Der Bogen in die Zukunft

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Von der alten Palme steht nur noch der Stamm

Die Dichtung braucht ein neues Wort

dort, wo die Lücke zu schließen ist.

Belanglos fallen abgegriffene Worte

aus dem Zusammenhang heraus.

Still bleibt die gebundene Sprache der Bücher,

die vom Regal zu nehmen und aufzuschlagen sind.

Das intensive Lesen führt zum Dialog,

der in seiner Stille heftig ausgetragen wird.

Der Wind fegt durch den Spalt, und der Regen

wäscht das Innere aus, was die Reste sind,

die einige Leben mit Mühe aufbewahrt haben

wie das weiße Kleid zur heiligen Kommunion.

Von der alten Palme steht nur noch der Stamm.

Die Blätterarme sind ihm abgeschlagen, die zu Körben und anderen Dingen verarbeitet wurden. Tot steht nun der Stamm verloren und erstarrt.

Wo sind die jungen Palmen? Die alten sterben aus.

Wo sind die jungen Hände, Haus und Tradition zu pflegen?

Tief hat Menschenhand in die Natur gegriffen.

Die Verkarstung schreitet unvermindert fort,

deren Tempo Angst und Schrecken bringt.

Den zugezogenen Fenstern gegenüber, die Exilsprache des Russischen war von Vorteil

Nachdem er die Patienten in den anderen Sälen gesehen und mit kurzen Notizen in den Krankenblättern versehen hatte, geht Dr. Ferdinand zur Morgenbesprechung in das Büro des Superintendenten. Er setzt sich den zugezogenen Fenstern gegenüber. Die Klimaanlage rattert und bewegt die verbrauchte Luft des Vortages. Der Superintendent hat die schwarze Hautfarbe und ist nur wenig über die Lebensmitte hinaus. Er sitzt hinter dem großen Schreibtisch, hinter dem andere schon gesessen haben, und drückt den Telefonhörer mit der linken Hand ans linke Ohr. Er spricht englisch mit einigen Oshivambo-Zwischenbemerkungen. Es wird ein längeres Telefonat, bei dem sich die Gesichtszüge des Superintendenten spannen und wieder entspannen. Mit der rechten Hand macht er Notizen in eine Kladde vom DIN-A3-Format.

Der Superintendent ist der vierte mit der schwarzen Haut. Er folgt dem Kollegen, der im Exil in Moskau studiert hatte und nun auf dem Stuhl des ärztlichen Direktors sitzt, der als vorheriger Superintendent der schwarzhäutigen Kollegin auf dem Superintendentenstuhl gefolgt war, deren Exilsprache ebenfalls das Russische war. Diese stand nach der ersten Exilstation mit Schwangerschaft in Sambia an einem Moskauer Hospital, das der Lumumba-Universität angeschlossen war, in der gynäkologischen Ausbildung. Diese Ausbildung wurde wie bei den anderen Exil-Namibiern vorzeitig abgebrochen, um nach Namibia zurückzukehren und an den von der UN überwachten Wahlen im Jahr 1989 teilzunehmen und für die SWAPO zu stimmen.

Der derzeitige und vierte schwarze Superintendent war nicht im Exil, sondern hatte an einer südafrikanischen Universität die gynäkologische Ausbildung gemacht, die er aus persönlichen Gründen, die auch mit der Politik zu tun hatten, nicht abgeschlossen hatte. Er reserviert den Dienstagnachmittag für seine Patienten mit dem privaten Untersuchungsraum im Flachbau neben der Intensiv-Station. Viele dieser Patienten kommen als Privatpatientinnen und zahlen anstandslos ihren Obulus. Von den Nacht- und Wochenenddienst für die Patienten mit den leeren Händen, die sich das Private nicht leisten können, hatte sich dieser Superintendent ausgenommen. Damit folgt er in seiner Dienstabstinenz an der Allgemeinheit der Armen-Klasse seinem schwarzen Vorgänger.

Der Superintendent legt den Telefonhörer zurück und macht weitere Notizen. Die Zeit, wann die Morgenbesprechung beginnen sollte, ist überschritten. Einige Nachzügler treffen ein und besetzen die leeren Stühle. Es sind die kubanischen Kollegen, die die Zeit karibisch verstehen und sich regelmäßig verspäten. Sie sind die größte Gruppe und machen mehr als die Hälfte der Ärzte am Hospital aus. Die schwarze Kollegin, die vor der Unabhängigkeit sporadisch und über lange Strecken gar nicht zu den Besprechungen kam, erscheint auch nach der Unabhängigkeit nur gelegentlich und kommt dann meistens viel zu spät. Sie hat sich vom Stationsdienst im pädiatrischen Kindersaal abgesetzt und füllt nun den Posten eines Managers in der Malariabekämpfung in der Region aus. Das tut sie vom bequemen Sessel hinter dem Schreibtisch mit Telefon in einem gut klimatisierten Büro aus.

Die Gesichter der Anwesenden, die ihre Plätze eingenommen haben, sehen müde und gelangweilt aus. Einige gähnen in den Besprechungsraum hinein, ohne sich die Hand vor dem Mund zu halten. Es sind vorwiegend die kubanischen Kollegen, die so mundoffen gähnen. Der stumpfe oder satte Ausdruck in den Gesichtern steht im krassen Gegensatz zu den gespannten Gesichtern, die im selben Raum saßen, als die Granaten krachten und der Brigadegeneral von der letzten Entscheidungsschlacht sprach, in der für alle viel auf dem Spiele stand.

Davon und von den nächtlichen Ruhestörungen durch die Koevoet (Spezialeinheit der Polizei mit dem symbolträchtigen Namen ‘Brecheisen’), die das Hospital nach versteckten SWAPO-Kämpfern vergeblich absuchte, ist den verschlafenen Gesichtern jetzt nichts mehr anzusehen. Das Feuer der Angst und des Schreckens, von der Granate in Stücke gerissen zu werden, war erloschen. Damit war auch der große Geist der Hilfsbereitschaft erloschen, den es damals gab, als sich die wenigen Ärzte mit ihrem Leben Tag und Nacht für die Kranken und Verletzten einsetzten und sich bis zur physischen Erschöpfung in der Behandlung der schwarzen Bevölkerung forderten. Dr. Ferdinand erinnert sich an die müden Gesichter mit den geröteten Augen, wie sie sich in den letzten Jahren der Apartheid bei den morgendlichen Besprechungen gegenübersaßen und sich gegenseitig in die sorgenvollen Gesichter sahen.

Die Granatlöcher, Schießgräben und Inspektionsgruben an den Kontrollstellen der beiden Zugänge zum Dorf waren zugeschüttet und die Sandsäcke von den ehemaligen MG-Stellungen auf den Wassertürmen waren entfernt worden. Nur der ausgerollte Stacheldraht auf dem schmalen Weg zwischen Dorf und Hospital ist geblieben. Auch steckt noch die Holztafel mit der Aufschrift “For Whites Only” am schiefen Stock nach Passieren der fünf Caravan-Häuser am Dorfeingang neben dem Pfad. Die Löcher der Vergangenheit sind mit Geröll und Sand zugeschüttet worden. Es war unordentlich gemacht, dass die Merkmale des Provisorischen erkennbar blieben.

Der Superintendent führt das, was er zu sagen hat, in emotionsloser Monologsprache aus. Die Art und Weise des Sprechens, Zuhörens, Fragens und Diskutierens ist anders geworden. Alles ist abgeflacht. Das lässt sich mit der Aufmerksamkeit, der Hingabe und Tiefgründigkeit von einst nicht mehr vergleichen. Der Superintendent spricht und schaut in irgendeine Richtung, ohne dass sein Blick auf ein Gesicht zielt. So fahren auch die Blicke der Anwesenden ziellos umher. Die meisten der Gesichter blicken gleichgültig und teilnahmslos. Das Telefon ist’s, dessen Klingeln den monotonen Redefluss des Superintendenten unterbricht, der wie ein Gebieter auf dem erhöhten Stuhl hinter dem großen Schreibtisch sitzt und seine Anweisungen und Erlasse ohne Widerrede gibt.

Es sind die altbekannten Themen, die aufgerollt und abgespult werden, ohne dass sich in den vergangenen Wochen und Monaten etwas in der praktischen Umsetzung getan hätte. Viele der Themen wurden auch vor der Unabhängigkeit vorgetragen und diskutiert. Trotz der Dringlichkeit bezüglich der Hygieneverbesserung und Sanierung der alten Toilettenanlagen sowie der Beschaffung von Antibiotika, Malaria- und TB-Medikamenten, hat sich in den ersten Jahren der Unabhängigkeit nicht viel getan.

Der Unterschied liegt in der wenig konstruktiven Anteilnahme an den Nöten der Menschen, liegt im Fehlen der Bekundung des Helfenwollens und Helfenmüssens unter den gegebenen Bedingungen und Umständen, die in ihrer Mehrzahl nicht in Ordnung waren. Hinzu kommt, dass die Mehrzahl der kubanischen Kollegen kein Englisch sprechen. Doch mit zunehmender Übung werden auch sie auf die Missstände am Hospital hinweisen. Die aus dem Exil zurückgekehrten namibischen Ärzte verhalten sich dagegen bedeckt. Sie schweigen sich zu den Mängeln aus und leisten keinen konstruktiven Diskussionsbeitrag.

Weg und Klippen, sie strecken sich weit

Du bist der Spiegel deiner Mutter,

in dem sie ihr rasches Altern erkennt.

Auch bist du der Nagel in der Wand

mit dem Bild ihrer Jugend und Schönheit.

Bild und Bildnis werden bleiben

weit über den Tod der Mutter hinaus.

Welches Feld du auch pflügen wirst,

ihre Mahnungen gehen dem Pflug voraus.

Die Sonne brennt auf Pfad und Gesicht,

die Jahre runzeln tiefer die Stirnen.

Die Schwere der vollen Eimer drückt

Köpfe und magere Körper in die Sohlen.

Doch die Wirbelsäule krümmt sich nicht,

sie will das Wasser über die Jahre tragen.

Erfahrung und Stolz kerben ihre Marken,

in Rissen und Schwielen tiefer hinein.

Weg und Klippen, sie strecken sich weit

bis hin zum Brunnen, und noch weiter,

wenn der Brunnenboden versandet ist.

Unendliches Blau füllt den strahlenden Himmel,

es ist das Wasser, das auf Köpfen getragen wird.

Mit Blick auf die Haut

Die Menschen haben sich an die Unabhängigkeit und den ersten schwarzen Präsidenten ebenso gewöhnt wie an den aufgeblähten Verwaltungsapparat der Ministerien. Die höchsten Posten mit den größten Gehältern und weiteren Zulagen und Vergünstigungen wurden an die aus dem Exil Zurückgekehrten vergeben. Die Bevorzugten haben fast alle die schwarze Haut. Sie haben als Minister, stellvertretende Minister und Staatssekretäre samt Vertretern das existentiell am höchsten abgesicherte öffentliche und private Leben. Die Kosten im Krankheitsfall übernimmt die Regierung. Die Minister erhalten zum Dienstwagen mit Chauffeur noch einen Wagen der gehobenen Mittelklasse zum privaten Gebrauch. Die Kosten für Haus und Einrichtungen und Bedienstete werden vom Staat getragen und mit großzügigen Zuschüssen versehen. Die teuren Häuser und Grundstücke werden auf Staatskosten rundum die Uhr bewacht. Es gibt Zuschüsse über Zuschüsse, ob bei den monatlichen Zahlungen für Strom, Wasser und Müllabfuhr an die Stadtverwaltung, fürs Telefonieren oder das luxuriöse Reisen und so vieles mehr.

 

Es wundert deshalb nicht, dass die bevorzugten ‘Staatsdiener’ in kurzer Zeit zu beachtlichem Wohlstand gelangt sind und es weiter bringen, der in krassem Gegensatz zur allgemeinen Armut steht. Nicht nur, dass auch die Frauen der höchsten Staatsdiener hohe Funktionärsposten in anderen Ministerien und halbstaatlichen Unternehmen besetzen. Clan- und Vetternwirtschaft sowie die Korruption mit der Selbstbereicherung stehen seit Jahren in voller Blüte und das vor allem bei den Mitgliedern der regierenden Staatspartei. Dabei ist mehr als jeder zweite Arbeitswillige im Lande arbeitslos. Die HIV-Rate liegt bei zwanzig Prozent, und die alten Menschen bekommen die beschämend kleine Monatsrente, die etwa den Kosten eines Sackes Maismehl entspricht. Es gibt keinen Zweifel, dass die Armut auf dem Vormarsch ist.

Es sind fünf Jahre nach der Unabhängigkeit, wenn über bestimmte Dinge nicht gesprochen wird. Dazu gehört der Vorplatz des Hospitals mit dem ständigen Uringestank, die miserablen Zustände in den Krankensälen mit den tropfenden und klemmenden Wasserhähnen, die mangelnde Sauberkeit in den Waschräumen und Toiletten, die verbrauchten, eingerissenen, verschmierten und nach Urin riechenden Schaumgummimatratzen, die alten Betten mit den angebrochenen Gestellen, die angerosteten Nachttische mit den klemmenden und fehlenden Schubladen, und so vieles mehr. Grundsätzliche Dinge werden verschwiegen, die picobello sein müssen, da an ihnen der Zustand des Hospitals abzulesen ist. Die Mängel werden mit und nach der Unabhängigleit weiter hingenommen, während sie wenige Jahre zuvor mit starken Worten angeprangert worden sind. Hier war es vor allem die hagere, kämpferische Matrone mit dem blassen sorgenzerfurchten Gesicht, die sich für die bessere Hygiene zum Wohle der schwarzen Patienten eingesetzt hatte.

Es erstaunt in erschreckendem Maße, wie der Geist des vollen Einsatzes an den kranken Menschen so rasch nach der Unabhängigkeit bergab gegangen ist. Waren doch die Missstände unverändert geblieben, von denen einige weiter zum Himmel schreien beziehungsweise stinken.

Im kleinen Teeraum neben dem Korridor, den OP-Sälen gegenüber, sind die Stühle mit den ausgesessenen und eingerissenen Sitz- und Rückenpolstern international besetzt. Die kubanische Kollegin trinkt ihren Kaffee aus und geht zum ‘theatre 3’, um eine Bauchoperation durchzuführen. Keiner der Kollegen, die mit dem Kaffee und Tee noch zugange sind, vermittelt den Eindruck des Arbeitseifers. Keiner stürzt sich in die Arbeit oder lässt sich in die Arbeit stürzen, obwohl es mehr als genug zu tun gibt. In der Einstellung dieser Zurücklehnung machen die namibischen Ärzte keine Ausnahme.

Ferdinand leert die Tasse, stellt sie auf die kleine Durchreiche zurück und geht zum ‘theatre 2’, wo der Patient zur Oberschenkelnagelung auf dem OP-Tisch liegt. Der birmanische Kollege mit dem tiefer hängenden Oberlid über dem rechten Auge leitet die Narkose ein und führt den Atemtubus in die Luftröhre des Patienten. Der Tubus wird über zwei Verbindungsschläuche (einen für Sauerstoff, den andern für Lachgas) an das Narkosegerät angeschlossen. Ferdinand und der philippinische Kollege drehen den schlafenden Patienten auf die linke Seite und ziehen breite Pflasterstreifen über den Körper, um die Seitenlage während der Operation zu halten. Die OP-Schwester säubert das rechte Bein mit der braunen Desinfektionslösung und deckt den Patienten mit sterilen grünen Tüchern ab. Operateur und Assistent betreten nach dem Händewaschen in sterilen grünen Kitteln den Op-Raum.

Auch bei dieser Operation muss improvisiert werden. Die verfügbaren Marknägel sind entweder zu kurz oder zu lang. Es ist dieselbe missliche Situation, wie sie so oft in den Jahren der Apartheid erlebt wurde. An diesem Missstand hat sich seit der Unabhängigkeit trotz ständiger Reklamationen nichts geändert. Die Erklärung lautet, dass die Nägel seit Monaten bestellt seien aber nicht geliefert würden, da die Rechnungen für bereits gelieferte Instrumente nicht bezahlt waren. Was früher die rassenpolitische Ausgrenzung war, sind nun die fehlenden Gelder. So ist das Bemühen weiterhin erfolglos, das Instrumentarium für die Knochenchirurgie auf den Stand der Zeit zu bringen. Auch am Schwitzen beim Operieren hat sich nichts geändert. Wenn es die Klimaanlage im OP einmal tut, dann ist sie unfähig, die Bullenhitze auf eine erträgliche Temperatur zu senken.

Auch über die Bullenhitze wird viel geredet. Dabei besteht kein Zweifel am erhöhten Risiko für Patient und Arzt. Theoretisch schlagen die Klöppel des ärztlichen Ethos auf die Trommelfelle. Aber in der Praxis geschieht nichts. Die notwendigen Taten bleiben weiterhin aus. Das schlägt auf die Atmosphäre, die sich deutlich abgekühlt hat und das im Gegensatz zur räumlichen Bullenhitze. Es gibt jedoch atmosphärische Unterschiede von ‘theatre’ zu ‘theatre’, was von den Menschen abhängt, die an der Operation beteiligt sind. Die Kommunikation und der Wille miteinander zu reden, sind nach der Unabhängigkeit enttäuschend zurückgegangen. Man empfindet das Sprechen miteinander nicht mehr für so notwendig und hilfreich, wie es damals empfunden wurde, als die Granaten einschlugen, die OP-Säle vibrierten, die Instrumententische mit aufspringenden Instrumenten davonrollten und das Licht in den OP-Lampen ausging. Damals war das Leben aller tagtäglich bedroht. Man sprach über die Geschehnisse und ihre Gefahren und sprach sich gegenseitig den Mut zum Durchhalten zu.

Es ist die Improvisation mit dem Marknagel, dass die Operation eine halbe Stunde länger dauert, die gewöhnlich eine Stunde und nicht mehr in Anspruch nimmt. Hinzu kommt, dass sich der Kollege aus Birma mit dem herabhängenden rechten Augenoberlid mehr Zeit für die Narkoseeinleitung ließ, als es seine Kollegen vom ‘Schlafdepartment’ tun. Der zweite Grund ist die abhanden gekommene Bereitschaft der Schwestern, unter erhöhten Stressbedingungen zu arbeiten, was vor der Unabhängigkeit die Regel war. Man lässt sich nicht mehr hetzen und sagt es auch in einem Ton, der unmissverständlich ist. Es wird über die unerträgliche Hitze im OP geklagt, die vor der Unabhängigkeit bei der viel größeren Anspannung und Belastung ohne ein Wort der Klage ertragen wurde.

Die Selbstverständlichkeit von ‚gestern‘, Höchstleistungen unter miserablen, kritischen und lebensbedrohlichen Umständen zu bringen, weil die Not unter den Nägeln brannte, diese Selbstverständlichkeit gibt es heute nicht mehr. Der Alltag ist so sicher wie das Gehalt am Monatsende. Da lässt sich keiner auf die höheren Anforderungen ein, wie sie damals zur Zeit des Krieges herrschten. Die Leistungsschraube ist auf eine Norm zurückgedreht worden, die sich mit der einstigen Norm überhaupt nicht vergleichen lässt. Nun wackelt die gelöste Leistungsschraube schon im ersten Schraubenloch. Es ist der neue Geist, dass mit den herabgesetzten, neuen Normen nach der Uhr gearbeitet wird. Die Tee- und Mittagspausen werden pünktlich genommen und ausgiebig eingehalten. Auch gibt es für den Heimweg nach Schichtende keine zeitliche Verzögerung mehr, eher das Gegenteil, und das besonders von jenen, die es mit der morgendlichen Pünktlichkeit zur Arbeit nicht so genau nehmen.

Der Patient atmet spontan, dass der birmanische Narkosearzt den Atemtubus aus der Luftröhre herauszieht und die Sauerstoffmaske aufs Gesicht setzt. Beim Herüberheben des Patienten vom OP-Tisch auf die Trage gibt es genug Hände zum Mitanfassen. Das erinnert Ferdinand an den einstigen Gemeinschaftsgeist, was ihn mit tiefer Befriedigung erfüllt. In Bezug auf diesen großartigen Geist wünscht er sich manches Mal die alte Zeit zurück mit den geröteten Augen der Übermüdung, doch ohne dass die Granaten wieder einschlagen und ohne die Angst, von ihnen zerrissen zu werden.

Bescheidenheit und Aufrichtigkeit sind Zeichen der Stärke

Es ist die Demut, die mich davor zurückhält, mich vor die anderen Menschen zu setzen. (Lao Tzu) Ohne zu wissen, was Weisheit sein soll, weiß ich nicht, wer ich bin. Bescheidenheit wird bedeutsam zusammen mit Aufrichtigkeit. Eine Konsequenz: Menschen suchen nach Sicherheit, doch keine Sicherheit ist im Leben absolut sicher. Ich sehe in das Innere einer Person ohne Rang oder Status oder Titel. Wenn du dich verwundbar machst, weil du die Wahrheit sprichst, dann demonstriest du deine Stärke in dem Augenblick, denn Bescheidenheit und Aufrichtigkeit sind Zeichen der Stärke.

Demut bedeutet: Stehe zwischen oder im Rücken anderer Menschen, aber nicht in der Mitte oder vor ihnen, um zu zeigen, dass du eine sehr besondere und wichtige Person bist, die aus der Gruppe normaler Menschen herausragt. Nimm die Bescheidenheit mit Ernst, um die innere Macht in deinem Leben und deiner Arbeit zu demonstrieren.

Du bringst die Wahrheit und Aufrichtigkeit in Verruf, wenn du versuchen solltest, den Menschen wie ein Dozent an der Universität mit großen Worten und der akademischen Geste der Wichtigkeit zu sagen, auf welcher Grundlage die Bescheidenheit wie Blumen wachsen kann, wenn du das Gegenteil von Größe bist.

Es ist nicht so kompliziert zu verstehen, dass große Dinge, die mehr oder weniger zeitlos sind, nicht zu fassen sind, wenn sie basisch an einfache, aber starke Elemente gebunden sind. Diese Verbindung ist weder auflösbar noch zerreißbar. Das bedeutet: Dir ist nicht erlaubt, mit dem Finger an und um dieses Element herum zu fummeln, weil dein Wissen zu kurz ist, um die Situation der Anbindung zu verstehen.

Ohne zu wissen, was Weisheit ist oder sein soll, du sollst ruhig und tiefergehend reflektiv werden. Es ist die allgemeine Beobachtung, dass ohne den hohen Wert der Offenbarung, was Weisheit tut, du unfähig bist, dich zu erkennen und zu kennzeichnen. Es ist der Mangel an Kapazität, der den Weg des Wissens blockiert.

Die Stärke im engen Verbund mit der Wahheit zu demonstrieren, bleibt für die meisten Menschen ein unerfüllter Traum, weil der Weg von den gehäuften Abfällen des Missverstehens und anderer falscher Interpretationen nicht gesäubert ist. Der Gang muss verzögert oder für eine längere Zeit verschoben werden, bis das Fundament zum Denken und Gehen solide gemacht ist.

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