Mord in der Harrer-Klinik

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Mord in der Harrer-Klinik
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Der Autor Gerd Hans Schmidt, 1960 geborener echter Franke, ist seit 1995 Rechtsanwalt in eigener Kanzlei. Er wohnt und arbeitet bei Erlangen. Die kreative Seite trat schon während des Studiums der Rechtswissenschaften in Erlangen zu Tage. Das trockene Studium lockerte er nebenbei mit semiprofessioneller Musik (Neue Deutsche Welle) auf und er arbeitete 1988/89 kurz für eine lokale Zeitung als Redakteur. Es gab eine ganze Reihe rechtlicher Publikationen in lokalen Blättern und anfangs der beruflichen Tätigkeit eine kleine Radiosendung bei einem Lokalsender. Seit 2011 macht der Autor als »HansBass« wieder Rockmusik in einer Band im Nebenberuf. Die Idee für den Roman ergab sich während eines Klinikaufenthaltes …

Gerd Hans Schmidt

MORD IN DER HARRER-KLINIK

Ein Frankenkrimi

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Kapitel 1 – Krank

Kapitel 2 – Gefahr

Kapitel 3 – Weniger Krank

Kapitel 4 – Der Handel

Kapitel 5 – Die Käferfrau

Kapitel 6 – Der Reitersmann

Kapitel 7 – Die Unterwelt

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman

sind frei erfunden, eine Namensgleichheit reiner

Zufall. Die Geschichte hat sich so nie zugetragen.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

ISBN 9783957446671

www.engelsdorfer-verlag.de

Für Ute und Carina

Kapitel 1 – Krank

Kreuzverreck und jetzt nieselt es auch noch. Es ist ein kalter Novemberabend bei 2 Grad.

Der Doktor meinte, die Hüfte ist hin, da hilft nur noch eine »Totalendoprothese«, wie das schon klingt. Ich schlendere gerade durch die Weißgerbergasse, als mir irgendwie bewusst wird, dass da unten demnächst jemand hinein- und herumschneiden und gar so ein Plastik-Titangelenk einbauen wird. Der Orthopäde sagt, ich soll in die Harrer-Klinik gehen, die bringen das echt gut hin.

Aber eigentlich tut’s schon gar nicht mehr so arg weh und so lange ich noch ein Club-Spiel durchhalte kann’s nicht so schlimm sein.

Wolff Schmitt, 42 Jahre, ledig und schon lange Hauptkommissar bei der Mordkommission in Nürnberg, der Fuchs wie ihn die Kollegen nennen, spaziert trotz Nieselregen und schmerzender Hüfte Richtung Burg, wo er in seiner Stammkneipe den Abend nach dem Arztbesuch bei ein paar Bier ausklingen lassen will. Wolff Schmitt wohnt in der Nähe des Hauptmarktes in der Winklerstraße, wo er eine dreieinhalb Zimmerwohnung zur Miete hat. Er ist Junggeselle, wenn auch kein Überzeugter dieser Gattung. Da war schon die eine oder andere, aber eben nicht die Richtige. Der Beruf als Polizist lässt problemlose Beziehungen sowieso nicht zu, versucht er sich immer wieder einzureden, wenn mal wieder Schluss ist. Meistens versucht sich die Auserwählte in sein Leben einzumischen, sagt er sich. Nichts ist mehr an seinem Platz in der Wohnung, ständig muss irgendwas geputzt werden und wenn er dann in die Alm, seine Stammkneipe in der Burgstraße gehen will, schlägt die Dame einen Fernsehabend vor. Irgendwie haut das nicht hin, mit ihm und den Frauen. Helmi, der Wirt der Stammkneipe, setzt sich an seinen Tisch. Sie kennen sich schon lange. Wolff Schmitt versucht an diesem Abend alle Nachteile so einer Operation aufzuzählen und will das eigentlich gar nicht machen lassen. Nach dem dritten Bier ist er sich sicher, dass das auch nicht nötig ist. Helmi grinst nur vor sich hin und meint, Wolff solle sich die Entscheidung nach dem Fußmarsch nach Hause noch mal überlegen, wenn die Schmerzen wieder so groß sind, dass das Treppensteigen zur Gipfeltour wird.

Zwei Monate später.

Puls 88, Blutdruck 89 zu 57. Das klingt irgendwie nicht gesund. Ich liege zwischen anderen fremden Menschen, die in ihren Betten versuchen aufzuwachen. Ich bin wach, dafür tut die linke Hüfte saumäßig weh und ich kann da nichts bewegen. Spinal-Anästhesie nennen die das heute. An das Sägen und Hämmern werde ich mich lange erinnern. Auf meine Bemerkung während der OP, dass das hier wie in einer Autowerkstatt wäre, bekomme ich von einem Arzt zur Antwort, nein, sie seien hier eine Schreinerei.

»So Herr Schmitt, ich fahr’ sie wieder aufs Zimmer, alles vorbei und die Hüfte: wie neu!«

Gottseidank hatte ich meinen angeborenen fränkischen Geiz überwunden und ein schönes Einzelzimmer gebucht. Mit Blick auf die Burg. Schräg unten gegenüber Ärzte- und Besprechungszimmer. Von meinem vierten Stock recht gut einsehbar.

40 Zoll Fernseher, DVD, Ledersitzecke, dunkler Parkettboden und natürlich das eigene sehr komfortable Bad, das Zimmer vom feinsten. Hat auch einen netten Aufpreis. Nur die Krankenschwester war nicht buchbar, meine ist so gegen 60 mit russischem Akzent.

Sauweh tut’s immer noch und zur Ablenkung schau’ ich mir noch die Geschehnisse im Konferenzraum ein wenig an. Ärzte und Krankenschwestern mit Hochglanzunterlagen vor sich lassen sich von einem Referenten in die Welt des Power Point entführen und …

Schmitt schläft.

Punkt sieben am Morgen. Grell dringt das Neonlicht der Zimmerdeckenlampe durch meine Netzhaut. Links eine mir noch unbekannte Frau mit spitzer Kanüle in meinem Arm, die mein Blut anzapft. Rechts meine russische Krankenschwester, die sich an meinen Puls und Blutdruck heranmacht. Nicht zu vergessen das Fieberthermometer im Ohr und – der Nachttischausleger bebt – hier ist ihr Frühstück.

Ein herrlicher Morgen!

Endlich Nachmittag. Es wird ruhiger auf der Station und man kann in Ruhe Musik hören und etwas lesen. Meine Kollegin Ilse ist zu Besuch.

»Vermisst mich jemand im Kommissariat? Nicht wirklich? Wer macht jetzt den Schaffnerfall? Der Herbert? Nein, nicht wirklich der Herbert! Der kann doch einen Fingerabdruck nicht von einer Reifenspur unterscheiden! Doch? Mittlerweile schon?«

»Sei froh, dass du hier deine Ruhe hast«, scherzt Ilse, »die dürfen hier die Leute ganz legal aufschlitzen.« Welche Ironie. Aber ich mag die Ilse, irgendwie.

Heute Abend gibt’s laut Menüwahl Nürnberger Bratwürste. Endlich was Gescheites. 17 Uhr, ich decke den Teller auf und da liegen sie: Vier arme Nürnberger Bratwürstl, kalt, ein Klecks Senf, ein Stück undefinierbarer Käse und ein labbriger Toast. Dazu Tee! Käse zu Nämbercher! Der Koch gehört zum Hauptmarkt in die Lochgefängnisse, dauerhaft!

Nach dem Abendessen wird’s dann eher öde. Heute aber nicht. Mein Freund Jürgen klopft an die Tür, in der Tasche drei Weißbier, eins für ihn und zwei für mich! Hat der Arzt erlaubt. Jürgen wohnt gleich gegenüber und betreut mich kulinarisch. Wir unterhalten uns heute besonders gut.

Nachdem Jürgen gegangen ist, sehe ich etwas fern, lese noch und langsam werde ich müde. Es ist gegen 20.30 Uhr und ich lege das Buch beiseite.

Mein Blick fällt durch das bodentiefe Fenster hinunter in den noch hell erleuchteten Konferenzraum. Das Rollo ist etwas herabgelassen, gerade so, dass man die Gesichter von Personen nicht genau erkennen kann. Am großen Tisch in der Mitte des Raumes stehen sich zwei Personen gegenüber, ein Mann und eine Frau, so viel kann ich erkennen. Aus den Gesten der beiden entnehme ich einen Streit, die Mimik bleibt mir verborgen.

Er schlägt mehrmals mit der flachen Hand auf den Tisch, so als ob er Vorwürfen Nachdruck verleihen will. Sie streckt ihren rechten Arm vor und bewegt ihre Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auf und ab. Sie weist eine Schuld zurück und wirft sie dem Mann vor.

Der schlägt ihre Hand plötzlich und kräftig zur Seite. Sie erwidert mit einem Trommelfeuer ihrer Fäuste auf seine Brust. Er weicht unvermittelt zurück und sie stürzt gezogen von der Kraft ihrer Schläge nach vorne und dann zu Boden.

Da geht das Licht aus. Ich kann nur noch Schatten sehen, dann nichts mehr.

Zwei, drei, vier Minuten, vielleicht länger. Trotz meiner zwischenzeitlich aufgezogenen Brille ist nichts erkennbar.

Plötzlich geht das Licht wieder an und jemand zieht ein paar Lamellen des Rollos auseinander um hindurchzusehen. Es ist vermutlich der Mann. Ich erschrecke, weil mein Leselicht noch an ist und er mich wohl gut sehen kann. Aber auf die Entfernung? Da er das Licht im Rücken hat, kann ich nur Umrisse erkennen. Es scheint ein kräftiger Mann zu sein. Ein Arzt?

 

Schnell lösche ich mein Licht, aber wohl zu spät, ich war zu lange auf dem Präsentierteller.

Unten ist wieder alles dunkel. Soll ich die Kollegen alarmieren? Dann war’s ein harmloser Streit und ich blamier’ mich. Die Nachtschwester macht noch ihre Aufwartung und aus irgendeinem Grund erwähne ich meine Beobachtung.

»Streitet das Personal hier immer abends im Besprechungszimmer?«, bemerke ich beiläufig. Sie wünscht mir eine gute Nacht. Ich beschließe zu schlafen.

Der nächste Morgen um sieben. Das gleiche Ritual. Links die Blutschwester rechts die Pulsschwester, vor mir das Frühstück. Guten Appetit.

»Ham’s es schö g’hört«, meint die Blutschwester, »gestern Nacht ham’s da unten a Fraa umbracht!«

Blitzartig bin ich hellwach und mein Kopf schnellt sofort nach links und der Puls hoch. Mein Blick fällt nach unten zum Konferenzraum, wo die weiß verhüllten Kollegen von der Spurensicherung bereits ihre Arbeit machen. Das Rollo ist ganz oben und der Raum hell erleuchtet. Neben dem hinteren Tischende liegt eine Frau am Boden. Tot, ganz offensichtlich.

Ich Hirsch. Warum habe ich gestern Abend nichts unternommen?

Rechts das Croissant eingetaucht, links das Telefon an meinem Ohr. »Ja, Herbert ich schwör’s dir. Da haben gestern Abend zwei miteinander gestritten. Ja, unten in dem Konferenzraum. Ich hab’s doch gesehen. Die sind auch fast aufeinander losgegangen. Nein, eben nicht. Erkannt habe ich niemanden, weil die Köpfe hinter dem Rollo waren. Zum Schluss war da noch der Mann, der zu mir hochgesehen hat. Ja, durch das Rollo. Nein, kein Arzt, glaube ich. Jedenfalls hatte er keinen Kittel an. Genau, so gegen halb neun und neun. Herbert, ich muss da runter. Ach so, ich bin krankgeschrieben und erst operiert. Gut, hatte ich gerade vergessen. Herbert, du musst das mit der Ilse in den Griff kriegen. Sonst sind wir blamiert. Polizist als Mordzeuge und kein Verdächtiger. Ich seh’ schon die Schlagzeilen! Herbert? Allmächd. Bloß nichts an die Presse, du hast recht. Erst recht, wenn der mich gesehen hat! Ihr informiert mich? Gut, bis später.«

Chefarztvisite. »Na Herr Schmitt, wie geht’s heute? Noch Schmerzen? Wie sieht das Bein aus? Sehr gut, sehr gut. Das gefällt uns. Schwester, die Blutwerte?« Gleich vier weißgekittelte Ärzte und eine Ärztin machen mir ihre Aufwartung und stehen um mein Bett herum. Einer davon, groß, kräftig, dunkelhaarig, Frauentyp, scheint sich allerdings wenig für mich zu interessieren. Er steht mit dem Rücken zu mir und blickt angespannt aus meinem bodentiefen Fenster hinunter zum Konferenzraum. Dann sieht er kurz zu mir herüber. Ich habe den Eindruck er versucht nachzuvollziehen, was man von meinem Bett aus gestern Abend so alles beobachten konnte.

»Na dann bis morgen, Herr Schmitt, und alles Gute!« Und schon schwebt die versammelte Ärzteschaft samt Schwester und Versorgungswagen zur Tür hinaus. Bin gespannt, was dafür auf der Rechnung steht.

Nächster Tag Physiotherapie. Ich muss schon aufstehen und kurz gehen. Mit Stecken natürlich. Entschuldigung, mit Unterarmgehstützen. Früher hat man Krücken g’sacht.

Ich laufe also vierfüßig in Begleitung der Therapeutin den Gang entlang vorbei am Schwesternzimmer. Da steht er wieder, der große Dunkelhaarige. Menzinger heißt er, Dr. Menzinger, wie ich zwischenzeitlich in Erfahrung bringen konnte. Ich fühle, wie er mir mit wachsamen Augen nachschaut, als wir an ihm vorbei die Station entlanglaufen. Zurück im Zimmer folgen noch einige Übungen.

»Herr Schmitt, das Knie nach unten durchdrücken, die Zehen nach oben, nein, das andere Bein bleibt liegen, liegen lassen, so, und die Spannung halten, halten …« Können die einen zwei Tage nach der OP nicht einfach in Ruhe lassen?

Der Herbert besucht mich. »Erzähl!«, fordere ich ihn auf.

»Also, die Fraa g’hört net zum Klinikpersonal. Heißt Margit Winkler, 36, alleinstehend, gutaussehend und wohnt in Ferth in an noblen Appartement. Tod durch Schlag auf’n Hinterkopf, beziehungsweise is sie rücklings auf die Tischkant’n aufgschlog’n. War sofort tot. Aber vorher haterrer aner mit aner Krückn von vorn auf’n Kopf gschlag’n. Mit voller Wucht. Den Stock hammer gfundn. Kaane Spurn! Vermutlich Latexhandschuh. Der Tod ist zwischen 21 und 22 Uhr eingetreten.«

»Der, den ich gesehen habe, hat die derschlag’n?«

»Des wiss mer net gwiess, weil an dem Abend wegen dem Vortrag a mords«, (lacht), »Publikumsverkehr war in dem Bereich. Ein ständiges Kommen und Gehen.«

Kapitel 2 – Gefahr

Nächster Morgen. Links die … Gut. Hatten wir schon. Ein weiterer Zimmerservice: Die NZ kommt jeden Morgen druckfrisch aufs Zimmer.

»Kommissar beobachtet Mord in der Harrer-Klinik«

Die Titelstory versetzt mich in helle Aufregung. Jetzt sollte sie Blutdruck messen, dann ist er sicher hoch genug.

»Kommissar X als stationärer Patient in der Harrer-Klinik beobachtet den Mord an der attraktiven Marlies Z. 36, (Name von der Redaktion geändert) und verhindert offenbar rechtzeitige Ermittlungen.«

Ja sind denn die komplett verrückt! Wer erzählt den Schmierern denn so was!

Das war sicher wieder der Herbert, der alte Plauderer.

»Du hast ganz sicher nichts weitergegeben? Herbert! Du kennst doch einen von den Schmierern ganz speziell. Du schwörst es? Herbert, ist gut! Ist ja gut. Was ich von dir denke? Ich glaub’s dir ja schon. Ja.« Für heute jedenfalls.

Die Nachtschwester! Schießt es mir in den Kopf. Die russische Nachtschwester! An dem Abend, als der Streit war, hatte ich mich noch kurz mit ihr unterhalten. Ich hatte ihr von der Auseinandersetzung erzählt.

Die hat sich sicher was dazuverdient und der Presse einen Wink gegeben.

Ich klingle sofort und frage nach ihr. Aha, zwei Wochen Urlaub. Die zahlen aber gut, denke ich nicht ohne Ironie.

Wenig später klopft es. Meine Zimmertür geht auf und er steht vor mir. Der dunkelhaarige Dr. Menzinger. Mein Blutdruck steigt erneut.

»Also Herr Schmitt«, beginnt er, »ihr Hämoglobinwert gefällt uns gar nicht so recht. Zu niedrig, sie sind etwas blutarm. Wir geben ihnen morgens und abends ein Eisenpräparat. Dann sehen wir weiter. Sagen Sie, Sie sind Kriminalkommissar, habe ich gehört?«

»Hauptkommissar, Mordkommission!« Also so klein mache ich mich dem gegenüber auch nicht.

»Interessant. Wie viele Morde haben Sie denn in letzter Zeit so aufgeklärt? Sicher aber nicht die Tat da unten vor ein paar Tagen!«

Er deutet aus meinem Fenster hinunter Richtung Konferenzraum und wirft mir einen vorwurfsvoll fragenden Blick zu.

»Nein, nein«, entgegne ich hastig, »da war ich zu müde und habe geschlafen. Ich habe es erst am nächsten Morgen erfahren. Schlimm, so hier im Haus.«

»Ganz schlimm. Aber Sie hätten hier einen guten Beobachtungsposten gehabt, gerade wenn der Raum da unten beleuchtet war. Aber wenn der Hämoglobinverlust einen müde macht, kann man nichts machen.«

Der war’s, denke ich sofort. Das mit dem Licht kann eigentlich nur der Mörder wissen. Eigentlich.

»Na gut, jetzt kümmere ich mich erst mal um ihr Blut. Schönen Tag«, verabschiedet er sich.

Erst mal! Und dann? Wenn der nachts mit irgendwelchen Spritzen rumhantiert, habe ich nicht die geringste Chance. Irgendwie muss ich sehen, dass ich hier rauskomme!

Ilse ist da. »Wir tappen noch völlig im Dunkeln wegen der Sache da unten. Die Krücke, mit der von vorne geschlagen wurde, haben wir untersuchen lassen. Keine Spuren. Wohl Latexhandschuhe. Aber die KTU meint, von den Verletzungen her müsse es ein Linkshänder gewesen sein, oder der Schlag wurde mit beiden Händen ausgeführt, wofür auch die Schwere der Verletzungen spricht. Ist aber nicht zwingend. Die Tote war für den Pharmakonzern Pharlomo tätig und schon öfter zu Schulungen, na ja, Werbeveranstaltungen hier in der Klinik. Keine Angehörigen, Freunde wissen wir noch nicht. Ihr Hobby war Reiten. Der Herbert recherchiert gerade in Burgfarrnbach bei irgend so einem Gestüt.

Wir haben Hinweise in ihrer Wohnung gefunden. Sie muss wohl sehr oft dort gewesen sein.«

»Warum war sie am Mordabend hier?«, will ich wissen.

»Ein Vortrag über Thromboseprophylaxe ohne Spritzen, da gibt es wohl so ein neues Medikament, das ihre Firma auf den Markt gebracht hat.«

»Ihr müsst prüfen, wer an diesem Abend die Teilnehmer waren.«

»Wolff Schmitt, wofür hältst du uns. Ist doch schon erledigt. Es waren Leute hier aus dem Haus, aber auch externe Zuhörer.«

Ilse zeigt mir die Liste. Menzinger. Dr. Menzinger.

»Ihr müsst euch den Dr. Menzinger genauer anschauen. Der tut so komisch wegen der Sache und stellt mir Fragen in diese Richtung. Irgendwie beobachtet der mich. Von der Statur her könnte er der Kontrahent des Streites gewesen sein. Aber wie gesagt, ich habe keine Gesichter erkannt.«

Das Gestüt liegt zwischen Burgfarrnbach und Seukendorf. Herbert Wagner nimmt die Abzweigung von der Würzburger Straße und biegt nach rechts auf einen landwirtschaftlichen Weg ab. Es geht vorbei an einem Bauernhof und noch so 700 Meter durch Ackerland und Wiesen, bis ein gut geschotterter Weg nach rechts zum Gestüt führt. Noch ein gutes Stück vor den Gebäuden mündet der Weg in einen Parkplatz, wo Herbert seinen alten Golf abstellt. Einige andere Wagen stehen schon hier. X5, Cayenne, Porsche 911, ein Mercedes CLK und schließlich ein roter Testarossa.

Mein lieber Scholli, geht es dem Herbert durch den Kopf. Da scheints kaan schlecht zu geh’n, von dene Reitersleut.

Vorbei an Koppeln mit für sein Verständnis tollen Pferden und gepflegten Stallungen führt ihn ein schmaler Weg zum Wohngebäude. Kurz bevor er sein Ziel erreicht hat stoppt ihn eine laute Stimme von links.

»Hey, bleiben Sie stehen. Ich kenne Sie nicht.« Vor einem der Wirtschaftsgebäude steht ein ungewöhnlich muskulöser, sportlicher Mann in Reitkleidung und wattierter Weste, mittelgroß, dunkle kurze Locken und Dreitagebart.

»Was machen Sie hier?«, blafft ihn dieser Stallbursche weiter an, »Unbefugte haben hier keinen Zutritt!«

»Jetzt tun’s a mol langsam, junger Mann, wer sind’ n Sie überhaupt?«

Herbert hält ihm gleichzeitig seinen Ausweis unter die Nase, was der Bursche mit einem ungewöhnlich scharfen und fast bedrohlichen Blick quittiert.

»Ich möcht’ amol den Chef hier sprechen!«

Widerwillig weist ihm der junge Mann mit einer Geste den Weg zum Haupthaus, aus dem sich eine männliche Person rasch den beiden nähert.

»Lass gut sein, Serge. Kümmere dich um deine Arbeit, ich mach’ das schon.«

Vermutlich der Chef. Offenbar hatte er die laute Stimme des Stallburschen bereits gehört.

»Menzinger, Klaus Menzinger, wie kann ich Ihnen helfen?«

Der große kräftige Mann ebenfalls in Reitkleidung und breitkrempigem Filzhut streckt Herbert seine Hand entgegen und es folgt ein fester Händedruck.

Als sich Herbert vorstellt und den Grund seines Besuches offenbart, glaubt er ein kurzes Zucken im Gesicht des Mannes wahrzunehmen. Der Mann schließt kurz seine Augen und schluckt, fasst sich aber gleich wieder. Ein weniger geschultes Auge hätte dieses kurze Innehalten kaum erkannt. Aber Herbert entging das nicht.

»Ja, Frau Winkler war fast jedes Wochenende hier, oft auch zweimal unter der Woche. Sie ritt ausschließlich Burgfräulein, eine vierjährige Stute und eines unserer zuverlässigsten Pferde.«

Herr Menzinger klang jetzt überraschend unbeteiligt.

»Ja, wer tut denn so was«, schwenkte er in der Stimmung doch etwas um, »so eine schöne Frau voll Lebenslust und immer gern gesehen bei allen hier. So, seit fünf, sechs Jahren kam sie schon.«

»Welchen Umgang hats’n hier g’habt, wissns da was nähers?«

»Sie kam mit jedem hier gut aus, aber ihr Privatleben behielt sie weitgehend für sich. Ich weiß nur, dass sie für so eine Pharmafirma in der Schweiz tätig war, oft abends. Deswegen hatte sie tagsüber so viel Zeit für ihr Hobby.«

»Und Sie als Besitzer von dem Gestüt hier, hams Sie sie net a weng näher kannt?«

»Nein, nein, nur so wie alle anderen auch!«

Herbert verabschiedet sich, aber er ist mit den Antworten des Herrn Menzinger nicht recht zufrieden. Zu sachlich. Und dann die erste Reaktion. Herbert kann in diesem Moment den Namen Menzinger auch nicht mit der Teilnehmerliste des Seminars und Dr. Menzinger in Verbindung bringen, sonst wäre er nicht so schnell zufrieden gewesen.

 

Zurück am Parkplatz hält neben Herberts Wagen ein VW Käfer Oldtimer und eine junge blonde Frau so um die 20 steigt aus.

»Eine Rarität, macht sicher viel Spaß.« Herbert spricht die Frau an.

»Mein Traum. Dafür verzichte ich auf solche Edelkarossen wie die hier«, sie deutet auf die anderen Fahrzeuge.

»Aber auf meinen da könnten’s net verzichten«, witzelt Herbert.

Sie lacht und wirft ihre langen blonden Haare in den Nacken.

»Ah, sagn’s, kannten Sie Margot Winkler?«

»Klar, wir sind oft miteinander ausgeritten. Aber wieso kannten?«

Herbert zeigt seinen Ausweis und schildert kurz die Tat. Der jungen Frau verschlägt es die Sprache und sie wirkt kurz betroffen, antwortet dann aber doch gefasst.

»Privat kannten wir uns nicht so recht, wir haben viel über ihren Beruf gesprochen, das hat mich auch interessiert. Ich wollte Pharmazie studieren und sie war da ja schon viel weiter. Private Beziehungen? Nein ich nicht, da waren andere hier zuständig!«

»Was meinen Sie damit?«, will Herbert wissen.

»Finden Sie’s heraus, Herr Polizist. Hier gibt es viele tolle Reiter!«

Die Frau wirft ihre Tasche über die Schulter, zwinkert Herbert zu und geht rasch zu den Stallungen.

Was war etz des, fragt sich Herbert.

Ilse Merkel und Herbert sitzen bei mir im Krankenzimmer. Mein Privatzimmerservice hat uns den guten Kaffee vom fünften Stock gebracht. Ilse beschwert sich, dass das Parkhaus hier ständig belegt und vor der Tür kein Platz zu finden ist. Das sei nervend.

»Menzinger heißt der Reithans? Kräftig, gut gebaut, Haare eher dunkel? Mensch, ihr müsst herausfinden, ob der was mit meinem schönen Dr. Menzinger zu tun hat! Ilse, bitte mach das gleich morgen!«

Was meinte das junge Ding in dem Käfer damit »es gibt viele tolle Reiter hier!« Herbert führt fast ein Selbstgespräch.

»Na Herbert, wenn du’s wissen willst, finds’d des scho raus! Gell?« Ein wenig fränkisch ist auch mir geläufig. Ich kann die Äußerung des Mädchens aber zu diesem Zeitpunkt auch nicht so recht einordnen und finde das eher unwichtig.

»Wir halten dich auf dem Laufenden, Wolff.«

Als sich die beiden verabschieden, beugt sich Ilse zu mir herunter und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Herbert pfeift verschmitzt.

Der Spätschichtpfleger verabschiedet sich.

»Das mit den Parkplätzen hier ist nicht so prickelnd«, versuche ich noch ein Gespräch zu beginnen.

»Parkplätze? Das können Sie hier vergessen. Morgens ist das Parkhaus voll, keine Chance. Und in den umliegenden Straßen ein absolutes Glücksspiel. Ich komme entspannt mit U-Bahn und Tram, ist halt nur nachts nicht so angenehm. Da fahren schon seltsame Typen durch die Stadt. Mein Kleinwagen ist hier vor der Tür fehl am Platz, noch dazu wenn rote Ferraris sogar die Feuerwehrzufahrt versperren.«

Nämberch halt, denke ich mir.

Trotz Multimediaausstattung auf dem Zimmer ist mir heute nach einem kurzweiligen Gespräch zu Mute. Auf der Station neben dem Schwesternzimmer gibt es einen Patientenbereich mit Sitzgelegenheiten und kleinen Tischen, wo ich, wenn ich Glück habe, heute Abend ein solches finde. Ein Gymnasiallehrer mit neuem Knie ist mein Opfer. »Kriminalität an Schulen« kommt bei unserer Kombination heute als Thema ’raus. Ich hätte doch auf meinem Zimmer bleiben sollen.

Gegen 20.30 Uhr humple ich mit meinen Krücken zurück.

Mein Gymnasiallehrer liegt zweiter Klasse und verabschiedet sich nach rechts. Mein Luxusappartement liegt geradeaus vor mir in einem ruhigeren Trakt der Klinik. So 15 Meter habe ich noch zu gehen, als ich sehe, wie meine Zimmertür sich langsam öffnet. Das dürfte eigentlich nicht sein, weil ich meinen elektronischen Codeschlüssel um den Hals trage. Ich bleibe instinktiv etwas rechts zum Aufzug hin stehen, nicht ohne meine Tür aus den Augen zu lassen. Erst kommt ein kapuzenverhüllter Kopf durch den Türspalt, der offensichtlich nichts Verdächtiges sieht. Die Tür öffnet sich weiter und eine ganz in schwarz gekleidete männliche Gestalt drückt sich langsam hindurch. Trotz Jogginghose und fest zugezogenem Kapuzenpulli kann ich erkennen, dass der Mann eine außergewöhnlich kräftige, muskulöse Statur besitzt.

»Hallo, was machen Sie da«, rufe ich und ich muss von allen guten Geistern verlassen sein, denn wehrhaft bin ich im Moment gar nicht. Berufliche Gewohnheit.

Die Gestalt erschrickt, weil er sich offenbar unbeobachtet fühlte und dreht sich in meine Richtung. Er hat mehr Licht im Rücken als von vorne, so dass ich das Gesicht nicht sehen kann.

»Bleiben Sie stehen, Sie haben da nichts zu suchen«, rufe ich lauter und vergesse mein Handikap schon wieder.

In dem Moment läuft er mit großen Schritten auf mich zu.

Der will mich niederrennen, denke ich und schlagartig wird mir meine hilflose Lage bewusst, was mir den Angstschweiß auf die Stirne treibt.

Kurz vor mir angelangt hält er wie ein Elfmeterschütze kurz inne, holt mit dem linken Bein aus und tritt mit voller Wucht gegen meine Krücke, so dass die mir aus der Hand und in die Ecke fliegt. Er weicht unvermittelt aus und läuft rechts an mir vorbei zur Treppenhaustür, die er fast mit Gewalt aufreißt und dahinter verschwindet. Mit einem lauten Knall fällt sie zu.

Der Tritt gegen den Krückstock bringt mich aus dem Gleichgewicht und ich beginne zu schwanken und nach hinten umzufallen. Da umgreifen mich zwei kräftige Arme und halten mich fest. Ich liege in den Armen von Pfleger Sebastian. Er hat wohl mein Rufen gehört und nachgesehen.

»Der Typ hat die Flucht ergriffen, als er mich hinter ihnen auftauchen sah. Der hätte sie eiskalt umgerannt, wenn er sie alleine erwischt hätte.«

Zurück im Zimmer finden wir ein offenes Fenster und einen zerwühlten Nachttisch vor.

Ich rufe sofort Herbert an: »Herbert, ich bin hier nicht mehr sicher, sag Ilse Bescheid!«

Die sofort eingeleitete Fahndung ergibt natürlich nichts und im Zimmer finden sich keine verwertbaren Spuren. Der wollte mich garantiert im Zimmer erwischen.

Nächster Tag und Ilse ist da. Mein dunkelhaariger Doktor ist der jüngere Bruder vom Reit-Menzinger. Ah schau an.

»Also gibt es bei beiden eine Verbindung zu Margit Winkler! Der Doktor, kannte er die Winkler näher?«

»Das wissen wir noch nicht genau«, sagt Ilse unzufrieden, »beruflich kannten sie sich auf jeden Fall und am Mordabend waren sie während des Vortrages gemeinsam im Konferenzzimmer.«

»Und danach«, bohre ich nach.

»So weit sind wir einfach noch nicht. Das ist hier ein riesen Klinikbetrieb und wir müssen praktisch wegen jeder Befragung einen Termin machen. Der eine Arzt operiert gerade, die andere Krankenschwester hat Schicht und ist erst morgen wieder da, die Verwaltung mauert allgemein wegen des Imageschadens und so weiter. Da ermittle ich lieber hinter der Mauer.«

»Ilse!«

»Ach ja, du weißt schon! Und dein Angreifer? Erkannt?«

»Ganz ehrlich, eher nicht. Der Doktor war es nicht, der bewegt sich anders. Den konnte ich hier oft genug beobachten. Außerdem hätte der andere Möglichkeiten. Nein, der schwarze Typ bewegte sich eher wie … ja wie so ein Panther halt, oder so ähnlich Das kann man schlecht mit Worten beschreiben.«

»Morgen geht’s hier ’raus, sagst du?«

»Ja, ist auch besser so. Vielleicht überlegt der sich das und kommt wieder, der Schwarze. Ich geh’ nach Herzogenaurach in die Reha, haben die mir hier empfohlen. Stationär für mindestens drei Wochen. Ihr müsst also noch ohne mich weitermachen. Nimm dir noch ’mal das Gestüt vor!«

»Da falle ich dann auch gleich auf, mit meiner Schrottkarre, wie der Herbert. Der sagt, dass der Reit-Menzinger den Ferrari fährt und ansonsten steht da kein Auto unter sechzigtausend Euro.«

»Moment, was hast du gesagt? Ferrari?«

»Roter Testarossa, schon älter, aber fein!«

»Pfleger Sebastian faselte etwas von einem roten Ferrari vor der Klinik! Moment!«

Ich klingele nach dem Personal und habe Glück. Sebastian hat Dienst.

»Am Mittwoch, da bin ich mir fast sicher», antwortet Sebastian auf meine Frage, »am Mittwoch stand der da, hat fast alles blockiert, sogar die halbe Auffahrt!«

Mittwoch. Am Abend des Mordes!

»Ilse, nimm den Reit-Menzinger in die Zange und den Herbert mit!«

»Was soll der für ein Motiv haben?«

»Möglicherweise war die Winkler dort nicht nur zum Reiten, oder grad …« Ich antworte Ilse mit einem Augenzwinkern.

»Wolff Schmitt!« Ilses Augen funkeln mich an. »Was du denkst!«

»Fahr hin, sieh ihn dir an. Wenn Herberts Beschreibung nur annähernd passt, dann …«

»Schon gut. Ich kümmere mich um den Don Juan!«

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