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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band

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Wald mußte jetzt erzählen, was er bis dahin getrieben, und that das mit dem ihm eigenen, drolligen Humor. Er war mit etwa zwanzig Spanischen Dollarn in der Tasche an Land gekommen und hatte dort gleich, nach dem Beispiel seiner Glaubensgenossen, einen kleinen Handel mit Band, Litzen, Nadeln etc., etc., etc. angefangen. Den war er bald im Stande zu vermehren und kaufte jetzt, anstatt ein theueres Haus in der Stadt, das er nicht hätte bezahlen können, und wo das Standgeld allein seinen Nutzen halb aufgezehrt haben würde, ein kleines altes Flatboot an der Landung, das er dort ruhig auf dem Schlamm liegen ließ, und zu einem Laden herrichtete. Er mußte dort natürlich viel von den Mosquitos sowohl, als dem schauerlichen Dunst der benachbarten Boote leiden, aber er verdiente Geld, und blieb da so lange, bis er im Stande war, sich eine ordentliche Quantität Waaren mit Wagen und Pferd zu kaufen, mit denen er dann von New-Orleans fort zu Lande am Mississippi hinaufzog, bis ihn die Fieberzeit dort wieder vertrieb, und er an Bord eines Dampfschiffes ging, sich in Cincinnati mit seinem Karren an Land setzen zu lassen. Von dort aus hatte er Indiana ziemlich durchstreift, vortreffliche Geschäfte gemacht, und große Lust wieder dorthin zurückzukehren, und vielleicht erst zum Spätherbst nach Illinois zu kommen, da die Fliegen den Tag über das Pferd so belästigten, und Nachtreisen ihm bei seinem Geschäft doch nichts nützen konnten.

»Durch Indiana?« – Georg fühlte wie sein Herz stärker an zu klopfen fing, denn er dachte der Möglichkeit, der Krämer könne auch Lobensteins besucht haben, von denen er über ein Jahr auch nicht die geringste Kunde gehabt. Wald ließ ihn aber auch darüber nicht lange in Zweifel, und fing an aus freien Stücken die ihrer früheren Reisegefährten aufzuzählen, die er auf seinen Wanderungen angetroffen.

Die ersten waren zwei von den drei Passagieren, die von dem Leuchtschiff zu ihnen an Bord gekommen, die beiden dem Zuchthaus wahrscheinlich entnommenen jungen Verbrecher, die ihre alte Gewohnheit hier nicht hatten verleugnen können oder wollen, und bei einem Pferdediebstahl erwischt waren. Die Eigenthümer schienen Lust gehabt zu haben sie gleich an Ort und Stelle zu hängen, aber der Sheriff legte sich zu ihrem Glück noch in's Mittel, und sie wurden (Wald kam gerade dazu sie abführen zu sehen), nachdem die dortigen Ansiedler ihnen wenigstens erst eine tüchtige Tracht Schläge mit einem schwanken Hickory verabreicht, in das Staatsgefängniß abgeliefert.

Dann hatte er ein paar von seinen Landsleuten, auch Zwischendeckspassagiere der Haidschnucke, im Lande, und ebenfalls als Krämer oder Händler angetroffen. Löwenhaupt war Eigenthümer eines Kleiderladens am Wasser unten, in Cincinnati, wollte sich aber von seiner Frau scheiden lassen, weil sie ihn mishandelte. Rechheimer war ebenfalls Pedlar geworden und die beiden Rechheimer Mädchen hatten sich, die eine in Cincinnati, die andere in Vincennes, an ziemlich wohlhabende Leute verheirathet.

Der Polnische Jude mit seiner Holzharmonika war wieder nach New-Orleans zurückgegangen, der Knabe aber so krank geworden, daß er nicht mehr singen konnte – und erst ganz kürzlich – vor ein paar Tagen nur – hatte er ein ganzes Nest von Haidschnucken-Passagieren auf einer Farm unweit Grahamstown in Indiana getroffen.

»Und wie geht es Lobensteins?« rief Georg rasch.

»Sie kennen den Platz?«

»Ich habe dort gearbeitet,« erwiederte Georg ausweichend.

»Thut mir leid um die Leute,« sagte Wald.

»Wie so? – was ist mit ihnen?« frug Georg rasch.

»Nun, daß es ihnen so schlecht geht.«

»Ist Jemand krank?«

»Nicht daß ich wüßte – nur so, meine ich.«

»Aber der Professor hat doch die Farm?«

»Hatte sie,« sagte Wald.

»Er hat sie verkauft?« rief Georg, rasch und erschreckt.

»Noch nicht,« meinte der Pedlar, »doch heute oder morgen wird's wohl dran gehn. Wie ich dort vorbei kam war's dicht daran.«

»Aber wie ist das möglich,« sagte Georg, »die Erndte ist doch gewiß dort wie hier gut ausgefallen, die Verbesserungen, die er auf der Farm gemacht, müssen ihm wenigstens etwas eingetragen haben, und so war der Platz doch nicht verschuldet, ein solches Ende so rasch herbeizuführen.«

»Wie die Geschichte ganz genau ist, weiß ich nicht,« sagte Wald, »so viel aber ist gewiß, daß der Professor Vieh und manches Andere verkaufen mußte, dem Weber, der sich bei ihm mit seiner Familie verdingt hatte, seinen Jahrlohn zu geben. Außerdem hat er Unglück gehabt mit dem einzigen Sohn, der sich auf der Jagd eine Ladung Schroth durch den Leib geschossen.«

»Großer Gott, Eduard,« rief Georg, entsetzt von seinem Sitz aufspringend.

»Wie ich die Sache hörte,« fuhr Wald fort, »war der junge Mann mit einem andern unserer Zwischendeckspassagiere – dem langhaarigen Burschen, der immer die Verse an Bord machte – auf die Jagd gegangen, und weiß der liebe Gott, was die beiden jungen Leute zusammen angefangen, aber der junge Lobenstein, Eduard hieß er, glaub' ich, schoß sich, wie jener Versemacher sagte, beim über einen Graben springen durch den Leib, und starb ein paar Stunden darauf unter den furchtbarsten Schmerzen.«

»Das ist ja entsetzlich,« stöhnte Georg.

»Nicht so, als der Mensch vielleicht denken möchte,« meinte Wald ruhig, »denn wie mir der Weber erzählte, war der junge Bengel zum Arbeiten nie etwas nutz gewesen, und durch den Fall wurden sie auch, als reinen Gewinn, den Literaten los, der sich auf dem ersten Dampfboot wieder nach New-Orleans einschiffte.«

»Aber wie um Gottes Willen konnte er so zurückkommen, gezwungen zu werden seine Farm verkaufen zu müssen?« frug Georg.

»Wie? – einfach genug,« meinte der Pedlar, »ich habe weitläufig darüber mit dem Weber, einem ordentlichen, braven Menschen gesprochen, der die Sache schon lange hat kommen sehn, aber Nichts ausrichten konnte gegen den Starrkopf des Professors. Anstatt sein Feld ordentlich mit Mais oder Waizen zu bepflanzen, Produkte, von denen er wußte, daß er sie wieder in baar Geld verwandeln konnte, machte er Experimente, baute in eine Ecke Runkelrüben und in die andere Ölsaat, verschwendete dabei ein Capital an Arbeitslohn, für eine Bande müssiger, ungeschickter Gesellen, die ihren Nutzen dabei fanden ihn in dem Glauben zu bestärken er könne Mühlen und Gott weiß was sonst noch, bauen. Die Leute wollten dann allwöchentlich ausgezahlt sein, und was nicht mehr länger verborgen bleiben konnte, kam an's Tageslicht. Mit einem recht großen, tüchtigen Capital hätte der Mann vielleicht Manches erreichen können, so aber reichten seine Mittel nicht aus; Mühlen, Zuckerpressen, Backsteinmaschinen, Alles was er zu gleicher Zeit begann, und was in einigen Jahren, wenn richtig geleitet, gewiß einen hübschen Profit abgeworfen hätte, blieb mitten in der Arbeit stehn, und zehrte, anstatt zu helfen, mit an dem übrigen Capital.«

»Und ist der Weber noch bei ihm?« frug Georg.

»Oh Gott bewahre,« sagte Wald, kopfschüttelnd, »der Professor hat ihn bei Heller und Pfennig ausgezahlt, was er ihm und seiner Familie für die Jahresarbeit schuldete, und seinen Contrakt ehrlich gehalten, damit aber auch, wie es scheint, seine eigenen Kräfte total erschöpft, und Brockfeld sitzt jetzt, etwa zwei Meilen diesseit von Lobensteins Farm, auf einem eigenen Stück Land, in einem eigenen freundlichen Häuschen, und es geht ihm und den Kindern und der alten Mutter recht gut.«

»Wie weit ist es bis dorthin?« frug Georg, fast unwillkürlich dabei von seinem Stuhle aufspringend.

»Nun heute Abend kommen Sie nicht mehr hin,« lachte Wald, »wenn Sie aber ordentlich zureiten, mögen Sie in vier Tagen den Platz erreichen – Sie wissen ja wohl wo er liegt.«

»Ach wenn Sie nur noch eine ganz kurze Zeit bei mir bleiben könnten, bester Donner,« seufzte Schultze wehmüthig vor sich hin, »wie soll es denn werden, wenn Sie fortgehn?«

Georg beruhigte ihn übrigens hierüber, und versprach ihm, heute Abend noch seine beiden Wirthsleute und Pfleger so zu unterrichten, daß sie den jetzt gut eingerichteten und fest und sicher geschienten Bruch auch allein behandeln könnten. Ruhe war das Einzige was er brauchte, und das Hauptsächlichste dann nahrhafte Speisen, die sich die Leute nicht getraut hatten ihm zu geben, damit sich sein Körper, was er so sehr bedurfte, wieder kräftige und stärke. Sei es ihm möglich, wolle er selber noch einmal in vierzehn Tagen etwa hierher zurückkehren.

Capitel 4.
Georg und Marie

Vier Tage später mit Sonnenuntergang erreichte Georg nach scharfem Ritt, auf dem er sein Pferd nicht geschont, »Brockfelds Farm,« erfuhr aber hier, wo man ihn auf das Herzlichste begrüßte, nur die Bestätigung dessen, was ihm Wald schon in Illinois gesagt, daß es mit den Vermögensumständen des Professors recht traurig stehe, dieser nicht im Stande sei, seine letzte Zahlung an den Wirth in Grahamstown, von dem er die Farm gekauft, zu machen, und gesonnen sei, sie am nächsten Montag – der erste im Monat September, wo Gerichtssitzung in Hollowfield wäre – zu verauktioniren, wenn er sich nicht vorher mit dem Wirth selber über die Rücknahme des Platzes einigen könnte. Dieser aber wollte jetzt freilich nur entsetzlich wenig dafür geben, weil er behauptete, die Aussichten für die Lage desselben hätten sich allerdings, und ganz wider Erwarten, sehr verschlechtert. Noch immer war keine Hoffnung eine Eisenbahn hierherzubringen, indeß die Cincinnati-Bahn schon beendet worden, und was sollte er nun mit einer mitten im Wald liegenden Farm anfangen?

Der Professor mochte jetzt wohl recht gut einsehn, daß er damals von dem schlauen Wirth bei seinem Ankauf betrogen worden, und sich bös damit übereilt habe; war das aber nicht seine eigene Schuld? Anstatt, wenn er selber darin nicht Zeit gehabt Erfahrungen zu sammeln, wenigstens einen unpartheiischen Sachkundigen dazuzunehmen, der die Verhältnisse des Landes kannte, war er mit den beiden Deutschen hinübergeritten die, so gut sie es mit ihm selber meinen mochten, doch nur im Stande sein konnten einen deutschen Maasstab an das Land zu legen; von allem Anderen verstanden sie Nichts, und der pfiffige Amerikaner hatte nicht gesäumt das zu benutzen.

 

Die Summe, die der Professor dem Wirth in Grahamstown noch schuldete, kannte der Weber nicht, und Georg hätte das Herz brechen mögen vor Weh und Schmerz, wenn er der Zukunft dachte, der jetzt die Frauen entgegensahen.

Dem Weber ging es indeß recht gut hier auf seinem neuen Platz; er hatte Zeit gehabt sich die Umgegend genau anzuschauen, und nach allen Seiten hin etwa die Preise der verschiedenen Plätze zu erfahren. Dies kleine improvement mit vierzig Acker vom Staat gekauften und fünf Acker darunter urbar gemachtem Landes war da, durch das plötzliche Fortziehn des Eigenthümers, unter dem Werth gegen baar Geld zu verkaufen gewesen; die Gelegenheit hatte er benutzt, und befand sich wohl dabei. Die Leute waren auch unendlich fleißig, griffen Alle zu, und arbeiteten von früh bis spät, sich ihre neue Heimath nicht allein wohnlich, sondern auch einträglich zu machen. Der Viehstand besserte sich dabei ebenfalls, und die Aussicht war da, daß sich ihr Vermögen von Jahr zu Jahr vermehren, nicht zurückgehen werde, und sie ihre Auswanderung aus der Heimath, so weh ihnen die im Anfang auch gethan, nicht zu bereuen brauchten. Auch die alte Mutter, die noch am längsten an der Heimath gehangen, und doch immer heimlich gestöhnt und geklagt, so gut es ihren Kindern auch ging, und so sorglos sie in's Leben sehen durften, hatte sich endlich hineingefunden in die neue Welt. Freilich, so warm und freundlich schien die Sonne doch hier nicht wie in Deutschland, so kühl war der Schatten, so lau die Luft nicht im Frühling, die Blumen rochen nicht so gut, die Vögel sangen nicht so lieb, der Himmel war nicht so blau, die Wiese nicht so grün, das Wasser nicht so süß, und einen Vergleich mit Deutschland hielt »das Amerika« lange nicht aus. Aber – sie mußte doch zuletzt einsehn, daß es ihren Kindern gut hier ging; in Deutschland hatten sie ihr Schwein verkaufen müssen, Steuern davon zu zahlen, hier hielten sie schon vier Kühe und so viel Dutzend Schweine, wie sie zu Hause Stück gehabt, und Hühner und Gänse daneben, hatten zwanzig Mal so viel Land wie daheim, und wenn das Haus auch noch nicht so warm und bequem war, der nächste Sommer würde das schon bessern. So saß sie denn jetzt auch wieder wie vordem in ihrer Ecke im Haus, oder bei schönem Wetter unter einem breitästigen Eichbaum vor der Thür im Schatten, wo ihr der Sohn ein großes freundliches Asterbeet angelegt, ihre Augen an dem Glanz der Herbstblumen zu letzen. So, mit dem Spinnrad vor sich, wenn sie auch nur wenig spann, und das mehr aus alter Gewohnheit bei ihr stand, legte sie oft die Hände in den Schooß und schaute schweigend und still befriedigt die neben ihr spielenden Enkel an, die sich munter auf dem Platz da umher tummelten, und amerikanischen Boden gerade so passend zu ihren Spielen fanden, wie deutschen.

Georg hatte aber keine Ruhe hier – ihn drängte es mehr von dem Schicksal einer Familie zu hören, deren Wohl ihm warm am Herzen lag, und mit Tagesanbruch am anderen Morgen sattelte er sein Pferd, nahm freundlichen Abschied von den Leuten, die ihn noch Alle gern vom Schiff und von der Farm her hatten, und ritt in scharfem Trabe, Lobensteins Farm für jetzt umgehend, dem kleinen Grahamstown zu, dort erst vor allen Dingen mit dem Gläubiger des Professors zu sprechen, und zu sehen wie tief dieser eigentlich in Schulden stecke.

Etwa um zehn Uhr Morgens erreichte er den kleinen Platz, der noch gerade so still und öde lag wie vor zwei Jahren, ja eher noch stiller, noch verlassener, denn drei oder vier damals gebaute Häuser waren wirklich von ihren Eigenthümern, da alle die großen Verheißungen nicht wahr geworden, im Stich gelassen, und gaben dem Ort noch mehr ein wüstes, trauriges Aussehn. Auch Ezra Ludkins hatte Lust auszuverkaufen, und zu dem Zweck einen großen Anschlag unter seine Seejungfer befestigt, welchem zufolge ihn dringende Familienverhältnisse nach Texas riefen, und er Haus und Geschäft unter dem Werth losschlagen wolle. Es fand sich aber kein Käufer, und Wind und Wetter bekamen es endlich satt, das Papier da nutzlos hängen zu sehn, und rissen es herunter.

Ezra Ludkins war übrigens zu Hause, hatte auch freie Zeit genug, denn er schien der einzige Gast seines ganzen Hauses, das leer und öde stand und mit den nackten Wänden und unbesetzten Tischen recht gut zu der ganzen kleinen Stadt paßte, deren erstes Gebäude es gewesen.

Amerika bietet viel solcher Beispiele; wo sich die Wahl für den Bau einer Stadt als eine glückliche erwiesen, strömt die Bevölkerung ihr in Masse zu, und einzelne Beispiele wie Cincinnati, Milwaukie, Buffalo und hundert andere zeigen, welche Lebenskraft in dem Fall in dem Volke liegt. Wo das aber nicht der Fall war, wo die Möglichkeit oder Zweckmäßigkeit der Verbindungswege falsch berechnet worden, oder, wenn die Stadt dicht am Ufer des Flusses lag, dieser vielleicht zufällig den Grund zu versanden anfing, wenn auch für jetzt noch Wasser für die größten Boote blieb, da war es vorbei mit der Stadt; nicht allein keine neuen Ansiedler ließen sich dort nieder, nein auch die, die schon ein Grundstück gekauft, und viele Hoffnungen früher auf den Platz gesetzt hatten, suchten das so rasch als möglich wieder loszuwerden, und ließen es lieber ganz im Stich, ehe sie weiter noch Geld und Zeit darauf verwandt hätten ihr Glück hier zu versuchen; es gab andere Gelegenheit dazu im weiten Land.

Ezra Ludkins schien aber nichtsdestoweniger kaum geneigt, dem jungen Mann den Stand der Verhältnisse zwischen ihm und dem Professor, auseinander zu setzen; er mochte wohl Hoffnung haben, die für diese Gegend kostbaren Meublen, wie die andern mitgebrachten Sachen, auf eine Auktion geworfen zu sehn, und dann im Stande zu sein billig genug zu kaufen, da hier Niemand Anders fast Gebrauch für solche Gegenstände hatte. Nur erst, als Georg in ihn drang, und fest darauf bestand, er sei von dem Professor selber abgeschickt worden, die noch bestehenden Rechnungen nachzusehn, und so weit das möglich wäre, zu ordnen, entschloß er sich dazu sein Buch herbeizuholen, und brachte eine Forderung an den Professor von einhundert und dreißig Dollar.

»Aber das Andere, was auf dem Haus noch steht,« drängte Georg.

»Nun das ist das hier,« sagte Ludkins mürrisch, »hol' der Henker einen solchen Handel, denn wenn ich gewußt hätte, daß ich so lange auf mein Geld warten mußte, wär's mir nicht eingefallen den Platz zu verkaufen – ich hätte zehn andere Käufer gehabt die das Geld baar niederzahlten. Baar Geld ist stets noch einmal so viel werth, wie die beste Note.«

»Wieviel ist aber die ganze Summe, die Ihnen der Professor schuldig ist?« frug Georg, jetzt ebenfalls ungeduldig werdend, »wenn Sie in solcher Eile sind, antworten Sie mir wenigstens einfach auf meine Frage.«

»Nun die Antwort habe ich Dir auch einfach genug gegeben,« brummte der Pensylvanier – »wenn Du kein Deutsch verstehst, kann ich's nicht helfen – hundert und dreißig Dollar.«

»Und das ist Alles?« rief Georg, wirklich kaum im Stande sein Erstaunen zu verbergen.

»Das ist Alles, wenn er's nur zahlt,« sagte der Pensylvanier.

»Und an den früheren Eigenthümer der Farm hat er keine Verpflichtungen weiter?« frug der junge Mann noch einmal vorsichtig.

»Der bin ich; mein Junge hatte sie nur dem Namen nach; – für hundert und dreißig Dollar kann er meinetwegen dort wohnen bleiben, und alle seine wahnsinnigen Experimente durchführen nach Herzenslust.«

»Sein Sie so gut und schreiben Sie mir die Quittung,« sagte Georg ruhig.

»Für die ganze Summe?«

»Ja – bis auf den heutigen Tag für Alles was Ihnen Mr. Lobenstein noch schuldet.«

»Das soll schnell genug geschehen sein,« brummte der Pensylvanier, ging hinter seine bar, wo Dinte und Feder stand, und schrieb die Quittung aus. Georg nahm indessen aus seinem Taschenbuch die Summe in guten Indiana-Banknoten, die der Wirth jedoch erst höchst aufmerksam und sorgfältig nachsah, endlich für richtig befand und den verlangten Schein dem jungen Mann aushändigte. Eine Viertelstunde später saß Georg wieder im Sattel, und galopirte rasch und mit einem recht freudigen Gefühl in der Brust, den schmalen, schattigen Weg hinauf, der nach der »deutschen Farm« führte.

Wie hatte sich der Platz verändert, seit dem letzten Jahre; das fröhliche regsame Leben was dort geherrscht, war verschwunden, das Haus, in dem die Weberfamilie mit den Arbeitern gelebt, stand ganz leer, von dem munter blökenden Vieh, das die Fenzen sonst umgeben, war fast Nichts mehr übrig geblieben – eine einzige Kuh und ein paar Schweine ausgenommen – da mit dessen Verkauf die nöthigsten Ausgaben hatten gedeckt, die dringendsten Schulden bezahlt werden müssen, und der Platz selber verrieth nur zu deutlich, wie keine ordnende Männerhand mehr ihm vorstehe, selbst nur ihn so in Stand zu halten wie er war.

Über die Fenz lagen ein paar der im Feld noch gelassenen alten abgetrockneten Bäume umgestürzt, und die niedergebrochenen Riegel, mit den unausgefüllten Lücken, verschwanden schon allmählich in dem Unkraut, das über sie emporwucherte. Der Mais war gereift, aber noch zum Theil – was nicht hatte verkauft werden müssen – im Felde gelassen, und die nicht umgebrochenen Kolben, von Spechten und Krähen angepickt, begannen anzufaulen. Der kleine Garten hinter dem Haus sah ebenfalls wüst und von Unkraut überwuchert aus; die Frauen hatten nicht Zeit mehr gehabt, vor dringenderen Arbeiten, die Blumen zu pflegen, die sie im Anfang gesäet, und nur die paar Gemüsebeete, für das Nothwendigste was sie im Hause brauchten, waren rein vom Unkraute gehalten, daß die Sonne es bescheinen konnte. Selbst über den Weg hinüber lag ein umgestürzter Baum, und der Pfad, den sich die Bewohner darum hingemacht, bewieß, wie er schon längere Zeit gefallen sein mußte, ohne daß sich irgend Jemand die Mühe genommen, ihn hinwegzuräumen.

Es mochte Mittagszeit sein, als Georg den Platz erreichte; kein menschliches Wesen war aber in dem breiten Hofraum zu sehn; nur der aus dem Haus selber aufsteigende dünne Rauch, wie ein paar einzelne scharrende Hühner, verriethen, daß der Ort bewohnt, und nicht ganz verlassen sei, und mit klopfendem Herzen ritt er über die niedergeworfenen Stangen der Einfriedigung hinweg bis fast an das Haus hinan, band dort sein Pferd an und – zögerte wieder, ob er den Fuß vorwärts setzen und die Schwelle jetzt betreten sollte, die bald zu erreichen, er sein Pferd fast zu Schanden geritten. Da schlug der Hund an, ein junger Brake, den sich Eduard hatte zum Jagdhund dressiren wollen, und der jetzt auf eigene Hand des Nachts Opossums und Waschbären in die Bäume jagte und Stunden lang darunter vergebens heulte, Hülfe herbeizurufen.

Am Fenster des kleinen Hauses wurde Jemand sichtbar, Georg konnte aber nicht gleich erkennen wer es sei, so trübe war ihm das Auge geworden, als er die trostlose Veränderung hier erkannte, und langsam schritt er auf die Thüre zu, indeß der Hund, der ihn erkannte, an ihm hinaufsprang und winselte und bellte.

»Kennst Du mich noch Hektor?« sagte er, des freundlichen Thieres Kopf streichelnd – »hast Du mich nicht vergessen in der langen Zeit?«

»Georg!« rief da eine, oh nur zu wohlbekannte, aber erschreckte Stimme dicht vor ihm, und Marie, die aus der Küche unten getreten, zu sehn wer da komme, brach todtenbleich in die Knie, und wäre zu Boden gesunken, hätte sie Georg nicht in seinem Arme aufgefangen.

»Oh Georg – Georg ist wieder da!« rief da eine fröhliche Kinderstimme und Camilla, die jüngste Tochter Lobensteins, von dem um ein Jahr älteren Carl rasch gefolgt, sprang aus der Thür und flog auf den jungen Mann zu. Auch Marie hatte sich jetzt wenigstens so weit gesammelt, wieder allein stehn zu können, aber noch immer war kein Tropfen Blutes in ihr Gesicht zurückgekehrt, doch lenkte der Neugekommene die Aufmerksamkeit der Übrigen glücklich von ihr ab.

»Herr Donner?« sagte der Professor, der jetzt ebenfalls in der Thür erschien, und den jungen Mann halb erstaunt, halb verlegen erkannte – »aber bitte, kommen Sie näher – bleiben Sie nicht draußen auf der Diele stehn.«

»Mein lieber – lieber Herr Professor!« rief Georg, dem alten Herrn entgegeneilend, und seine Hand herzlich drückend – »wie freue ich mich, Sie so wohl und munter wiederzufinden – aber – wo ist die Frau Professorin?«

»Sie ist nicht wohl,« sagte der Professor nach kurzer, aber ängstlicher Pause – »Sie wissen vielleicht noch nicht, wie schwer uns das Schicksal, seit Sie uns verlassen, in meinen Sohne heimgesucht – «

»Ich weiß es,« sagte Georg leise, und mit tiefem Mitgefühl.

»Seit der Zeit kränkelt meine Frau,« fuhr der Professor langsam fort – »der Schlag damals traf sie zu schwer. Um sich zu zerstreuen und die bösen Gedanken loszuwerden, arbeitete sie dabei mehr als ihr gut war, und hütet nun jetzt schon seit vier Wochen ununterbrochen das Lager. Anna war gerade hinüber gegangen nach ihr zu sehen. Aber komm Marie – setz einen Stuhl zum Tisch für Herrn Donner – wenn Sie mit uns vorlieb nehmen wollen, wir sind gerade bei Tisch, aber Schmalhans ist heute Küchenmeister – Sie haben es sehr unglücklich getroffen.«

 

Georg – selber nicht wissend, wie er das, was ihm auf dem Herzen lag, beginnen sollte – setzte sich mit zu Tisch – die Mahlzeit bestand in Kartoffeln mit Butter und einem sehr einfachen Amerikanischen Gericht, Hominy – gequollener und in Wasser abgekochter Mais.

»Wenn Georg die letzte und vorletzte Woche gekommen wäre,« rief Camilla dazwischen – »hätte er auch nichts Anderes gefunden.«

»Mögen Sie das Hominy?« frug der Professor verlegen lächelnd, und versuchend die Aufmerksamkeit des jungen Mannes von dem Kinde abzuziehn – »ich habe mich so daran gewöhnt, daß es ordentlich ein Leibgericht von mir geworden ist.«

»Wir Andern mögen es aber alle mit einander nicht,« sagte Camilla – »es schmeckt gerade wie Stroh.«

Die Thür ging in diesem Augenblick auf, und Anna's Eintritt unterbrach glücklicher Weise die naseweise Bemerkung des Kindes. Anna begrüßte den jungen Mann auf das Herzlichste, und auch Marie wurde zutraulicher, und gewann ihre ganze Fassung wieder, als sie sah, wie unbefangen sich die Schwester mit dem frühern Hausgenossen unterhielt. Georg beseitigte dabei auf sehr praktische Weise jede Verlegenheit, die der Professor etwa hätte wegen dem Essen fühlen können, indem er, durch den scharfen Ritt auch wirklich hungrig geworden, tapfer zulangte, und dem Hominy und den Kartoffeln alle nur mögliche Ehre anthat.

»Und wissen Sie, weshalb ich hierher zurückgekommen bin?« frug Georg nach beendeter Mahlzeit, indem er lächelnd den Professor ansah, nur aber einen ganz scheuen, flüchtigen Blick nach Marien hinüberzuwerfen wagte, deren Auge er jedoch nicht begegnete. —

»Weshalb, weiß ich nicht,« sagte der Professor herzlich – »aber es freut mich, daß Sie wiedergekommen sind, und mir wenigstens dadurch beweisen, Sie tragen keinen Groll nach, wegen dem Vergangenen.«

»Lieber Professor.«

»Ich hätte selber schon an Sie geschrieben,« fuhr dieser jedoch entschlossen fort, »konnte aber von keiner Seite auch nur die geringste Nachricht bekommen, wo Sie sich befänden; Sie waren auf einmal verschollen und blieben es, von dem Augenblick an, wo Sie den Platz verlassen, da Sie Herr von Hopfgarten damals, ein paar Stunden später, vergeblich im ganzen Township suchen ließ.«

»Herr von Hopfgarten?«

»Ich erzähle Ihnen die Geschichte ein ander Mal – aber – sind Sie zufällig wieder in unsere Nähe gekommen, oder haben Sie uns noch nicht ganz vergessen gehabt, und absichtlich aufgesucht?«

»Ich bin vier Tage so scharf geritten, wie mein Pferd laufen konnte,« lächelte Georg, tief dabei erröthend – »nur um recht bald hier zu sein.«

»Das ist brav, das ist recht brav von Ihnen,« rief Anna freudig, und Marie dankte es ihm dießmal mit einem lächelnden Blick.

»Um aber kurz zu sein,« fuhr Georg zögernd und erröthend fort, »so – so möchte ich wieder hier in Arbeit treten, und – und wenn Sie mir beweisen wollen, daß auch Sie keinen Groll mehr gegen mich hegen, vielleicht manches voreilig gesprochenen Wortes wegen – so schicken Sie mich nicht wieder fort, sondern behalten mich hier.«

»Ach das ist brav, das ist schön,« rief Carl – »da brauche ich und Marie nicht mehr das schwere Holz aus dem Wald herbeizuschleppen.« Anna und Marie aber sahen sich verlegen an und der Vater sagte, ohne die Frage direkt zu beantworten und dann Georgs Arm nehmend, zu seinen Töchtern:

»Haltet den Kaffee bereit, Kinder, bis wir zurückkommen, ich muß Herrn Donner doch einmal zeigen, wie weit wir mit unseren Arbeiten vorwärts gelangt sind, seit er uns verlassen, und unterwegs können wir dann auch alles Weitere viel besser und bequemer besprechen,« und ihn mit sich die Treppe hinunterführend, traten sie in den Hof, wo Georg vor allen Dingen sein Pferd absatteln, in den Stall einstellen und füttern mußte, und dann mit dem Professor langsam den Weg hinabging, der an den Feldern hinführte.

»Lieber Donner,« sagte dieser hier zu ihm, und es war ihm angenehm, daß er, neben ihm hingehend', nicht in sein Auge zu schauen brauchte – »die Zeiten, seit wir uns nicht gesehen, haben sich sehr verändert, und – so gern ich Sie wieder auf meiner Farm beschäftigen möchte, ja so – so nöthig ich sogar Jemanden dazu brauchte – bin ich nicht mehr – durch die dießjährigen niedrigen Getreidepreise noch außerdem gedrückt – im Stande Arbeiter zu halten und – zu bezahlen.«

»Aber bester Professor – «

»Bitte, lassen Sie mich ausreden,« sagte dieser, fest entschlossen, die einmal begonnene Sache nun auch durchzuführen – »ehe wir von etwas Anderem beginnen – ehe ich Ihren freundlichen Antrag, wieder auf meiner Farm eine bestimmte Beschäftigung zu nehmen, zurückweise, bin ich Ihnen, mein lieber Donner, eine Ehrenerklärung schuldig, die mir – thun Sie mir die Liebe und unterbrechen Sie mich jetzt nicht – die mir schon lange schwer und drückend auf dem Herzen gelegen.«

»Lieber Herr Professor – «

»Ich bin damals nicht allein unfreundlich, nein, ich bin auch ungerecht gegen Sie gewesen,« fuhr aber der Professor entschlossen fort, »und es mag Ihnen einige Beruhigung oder Genugthuung gewähren, von mir ganz offen das Geständniß zu hören, daß ich durch Schaden habe klug werden und die Wahrheit dessen erleben müssen, was Sie gerade vertheidigten, und gethan haben wollten.«

»Oh wie gern wollt' ich Unrecht gehabt haben, bester Professor, wenn nur – «

»Sie haben nicht Unrecht gehabt,« unterbrach ihn der Professor rasch, »und selbst, was Sie mir an dem letzten Morgen über jenen faden Dichterling sagten, hat sich furchtbar, viel furchtbarer freilich als wir Beide damals ahnen konnten, bewährt. Ich habe schwer – fast zu schwer für meine Leichtgläubigkeit, mit der ich unreifen, oft vielleicht selbst eigennützigen Plänen Glauben schenkte, büßen müssen, und wollte es gern, wenn nicht – wenn nicht meine arme Familie jetzt auch so schwer darunter leiden müßte. Sie sehn, lieber Donner, ich bin offen und aufrichtig gegen Sie, das mag Ihnen den besten Beweis liefern, daß ich mein Unrecht gegen Sie bereue.«

Georg war tief erschüttert; das Bekenntniß des sonst so strengen abgeschlossenen Mannes, das gerade ihn furchtbare Überwindung mußte gekostet haben, machte einen unendlich wehmüthigen Eindruck auf ihn, und er brauchte Minuten, sich selber erst wieder so weit zu sammeln, dem zu erwidern. Der Professor war indessen an einer Stelle stehen geblieben, wo ein dürrer Baum erst ganz kürzlich über die Fenz heruntergeschlagen schien, und dieselbe zusammengebrochen hatte, was sich ein paar Schweine zu Nutz gemacht, die drinne an einem Kürbiß herumbissen und, als sie die Männer kommen hörten, grunzend in das Feld weiterhinein flüchteten.

»Die Farm sieht arg verwildert aus,« sagte Georg endlich leise, eine direkte Antwort auf das Geständniß vermeidend, »man sollte kaum glauben, daß ein einziges Jahr eine solche Veränderung hervorbringen könnte.«

»Seit dem Tode meines Sohnes,« sagte der alte Herr seufzend, »habe ich selber an Allem die Lust verloren, und nichts thun noch arbeiten mögen; selbst das Nothwendigste ist liegen geblieben, und der spätere Besitzer der Farm mag nachholen, was ich versäumen mußte.«

»Sie wollen fort von hier?«