Scharfe Klingen (-Stadt)

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Frechheit siegt, hatte Udo ihr zu Recht suggeriert.

Was dachte sich dieser arrogante Meier? Nur weil er mehr Geld hatte, sei er etwas Besseres? Deshalb könne er mit ihr umgehen wie mit einem dummen, kleinen Kind! Ha, das würde sie ihm beweisen. Wer war dieser Hurenbock denn schon? Ruth bebte vor Zorn.

Meier hatte Ruth mit offen stehendem Mund angestarrt, er schien sprachlos. Doch dann besann er sich eines Besseren, versuchte zu beschwichtigen: „Nun mal langsam. Sei doch nicht gleich eingeschnappt, Ruth. So war das doch gar nicht gemeint. Ich wollte dich doch nicht kränken. Also lass uns in mein Büro gehen und in Ruhe über die Sache reden. Wir werden schon eine Lösung finden!“ lenkte er ein.

Ruth schüttelte energisch den Kopf und sagte störrisch: „Nein Bert, wir brauchen das nicht in deinem Büro zu besprechen. Jetzt hat die Frau Wirtz eh schon alles mitbekommen, deshalb müssen wir daraus kein Geheimnis mehr machen, wie wir uns einigen. Ich sage dir meine Bedingungen. Entweder du zahlst mir ab dem nächsten Auftrag, der von meinen Adressen reinkommt, eine Super-Provision von drei Mark pro Quadratmeter, und ich werde mindestens einen pro Woche selbst schreiben, oder ich wechsle mit meinen Werbedamen die Firma. Das ist die einzige Wahl, die du hast. Anders geht es nicht mehr! Ich war lange genug ein Schäfchen, das ist vorbei. Ich muss mir eine Wohnung einrichten, ich dafür brauche jetzt viel Geld. Das Mini-Gehalt reicht dazu nicht!“ verlangte sie mit hartem Ton und Nachdruck in der Haltung.

Empört erwiderte der Chef: „Aber Ruth, ich kann doch nicht zusätzlich drei Mark an dich bezahlen, dann wäre ich ja bei dreizehn Mark pro Quadratmeter. Nein, das geht nicht!“

Wieder schüttelte Ruth den Kopf, schlug gelassen vor: „Nein, musst du doch nicht! Dann ziehst du die drei Mark einfach den Vertretern ab. Sieben Mark sind auch genug, dafür dass es die Herren sonst nichts kostet. Denn die Lauferei um die Adressen reinzuholen, die habe ich, und nicht die Herren Vertreter. Ja, wie gesagt, oder…“ ließ sie das Ende offen. „Aber was ist jetzt mit diesem Auftrag hier? Gibt es Geld oder verkaufe ich den schon der Konkurrenz?“ drängte sie auf eine Entscheidung.

„Stellen Sie bitte einen Scheck aus, Frau Wirtz….“ Wollte Meier die Sekretärin anweisen.

„Halt, stopp. Nein, ich will Bargeld. Und jetzt erzähl mir bitte nicht, dass du nicht so viel Bargeld im Haus hast. Fünfzehnhundert sind für dich doch Wasserflöhe, lieber Chef. Dafür kenne ich dich ja gut genug.“ Frozelte Ruth ironisch.

„Ich schau mal eben nach.“ Knurrte Meier geschlagen und verschwand ins Chefzimmer.

Nur wenige Minuten später zählte er ihr fünfzehn Hunderter auf die Theke.

„Sag mir bitte spätestens Morgen Bescheid, wie du dich entschieden hast. Tschüss.“ Verlangte Ruth bevor sie das Büro verließ.

Auf dem Weg zu ihrem Auto stieß Ruth fast mit Robert zusammen: „Gut das ich dich endlich mal erwische. Willst du nicht mal endlich nach Hause kommen und deinen Kindern erklären auf was für Abwegen ihre Mutter mal wieder ist?“ raunzte er sie ärgerlich an.

Ruth überhörte die Spitzfindigkeit, nickte und erwiderte ruhig: „Ja, das machen wir am Wochenende. Vorher ist es bei mir zeitlich zu knapp, bei dir doch sicher auch, oder? Wie ich hörte hast du auch einiges aufzuarbeiten. Allerdings bringe ich meinen Freund zu dem Gespräch mit. Denn wir beide müssen uns ja auch noch finanziell und wegen der Möbel einigen.“

Empört lehnte Robert ab: „Nein, der Kerl kommt mir nicht in die Bude. Spinnst du? Was mutest du mir zu?“

Gelassen antwortete Ruth: „In Ordnung. Wie du willst. Dann machen wir einen anderen Treffpunkt aus. Oder besser, komm du doch mit den Kindern zur Beate. Die Beate ist sowieso nicht da, und da haben wir Platz genug auch wenn wir noch Dinge besprechen müssen, wo die Kinder nicht zuhören müssen, dann gehen wir in die Küche und die Kinder können solange fernsehen. Ich ruf dich am Samstag an.“ Sie ließ ihn einfach stehen, bevor von ihm noch andere Vorschläge kommen konnten.

Sie war so wütend, dass sie laut vor sich hin schimpfte: „Diese Kerle sind doch wohl nicht ganz klar in der Birne? Na gut, den Robert kann ich ja noch ein bissel verstehen, schließlich hat er sein bestes Arbeitspferd verloren. Dass er den Rivalen nicht in seiner Wohnung sehen will ist deshalb verständlich. Jedoch muss Robert mir auch ein wenig Entgegenkommen zeigen. Aber dann dieser Arsch von Meier. So ein hässlicher Penner! Hat dieser Meier zu Hause die Spiegel verhangen? Nur weil er nicht bei mir landen konnte, versucht er mir Steine in den Weg zu legen? Also reine gekränkte Eitelkeit, weil ich einen Anderen vorgezogen habe, oder warum? Nee, lieber Bert, du könntest der einzige Mann auf einer einsamen Insel sein, dann würde ich um Hilfe schreien, wenn du mich besteigen wolltest. Na warte, mein Lieber, dir zeige ich auch noch wer Ruthchen Woods ist, mein Ehemann hat es schon erfahren. Du bist der Nächste den ich das Fürchten lehre. Nee, nicht mit mir!“

Nicht kleckern – sondern klotzen

„Wieso kommst du so spät?“ empfing Udo sie mit vorwurfsvollem Ton.

„Ach, ich hatte noch eine heftige Diskussion mit dem Meier. Es hat ein wenig gedauert bis er begriffen hat, dass ich am längeren Hebel sitze. Aber dann hat er doch gezahlt. Morgen wird er mir sagen wie er sich entschieden hat, Super-Provision oder keine Adressen mehr von mir!“

„Hast du denn wenigstens die Adressen festgehalten?“ wollte Udo wissen.

„Nur eine.“ Berichtete Ruth wahrheitsgemäß.

Ärgerlich knurrte ihr Freund: „Warum denn nur eine? Haben die Weiber heute keine neuen rein gebracht? Oder warum hast du die zwei von gestern abgeliefert?“

„Doch, zwei, und die habe ich noch. Nur die zwei alten habe ich in der Kartei hinterlegt. Ich habe also insgesamt noch drei Adressen, sei beruhigt.“ Erklärte Ruth stolz.

Udo meinte hart: „Gar keine hättest du dalassen sollen. Mein Gott, muss ich dir denn alles erklären? Bevor er dir die Zusage gemacht hat, dass er bereit ist, dich genauso zu akzeptieren wie die anderen Vertreter, darfst du ihm gar nicht mehr entgegenkommen. Verstehst du das nicht? Und noch etwas solltest du ab sofort ändern, wie die Adressen an dich abgeliefert werden. Die Weiber sollen grundsätzlich immer Randbemerkungen, wie zum Beispiel deine Schwiegermutter bei der Adresse von gestern, auf der Liste vermerken. Und noch was für Leute die Besitzer sind, ob Angestellte oder Ärzte und so weiter, und wie zugänglich die sind, ob gesprächig oder eher zögerlich. Verstehst du?“

Verwundert schüttelte sie den Kopf und fragte: „Wozu soll das gut sein? Die Frauen sind doch keine Hellseherinnen, sondern normale Menschen. Woher sollen die das alles wissen?“

„Meine Güte, dir muss ich ja wirklich noch viel beibringen!“ stöhnte Udo genervt. „Also, hör mal zu. Die Größe, ob Ein- oder Mehrfamilienhaus können die ja sehen, wenn das Doktoren oder Direktoren sind, also gebildete, bessere Leute, das steht doch auf der Klingel. Aber für uns ist das wichtig, um zu entscheiden wo wir zuerst hingehen, was am rentabelsten ist und mit wem wir es zu tun haben. Dann können wir uns besser vorbereiten und auf die Leute einstellen. Für die Weiber ist das doch einfach, das ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Sag ihnen meinetwegen, dass sie was Extra kriegen. Aber versprich das nur, wenn es sein muss. Wenn sie maulen, verstanden?“

Welch ein kluger Mann, dachte Ruth und bewunderte ihn im Stillen.

„Die Kohle hast du also? Na, dann können wir ja heute feiern und ich kann endlich mal Einen trinken. Gib mir mal Geld, damit ich mal wieder erleben kann, wie sich das anfühlt. Ja, und zieh dich mal um, so blamiere ich mich ja mit dir.“ verlangte ihr Freund.

Endlich mal, wunderte sich Ruth im Stillen, und was war gestern? Empört fragte sie: „Wieso blamierst du dich mit mir. Wegen was?“

Udo betrachtete Ruth abwertend von oben bis unten, verzog die Mundwinkel und erklärte: „Na mit den Klamotten siehst du aus wie ein Marktweib, so nehme ich dich nicht mit. Zeig mal was du im Schrank hast, ob da was Schickeres bei ist. Und häng dir bitte nicht immer dieses entsetzliche Blechherz um den Hals. Mag ja sein, dass man in deinen Kreisen so etwas schön findet, aber solcher Schrott gehört nur in die Altmetall-Kiste, und sonst nirgendwo hin. Siehst ja aus wie armer Leute Kind. Sobald es uns besser geht hol ich für dich den echten Schmuck von der Manuela aus der Pfanne. “

Beleidigt erwiderte sie: „Ich bin armer Leute Kind. So doof es sich auch anhört. Aber ich brauche keinen echten Schmuck und außerdem hatte ich auch für echten Schmuck kein Geld. Ich hatte eine Familie zu ernähren, da blieb für Luxus nichts übrig. Hier, schau selbst nach, was du für besser hältst.“ Ruth öffnete ihre Seite des schmalen Schrankes und präsentierte die wenigen Kleidungsstücke.

„Nee, lass mal, ich sehe schon, eine Jeans ist schlimmer als die Andere. Hast du denn wenigstens noch ein paar gute Klamotten in deiner ehemaligen Wohnung hängen? Auch dieses dünne Lodenjäckchen ist noch hässlicher als der fürchterliche Kaninchenmantel, den du im Winter immer getragen hast. Brr, entsetzlich. Ich sehe schon, ich muss dich mal gründlich neu einkleiden. Aber jetzt nützt das im Moment leider nichts. Also mach dich fertig, und dann ruf ein Taxi.“ Bemängelte er Kopfschüttelnd.

Obwohl Ruth seine Ausdrucksweise als Beleidigung empfand, wollte sie nicht weiter darauf eingehen, denn offenbar war er Besseres gewöhnt, und es würde noch viel Unbekanntes auf sie zukommen, fürchtete sie. Deshalb ging Ruth zum nächsten Thema über. „Warum denn ein Taxi? Ich habe doch ein Auto?“ wunderte sie sich.

„Weil wir ein Fest machen, und dabei trinkt man nun mal. Ich möchte nicht dass du deinen Führerschein riskierst, es reicht ja, dass ich keinen habe.“

 

Ihr fiel sofort die gemeinsame Wochenend-Tour ein, deshalb fragte Ruth völlig geschockt: „Was sagst du da? Du hast keinen Führerschein? Und dann hast du trotzdem den Mercedes von meinem Kollegen gefahren? Das glaube ich jetzt nicht. Was wäre denn gewesen, wenn uns die Polizei angehalten hätte?“

„Pech wäre das gewesen.“ Amüsierte sich ihr Freund über ihre empörte Frage. „So, genug geschwätzt, mach hin und bummle nicht länger. Ich will feiern.“

„Aber wir müssen doch noch einen Termin wahrnehmen. Es ist doch noch viel zu früh um zu feiern.“ Wagte sie einzuwenden.

Genervt winkte Udo ab. „Heute wird nicht mehr gearbeitet. Oder hast du einen festen Termin für heute Nachmittag?“ Auf ihre Verneinung fuhr er fort: „Also nicht, das dachte ich mir. Nein, das machen wir morgen. Bevor wir feiern gehen wir kurz einkaufen, und zwar vernünftige Klamotten für dich. Damit ich mich mit dir sehen lassen kann. So, Schluss jetzt, ruf das Taxi.“

Energisch lehnte Ruth ab: „Nein, wir brauchen kein Taxi. Ich nehme mein Auto, ich trinke ja nicht. Es ist zu teuer solche weiten Strecken per Taxi zu fahren. Man kann auch das Geld zum Fenster rauswerfen. Das kann ich aber nicht!“

Udo brummelte sich etwas in den Bart, was sie nicht verstand, er widersprach allerdings nicht.

In der Wuppertaler City steuerte Udo zielbewusst auf ein großes Bekleidungsgeschäft zu, für dessen teure Artikel Ruth sich bis dato niemals interessiert hatte, weil Ruth sie als altmodisch empfand und die Kleider deshalb nicht ihrem Stil entsprachen. Bisher war Ruth mit der gängigen Mode, gelöcherten Schlagjeans und Westen mit Schusslöchern, immer zufrieden gewesen, und hatte sich als „gut gekleidet“ empfunden, weil es einfach dem Stil der jungen Generation entsprach. Und mit Dreißig war sie dazu noch jung genug. Udos Stoffhosen und Jacketts empfand sie als „Altmänner-Mode“, obwohl er in einer Jeans, für Ruth unvorstellbar war. Udo war zwar erst Fünfundzwanzig, aber einfach kein Jeans-Typ.

Mit sicherem Geschmack wählte Udo eine nachtblaue Tuchhose, eine enge weiße Baumwollbluse mit rot-blauen Streifen und einen blauen Samtblazer für Ruth aus. Danach dirigierte er sie in das Schuhgeschäft unter dem Sportcafe und entschied sich für dunkelrote Leder-Stiefeletten mit Keilabsatz. Fast dreihundert Mark hatte das ganze gekostet.

„So, du kannst dich gleich oben im Cafe umziehen, im Hinterzimmer, dann passt du wenigstens zu mir.“ Entschied Udo selbstsicher, ohne dass er Ruth um ihre Zustimmung gefragt hatte. Er setzte einfach voraus, dass ihr sein Geschmack gefiel. Ergeben nickte sie, denn er war der erste Mann, der jemals etwas für sie gekauft hatte. Dass er noch dazu so viel Geld für ihr Aussehen investierte, ließ keinen Widerspruch zu. Irgendwie gefiel ihr das auch, trotz Udos bestimmender Art.

Das Hinterzimmer des Cafes war eher eine Rumpelkammer, in der es keinen Spiegel gab, sodass Ruth gar nicht sehen konnte wie die Sachen zusammen aussahen, weil sie die Teile auch nur getrennt anprobiert hatte. Aber irgendwie fühlte Ruth sich wie Aschenputtel, die nun zur Prinzessin erwacht war, besonders als die bewundernden Blicke der anderen Gäste des Sportcafes sie trafen. Ruth war zwar eine kleine, zierliche Frau, aber in diesem Moment wuchs sie voller Stolz um mehrere Zentimeter. Dafür sorgte schon die elegante Kleidung.

Vom Sportcafe, über zwei Discos, einer Kellerbar und letztlich einer dunklen Zockspelunke schleppte Udo Ruth durch die Nacht.

Es wurde eine lange Nacht. Der Mann war unersättlich.

Ruth war hundemüde, was aber das Schlimmste war, Udo verlor fast tausend Mark von ihrem Geld, sodass sie am Ende nur noch zweihundert Mark von der Provision übrig hatten.

Zu Ruths Müdigkeit kam auch noch die Enttäuschung, dass Udo so leichtfertig mit ihrem Geld umging. Statt einer Entschuldigung oder Erklärung sagte Udo nur auf dem Heimweg: „Ist doch nur Geld. Morgen gibt es neues!“

Trotzdem schwieg Ruth, denn schließlich hatte er auch einiges für sie ausgegeben.

Der Freitag war in der Firma der Zahltag. Da Bert Meier die Angewohnheit hatte, seine Mitarbeiter, bei einem persönlichen Gespräch, in Bar auszuzahlen, brachte Ruth, wie üblich, nach der Werberunde auch die Frauen ins Büro. Es herrschte bereits reger Betrieb.

Ruth hatte sich schon vorher fest vorgenommen, sich nicht mehr auf den letzten Platz hinten anstellen zu lassen, deshalb schob sie ihre drei Damen nach vorne. Überraschenderweise kam der Chef gleich auf die Frauen zu und fragte entgegenkommend: „Haben die Damen die gleiche Stundenzahl wie üblich?“

Auf Ruths erstauntes Nicken wies er seine Sekretärin an: „Machen Sie bitte die Quittungen für die Werbedamen fertig, Frau Wirtz.“ Dann wandte er sich der Neuen zu und fragte: „Sind Sie neu in dem Werbeteam? Ich sehe Sie heute zum ersten Mal. Wie ist denn Ihr Name?“

„Dietze, Herr Meier! Ich heiße Bigi Dietze. Ja, ich arbeite erst zwei Wochen für Sie. Freut mich Sie endlich kennen zu lernen.“ strahlte die kleine pausbackige Werbedame, mit dem blonden Pferdeschwanz, den Chef mit einem Augenaufschlag an, der jeder professionellen Schauspielerin Konkurrenz gemacht hätte.

Meier strahlte zurück und Ruth wusste sofort, der Windhund hatte Frischfleisch gerochen, denn die kleine blonde Dietze war das krasse Gegenteil ihrer Kolleginnen, sie war jung.

„Warum habe ich denn noch gar nichts von der netten neuen Werbedame gehört, Ruth?“ fragte Meier vorwurfsvoll.

„Weil es nichts zu sagen gab, Bert. Bisher hatte sie noch keine Erfolge zu verzeichnen.“ Erwiderte Ruth bissig, aber wahrheitsgemäß.

„Aber das macht doch nichts! Das wird sich sicher bald ändern, nicht wahr, junge Frau?“ schmeichelte der alte Schürzenjäger dem blonden Mäuschen.

Wieder mit einem vielversprechenden Augenaufschlag schleimte die Kleine zurück: „Das wollen wir doch hoffen, Chef.“

>Jetzt weiß ich auch woher der Spruch: mit den Wimpern klimpern kommt. Wie schrecklich<! dachte Ruth.

„Ich bin ganz sicher!“ klang Meiers Antwort wie ein Versprechen, dabei verschlang er die Kleine mit den Augen.

In Ruths Inneren erklang ein heftiges Geläut dutzender Alarmglocken. Ihr Instinkt mahnte sie zu erhöhter Aufmerksamkeit und Vorsicht.

Als das Werbeteam sich, nach der Auszahlung, zur Tür wandte, verlangte Meier: „Komm noch einmal rein, wenn du die Damen nach Hause gebracht hast, Ruth. Ich habe noch etwas mit dir zu besprechen.“

Ruth tat, als habe sie die Aufforderung nicht gehört, und zog schnellstens die Tür hinter sich zu.

„Haben Sie gehört, Frau Woods? Sie sollen nachher noch Mal zurück kommen!“ meinte die vorlaute Kleine Ruth erinnern zu müssen.

„Hm!“ brummte Ruth missmutig, und warf der Vorlauten einen strafenden Blick zu. Der Blick zeigte Wirkung und ließ diese verstummen.

Am liebsten hätte Ruth sie gewarnt.> Leg dich nicht mit mir an, Kleine, du ziehst den Kürzeren<. Aber Ruth schluckte ihren Ärger runter und stellte sich taub.

Natürlich fuhr Ruth zuerst ihren Freund abholen um mit ihm den nächsten Termin wahrzunehmen.

Auf die gleiche, kuriose Art und Weise, wie bei dem ersten Termin, lief auch das zweite Verkaufsgespräch ab. Ohne jegliche fachliche Kompetenz, aber mit seiner frechen Überheblichkeit, überzeugte Udo die Hausbesitzer davon, dass er ihnen die einzig gute Lösung für ihre Fassade anbot. Er verstand es, den Menschen seinen Willen als den eigenen zu suggerieren, und log ihnen vor, dass er ihnen sogar preisliche Vorteile bot.

Der Erfolg war ein unterschriebener Vertrag über zweihundertfünfzig Quadratmeter. Das Ganze hatte nicht einmal eine Stunde gedauert.

Im Auto lachte Udo: „So schnell hab ich noch nie zweieinhalb Mille verdient. Das geht sonst nur durch ne Glückssträhne beim Zocken.“

„Ich soll heute Nachmittag noch mal ins Büro kommen.“ berichtete Ruth ihrem Freund.

„Ja, prima, dann kannst du gleich den Auftrag abrechnen. Wir brauchen Knete.“ Stimmte Udo sofort zu. „Soll ich mitkommen, oder willst du lieber alleine mit deinem Chef sprechen?“ fragte er.

Ruth verneinte: „Nee, ich denke, es ist besser wenn ich alleine mit ihm rede. Du lernst ihn noch früh genug kennen. Ich will nicht, dass er glaubt ich müsse mir Verstärkung mitbringen, weil ich alleine Schiss habe meine Forderungen zu vertreten.“

Ruths Freund reagierte ungewöhnlich entgegenkommend: „Gibt es da in der Nähe ein Cafe? Dann warte ich da auf dich.“ Schlug Udo vor. Sie nickte.

Also setzte sie ihn am Cafe Müller ab und versprach: „Dauert sicher nicht lange. Bis gleich!“

„Meine Güte, wo warst du denn so lange? Ich wollte gerade was essen gehen, komm wir können ja im Cafe Müller reden.“ Sagte Meier ärgerlich.

Energisch schüttelte Ruth den Kopf und bremste ihn mit den Worten: „Nein Bert, stopp mal. Ich will erst den neuen Auftrag abrechnen. Danach gerne.“

Meier stutzte: „Wie, hast du den eben erst geschrieben? Bevor wir einig sind wie es nun mit unserer Zusammenarbeit weiter geht? Du bist viel zu schnell. So hatten wir uns aber nicht vereinbart!“ seinem Ton nach zu urteilen, war er sehr böse, was die Zornesfalte zwischen seinen zusammen gezogenen Brauen zusätzlich verdeutlichte.

Entschlossen widersprach Ruth erneut, während sie ihm den Auftrag unter die Nase hielt: „Stimmt nicht ganz, Chef. Dass ich auf jeden Fall einen Auftrag wöchentlich schreiben will, egal wie wir uns einigen, das hatte ich dir bereits gesagt. Lieber Bert, ich brauche Geld für Wohnung und Möbel. Wie soll ich mich mit Sechzehnhundert im Monat einrichten? Das ist unmöglich. Also gibst du mir bitte das Geld für den Auftrag, bevor wir essen gehen?“ bestand sie auf ihrer Forderung, und verschwieg vorsorglich, dass er in dem Cafe auf ihren Freund treffen würde.

„Das Geld kann ich dir erst morgen geben, so viel habe ich derzeit nicht hier.“ Versuchte Meier Ruth zu vertrösten.

Sie nickte, sagte gelassen: „Dann gebe ich dir auch Morgen erst den Auftrag. Oder du gibst mir jetzt eine Anzahlung, dann vertraue ich dir. In Ordnung? Wie viel kannst du mir denn heute geben?“

„Also Ruth, du hast dich ja total verändert. Wieso bist du denn neuerdings so misstrauisch geworden? Hab ich dich schon einmal enttäuscht? Dieser Neue scheint ja einen sehr negativen Einfluss auf dich auszuüben. Also dann schau ich mal eben in meine Privatschatulle, denn in der Firmenkasse ist so ziemlich Ebbe. Schließlich hatte ich heute schon eine Menge Vorschüsse zu zahlen, ja und ich habe ja auch deine Werbedamen entlohnt. Tzz. Unglaublich diese Frau. Was sagen Sie denn dazu, Frau Wirtz?“ maulte er ärgerlich.

„Wie viel kriegt die Frau Woods denn? Einen Tausender haben wir noch in der Kasse, Chef.“ Kam die Sekretärin Ruth grinsend zu Hilfe.

Schnell griff Ruth ein: „Die restlichen Fünfzehnhundert hast du doch sicher in deinem Safe, lieber Bert? Das wäre ja sonst sehr ungewöhnlich.“

Am liebsten hätte Ruth ihm gesagt, wie sehr es sie ankotzte, dass sie um jede Mark fast betteln musste, während er die Kohle den Vertretern quasi hinterher warf. Was waren die Kerle denn mehr als sie? Dieser Zustand musste sich ändern, und zwar sehr bald.

Aber Meier musste sich geschlagen geben, denn er knurrte: „Dass noch so viel in der Kasse ist, wusste ich nicht. Nun gut, dann krieg ich die Zweieinhalb ja doch zusammen. Warte ne Minute, ich hole eben das Geld. Schreiben Sie schon mal die Rechnung, Frau Wirtz. Also diese Weiber… „ schimpfte er bevor er in sein Büro verschwand.

Nur wenige Minuten später hatte Ruth das Geld in der Tasche.