Za darmo

Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.

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3. Gentleman John

Die Poststraße zwischen der Hauptstadt der jetzigen Colonie Victoria, Melbourne, und der von Süd-Australien, Adelaide, war damals noch gar nicht so lange eröffnet, und einmal wöchentlich fuhr in jener ersten Zeit ein zweirädriger Karren (der eine Anzahl von Passagieren tragen konnte) mit den Postbeuteln betraut, die lange, öde, durch den dichten Busch nur nothdürftig ausgeschlagene Bahn. Die Fahrt selber war eine Marter für den Reisenden, und auf Bequemlichkeiten unterwegs durfte er eben so wenig rechnen. Nichts destoweniger wurde diese »Royal mail« doch stark benutzt, da sie die einzige zu einer bestimmten Zeit abgehende und eintreffende Verbindung zwischen den schon ziemlich bedeutenden Städten des australischen Continents bildete. Dampfschifffahrt war nämlich noch nicht eingerichtet, und die Passage auf einem gelegentlich abgehenden Segelschiffe viel zu ungewiß und langweilig, um sich ihrer zur Personenbeförderung gern zu bedienen.

Wie aber die Straße rauh und die »Postkutsche« selber nur ein höchst primitives Fuhrwerk war, so diente noch die Unsicherheit der Gegend damals bedeutend dazu, das »Romantische« einer solchen Fahrt zu erhöhen. Gar nicht etwa so selten kam es vor, daß die Reisenden von in den Busch entflohenen Sträflingen angefallen und geplündert wurden. Doch galt es dabei als Thatsache, daß sie für ihr Leben Nichts zu fürchten hatten, sobald sie sich gutwillig dem Unvermeidlichen fügten und – keine Waffen bei sich führten. Die sogenannten »Bushrangers« nahmen ihnen dann eben ab, was sie selber brauchen konnten, untersuchten die Postfelleisen nach Geld oder Geldeswerth und ließen die Passagiere meist ungehindert ziehen.

Nur wenn sie dieselben gegen sich gerüstet oder gar Widerstand fanden, war es vorgekommen, daß der so verübte Raub auch in einen Raubmord ausartete, und es blieb bald kein Geheimniß mehr, daß der berüchtigte Führer dieser Schaar niemand Anderes sei als Gentleman John selber.

So keck und verwegen diese Bande nun aber auch sein mochte, so lehrten sie doch endlich zahlreiche, gegen sie ausgesandte Streifpatrouillen, daß sie einer disciplinirten und bewaffneten Macht nicht gewachsen waren, und wenn alle diese Expeditionen auch nicht von besonderem Erfolg gekrönt wurden, trieben sie die Strauchdiebe doch weiter in das Innere zurück und deckten einigermaßen die stark bedrohte Straße.

Es war im April, daß an einem ziemlich rauhen und unfreundlichen Herbsttage, diese Royal Mail ungewöhnlich stark mit Passagieren besetzt, die vom Regen aufgeweichte Straße entlang rasselte, während die wettermürrischen Reisenden, in ihre Mäntel gehüllt und von dem unbehülflichen Fuhrwerk schlammbespritzt und zerstoßen, erst wieder anfingen aufzuthauen, als sie eine der seltsamen Stationen erreichten, auf denen ihnen eine halbe Stunde Rast für ein flüchtiges Mittagsmahl gegönnt wurde.

Das Gebäude selber bestand aus kaum mehr als einer Rindenhütte, mit einer Art von Anbau, der zugleich als Küche und Vorrathskammer diente, und lag an einer der ödesten Stellen der Straße. Trotzdem enthielt es aber weit mehr Bequemlichkeiten und Genüsse, als sein etwas rauhes, ungelecktes Aeußere versprach, und die Passagiere befanden sich bald, zu ihrer höchst angenehmen Ueberraschung, an einem reinlich gedeckten Tisch, von dem ihnen ein sorgfältig hergerichtetes Mahl entgegen duftete. Auch die Getränke waren vortrefflich und in größter Auswahl vorhanden, und die Wirthin, eine echt englische Matrone, einfach aber sauber und nett gekleidet, präsidirte an der Tafel.

Der Wirth selber hatte sich noch nicht sehen lassen und draußen auch mit der Besorgung frischer Pferde und dem Kutscher zu thun.

Die Reisegesellschaft bestand aus lauter Männern, da sich Damen diesem rauhen Beförderungsmittel nur im höchsten Nothfall, und dann auch nur auf kurze Strecken und von einer Station zur andern anvertrauten. Allerdings mußten sie in dem Fall, wenn sie für solche Fahrt die Post benutzen wollten, warten, bis sich ein Platz für sie fand, da die Postverwaltung nicht daran dachte, einen Beiwagen zu geben, selbst wenn sich genug Passagiere dafür gefunden hätten. Was dem einmal vorhandenen Karren von Reisenden möglicher Weise aufgepackt werden konnte, wurde geladen, die Uebrigen mußten abwarten, ob sie vielleicht »in der nächsten Woche« mitgenommen werden könnten.

Wie aber nun in ganz Australien die Bevölkerung eine höchst wunderlich gemischte ist, so schien auch auf dieser Post fast jede Schicht der Colonial-Gesellschaft vertreten. Eine höchst anständig aussehende Persönlichkeit in schwarzen Tuchkleidern mit schwerer, goldener Kette, weißer Wäsche und Glacéhandschuhen, die eigentlich nicht recht in ihre ganze Umgebung zu passen schien, repräsentirte den Kaufmannsstand der Colonien. Es war ein Mr. Warrel aus Melbourne, der mittelst Post nach Adelaide ging, um eine kurz vorher von Melbourne per Segelschiff expedirte Ladung von Waaren selber an Ort und Stelle zu verkaufen.

Die zweite ansehnliche Persönlichkeit war ein Squatter aus dem Adelaide-District, mit vollem Bart, einen Kohlpalmenhut auf, mit Rock, Hose und Weste aus sogenanntem englischen Lederzeug, mit derben Buschschuhen und einem rothseidenen Halstuch, das, um den schneeweißen Hemdkragen geschlagen, den sonnverbrannten kräftigen Hals entblößt ließ.

Ganz gegen den Gebrauch der übrigen Passagiere schien es dieser aber zu verschmähen, sich waffenlos der Gnade und Ungnade des etwa dort umherstreifenden räuberischen Gesindels zu übergeben. In dem breiten, um den Leib geschnallten Gürtel, der ein kurzes schweres Buschmesser trug, staken ein paar kurze feingearbeitete Pistolen, und außerdem führte er auch noch eine, wie er sagte, mit Rehpfosten geladene englische Doppelflinte bei sich, die er unterwegs zwischen den Knien und ziemlich trotzig zum Gebrauch stets in Bereitschaft hielt.

Seinen Platz hatte er mit vorn auf dem Bock, und der dritte Passagier, der zwischen ihm und dem Kutscher eingeklemmt saß, war ein dürres, bleiches, kleines Männchen, ebenfalls ein Engländer, aber jedenfalls Israelit, der in ziemlich schäbigen Kleidern, mit einem alten abgetragenen Hut, bis dahin, trotz seiner anscheinenden Armuth, die entsetzlichste Angst vor einem möglichen Ueberfall gezeigt, und besonders seinen schwer bewaffneten Nachbar fortwährend mit mißtrauischen Blicken betrachtet hatte.

Die Post führte nur zwei Sitzbänke – die eine war die, auf welcher der Kutscher saß, und die neben ihm befindlichen Passagiere hatten die Aussicht nach vorn über die Pferde hin. Auf der zweiten, dicht hinter diesen angebrachten, nothdürftig gepolsterten und mit Leder überzogenen Bank saßen die übrigen Reisenden, jedoch mit dem Rücken nach vorn, und die niedere darum gezogene eiserne Lehne diente weit weniger zu ihrer Bequemlichkeit als zu ihrem Schutz, sich daran festzuklammern, wenn der Wagen einen steilen Hang hinaufgerissen wurde. Versäumten sie es, so wären sie rettungslos nach hinten zu übergestürzt.

Auf dieser hinteren Bank saß der schon vorher erwähnte Kaufmann aus Melbourne dicht hinter dem Kutscher. Den Mittelsitz hatte ein etwas ruppig aussehendes Individuum, schon von Melbourne her in Besitz. Es war dies dem Anschein nach einer der gewöhnlichen Arbeiter, in ordinären aber trotzdem ziemlich reinlich gehaltenen Kleidern und mit hoffentlich besseren Empfehlungen und Zeugnissen in der Tasche, als ihm das eigene Gesicht gewähren konnte. Der Bursche, der die ganze Fahrt hindurch verdrossen und störrisch auf seinem unbequemen Sitz kauerte und ununterbrochen Tabak kauete, hatte mit seinen Mitpassagieren auch noch keine drei Worte gewechselt, und alle an ihn gerichteten Fragen – wenn überhaupt – mit »Ja«, »Nein«, oder »weiß nicht«, beantwortet.

Den dritten Platz neben ihm und Rücken an Rücken mit dem Squatter nahm ein Mittelding zwischen Squatter und Arbeiter ein. Es war ein vierschrötiger, kräftiger Gesell, mit sonnverbrannten, nicht häßlichen Zügen und etwas Keckem, Drolligem in seinem ganzen Wesen. Er war erst in Manebat, bis wohin ein anderer Passagier mitgefahren, aufgestiegen, und bis jetzt eigentlich der Einzige gewesen, der durch seinen Humor, trotz Wetter und schlechtem Fuhrwerk einiges Leben in die träge Unterhaltung gebracht. Dem letzten Regenguß hatte freilich auch er schweigend und mürrisch die Wetterseite geboten. Jetzt aber im Trockenen, mit einer Flasche Sherry an der einen und einem Becher Porter an der anderen Seite, thaute er rasch wieder auf und es gelang ihm auch wirklich seine, sonst ziemlich schweigsamen Reisegefährten zu einer lebendigen Unterhaltung zu bringen.

Stoff hierzu gab vor Allem der kleine ängstliche Passagier, der unterwegs zwischen dem Kutscher und Squatter saß, und sich an jedem Anhaltspunkt jedesmal vor allen Dingen neue und meist immer entsetzliche Nachrichten über kürzlich erst verübte Gräuelthaten der Buschrähndscher sammelte. Auch hier hatte er nichts Eiligeres zu thun gehabt, als sich mit seinen Erkundigungen an eine Art von Hausknecht zu wenden, der die angekommenen Pferde eben abschirrte, sie, zu beideseitiger Bequemlichkeit, frei im Busch ihrer Weide nachgehen zu lassen.

Dieser aber, ein verschmitzter Ire, und jedenfalls auch nur ein mit ticket of leave oder Urlaubschein freigegebener Sträfling, sah bald, mit welcher Classe von Menschen er es hier zu thun habe, und erzählte dem ihm ängstlich und bestürzt Zuhörenden in aller Geschwindigkeit ein paar so entsetzliche und schaudererregende Mordgeschichten, daß Mr. Moses, wie der kleine Mann hieß, mit bleichem Antlitz in das Passagierzimmer stürzte, seine furchtbaren Neuigkeiten so rasch als möglich den Uebrigen mitzutheilen.

»Lügen, Mr. Moses, Nichts als Lügen,« parirte übrigens Mr. Warrel, der sich eben mit den Anderen zu der gut besetzten Tafel niedergesetzt, ziemlich kaltblütig die schrecklichen Nachrichten. »Von wem haben Sie sich diese Geschichten aufbinden lassen?«

 

»Von wem?« rief der kleine Mann entrüstet, »von dem Burschen, der die Pferde versorgt.«

»Von Tom, dem Iren,« lachte aber jetzt selbst die Matrone, die gerade im Begriff war, ein saftiges Roastbeef zu zerlegen, »ja mein lieber Herr, den dürfen Sie über so etwas nicht fragen, denn wenn er merkt, daß sich Jemand vor Buschrähndschern fürchtet, erzählt er ihm die gräßlichsten Geschichten, die ihm nur einfallen.«

»Wie heißt, fürchten?« sagte kopfschüttelnd Mr. Moses, »wer hat ihm gesagt, daß sich Moses fürcht? wovor fürchten? sind meine Kleidchen doch alt und schlecht genug und können sie meine Haut nicht gebrauchen. Weiter hab' ich Nichts bei mer auf der Gotteswelt, wie verzehn Schilling bar Geld vor die Reisespesen.«

»Nun so gleichgültig wäre mir's gerade nicht,« brummte der Squatter, eben mit einem saftigen Stück Fleisch beschäftigt, finster in den Bart, »und den blutigen Canaillen möchte ich diesmal gerade nicht in die Hände fallen. Aber – hol' sie der Teufel, ehe sie mein Geld bekommen, sollen sie erst mit meinem Pulver und Blei Bekanntschaft machen, und ich denke, ich habe genug von dem bei mir, ihnen zu dem anderen den Appetit zu versalzen.«

»Sie sind allerdings kein Mann für die Buschrähndscher, bester Herr,« lachte da der Passagier von Wanebat, der sich Mr. Bush nannte, »denn von oben bis unten mit Stahl und Eisen gespickt dürften sich die armen Teufel bei Ihnen wohl mehr Schläge wie Geld holen; unser Freund in Schwarz dagegen, den ich zugleich herzlich ersuchen möchte, mir einmal die Sherryflasche herüberzuschieben, scheint ihnen freundlicher gesinnt zu sein, denn er trägt kein solches Mordgewehr und Gold genug zur Schau, ihnen den Mund darnach wässern zu machen.«

»Soll mer Gott helfen, wenn's nicht wahr ist,« stimmte diesem Mr. Moses in etwas verkehrter Betheuerung bei – »wüßt' ich 'nen besseren Platz goldne Kettcher und Uhren zur Firma zu tragen, als die Buschstraße zwischen Melbourne und Adelaide.«

Der Kaufmann lachte und aß eine Weile ruhig weiter; endlich aber sagte er, noch immer schmunzelnd:

»Freut mich, daß Ihr mich für so grün haltet, mit solchem Firlefanz hier paradiren zu wollen. Werden wir aber wirklich von Buschrähndschern überfallen, so gönne ich ihnen die ganze Bescheerung vom Herzen. An Geld hab' ich nur ein paar Pfund Sterling bei mir und wenn sie mir die, und den Plunder abgenommen, sind sie seelenglücklich und bedanken sich am Ende noch gar bei mir.«

»Thät da e silbernes Kettche dieselben Dienste,« meinte aber der Israelit, »wozu den Hallunken das gute Gold in die Zähne werfen.«

»Gold,« lachte der Kaufmann mit einem verschmitzten Blick nach Mr. Bush hinüber, »die Uhr mit Kette kostet mich in Melbourne gerade 12 Shilling – das Zeug hier ist Tomback und das Werk selber keiner Sixpence werth.«

»Ha, ha, ha, ha,« lachte Mr. Bush, »das ist vortrefflich, und der Plan ganz ausgezeichnet. Wenn die Strauchdiebe Uhr und Börse von einem Gentleman haben, visitiren sie ihn nachher nicht einmal weiter.«

»Und wenn sie mich visitiren,« lachte Warrel – »ich trage Nichts auf der Gotteswelt weiter bei mir. Komm' ich dann auch ausgeplündert nach Adelaide, so ist die Handschrift des alten Warrel bekannt genug an der Bank, mir Credit zu verschaffen.«

»Mr. Warrel, in der That?« sagte Bush, ihn rasch und ehrfurchtsvoll grüßend – »ah das glaub' ich, daß Sie weder in Adelaide noch Melbourne vier und zwanzig Stunden ohne Geld zu sein brauchen. Da muß unser Freund Moses hier seine Barschaft allerdings sorgfältiger verstecken!«

»Ich?« rief der kleine Mann erschreckt, und ließ die eben aufgenommenen Messer und Gabel klirrend auf den Teller zurückfallen. »Gott der Gerechte, wo soll ich Barschaft versteckt haben? – etwa in die Täschchens hier, oder in die zerrissenen Stiefelcher? Soll mer Gott helfen, wenn ich weiß, wie ich die erste Woche meine Kost in Adelaide zahlen soll, die so schrecklich theuer ist in die Gasthöfe.« »

Nun, nun,« lachte Bush, »mir ist's ja recht und ich brauche nicht dafür zu sorgen. Uebrigens haben wir keinesfalls etwas zu fürchten, denn mein wohlbewaffneter Nachbar hier wird uns das Gesindel schon vom Leibe halten. Ihre Pistolen sind doch hoffentlich geladen, und nicht auch nur ein falsches Aushängeschild wie Uhr und Kette, Mr. Warrels?«

»Ob sie geladen sind,« erwiderte der Squatter, emsig mit dem vor ihm liegenden Braten beschäftigt, »und ich will verdammt sein, wenn ich nicht guten Gebrauch davon zu machen gedenke. – Haben Sie gar keine Waffen bei sich?« –

»Ich? ei gewiß,« rief Bush. – »Ich theile keineswegs die Ansicht der Herren, die sich den Strauchdieben gutwillig überlassen mögen. Manchmal ja, mag man es mit einem gutmüthigen Exemplar zu thun bekommen. Es bleibt aber stets ein fatales Gefühl, sich der Gnade und Ungnade solcher Burschen zu überlassen. So lange ich mich noch meiner Haut wehren kann, seh' ich nicht ein, weßhalb ich den Versuch nicht wenigstens machen sollte.«

»Dann sind Sie mein Mann!« rief der Squatter, ihn augenscheinlich beruhigt auf die Schulter klopfend. – »Und Ihr da drüben, Freund,« wandte er sich an den schweigsamen Passagier, der an dem untern Ende der Tafel keinen Blick von seinem Teller verwandt, und keine Silbe gesprochen hatte – »wie steht es mit Euch?«

Der Angeredete sah, ohne den Kopf zu heben, einen Moment nur durch seine buschigen Augenbrauen nach dem Sprecher hinüber, und schien erst keine Antwort auf die an ihn gerichtete Frage geben zu wollen.

»Wer – ich?« sagte er endlich, als der Squatter noch immer schwieg und seinen Blick nicht von ihm nahm.

»Ja, Ihr, Mate, seid Ihr bewaffnet?«

»Nein,« brummte der Mann, sich neuen Fleischvorrath auf seinen Teller häufend – »wozu?«

»Wozu? wollt Ihr Euch von den Buschläufern wehrlos mißhandeln lassen?«

Der Angeredete ließ seinen Blick von dem Sprecher langsam und fast wie höhnisch auf dessen Nachbar, Mr. Bush gleiten und sagte dann plötzlich, indem er gleichgültig wieder seine Mahlzeit fortsetzte:

»Wollen's abwarten, Mate!«

»Auf unsern schweigsamen Freund da unten,« lachte Bush, »scheint es, als ob wir nicht besonders rechnen dürften. Dann haben wir nur noch den Kutscher, als dritte Hülfe!«

»Hol die Kutscher der Böse,« brummte der Squatter, mit dem Erfolg seiner Anrede nichts weniger als zufrieden. »Wenn die es nicht geradezu mit den Buschkleppern offen halten, passiren sie doch die Straße viel zu oft, sie sich zu Feinden zu machen. Die Kerle bleiben gewöhnlich ruhig auf ihrem Bock sitzen und sind froh, wenn ihnen nur die Pferde gelassen werden, weiter zu fahren. Alles Uebrige kümmert sie wenig genug.«

»Bah,« sagte Mr. Warrel, »die ganze Geschichte ist ja doch nur ein müßiges Geschwätz von Reisenden, die – an dem Ort ihrer Bestimmung glücklich und ungehindert angelangt – nicht umhin können, mit irgend einer überstandenen schrecklichen Gefahr zu prahlen. Hier im Land haben wir keine Tiger oder andere reißende Bestien, und da müssen dann jahraus und jahrein die Buschrähndscher den alleinigen wieder und wiedergekäuten Stoff liefern. Ich wette 100 £. Sterl., daß wir auf der ganzen Fahrt keinen zu sehen bekommen.«

»Topp!« rief ihm Mr. Bush plötzlich entgegen, »ich nehme Ihre Wette an, Sir, und kann dabei jedenfalls nur ein gutes Geschäft machen.«

»Auch wenn Sie verlieren?« rief Mr. Warrel.

»Dann erst gewiß,« lachte der junge Mann. »Ich habe eine Herde von 15.000 Schafen verkauft, für die ich das Geld in Wechseln und Banknoten bei mir trage, und will gern 100 Pfund davon bezahlen, wenn ich das Uebrige sicher nach Adelaide bringe. Wird es mir aber abgenommen, so sind Ihre 100 Pfund wieder ein ganz hübscher Anfang für einen neuen Beginn.«

»Hol's der Henker,« rief der Squatter, »wenn Sie die Sache von der Seite betrachten, möcht' ich auch wetten, denn wenn mich die Schufte plünderten, machten sie ebenfalls kein schlechtes Geschäft. Wie wär's, Herr Warrel, wenn wir eine gleiche Versicherung abschlössen.«

»Danke Sir,« wehrte aber dieser lachend ab, »ich bekomme dafür kein Aequivalent, denn das Vergnügen, einen wirklichen lebendigen Buschrähndscher zu sehen, ist doch kaum mehr als hundert Pfund werth, und wenn es wirklich der berüchtigte Gentleman John selber wäre.«

»Dann nehmen Sie wenigstens eine von meinen Pistolen,« sagte der Squatter. »Drei entschlossene und bewaffnete Männer können sich einen ganzen Schwarm der feigen, räuberischen Schufte vom Leibe halten.«

»Auch dafür muß ich danken,« sagte der vorsichtige Kaufmann. »Ich habe Frau und Kind, wie ein recht hübsches Besitzthum zu Hause, und keineswegs Lust, mein Leben oder meine gesunden Gliedmaßen unnöthiger Weise auf's Spiel zu setzen. Was ich bei mir trage, bin ich jeden Augenblick bereit, mit Vergnügen herzugeben – sollten die Herren uns wirklich ganz gegen Erwarten einen Besuch abstatten. Mehr können sie nicht verlangen und verlangen sie nicht. Wer mehr zu verlieren hat, mag zu anderen Mitteln seine Zuflucht nehmen.«

Der mit dieser Politik nicht besonders einverstandene Squatter murmelte einen leisen Fluch in den Bart, erwiderte aber weiter Nichts, und der Kutscher, der indessen draußen in der Küche sein Mittagsmahl verzehrt hatte, erschien auch in diesem Augenblick in der Thür, den Passagieren anzuzeigen, daß ihre Ruhezeit verflossen und die »Royal Mail« gerade wieder im Begriff sei abzufahren.

Draußen an der Thür stand der Wirth, den Hut auf dem Kopfe, die Hände in den Taschen, und nickte den Passagieren zu, als sie an ihm vorübergingen.

»Glückliche Reise, Gentlemen; kommen Sie gesund nach Adelaide. Und du, Bill, wirf die Herrschaften nicht etwa hier gleich unten im Sumpf in das Wasserloch, wie es James neulich gemacht hat. Es könnte nicht wieder so gut abgehen, daß sie mit ein paar Arm- und Beinbrüchen davon kämen. Einen Doctor haben wir jetzt überdies nicht mehr im Haus.«

»Habt keine Angst, Jones,« lachte der Angeredete. »Wenn wir nur glücklich durch den Billibong drüben kommen, im Sumpf selber hat's keine Gefahr, und wenn wir umkippen, will ich uns schon eine weiche Stelle aussuchen.«

»Das sind vortreffliche Aussichten, Mr. Bush,« sagte der Melbourner Kaufmann, als er neben diesem hin dem Wagen wieder zuschritt. »Dagegen wird Ihnen wohl keine Assecuranz helfen, wie?«

»Die Kerle fahren wie der Teufel,« beruhigte ihn aber dieser, »und haben ihre Thiere sicher in der Hand. So lange der Karren selber hält, haben wir schwerlich etwas zu fürchten.«

»Desto besser dann,« sagte der Kaufmann, sich, so gut es gehen wollte, wieder auf seinem schmalen Sitz zurecht rückend, »und nun Kutscher, fahrt zu; Wetter noch einmal, ist das eine unbequeme Bank. Man hat wirklich alle Hände voll zu thun, sich nur fest zu halten. Sucht Ihr denn Euere Passagiere wieder zusammen, wenn Ihr einige davon einmal verliert?«

»Manchmal,« erwiderte der Mann trocken. – »He da – Alle an Bord?«

»Alle – so gut es eben geht.«

»Well then – laß geh'n davorn, Tom – Halt' fest da hinten – komm Jerry, komm Bock – hu – pih!« und mit kräftigem Peitschenschlag auf die bäumenden Thiere einhauend, trieb er diese zu raschem Ansprung, daß sie den unbehülflichen Karren mit einem Ruck nach vorn rissen.

»Um Gottes Willen, mein Hut!« rief Mr. Warrel, der sich beinahe den Arm in der eisernen Lehne ausgerenkt hatte, während ihm der Hut vom Kopfe flog.

»Never mind, Bill!« rief aber Tom, der Hausknecht, an derartige kleine Folgen wahrscheinlich schon gewöhnt, indem er den Hut in der Luft fing und seinem Besitzer mit außerordentlicher Geschicklichkeit wieder zuschleuderte. »Alles in Ordnung – go on

Der Kutscher, der von dem Zuruf auch nicht die mindeste Notiz genommen, bedurfte dieser Beruhigung gar nicht, denn, ohne sich nach dem Passagier oder dessen Hut auch nur umzusehen, gab er seinen Thieren nur wiederholt die Peitsche, und der fest auf seinen Achsen ruhende Karren rasselte rücksichtslos und wild über die rauhe holprige Straße hin, seiner Bahn entlang.

An eine Unterhaltung zwischen den Passagieren war unter solchen Umständen gar nicht zu denken. Jeder hatte vollauf zu thun, sich auf seinem Sitz, und wie ein australisches Sprüchwort ganz passend sagt, »die Zunge im Munde festzuhalten,« bis der Weg wieder ebener und weicher wurde, und der Karren, von den Flüchen der mißhandelten Passagiere begleitet, wenigstens verhältnißmäßig ruhiger auf seiner Bahn dahinrasselte.

Der Weg zog sich hier, wo er schon das Murraythal berührte, durch einen Wald der mächtigsten Gumbäume hin, und die Bahn hindurch war dabei keineswegs in einer geraden Linie gehauen worden, sondern immer nur den stärksten Stämmen ausweichend und die lichtesten Stellen wählend. Hie und da stand auch wohl noch ein tüchtiger Stumpf mitten im Weg, und es bedurfte der ganzen Geschicklichkeit des Kutschers, das allerdings mit seinen zwei Rädern leicht zu wendende Fuhrwerk zwischen all' den vorliegenden Hindernissen mit solcher Schnelligkeit hinzuführen.

 

Dem Squatter, der vorn mit auf dem Bock saß und dabei Zeuge war, wie die Achsen oft nur in Haaresbreite an einem der alten Waldriesen vorübergerissen wurden, war gar nicht wohl bei der Fahrt, und er hatte seine ganze Kaltblütigkeit nöthig, dem tollen Rennen so ruhig zuzusehen. Einmal aber, als der Wagen wieder an einem alten Gumbaum so dicht vorbei schnellte, daß er noch ein Stück von der dicken weichen Rinde mit abriß, und dann gleich darauf mit dem einen Rad über einen umgestürzten Klotz fuhr, wonach der Karren sich wohl fünfzehn Schritt weit auf dem andern eben noch balancirte, konnte er es doch nicht mehr so ruhig mit ansehen, und sagte, sich zu dem Kutscher wendend.

»Heda, Freund – von unseren Hälsen gar nicht zu reden, scheint Ihr auch mit Eurem eigenen verwünscht rücksichtslos umzugehen. Wenn wir hier umgeschlagen wären, hätten wir die Härte unserer Schädel an jenen Gumbäumen leicht versuchen können.«

»Könnt Recht haben, Mate,« erwiderte ziemlich ungenirt Bill, der Rosselenker, »aber immer noch besser, als daß wir den gesegneten Buschkleppern in den Rachen laufen.«

»Und hätten wir hier wirklich etwas von ihnen zu fürchten?« frug der Squatter rasch.

»Hier? – habt Ihr den Kerl nicht gesehen, der etwa fünfhundert Schritt zurück links vom Wege ab in den Busch hineinsprang?«

»Den Kerl? – habt Ihr Jemanden gesehen?«

»Glaubt Ihr, ich treibe meine Thiere hier umsonst zu Schanden?« brummte der Mann mürrisch in den Bart. »Hol' die Pest auch ein solches Leben, und das soll die letzte Fahrt sein, die meiner Mutter Sohn auf dieser vermaledeiten Straße hin und wieder fährt.«

Der Squatter erwiderte kein Wort weiter, griff aber nach seinen Pistolen, ob sie ihm, der Hand bequem, im Gürtel stäken, und sah nach den Hütchen auf seiner Doppelflinte.

Der Kutscher warf seitwärts einen halb neugierigen, halb unzufriedenen Blick auf die Waffen und sagte:

»Schießen die Dinger sicher?«

»Das wollt' ich meinen,« erwiderte der Squatter.

»Und geh'n sie auch los?«

»Ich möchte ihnen nicht auf fünfzig Schritte im Wege stehn,« lautete die beruhigende Antwort.

»Hm,« brummte aber der Mann, noch keineswegs damit zufrieden gestellt, »ich weiß doch nicht, ob Ihr nicht besser thätet, die Dinger in den Kasten zu packen.«

»Damit uns die Schufte ungehindert plündern könnten, wie?«

»Ist eben nur noch die Frage, ob Ihr sie damit hindern könnt,« lautete die mißtrauische Antwort. »Die Schufte wählen sich eben Ort und Zeit nach eigenem Gefallen, und wenig Gutes hab' ich bis jetzt von solchen Schießdingern gesehen, die nie los gehen, wenn sie eigentlich sollen. Alle, die ich bis jetzt auf dem Karren gehabt, haben sich die Buschrähndscher selber mitgenommen, und noch nicht einmal so viel als »Danke« dafür gesagt.«

»Und sind Sie hier schon einmal von den Räubern überfallen worden?« mischte sich der kleine Zwischenpassagier in das Gespräch, der demselben bis dahin in fieberhafter Angst gelauscht.

»Einmal?« sagte der Kutscher, indem er einen halb erstaunten, halb verächtlichen Blick nach dem an seiner Seite geklemmten Passagier hinunter warf, »viermal haben mich schon die »Herren von der Straße«, wie sie sich nach echt englischer Art zu nennen belieben, unter den Fäusten gehabt, und ich will seelensfroh sein, wenn ich die Bekanntschaft dieser verdammten Canaillen nicht heute zum fünftenmal zu machen habe.«

»Halloh, Camerad,« rief da Mr. Bush, der sich auf seinem Sitz nach dem Kutscher umdrehte, »haben sie Dich so schlecht behandelt, daß Du ihnen solche Ehrentitel giebst?«

»Hol' sie der Böse!« zischte Bill zwischen den Zähnen durch, »wenn sie mir auch noch Nichts zu Leid gethan, ist es doch nur eine blutige Bande von Sträflingen und dem Galgen abgestohlenes Gelichter, und je weniger man mit den Schuften zusammen kommt, desto besser.«

»Das ist ein gefährliches Urtheil für eine gemischte australische Gesellschaft,« lachte der junge Mann, »aber Ihr selber seid wohl noch nicht lange im Land, und wohl gar einer der sogenannten freien Einwanderer?«

Bill warf einen zornigen Blick nach dem Sprecher zurück und sagte finster:

»Bin ich auch, Mate, wenn's Euch etwa kümmert, und für mein eigen Geld in die Colonie gekommen, und das ist mehr, als mancher Gentleman von sich sagen kann.«

Mr. Bush lachte gutmüthig vor sich hin und warf nur einen Seitenblick auf seinen Nachbar. Dieser schien aber weder den »Gentleman,« noch die andere Anspielung auf sich zu beziehen, und kaute nur ruhig an einem riesigen Primchen weiter, das er fortwährend aus der linken in die rechte Backe und wieder zurück wechselte.

Das Gespräch wurde hier durch einen gotteslästerlichen Fluch des Kutschers unterbrochen, der vor sich in dem hier ziemlich schmalen Weg ein paar von einem Gumbaum niedergebrochene, sehr starke Aeste liegen sah, die sich auf keine Weise umgehen ließen und erst fortgeräumt werden mußten. Unfern davon, unter einem andern Baum, saß ein Fußreisender, ein sogenannter Bündelmann, der sein Bündel und seinen Stock neben sich gelegt, sein Frühstück vor sich auf den Knien, ganz ruhig und unbekümmert da in freier Luft tafelte und den dicht neben ihm haltenden Postkarren kaum eines Blickes würdigte.

»Halloh, Mate!« rief ihm da der Kutscher, wie er nun seiner ansichtig wurde, zu, »macht's Euch was aus, wenn Ihr einmal einen Augenblick aufständet und das verdammte Holz da aus dem Wege räumtet? Ich kann die Zügel hier nicht los lassen!«

»Hm,« sagte der Bursche, ohne sich besonders außer Fassung bringen zu lassen, »Euere ganze Gesellschaft da oben hält wohl die Zügel mit, oder hat sich festgebunden, daß sie nicht abgeschüttelt wird? – Na meinetwegen; das nächste Mal, wenn ich fahre, könnt Ihr mir vielleicht das Holz aus dem Wege räumen –« und sein Frühstück neben sich niederlegend, stand er langsam auf und stieg zu dem nächsten Ast hinüber, dicht vor dem die schäumenden Pferde hielten.

»Donnerwetter, Mate, das Holz ist schwer,« rief er hier, als er vergebens den einen Ast zu lüften versuchte; »na, Eure Pferde beißen doch nicht?«

»Bewahre – laßt sie nur los – he da, Kamerad, Ihr drückt sie mir ja ganz in den Busch hinein. Die Pest über Euch, Ihr werdet mir den Karren umwerfen.«

»O, bewahre!« sagte der Bündelmann, der das Handpferd dabei beim Zügel genommen und seitwärts in den einen Baumwipfel hineingedrückt hatte, »kommt gleich Alles in Ordnung, Mate. Da sind auch noch ein paar Kameraden, die mir helfen können!«

»Halloh, Bush!« rief da plötzlich der Squatter, der von rechts und links unter den Bäumen ein paar zerlumpte und drohende Gestalten auftauchen sah, indem er sein Gewehr in die Höhe riß, »jetzt giebt's Arbeit – nehmt Ihr die rechts, ich will mit denen da links –«

»Vorsichtig, Kamerad,« sagte da plötzlich Mr. Bush, der schon, wie der Bündelmann zu den Pferden ging, ein Doppelpistol aus der Tasche gezogen und die Hähne gespannt hatte, indem er mit der linken Hand die Schulter des Squatters ergriff und drückte; »ich möchte Euch etwas sagen.«

»Da kommen sie, bei George – Wetter, Mate, Ihr drückt mir die Schulter ein – was ist – he – was –«

»Pst – nicht ein Laut!« rief aber Mr. Bush ruhig aus, und der Squatter sah zu seinem Entsetzen das gespannte Pistol seines Reisegefährten mit der Mündung dicht an seinem eigenen Ohr. »Der geringste Griff nach Eueren Waffen – eine weitere Bewegung nur, und ich schicke Euch, größerer Bequemlichkeit wegen, ein Loth Blei durch's Hirn. – Ihr Anderen haltet Euch ruhig, und es soll Euch nichts zu Leid geschehen. – Nur wenn sich Jemand widersetzt, mag er sich die Folgen dann auch selber zuschreiben.«