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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band

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»Nicht dulden dürften?« lachte Olnitzki höhnisch auf – »könnt Ihr es hindern?«

»Wir könnten es wenigstens versuchen,« sagte der alte Mann ruhig; »aber die Frau hat das zu bestimmen.«

»Wir wollen auch gar nicht mit Euch unterhandeln, Olnitzki,« mischte sich jetzt Owen mit eben keinem freundlichen Blick auf den Polen, in das Gespräch – »Missiß Olnitzki wird uns vielleicht sagen ob sie gern mit auf dem Karren nach Texas fährt, der sie in ihrem Zustand kaum lebendig nach Little Rock bringen wird, oder ob sie es vorzieht unseren Schutz anzurufen.«

Sidonie, die in dumpfer Verzweiflung, ihrer Schwäche sich bewußt und erneute Mishandlungen des rohen Menschen fürchtend, ihr Schicksal entschieden geglaubt hatte, ja schon in einer Art unheimlicher Freude zu hoffen anfing, der Hand die, so kalt und erbarmungslos in ihr Leben gegriffen, bald durch den willkommenen Tod entrissen zu werden, sah hier wieder, kaum ihren Ohren trauend, eine Hoffnung aufleuchten. Hülfe zeigte sich ihr, wo sie an keine mehr geglaubt, das Bild ihrer glücklichen Heimath, der sie zurückgegeben werden sollte, tauchte plötzlich, wo Alles Nacht und Grauen gewesen, vor ihrem Auge lichtumflossen auf, und die langen Haare in scheuer Angst aus der fieberheißen Stirn werfend – halb erhoben in dem kleinen Karren und den einen, fast fleischlosen, durchsichtigen Arm den Männern entgegenstreckend, rief sie mit lauter zitternder Stimme:

»Rettet mich – rettet mich vor ihm!«

»Wahnsinniges Weib!« schrie der Pole, die Büchse im Anschlag emporreißend, und während er sie mit der Linken halb schußgerecht und fertig hielt, mit der rechten des Pferdes Zügel fassend »aber Dein Jammern hilft Dir Nichts, und der Bande zum Trotz schlepp ich Dich mit mir. Zurück da aus dem Weg,« donnerte er jetzt mit der vollen Kraft seiner Stimme dem Alten entgegen, »oder bei Höll' und Teufel schwör' ich's Euch, der Erste der mir nur eines Auges Zucken noch den Weg vertritt, ist eine Leiche!«

»Wenn Ihr die Büchse gegen einen von uns hebt, seid Ihr ein Kind des Todes,« rief da Jack Owen, die eigene Waffe im Anschlag emporwerfend.

»Gut daß Du mich mahnst!« schrie da Olnitzki, in blinder auflodernder Wuth kaum mehr wissend was er that, »Du wenigstens gehst da voran,« und mit dem Lauf emporfahrend zuckte auch schon in dem nämlichen Augenblick der scharfe Strahl aus dem Rohr, und die Kugel schlitzte Jack Owens linken Backen. —

»Jim Riley läßt dich grüßen,« sprach da der Jäger kalt und ruhig, und wie Olnitzki, die Büchse in die linke Hand fassend, blitzesschnell mit der Rechten ein Pistol aus dem Gürtel riß, hob sich das lange Rohr empor und mit dem Knall fast, brach der Pole, mitten durch die Brust geschossen, in seiner Fährte zusammen. Der Jäger aber, ohne auch nur einen Blick weiter auf die Leiche zu werfen, stieß seine Büchse auf den Boden nieder, nahm aus der Tasche den Krätzer und wischte sie aus – wie nach jedem Schuß – that frisches Pulver ein und fettete das Pflaster aus einem kleinen, dafür mit Talg gefüllten Loch im Kolben, setzte die Kugel langsam und vorsichtig auf, bis der Ladstock zweimal sprang, und die Büchse, nachdem er auch Pulver auf die Pfanne geschüttet und diese wieder geschlossen, über die Schulter werfend, griff er das Pferd am Zügel, winkte einen anderen Nachbar, Sam Houston, herbei und lenkte mit diesem den Karren seitab in den Wald, der eigenen Heimath zu.

Still und in düsterem Schweigen starrten indeß die anderen Männer auf die noch zuckende Leiche – kein Wort wurde gesprochen, kein Laut gehört und Soldegg, der ein ziemlich unfreiwilliger Zeuge des ganzen Vorgangs gewesen, ritt die wenigen Schritte noch hinan, bis sich die Pferde scheuten vor dem frischen Blut.

»Böse Geschichte das Gentlemen,« sagte er ruhig dabei, während er die Thiere einer kleinen Blöße im Wald zulenkte, den Platz zu umreiten – »sehr böse Geschichte das, und wird den Advokaten im Little Rock wieder haarscharfe Arbeit geben. Apropos, da der frühere Besitzer des Platzes dahinten jetzt nicht blos verreist sondern auch abgereist ist, wäre es vielleicht eben so gut Ihnen gleich hier zusammen die Nachricht zu geben, daß ich jetzt der Eigenthümer bin, und in diesen Tagen Jemanden herüberschicken werde das Vieh nach Little Rock zu treiben oder, wenn sich hier passende Käufer finden sollten, es gleich an Ort und Stelle zu verauktioniren. Guten Morgen, Gentlemen, dürfte ich Sie wohl ersuchen Mister – wie ist doch gleich Ihr Name? da vorne ein klein wenig nur aus dem Weg zu treten; die Pferde sind noch jung und scheuen gern, und könnten einander schlagen.«

Die Männer von Arkansas hatten indessen, ernst und schweigend auf ihre Büchsen gelehnt, den Körper des Getödteten angeschaut, und nur manchmal einen eben nicht freundlichen Blick nach dem Sprecher geworfen, von dem sie wußten wie genau er im Zusammenhang mit der entwickelten Catastrophe stand, aber Niemand unterbrach ihn in seiner Rede, noch schien sich weiter Jemand um ihn kümmern zu wollen, bis er die direkte Aufforderung machte ihm Raum zu geben. Da war es wieder der alte Rosemore der, ohne seine Stellung im mindesten zu verändern, nur den Kopf zu dem Reiter aufhebend, sagte:

»Mr. Soldegg, es fällt uns nicht ein Ihrer Abreise etwas in den Weg zu legen, so wenig wie wir den unglücklichen Mann da verhindern wollten seine eigene Bahn zu gehen; soweit das also Sie und Ihr Eigenthum, das Pferd auf dem Sie reiten, und auf dem Sie in die range gekommen sind, betrifft, haben wir nicht das Mindeste dagegen, verzichten sogar auf das Vergnügen Sie je wieder bei uns zu sehen – nur das Eigenthum der Frau darf ohne ihren Willen nicht fortgeführt werden; lassen Sie also die Pferde los und ziehen Sie mit Gott.«

»Die Pferde sind mein,« rief Soldegg trotzig, »und mehr als das, Olnitzkis Schweine, Kühe, sein Land, sein Haus, Alles ist mein, und die Papiere die mir das bestätigen trage ich in meinem Taschenbuch.«

»Hat er das Alles Euch verkauft?« sagte Rosemore ruhig. —

»Was kümmert Euch das wie; wenn Ihr die Thatsache wißt,« sagte Soldegg finster.

»Und was hat Olnitzki dafür an Werth bekommen?« frug Rosemore wieder, ohne eine Miene seines starren Antlitzes zu verziehen.

»Und wenn er's mir geschenkt hätte, und wenn ich's im Spiel von ihm gewonnen oder in einer Wette – kümmert das Euch?«

»Nicht, so lang' er lebte, allerdings; er konnte da über sein Eigenthum verfügen, wenns wirklich sein war und nicht der Frau gehörte, wie er wollte; aber Gott hat ihn abgefordert, und das was er hinterlassen gehört seinem Weib. Beweißt uns daß das Ganze im ehrlichen Kauf auf Euch übergegangen, und zieht in Frieden, hat es Olnitzki aber, wir wir Grund haben zu vermuthen, im Trunk und seiner Sinne nicht mächtig, verspielt, so mußte er auch dann, so lang' er lebte, dafür einstehn, – aber nicht sein Weib, nicht Euch gegenüber Soldegg, von dem es schon überdieß unklug war, Euch in einem solchen Geschäft hier wieder einzufinden. – Gut – gut – wir wollen Nichts über vergangene Zeiten reden,« sagte er ruhig und mit der rechten Hand, ohne den Arm von dem Büchsenlauf zu nehmen, langsam abwehrend, – »es ist vorbei, aber die Pferde hier, Soldegg, oder die Schweine und Kühe auf der Farm, wie die Farm selber, was sie nun eben werth ist, gehört der Frau, und bis Ihr uns eben nicht Beweise bringt daß Ihr die Sachen rechtlich erworben, gehören sie eben ihr – und sollen ihr bleiben,« setzte er fest und bestimmt hinzu – »so wahr ich Rosemore heiße.«

»Ich lasse die Pferde hier nicht zurück,« sagte Soldegg finster, »außer Ihr nehmt sie mir mit Gewalt, und nach dem was hier vorgegangen, kann ich mich nicht der Überzahl der mit Büchsen bewaffneten Männer widersetzen.«

»Nennt's wie Ihr wollt; der Leute hier bedürfte es aber nicht,« sagte der Alte ruhig, »ein Einziger wäre da schon genug; laßt nur die Pferde, die nicht Euch gehören, los.«

»So protestire ich hiermit feierlich gegen ein solch gewaltthätiges Verfahren,« rief Soldegg die Leine die er in der Hand hielt von sich werfend und den eigenen Zügel fester packend, – »protestire gegen solche Willkür, die in Mord ausartet wo sie ein Hinderniß findet, und werde die Sache den Gerichten in Little Rock übergeben.«

»Thut das,« sagte der alte Rosemore mit einem verächtlichen Lächeln, »schickt uns die Advokaten in den Wald, und sie mögen sehen was sie ausrichten. Und was den Mord betrifft, wie Ihr ihn zu nennen beliebt, so müssen wir abwarten wie wir ihn verantworten können; bei uns im Wald wehrt sich eben der Angegriffene seiner Haut, und schon nach dem Schuß, selbst wenn die Kugel nicht in einem halben Zoll an des Bedrohten Leben vorübergegangen wäre, hatte Jack Owen das Recht, den Burschen über den Haufen zu schießen. Doch Ihr wißt das besser als ich es Euch sagen könnte, und nun Herr Soldegg,« sagte er seinem Schwiegersohn dabei mit einer Bewegung des Kopfes winkend dem Manne freie Bahn zu lassen, »ziehen Sie in Frieden.«

Soldegg, mit der Rechten fast unwillkürlich in die Brust, nach einer dort wahrscheinlich verborgenen Waffe fühlend, zügelte das tanzende Pferd noch mit der Linken scharf zurück; es war, als ob er sich nicht gutwillig fügen, noch etwas sagen wolle, und die finster zusammengezogenen Brauen verriethen das eben als nichts Freundliches; dann aber plötzlich sich eines Anderen besinnend, ließ er den Zügel des Thieres frei, drückte ihm den linken, mit einem Sporn bewehrten Hacken in die Seite, und sprengte rasch und ohne Gruß mitten durch die ihm Raum gebenden Männer hin, den Pfad entlang, der in die Little Rock County Straße führte.

Capitel 3
Vater und Sohn

Es war Frühling um New-Orleans – draußen im Walde blühten die Magnolien in voller Pracht, die China-Bäume streuten ein Meer von Wohlgeruch aus ihren Lilla-Blumen um sich her, in den Büschen und Zweigen der Niederungen flötete der Mockingbird1 sein leise klagendes melodisches Lied, und aus dem wehenden grauen Moos der Bäume, das fahlgrau und fast winterlich die mächtigen Stämme der Pecan und Cypressen umweht hatte, quollen die jungen Maigrünen Knospen zu Tag, und streckten thaublitzend der freundlichen Sonne die schwellenden Lippen entgegen.

 

Oh wie die Weiden am Ufer so süß dufteten, und das Schilf im Busch so junge kräftige Schößlinge trieb, wie das in den Zweigen und Wipfeln der Bäume an zu leben, zu zwitschern und zu flattern fing – wie lebendig es auf den Flüssen und Seeen wurde, wo die Wandervögel anlangten vom tiefen Süden, und die flugmüden Schwingen streckten und dehnten, am nächsten Morgen in langen geordneten Schwärmen ihren Zug gen Norden weiter fortzusetzen; wie der Himmel sich so blau und durchsichtig wieder über das sonnige Land spannte, und die Luft so warm und lau den Wandervögeln folgte, auch oben im Norden die eisbedeckten Ströme zu befreien, und die weißen Decken von den darunter grünenden Saaten zu streifen.

Es war Frühling um New-Orleans, aber die Stadt selber merkte freilich Nichts davon – Dampfboote kamen und gingen, Schiffe lichteten und warfen ihre Anker, Schaaren von Menschen landeten und verließen die Levée, Gütermassen wurden ein- und ausgeschifft, und ein Drängen und Treiben war an dem lebendigen Strand wie je; aber was kümmerte die Leute der Frühling, wo er nicht etwa in direkter Verbindung mit ihrer Zucker- und Baumwollenerndte stand; was kümmerte sie das Zwitschern der Vögel draußen und das Knospen und Keimen, was der Duft, der Schmelz der Blüthen. Das Knarren der Winden, die die Güter aus der Dampfer und Schiffe Bauch zu Tage förderten, das war ihr Vogelsang, Frühling und Sommer, Herbst und Winter durch, die Blätter ihrer Contobücher die einzigen auf deren Rauschen sie achteten; das Sonnenlicht wurde mit Gleichgültigkeit, der frischende Regen mit mürrischem Gesicht oder halb durch die Zähne gemurmeltem Fluch begrüßt, denn er näßte die Salz- und Kaffeesäcke, und that den andern Rohprodukten Schaden – was kümmerte sie die übrige Welt.

Und welch ein Leben an der Levée herrschte – siebenzehn Schiffe mit Auswanderern von Deutschland und Irland waren in der vorigen, dreiundzwanzig mit derselben Fracht in dieser Woche angekommen; Schaaren von Einwanderern hatte ebenfalls der vorige Monat gebracht, von denen die größte Zahl nicht einmal Geld genug mehr besaß, die Dampfboot-Passage zu zahlen und weiter in's Innere zu gehn, und zu Hunderten lagen sie jetzt bei ihrem Gepäck auf der Levée umher, in Noth und Elend das Leben der Frauen und Kinder fristend, während die Männer mit triefender Stirn, immer und immer vergebens, nach Arbeit in der Stadt umherliefen. Selbst die Agenten für Dampfboote und Wirthshäuser, die Aasgeier der menschlichen Gesellschaft, wandten sich in Ekel von ihnen ab, und das Amerika, nach dem sie die Arme hoffend und sehnend ausgebreitet, das ihre Träume erfüllt, und sie Gefahren und Mühen des langen, langen Wegs getrost und freudig ertragen ließ, hatte jetzt weder eine Brodrinde für sie, die Hungrigen zu sättigen, noch ein freundliches Wort, die Verzweifelnden aufzurichten. Die Ballen und Säcke zählten die, geschäftig an ihnen auf- und abeilenden Amerikaner, ihre Notizbücher und Bleistifte in der Hand, schützten sie gegen Nässe wenn es regnete, und bewahrten sie vor Schaden; so ein Sack kostete aber auch so und so viel Dollar, und war so gut wie baar Geld – um die Unglücklichen kümmerte sich kein Mensch – sie konnten verderben wo sie lagen – die nächsten Schiffe brachten mehr der Art, und das Land im Innern, zu dem man sie brauchte es zu bebauen, es der Wildniß zu entreißen, zu dem diese Leute ihre braven Herzen, ihre kräftigen Arme, ihren Schweiß herübergebracht – lieber Gott, das lag eben im Westen und ging sie Nichts an. Wenn irgend Jemand ein Interesse dabei hatte war es der Staat, und da sich der nicht darum kümmerte, was hatte der Einzelne damit zu thun – Allen hätten sie doch nicht helfen können.

Und der Staat? – die Regierung der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika? – Vor funfzig Jahren wohnten westlich von den Alleghanie-Bergen noch nicht 300,000 Menschen, das Land war größtentheils noch eine Wildniß, vom Bär, Panther und Büffel und dem wilderen Indianer bewohnt, jetzt umschließt dieser selbe Raum eine Bevölkerung von über zwölf Millionen; der Handel des Mississippi-Thales wird zu dem Werth von 439 Millionen Dollar gerechnet, das Land hat zehn- und hundertfachen Werth gewonnen, Städte sind seit der Zeit an den äußersten Grenzen der Wildniß aufgesprungen, die jetzt den Centralpunkt blühender, reicher Distrikte bilden und ihre Einwohnerzahl nach hundert Tausenden zählen; so weit das Auge reicht decken blühende fruchtschwere Felder den Boden, Straßen und Eisenbahnen durchziehen das Land, unzählige Dampfboote schießen auf den Wassern hin, die sonst nur das Canoe des Wilden trugen, und seinen Schlachtschrei und den Lockruf wilden Geflügels hörten; Schulen und Universitäten stehen da, wo in jener Zeit noch der Bär sein Lager hatte, und der Wolf die Mitternachtsstunde heulte, und wem verdankt das weite Reich solch riesigen Umschwung? wem anders als den wackeren Einwanderern, die mit ihrem Schweiß die Felder gedüngt, mit ihrer Hände Fleiß geschaffen haben was da fertig liegt. Und das Land ist erst im Wachsen, denn so Unglaubliches die kurze Zeit geleistet, so viel mehr bleibt noch zu thun, so viel größere Strecken liegen noch in Wald und Sumpf und Wüste, und harren der fleißigen Hände, die sie in's Leben rufen sollen.

Die Vereinigten Staaten kennen den Nutzen dabei, den sie allein von der Einwanderung erwarten dürfen, sie wissen wie gerade der arme Bauer, der mittellos und auf seiner Hände Arbeit angewiesen dieses Land betritt, das Werkzeug ist den Boden zu verwerthen; sie erkennen und fühlen auch die Pflicht, die Wohlfahrt derer zu überwachen, deren Kinder einst den Kern des Landes bilden sollen, das beweißt z. B. das Schifffahrtsgesetz das sie gegeben, willkürlichen Überladungen gewissenloser Rheder zu wehren; aber nur erst ein einziger Schritt war das in dem was ihre Pflicht ist gegen die Tausende, nur ein Eingeständniß der übernommenen, die Menschen, die sich ihnen vertrauend genaht und ihnen Alles bringen was sie das Ihre nennen, die Schaaren, die sie zu Vorfechtern der Cultur gebrauchen, und die das weite Land mit ihrem Schweiße, wie oft mit ihren Leibern düngen sollen, nicht erst verkümmern, moralisch untergehen zu lassen gleich bei der ersten Landung.

Die Art selbst, wie sie betrügerischen Agenten, gewissenlosen Schuften aller Nationen – denn jede findet da Geyer unter ihren Landsleuten, die auf sie lauern – ganz freien Spielraum läßt die Unglücklichen auszusaugen, die vielleicht noch bei dem ersten Betreten des Landes so viel hatten irgend einen Zielpunkt im Innern zu erreichen, und hier und da gerupft so viele Federn lassen bis sie nicht mehr fliegen können; die Art wie sie diese armen Unglücklichen, die der Sprache und den Sitten fremd ihre Ufer betreten, preisgiebt jedem Betrug, jeder Hinterlist, macht sie zu halben Mitschuldigen an Allem was geschieht, und zieht verdienten Fluch auf ihre Häupter herab, von Tausenden.

Hier ist freilich nicht der Platz das wie zu besprechen, das diesen Übeln steuern könnte; aber der Weg, wenigstens einem Theil solchen Unheils vorzubeugen, ist in New-York z. B. in den letzten Jahren auch in New-Orleans, von der »deutschen Gesellschaft« angebahnt, die das begonnen was der Staat versäumt, und weil er es versäumte; aber nur Privatleute sind es bis jetzt, die von Mitleid für so viele Unglückliche getrieben ihre Zeit und ihr Geld opferten; der Staat sieht ruhig zu, hält Agenten, die für die verschiedenen Staaten Land verkaufen dürfen und glaubt damit Alles gethan zu haben. Wie auf eine nackte Sandbank hinausgeworfen findet der arme Einwanderer sich inmitten einer unermeßlich reichen und zahlreichen Bevölkerung, in dem Drängen und Treiben einer Christlichen Stadt, der Noth, ja dem Hungertode preisgegeben, wenn er sich eben nicht selber retten – helfen kann.

Das bedeutsame Help yourself 2 der Union hat dabei Ähnlichkeit mit dem Rufe »Schwimm!« ein vortreffliches Wort für den der es kann, und wer's nicht kann sinkt eben unter, mit dem besten Willen.

Wie das drängte und trieb an der Levée hin, wie die leeren Karren, von halbtrunkenen Irländern in vollem Galopp die Straße niedergetrieben, mitten hinein in die Menschenmassen jagten, und aufluden bis in die späte Nacht hinein von dem Riesenhaufen aufgestapelter Waaren, der sich meilenweit den Strom entlang hinstreckt, und diese doch nicht weniger wurden; wie sich Lastträger und Arbeiter, Krämer, Makler und Agenten, Buchhalter und Handlungsdiener, Obst- und Blumenverkäufer, Milch-, Kaffee- und Kuchenmädchen, Matrosen und Neger wild und bunt durcheinander mischten, Jeder ein Ziel vor Augen, in Beschäftigung oder Erholung, Alle dort auf- und niederwogend, rasch und geschäftig oder lachend, singend und plaudernd – nur die Einwanderer saßen still und stumm dabei auf ihren Kisten und Koffern, in der fremden, auffälligen Tracht, mit den bleichen Gesichtern und tief liegenden stieren Augen; nur an ihnen wogte das rauschende Leben vorbei, wie der munter plätschernde Bach den Kieselblock in seinem Wege trifft und umspühlt, und weiter strömt seinen wilden fröhlichen Weg.

»Wo die Leute nur Alle zu Mittag essen,« sagte der eine Mann, der ein kleines, in Lumpen eingewickeltes Kind auf dem Arme trug und ein anderes, kaum größeres an der Hand führte, zu seinem Weib, das fröstelnd in ein altes Tuch geschlagen in der heißen Sonne saß und den schmerzenden Kopf in die Hand stützte, »und wie die Häuser da alle so kalt und großartig stehn und uns anstarren mit den gläsernen Augen als ob sie fragen wollten wo gehört Ihr denn hin. S' ist doch ein eigenes Gefühl so gar keinen Platz auf der weiten Gottes Welt zu haben wo man zu Hause ist, und wo Nachts das Bett steht. Wie sie gestern Abend überall die Thüren zumachten und die Lichter auslöschten, und wir draußen bleiben mußten unter freiem Himmel, war es mir g'rad wieder zu Muthe wie daheim, als ich den Kirchweg hinunter aus unserem Dorfe auf nimmer Wiederkehren ging.«

»Wo begraben sie denn hier die Leute wenn sie sterben?« frug die Frau mit zitternder, noch immer fröstelnder Stimme, »oder werfen sie Einen hier auch in's Wasser wie draußen auf dem Meer?«

Der Mann schwieg, setzte sich wieder auf seine Kiste nieder, und hielt beide Kinder vor sich auf den Knieen; er fing an abzustumpfen gegen das Elend um ihn her – und es war nur Einer von vielen Tausenden.

Über Mittagszeit wurde es stiller auf der Levée – wie ein ebbender Strom drängten die Menschenmassen von dem Ufer fort – die Menge theilte sich – in die Straßen hinauf, auf die Boote selbst zog sich da Trupp nach Trupp, bis fast nur die einzelnen Wachen bei den Gütern blieben. Aber am Ufer hin, auf ihrem Gepäck, oder dem Ballast auch ruhend der in der Sonne glühte, lagen die Deutschen und Iren, an Stücken Schiffszwieback kauend, oder muldigem »Lootsenbrod«, das sie sich um ein paar Cent im »store« gekauft, den nagenden Hunger zu stillen. Das schmutzige Mississippi-Wasser, milchwarm im Sommer doch jetzt noch ziemlich kühl von den weiter oben treibenden Eisschollen, war ihre Labung dabei, und die Kinder – ach wie oft auch die Eltern – schauten dann wohl sehnsüchtig nach den Körben hinüber, die junge Negermädchen am Ufer auf und abtrugen, als Mittagsmahl für Manchen, den Pflicht oder Geschäft an die Levée bannte durch die Mittagszeit. Den Fremden boten sie die Waare nicht einmal mehr an – »no money, no cakey« lachten die munteren Dinger und schritten singend weiter, und den Kindern lief das Wasser im Mund zusammen bei dem leckeren Anblick, den sie freilich nicht greifen durften, und der ihnen das trockene harte Brod um so viel trockner, so viel härter schmecken ließ.

Ei wie das drängte und lief und mit den Tellern klapperte in den Boardinghäusern von New-Orleans; was sie für Geschäfte machten die »armen Wirthe« die sich für das Wohl ihrer Landsleute, dem eigenen Ausdruck nach, nur aufgeopfert. Wie in einem Bienenstock kamen und gingen die Gäste, im Flug förmlich die Speisen hinterschlingend, nicht zu viel Zeit auf solche Nebensachen zu verwenden.

 

Und in den deutschen Häusern – lieber Gott, bis unter die Decke, auf der Flur, und auf dem Hof selbst unter freiem Himmel, standen die Kisten aufgestapelt, und im innern Raum saßen sie festgedrängt Mann an Mann bei Tisch, im engen heißen Zimmer, ihr Brod im Schweiße ihres Angesichts zu verzehren.

Auch in dem »deutschen Vaterland« waren die Räume bis unter das Dach, die Tische gefüllt, soviel wie Stühle daran stehen wollten – freilich nur für solche, »die Geld hatten,« wie der alte Hamann meinte. Der ging aber jetzt immer kopfschüttelnd im Hause herum, und jammerte und klagte mehr als je, daß ihn seine Landsleute, die er gefüttert und verpflegt, rein ruinirten. – Aber er konnte auch Nichts weiter für sie thun – so gern er selbst es wollte – die Zeiten waren zu schlecht, die Leute wollten nicht zahlen, und was sollte da am Ende aus einem armen Boardinghauswirthe werden?

Sein Sohn war auch wieder von Arkansas zurückgekommen, und wenn er auch nicht gerade so brillante Geschäfte gemacht, wie sein Vater mit dem Waarentransport vielleicht erwartet, schien er doch, seit ein paar Wochen wenigstens, und nachdem er etwa vierzehn Tage wieder im Haus gewesen, den alten Trotzkopf abgelegt und keinen solchen Widerwillen mehr vor der Wirthschaft selber zu haben, der er sich zu des Vaters inniger Freude thätig annahm – wenn dieser auch freilich die Hauptgeschäfte noch selber besorgen mußte.

Auch mit seiner jungen Wirthschafterin hatte der alte Hamann einen vortrefflichen Fund gethan, und Hedwig seine Erwartungen in jeder Hinsicht so weit übertroffen, daß er wirklich manchmal gewaltsam an sich halten mußte, sie nicht laut zu loben; das hätte sie nämlich leicht zu dem Verlangen einer Gehaltserhöhung locken können, die er wenigstens nicht selber leichtsinnig herbeiführen wollte. In dem Theil der Wirthschaft, welchem sie, bei dem sich mehr und mehr ausbreitenden Geschäft, vorstand, war auch Nichts zu wünschen übrig, und eine Sauberkeit herrschte in Wäsche und Geschirr, in Tisch- und Bettzeug, die ihn mit den wenigen Mitteln in Erstaunen setzte, und da erhielt, wo früher die Hälfte in Schmutz verdorben und untergegangen war.

Hedwig arbeitete vom frühen Morgen bis in die späte Nacht; überwachte die Beschäftigung der andern weiblichen Dienstleute, und schaffte selber mit einer Thätigkeit, die Herr Hamann wohl mit innigem Vergnügen, aber auch mit dem festen Bewußtsein sah, daß die Sache nicht lange so fortdauern würde. Deutsche Dienstmädchen werden von Amerikanern und Deutschen immer gesucht, so lange sie eben frisch von Deutschland kommen, sind sie aber erst einmal eine Weile im Lande, lernen sie die Verhältnisse näher kennen, und sehen sie besonders, wie es Andere ihres Gleichen machen, dann arten sie auch fast immer aus, verlangen höhern Lohn, machen sich ihre Arbeit leicht, fangen sich an zu putzen und ihren Dienst zu wechseln, und haben sich damit, wie sie meinen, amerikanisirt. Hedwig dachte aber nicht an etwas derartiges; glücklich in dem Bewußtsein sich jetzt nicht allein ihr Brod verdienen, sondern auch das unglückliche Opfer des Mannes, der sie selber, durch ihren armen Bruder so elend gemacht, unterstützen zu können, war ihr ganzes Streben nur darauf gerichtet, ihre Pflicht zu erfüllen. Diese Thätigkeit, mit einer, schon nach den ersten Wochen erlangten, fast selbstständigen Stellung in dem Hause, gab ihr eine unendliche Ruhe und Zuversicht, ja fast eine Heiterkeit, die das arme Kind in ihrem ganzen Leben noch nicht gekannt.

Nur eines lag ihr dabei schwer auf der Seele, ja füllte ihre Augen oft mit Thränen, und ihr Herz mit der Furcht, doch diesen Platz nicht lange behaupten zu können, und wieder in die Welt hinaus zu müssen, die sie eigentlich noch gar nicht kannte, und die sie wieder und wieder kalt zurückgestoßen hatte.

Es war das Leben und Treiben ihres Brodherrn selber, wie dessen Gehülfen, des Ausschenkers, den armen Auswanderern gegenüber, die Zufall oder Noth in ihren Bereich warf, und denen sie – es konnte ihr das bald nicht mehr entgehen – abpreßten was ihnen abzupressen war, um sie nachher von Allem entblößt auf die Straße zu werfen. Fortwährend mit den Unglücklichen in nächster Berührung, hörte sie täglich deren, meist nur immer schüchtern laut werdende Klagen, sah, wie sie Schritt für Schritt dem Verderben entgegengingen, und konnte doch nur so selten helfen.

Das Bettzeug des ganzen Boardingshauses bestand einzig und allein aus Wäsche, die von den Unglücklichen in Versatz genommen, und selten oder nie wieder an sie ausgeliefert wurde; ein Nähmädchen, das ebenfalls ihre ärmliche Kost hier abverdienen mußte, war Tag um Tag beschäftigt die alten Zeichen auszutrennen, und die Bett- und Tischtücher und Hemden neu zu marken. Die Küche wurde tagelang mit alten Auswandererkisten geheitzt, und Jimmy der Barkeeper that dabei mit allen nur erdenklichen Listen sein Möglichstes, die Männer, die sich regelmäßig und halbverzweifelt die Abende in dem Schenkzimmer umhertrieben, zum Trinken zu verlocken, wobei er nie versäumte mitzuzechen. Wenn er sich dann auch nur ein paar Tropfen in's Glas goß, denn er mußte wenigstens nüchtern bleiben, wurde das den armen Teufeln, die so schon nicht wußten, wie sie die Ihrigen unterbringen und vor Mangel schützen sollten, doch immer für voll angerechnet, und wie die Rechnungen dadurch aufliefen, verringerte sich die Möglichkeit für die Fremden, sie zu der bestimmten Zeit zahlen zu können, wo ihre Sachen dann dem Hause verfallen waren.

Dabei hatte Herr Hamann, von Herrn Messerschmidt und vielleicht noch von manchen anderen eben solchen Agenten unterstützt, eine Art Landagentur, wie auch selber eine Strecke Wald in der Nähe von New-Orleans, worauf fortwährend Leute arbeiteten, für die er nie einen Cent baar Geld bezahlte. Viele Amerikaner in den nördlichen Staaten standen zugleich mit ihm in Verbindung, denen er gegen eine gute Provision Pachter oder Käufer hinaufschickte, und von ihm empfohlen, »der ja das Land in dem er so viele Jahre wohnte, genau kennen mußte« und nicht wissend wohin sich zu wenden, lief Mancher, der noch ein paar Thaler und eine Menge kluger Vorsätze mitgebracht, nur zu willig in die leicht gelegte Schlinge. Wie es ihnen da später ging, ob sie zu spät einsahen, daß sie ihr gutes Geld an ein Experiment weggeworfen, und nun als Tagelöhner wieder beginnen mußten, wo sie, wenn sie ihr Geld im Anfang zu Rathe gehalten, später mit erst gesammelter Erfahrung nach eigenem Urtheil hätten etwas erwerben können; ob ihre Familien, trotz allem Fleiß, trotz aller Sparsamkeit in Noth und Mangel geriethen, was kümmerte das ihn; er zog von dem einem Theil seine Provisionen und brachte durch den anderen, mit nur sehr geringen Auslagen, sein eigenes Land zu einem weit höheren Werth in den Markt. Die Einwanderer betrachtete er ja überdieß nur als Handwerkszeug, seine eigenen Zwecke zu erreichen, Handwerkszeug das noch den ungemeinen Vortheil hatte, daß er es, wenn abgenutzt, nie brauchte schärfen zu lassen, da jede Woche fast neues von Europa kam.

Hedwig sah und durchschaute Vieles, schon nach kurzer Zeit ihres Aufenthaltes in dem Haus, aber was konnte das arme, mit den inneren Verhältnissen des Landes überdieß ganz unbekannte Mädchen dagegen thun? Sie vermochte den Unglücklichen, denen sie nicht zu helfen wußte, nicht einmal zu rathen, und mußte, obwohl ihr das Herz dabei blutete, geschehen lassen, was eben geschah.

Das war Amerika? lieber Gott, sie hatte sich das Land anders gedacht, und wenn sie wohl auch fühlte, daß sie hier nur die schwärzeste Seite des Ganzen kennen lernte, jammerte sie doch das Elend so vieler Tausende.

Manche Thräne weinte sie im Stillen den Unglücklichen, aber sie selber schaffte und arbeitete dabei, und half auch, wo sie konnte, mit manchem, freilich heimlich den Kindern und kranken Frauen gereichten Labsal, und mehr noch oft mit freundlichem Wort und Trost für die, die einsam und verlassen, des Trost's so sehr bedürftig, in der Fremde standen.

Eine furchtbare Zeit verlebte indessen Clara Henkel in dem kleinen heißen Hinterstübchen des »deutschen Vaterlands«, wo sie, nach Hedwigs Probewoche, von dieser einquartirt, und die erste Zeit, ehe sie sich vollständig erholt, noch von dem jungen Mädchen gepflegt wurde, wie es nur deren, den Tag über fast ganz in Anspruch genommene Zeit erlaubte. Von einem hitzigen Fieber, die ersten Tage nachdem sie Amerikanischen Grund und Boden betreten, erfaßt, und auf ihr Lager geworfen, hatte die Unglückliche viele Tage mit dem Tode gekämpft, und doch ihn herbeigesehnt, sie von ihrem Elend zu befreien. Hedwig war in der Zeit nur von ihrem Lager gekommen einen Arzt zu suchen; so viel Mühe sie sich aber auch gegeben ihren jungen Reisegefährten Donner aufzufinden, zu dem sie, was seine Kunst betraf, an Bord der Haidschnucke so viel Vertrauen gefaßt, war es ihr doch nicht möglich, und sie zuletzt gezwungen gewesen einen Amerikanischen Arzt zu nehmen. Glücklicher Weise kam sie zu einem geschickten und wackeren Mann, der die Krankheit richtig erkannte und faßte, und die Leidende nicht mit dem, bei Amerikanischen Ärzten so häufig alleinigen Heilmittel – dem Calomel – noch mehr angriff, als es die Krankheit selbst vielleicht gethan; aber der Amerikanische Arzt forderte auch Amerikanische Preise für seine Kur, und das Wenige an Geld, was Clara fast nur zufällig in ihrem Koffer gehabt (denn Alles was sie sonst an werthvollen Sachen besaß, hatte Henkel in dem kleinen, ihr gehörenden Lederkoffer mit an Land genommen) ging mit der Zahlung des Arztes und der Hotelkost auf. Da war es, wo Hedwig, als die Genesende ihr ganzes Herz öffnete, ihr Alles klagte und gestand, das ganze Geheimniß ihres Elends enthüllte, zu eigenem Handeln aufgerufen, jetzt aber auch vielleicht zum ersten Mal selber den ganzen Jammer ihres armen Bruders ahnend, aus dem Kind, in wenig Stunden zur Jungfrau reifte. Nicht mehr mit furchtsamer Scheu abhängig und unentschlossen stand sie da; Clara war ihr auch nicht mehr die Herrin, deren selbst freundliches Wesen nie das Gefühl der Niedrigkeit bei ihr im Stande gewesen zu bannen; sie war ihr Schwester, war ihr gleich geworden, und nicht etwa zu ihr dabei hinabgestiegen, sondern zu sich hinauf hatte sie das arme bis dahin so verlassene Mädchen gezogen. Wie sie mit dem thränenfeuchten Antlitz an ihrer Schulter lag und sie umschlungen hielt, und ganz den eignen Schmerz vergessend, sie ihre »arme, arme Hedwig« nannte, da drang mit dem bitteren Gefühl vergangnen Leids ein eigen ruhiges Bewußtsein in ihre Brust. Das Schwerste war geschehn und überstanden, viel leichter ließ sich jetzt das Andere tragen.

1Spottvogel, die Amerikanische Nachtigall.
2Hilf Dir selbst.