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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band

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Pastor Donner schüttelte ungläubig den Kopf zu der Erzählung, Andere aber aus dem Dorf kamen nach, und der Schultze, der von den jungen Mädchen selber den Bericht gehört, den sie mit bleichen Wangen und zitternden Lippen in's Dorf getragen, folgte den Übrigen, bestätigte dem Herrn Pastor, was sich die Leute erzählten, und bat ihn, mit ihm hinauf zu gehn nach dem alten Hause, das Gerücht zu widerlegen, das sonst leicht mehr Nahrung gewann und von dem abergläubischen Volke ausgeschmückt wurde, oder sich zu überzeugen, was Wahres an der Sache sei.



Die Frau Pastorin wollte mit den Kindern ihren Mann begleiten, er bat sie aber, zurückzubleiben, und schritt dann, seine Amtstracht ablegend und Hut und Stock nehmend, an der Seite des Schultzen durch das Dorf hin, den kleinen, mit Unkraut überwucherten und fast verwachsenen Pfad hinauf, der zu dem, etwa eine kleine halbe Stunde von Waldenhayn entfernten Gebäude führte. Eine Menge der Dorfbewohner schloß sich ihnen unterwegs an, sie zu begleiten.



Als sie den Platz erreichten, war Alles todtenstill; nur hie und da zwitscherten die Vögel in den Zweigen, und auf dem alten Eichbaum neben dem Haus saß ein Rabe, drehte, als er die Menschen auf sich zukommen sah, den Kopf scheu nach rechts und links hinüber, und strich dann mit seinem tief und unheimlich krächzenden »krah – krah« – von dem Zweige ab, auf dem er gestanden, dem Holze zu!



»Das war sie – das war sie!« flüsterten die Frauen untereinander, indeß sie sich näher zusammendrückten, und scheu nach dem schwarzen Galgenvogel hinüberschauten, »jetzt werden sie Nichts mehr finden; die ist fort, und in der Nacht kommt sie wieder und sitzt dort auf dem alten Dach. Ich gehe nicht weiter mit – ich auch nicht – Gott soll mich bewahren vor der Stelle, die ewiglich verflucht ist.« rief eine andere Frau. »Man sollte Feuer anlegen und das Nest von der Erde vertilgen,« sagte Einer der Männer dann, »ich wenigstens möchte nicht einmal einen von den Balken in meinem Ofen brennen.«



»Die Thür steht offen, daß sie immer recht bequem aus und ein können,« flüsterte wieder eine Andere, »huh, wie mag's da drinnen um Mitternacht zugehn – der Schornstein sieht auch nicht umsonst so gelb und schweflig aus, und unsere Annakathrine hat neulich die Irrlichter hier oben wie toll herumtanzen sehen.«



Die Leute aus dem Dorf blieben wirklich, als sie den kleinen freien Platz vor dem Haus erreichten, scheu an dessen Grenze stehn, und nur Pastor Donner schritt, von dem Schultzen begleitet, langsam dem Hause selber zu.



»Ich habe schon lange einmal heraufgehen wollen, zu sehn, wie der Platz hier eigentlich aussieht,« sagte dieser endlich, »bin aber immer nicht dazu gekommen. Hm, wie öde und unheimlich das hier ist – es wundert mich gar nicht, daß sich die Kinder davor fürchten, ist mir's doch selber ein ganz eignes, unbehagliches Gefühl hier herzugehn – es ist fast, als ob man eine Richtstätte beträte.«



»Wohl ist es so,« sagte Pastor Donner feierlich und mit halb unterdrückter Stimme, als ob er selber sich scheue, an diesem Orte laut zu sprechen. »Aber wir wollen hier nicht stehen bleiben; die Leute dort hinten murmeln schon miteinander, und glauben sonst, daß wir selber uns fürchten, das Haus zu betreten.«



»Aber was sollen wir darin?« sagte der Schultze ausweichend, und es lag ihm wirklich Nichts daran, dort hineinzugehen, »'was Lebendiges hält sich hier oben nicht auf, sonst hätte der scheue Rabe da nicht im Baum gesessen, und an Gespenster glauben wir doch alle Beide nicht.«



»Ich bin einmal oben,« sagte der Geistliche mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, denn vor seinen Augen schwebte in diesem Augenblick die Scene auf dem Amerikanischen Dampfboot, die ihm in einem früheren Briefe der Sohn beschrieben, »und möchte auch das Innere des Hauses sehn, das ich seit jenem Tag, wo wir die armen, halb verhungerten Kinder hier oben abholten, nicht betreten.«



Langsam schritt er, von dem Schultzen nur widerstrebend gefolgt, der Thüre zu, schob diese noch etwas weiter auf, mehr Licht und Luft hineinzulassen, und betrat, durch den schmalen dunklen Gang gehend, die frühere Stube des »schwarzen Steffen«. Dort aber schrak er selber einen Schritt zurück, denn auf dem Boden vor ihm lag ausgestreckt und regungslos eine menschliche, weibliche Gestalt.



»Was giebt's? – was ist?« rief der Schultze, der den unwillkürlich ausgestoßenen Ruf des Erstaunens gehört, und auf der Stelle stehen blieb, wo er gerade stand, während sich eine Anzahl Burschen aus dem Dorfe näher herandrängten, die Frauen und Mädchen aber noch scheuer zurückwichen, und sich schon halb zur Flucht wandten.



Pastor Donner winkte aber dem Schultzen langsam und traurig näher zu kommen, und als dieser die Schwelle betrat, deutete er nieder auf den vor ihm ausgestreckten Körper der Unglücklichen, die Gram und Reue, und der nagende Wurm im Herzen wieder herüber, zurückgetrieben hatte durch das weite, wilde Land, über das weite Meer, an dem Ort, wo sie so furchtbar sich vergangen – zu sterben.



Jetzt rasteten die blutigen, nackten Füße von der weiten Wanderschaft, jetzt ruhte das arme Herz, das in Verzweiflung und Gram wohl manche lange furchtbare Nacht die Stunde hier herbeigesehnt, mit dem Kopf auf den zerfallenen Kasten gestützt, der dem jüngsten Kind in früherer Zeit zu seinem Bettchen gedient hatte, aus von seinem Leid und Weh. Der Körper selber war abgefallen und mager, die Wangen hohl und dünn, aber ein ruhiges, seliges Lächeln zog sich um die bleichen, kalten Lippen, die der Tod für immer geschlossen. Was sie verübt, was sie gesündigt, sie hatte schwer gelitten – hatte tief bereut, und wie, als ob die Kräfte ihr nur eben noch gehorcht, die Stelle zu erreichen, war hier der Tod, ein willkommener lieber Freund, zu ihr getreten, sie zu erlösen von ihren Leid.



Neugierig und muthig gemacht, durch das Verweilen der beiden Männer im Haus, drängten die übrigen Dorfbewohner jetzt auch nach und nach heran, und der Ruf. »die stolze Jule – die stolze Jule liegt todt im Haus!« füllte den kleinen Raum bald mit einem Theil der Schaar, die jedoch die Leiche immer noch scheu und furchtsam umstanden. Über ihr aber faltete Pastor Donner die Hände und sagte mit leiser, tiefbewegter Stimme:



»Gott hat in seiner Vaterhuld sich Dein erbarmt, Du armes verirrtes Kind – Du hast schwer gesündigt – schwer und furchtbar, aber auch viel, viel gelitten, und Gram und Reue haben ihre Züge mit scharfen Furchen in Dein Angesicht gegraben. Er sei Deiner armen Seele gnädig!«



Und seinen Hut abnehmend, welchem Beispiele rasch und scheu alle Übrigen folgten, betete er still und brünstig über der abgerufenen Sünderin.



Capitel 10.

Der rothe Drachen bei Heilingen

Schluß

Im rothen Drachen bei Heilingen herrschte heute ein reges, geschäftiges Leben; Kellner liefen und stürzten durcheinander hin, Tische wurden gerückt, Stühle getragen, Tischtücher ausgebreitet, und Körbe mit Flaschen und Getränken angeschleppt, als ob ein Regiment damit versorgt werden sollte. Im Garten, der mit einer Masse Kränze und Blumen und Guirlanden geschmückt war, standen noch einzelne Arbeiter, die mit frischem Sand bestreuten Gänge von den hineingefallenen Blättern und Zweigen des Ausschmucks zu reinigen, und unter einem kleinen, erst kürzlich aufgeschlagenen und ganz mit frischen Blumen besteckten und behangenen Zelt, lagen eine Reihe breitbauchiger Bierfässer mit eingesteckten gefälligen Hähnen, nur der Hand harrend, die sie aufdrehen würde, ihr schäumendes, kräftiges Naß zu spenden.



Den Pfad herunter, der von Zurschtel niederführte, kam ein Bettler an einer Krücke daher gehinkt. Es war sonst eine breitschultrige, kräftige Gestalt, aber mit eingefallenen Backen und hohlliegenden Augen, das linke Bein ziemlich dick in alte zerlumpte Tücher und Lappen eingeschlagen, und die linke Seite seines Gesichts ebenfalls mit einen schmutzigen Tuch verbunden.



Als er die Gartenthür erreichte, blieb er stehen, und sah hinein, betrat aber den Garten selber nicht, und schaute still und aufmerksam nach dem Haus hinüber.



Den breiten Gang herunter, der von der Guirlanden geschmückten Hausthür in gerader Linie nach dem Thore zu führte, schritt der Eigenthümer des Grundstücks, Herr Kaspar Helker, nach seinen Arbeitern zu sehn. In die Nähe des Bettlers gekommen, zog dieser den Hut ab, und sagte mit bittender Höflichkeit:



»Wären Sie wohl so gut, lieber Herr, mir zu sagen was heute hier los ist im rothen Drachen, mit all den Kränzen und Blumen, und welches Fest Sie feiern?«



»Ja wohl Freund,« sagte Herr Kaspar Helker, den armen zerlumpten Teufel dabei mit aufmerksamem, vielleicht nicht besonders befriedigtem Blick betrachtend, »Herr von Hopfgarten feiert heute seine Vermählung mit des reichen Dollinger jüngster Tochter, die früher, ich weiß nicht, ob Ihr die Geschichte kennt, an einen, jetzt gestorbenen, Amerikaner verheirathet war.«



»Herr von Hopfgarten – hm – Herr von Hopfgarten – der Name ist mir doch gar bekannt; stammt er von hier?«



»Nein, aus dem Mecklenburgischen. – Kommt Ihr weit her? – Ihr seht müde und krank aus.«



»Sehr weit – bin aber wohl mehr hungrig und durstig, wie krank,« sagte der Mann, mit einem scheuen Blick nach den Brod- und Kuchenkörben hinüber.



»So kommt herein und eßt und trinkt,« lud ihn der Wirth freundlich ein, »und Ihr habt mir nicht einmal dafür zu danken,« setzte er rasch hinzu; »Herr von Hopfgarten hat strengen Befehl gegeben, Niemand heute, wer es auch sei, ungespeist von dannen zu lassen. Es ist frei Bier und Essen hier im Haus.«



»Hm, da bin ich gerade zur rechten Zeit gekommen,« sagte der Mann, immer aber noch zögernd den Garten zu betreten.



»So kommt herein und setzt Euch gleich dort in eine von jenen kleinen Lauben,« sagte der Wirth; »die werden heute nicht benutzt und Ihr – Ihr seht eben nicht appetitlich genug aus zwischen den andern Gästen zu sitzen. Es soll Euch aber an Nichts fehlen,« fügte er rasch hinzu, »heh Wilhelm! besorgen Sie mir einmal für den Alten dort in die Laube ein Mittagsessen und Bier.«

 



»Bier kann ich nicht gut vertragen – wenigstens nicht gleich auf den leeren Magen hinein – gäben Sie mir einen Schnaps vorher?«



»Auch den sollt Ihr haben – heh Wilhelm – ein Glas Kümmel – aber ein großes Glas, und dann dürft Ihr ihm Bier geben, was er trinken will.«



»Danke,« sagte der Bettler, und hinkte an seiner Krücke in den Garten hinein. An der Schwelle blieb er noch einmal stehn, und warf einen scheuen Blick nach rechts und links, und wandte sich dann der kleinen Laube zu, in deren Schatten er verschwand.



»Dort kommen die Wagen!« rief da Einer der Kellner, der vor die Thür getreten war, den Weg hinunter zu sehen, »hierher, Herr Helker – sie kommen!«



Der Wirth sprang mit seinem Kellner der Thür zu, die Gäste zu empfangen, und die Wagen rasselten unter dem fröhlichen Schmettern der Posthörner lustig die Straße herunter.



In dem vordersten saß Herr von Hopfgarten mit seiner jungen Frau, sein gutmüthiges Gesicht ordentlich verklärt, seine Augen blitzend in Wonne und Seligkeit, und auch in Claras liebe Züge war das frohe, süße Lächeln zurückgekehrt, das ihrem Antlitz sonst einen so unwiderstehlichen Reiz verliehen. Die düstere trübe Zeit lag hinter ihr, wie ein böser Traum, und hell und freundlich glühte wieder das Sonnenlicht auf ihren Weg.



Den zweiten Wagen füllte die Dollingersche Familie, der alte Herr mit Frau, Tochter und Schwiegersohn, denn auch Sophie war im vorigen Herbst an einen reichen Gutsbesitzer, aber ebenfalls einen alten Bekannten von uns, verheirathet worden. Herr Baron von Benkendroff nämlich hatte sich nach seiner Rückkehr von Amerika zufällig einige Zeit in Heilingen aufgehalten, dort die schöne reiche Kaufmannstochter gesehn und kennen gelernt, sich zu gleicher Zeit sterblich in sie verliebt und seine Hochzeit, da ihn auch Sophie lieb gewonnen, gleich in demselben Monat noch gefeiert.



In den anderen Kutschen, aber alle von mit Blumen geschmückten Postillionen gefahren, saßen die Hochzeitsgäste aus der Stadt, bunt gemischte, aber fröhliche Menschen, und unter ihnen das gutmüthige Gesicht unseres alten Freundes Kellmann, neben der scharfgeschnittenen aber heute ebenfalls zufrieden lächelnden Physiognomie seines unzertrennlichen Gesellschafters, des Apotheker Schollfeld.



An der Gartenthür von dem Wirth und einer Schaar geschäftiger Kellner empfangen, stiegen die jungen Eheleute aus, und begrüßten hier zuerst ihre Gäste, und während das, hinter einer künstlichen Blumenhecke aufgestellte Militair-Musikchor – eine Überraschung Kellmanns – plötzlich mit schmetternden Trompeten in Mendelsohns herrlichen Hochzeitsmarsch des Sommernachtstraums einfiel, und dem kleinen glücklichen Hopfgarten vor Rührung auf einmal die großen hellen Thränen in die Augen traten, setzte sich der Zug in Bewegung, dem Hause zu.



Das Mahl ging vorüber, wie derartige Mahlzeiten gewöhnlich thun; eine Menge Toaste wurden ausgebracht, und die glücklichen Menschen jubelten, lachten und erzählten bis spät am Nachmittag, wo der Kaffee im Garten selber servirt werden sollte, und die Gäste dann zusammen in das Dollingersche Haus eingeladen waren, wo Herr Dollinger einen kleinen Ball für den Abend arrangirt hatte.



Im Garten, bei lustig tönenden Fanfaren, bildeten sich dann kleine Gruppen, und Benkendroff, Kellmann und Schollfeld hatten sich nächst dem Thor auf dem kleinen Vorbau, wo sie die wundervolle Aussicht nach dem grünen herrlichen Thal und den fernen Bergen genießen konnten, zusammengefunden ihre Cigarre zu rauchen. Nach einer Weile fand sich auch Hopfgarten zu ihnen, sie zu bitten, sich bereit zu halten, da die Wagen bald wieder vorfahren würden.



»Wer uns das damals gesagt hätte, Hopfgarten,« rief Benkendroff, seine Hand lächelnd auf des Freundes Schulter legend, »als wir auf der Haidschnucke zusammen Whist spielten, oder selbst als wir in New-Orleans von einander Abschied nahmen, daß wir heute hier so zusammenstehen würden.«



»Dem wär' ich schon damals vor Freude um den Hals gefallen, Benkendroff,« sagte der kleine Mann mit leuchtenden Augen.



»Es ist eine merkwürdige, mir aber höchst interessante Thatsache,« rief da Herr Schollfeld, sich die Hände reibend, »daß die Menschen, die einmal in Amerika gewesen, und glücklich wieder, ein sehr seltener Fall, zurückgekommen sind, sich am wohlsten fühlen. Und trotzdem, trotz allen schlagenden Beweisen, will sich dieses unglückselige Menschenkind, dieser frühere Kürschnermeister hier, nicht warnen lassen, sondern ebenfalls mit einem Leichtsinn, den man kaum einem jungen Menschen von achtzehn Jahren verzeihen würde, hinüber nach diesem gottvergessenen Lande der Freiheit ziehn, und das nennt er sich zu Ruhe setzen. Es wäre mehr Verstand darin, wenn er hier Nachtwächter oder Briefträger würde.«



»Aber bester Herr Schollfeld,« sagte Hopfgarten, »Sie wissen ja, daß er um seine jetzige Braut erst dort angehalten hat, und von Fräulein Lobenstein doch nicht verlangen kann herüber zu ihm zu kommen; er muß sie doch wenigstens abholen.«



»Ich will auch noch gar nicht verschwören, daß ich drüben bleibe,« sagte Kellmann ruhig, »mir aber jedenfalls die Verhältnisse dort ordentlich ansehn. Meines künftigen Schwagers, Georg Donners, Beschreibung des dortigen Landes lautet keineswegs entmuthigend; von anderer Seite habe ich ebenfalls recht gute Berichte über das wirkliche Farmerleben gehört, und kann ich mir dort mit meinem Capital, und von dem Rath meiner guten Freunde unterstützt, eine ruhige, glückliche Stellung gründen, warum nicht? – Freund Schollfeld müssen Sie aber viel zu gut halten, mein lieber Herr von Hopfgarten; er ist als ein Antiamerikaner hier schon bekannt.«



»Und hab' ich nicht recht?« rief dieser hitzig, »hatt' ich nicht recht auch mit jenem lebendigen Loblied Amerikas, jenem Weigel, der Betrügereien halber landesflüchtig werden mußte.«



»Das war ein einzelner Lump und kann nicht als Maasstab gelten,« sagte Kellmann.



»Lassen Sie das gut sein,« nahm Benkendroff hier des Apothekers Parthie, »Herr Schollfeld hat sehr gediegene und vernünftige Ansichten über Amerika, und Sie werden mir zugeben, daß ich ebenfalls im Stande bin ein Urtheil darüber zu fällen; ich kenne das Land aus Erfahrung, aus eigener, persönlicher Anschauung.«



Hopfgarten wechselte mit Kellmann einen gutmüthig lächelnden Blick, und sagte, sich an diesen wendend:



»Wie kommt es nur, daß Sie Fräulein Lobenstein, wenn Sie dieselbe schon so lange geliebt haben, von hier fortziehen ließen, ohne ihr Ihr Herz zu öffnen?«



»Weil es ein wahnsinnig, unnatürlich verschämter Kürschnermeister war,« rief Schollfeld, die Antwort für seinen Freund aufnehmend, »wie Lobensteins hier fort waren, ging er herum wie ein begossener Pudel, sprach mit Niemandem, trank nicht mehr, schnitt ein Gesicht, als ob er Äpfelwein getrunken hätte, und wollte keinem Menschen Rede stehn, beinah zwei Jahre lang. Endlich bekam ich's heraus, und da gestand er mir, daß er – sehn Sie sich den Menschen einmal an – keine Courage hätte den Schritt zu wagen, obgleich er selber fast hoffe, Anna Lobenstein sei ihm nicht ganz abgeneigt. Da hört denn doch Alles auf. Na ich nahm ihn dann ordentlich in's Gebet, schon meiner selbst willen, denn es ist ja langweilig mit einem solchen verliebten Kopfhänger umgehn zu müssen. Er ließ sich auch endlich überzeugen, und ist mir nachher, wie er den Zusagebrief erhielt, um den Hals gefallen, und hat mich »sein liebes Schollfeldchen« genannt – und so ein Mensch will nach Amerika.«



Die Männer lachten über Schollfelds komischen Eifer und Hopfgarten sagte, noch immer lächelnd. »Sie reden gerade als ob Amerika ein Unglück wäre.«



»Ist es auch,« rief Schollfeld hitzig, »ist es auch, und der arme Teufel, der Ledermann, sonst so ein netter, rechtschaffener Kerl, wußte wohl, was er that. Der hätte auch nach Amerika gehn können, aber was ich ihm darüber die ganze Zeit vorgepredigt, hatte gute Früchte getragen; er sprang lieber in's Wasser, Ruh zu haben, ehe er solch verzweifelten Schritt that. Ist mir übrigens doch Leid um ihn, und ich hätte ihm etwas Besseres gewünscht – das verfluchte Spiel.«



»Seine Frau ist noch in Heilingen?« sagte Hopfgarten.



»Ja,« sagte Schollfeld mürrisch, »will aber wirklich dieses Frühjahr mit ihrem Bruder auswandern. Das ist auch so ein Lump, hat zweimal Bankerott gemacht, und nun natürlich nichts Gescheuteres zu thun, als daß er nach Amerika geht. Solche Leute gehören auch dorthin, aber vernünftige und rechtschaffene Menschen sollten besser wissen, was sie sich und ihren Familien schuldig wären.«



»Apropos, lieber Kellmann,« sagte Hopfgarten da plötzlich an diesen gewandt, »erinnern Sie mich doch daran; ehe Sie fortgehn, möchte ich Ihnen noch ein paar Zeilen an einen sehr lieben Freund von mir, einen Herrn Fortmann in New-Orleans, mitgeben; er kann Ihnen dort von Nutzen sein.«



»Ich danke Ihnen, ich werde es nicht vergessen – Sie haben ja wohl heute Briefe von dort bekommen?«



»Ja – eben von Fortmann. Das wird Sie auch interessiren; Sie wissen doch, daß der arme, unglückliche Loßenwerder eine Schwester hatte?«



»Lieber Gott,« sagte Kellmann, hinauf auf die Straße deutend, »an dieser Stelle trafen wir das arme Kind, Ledermann und ich, an jenem Abend, wo sie hier allein und zu Fuß in die Stadt kam, und noch keine Ahnung von der furchtbaren Nachricht hatte, die ihrer wartete. Es geht ihr gut jetzt, wie Sie uns schon früher sagten.«



»Besser jetzt wenigstens wieder – Fortmann schreibt mir eben, daß außer der bei dem Raubanfall erlittenen Mishandlung Schreck und Aufregung sie so ergriffen hätten, sie lange Monate an ihr Lager zu fesseln. Hamann hat auch deshalb besonders sein Geschäft aufgegeben, und sich weiter den Strom hinauf in ein gesünderes Klima gezogen. Der Nachlaß seines Vaters ergab übrigens, wie es scheint, ganz unerwarteter Weise, ein gar nicht geahntes, höchst bedeutendes Vermögen, das der alte Geizhals von dem Schweiß und Blut armer Auswanderer zusammengescharrt. An Aktien und Papieren, Geld und Juwelen, ganze Säle voll Leinwand und anderen Sachen gar nicht gerechnet, fanden sich weit über hunderttausend Dollar. Der junge Hamann ist aber ein braver, rechtschaffener Kerl, der gern wieder, wenigstens einen Theil dessen gut machen möchte, was sein Vater schlecht gemacht, und Fortmann schreibt mir eben, daß er, besonders von seiner Frau dazu angeregt der Stadt New-Orleans die volle Hälfte des ganzen Vermögens zur Verfügung gestellt habe, wenn sie das andere Geld zuschießen und ein großes Auswanderungshaus, das unter städtischer Aufsicht steht, gründen wolle, wo der Einwanderer vor Betrug sicher sei, und der arme hülfsbedürftige Arbeiter auf eine gewisse Zeit, seinen ersten Aufenthalt zu decken, selbst unentgeldlich Obdach und Nahrung fände. Wenn es zu Stande käme, wäre es ein Segen für Tausende, und New-Orleans, als Theil der Staaten, erfüllte damit nur eine schon längst schwer auf ihm gelegene Pflicht der Hafenstädte, Tausende von Unglücklichen, die nach Amerika kamen, dem Lande ihre Kräfte zu weihen, vor Verderben und Untergang, wenigstens vor grenzenloser Noth zu bewahren. Gott gebe seinen Segen dazu.«



»Wie wunderbar doch Gottes Wege sind,« sagte Kellmann, langsam mit dem Kopf dazu schüttelnd; »das arme Kind, das wenige Jahre früher, ohne einen Groschen, seine Nachtherberge zu zahlen, barfuß hier die Straße wanderte, verfügt jetzt über Tausende, und sucht Schmerz und Elend zu lindern, das sie selber ja so schwer aus ihrem eigenen Leben kennt.«



»Da kommen die Damen,« sagte von Benkendroff, der sich für die Leute nicht im mindesten interessirte, und indessen langsam seinen Kaffee getrunken und seine Cigarre geraucht hatte, »Schwiegermama scheint aufbrechen zu wollen, die Anordnungen zum Ball zu revidiren. Dort rasseln auch schon die Wagen heran,« rief er seine Cigarre wegwerfend, »also meine Herren, auf Wiedersehn heute Abend.«



Die Kutschen kamen jetzt, unter dem fröhlichen Hörnerschmettern des Postillions, um die Gartenwand gefahren und die erste hielt vor dem Thor, in die Hopfgarten wieder, als Ehrenpaar den Zug anzuführen, seine junge, lächelnde Frau hineinhob, und dann Platz an ihrer Seite nahm. Langsam fuhr dann der Postillion voraus, bis sämmtliche Gäste ihre Sitze eingenommen hatten, und der ganze Zug unter dem Hurrahgeschrei der sämmtlichen Dorfbewohnerschaft, der ebenfalls für den Abend hier draußen ein Fest bereitet worden, rasch die Straße nach Heilingen hinabrollte.



Der Wirth hatte seine »innigsten Glückwünsche« sämmtlich angebracht, und seine tiefen und freundlichen Bücklinge noch gemacht, bis der letzte Wagen schon lange sein Grundstück passirt war, drehte sich dann mit demselben freundlichen Gesicht um, gab einem der in die Lehre genommenen jungen Kellner, der mit offenem Maule neben ihm stand, eine Ohrfeige, und schickte den darüber auf's Äußerste Erstaunten an seine Arbeit, und lief selber in das Haus zurück, das Wegräumen der nicht getrunkenen Weine zu überwachen.

 



Nur der Oberkellner blieb, sich vergnügt die Hände reibend, und mit schmunzelnden, ein vortreffliches Trinkgeld verrathendem Antlitz noch einen Augenblick in der Thüre stehn, bis auch die letzte Staubwolke auf der Straße verschwunden war, und wandte si