück und behielt den Portobetrag.

Dann grüßte er das Mädchen freundlich und kehrte ins Dorf zurück.

Trien sprang voran und lief jauchzend nach Haus. Von Ungeduld gejagt, riß sie den Brief auf und erstaunte nicht wenig, einen zweiten Brief herausfallen zu sehen. Sie blieb stehen und hob ihn auf. Schamroth färbten sich Stirne und Wangen; ihre Lippen verzogen sich zum Lächeln, ihre Augen leuchteten vor Freude. Denn auf dem zweiten Brief stand in großen Lettern: Für Trien allein. – Für Trien! Jan hatte sein Herz in dieses Blatt Papier gelegt; daraus ließ sich seine Stimme vernehmen, um mit ihr allein zu sprechen! Zwischen Jan und ihr herrschte ein Geheimniß!

Gerührt und erstaunt stand sie einen Augenblick mit gesenktem Haupte da; eine Fluth von Gedanken überwältigte sie, als mit einem Mal das ferne Gebrüll des Ochsen ihr Ohr traf und sie erinnerte, daß sie nicht länger wegbleiben dürfte. Sie verbarg den zweiten Brief in ihrem Mieder und eilte nach der Hütte, wo sie zwischen die wartenden Frauen fiel und mit fröhlicher Stimme rief: