Forschen, aber wie? (E-Book)

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1.3.5 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen befragen

Eine andere Interviewtechnik wenden Sie an, wenn Sie Zeitzeuginnen und -zeugen befragen. Bei dieser Technik geht es − im Gegensatz zur herkömmlichen Interviewtechnik − nicht darum, die Zügel fest in der Hand zu halten, sondern vor allem darum, aufmerksam und einfühlsam zuzuhören. Sie probieren, Ihr Gegenüber in einen Erzählfluss zu bringen. Die Erlebnisse, für die Sie sich interessieren, liegen oft Jahrzehnte zurück. Durch geschickte Erzählanstösse versuchen Sie, einen Erinnerungsprozess in Gang zu bringen. Das kann durch Fotos geschehen oder indem Sie gemeinsam die Orte der Erinnerung besuchen.

1.3.6 Kulturelle Werke analysieren

Dokumentar- und Spielfilme können als Kunstwerke betrachtet und nach ästhetisch-formalen Gesichtspunkten analysiert werden. Sie können aber auch als zeitgeschichtliche Quellen interpretiert werden. Beispielsweise fällt bei einem Vergleich verschiedener Verfilmungen des «Heidi»-Romans von Johanna Spyri auf, dass jede Verfilmung den Zeitgeist ihres Entstehungsjahrs spiegelt. Dass Heidi im späteren Leben noch Schriftstellerin wird, wäre bei der ersten deutschsprachigen Verfilmung in den Fünfzigerjahren mit dem damaligen Frauenbild undenkbar gewesen.

Als «Text» wird heute in der Literaturwissenschaft sehr vieles bezeichnet, von der kurzen Werbebotschaft bis zum langen Roman. Entsprechend vielfältig sind auch die Fragestellungen und die Methoden, mit denen Texte untersucht werden können. Zum Beispiel erinnern Werbetexte manchmal an Texte der konkreten Poesie aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Untersuchen liesse sich, welche poetischen Verfahren übernommen, wie sie weiterentwickelt und welche Wirkungen damit erzielt werden. Denn Textanalyse ist offen für alle Aspekte des Mediums Text: von seiner Struktur bis zu seiner Funktion in verschiedenen kommunikativen Situationen.

Sie haben nun elf Methoden kennengelernt, die bei Maturaarbeiten üblicherweise vorkommen. Häufig verlangt ein bestimmter Untersuchungsgegenstand die Anwendung einer zweiten Methode oder die Abwandlung einer der genannten Methoden. Wenn Sie Ihren Bildungsweg an einer Hochschule fortsetzen, werden Sie die gleichen Forschungsmethoden wieder antreffen.

Die Zielsetzung einer wissenschaftlichen Tätigkeit in der Forschung ist das Gewinnen von neuen Erkenntnissen. Das streben Sie auch bei Ihrer Maturaarbeit an. Wahrscheinlich sind von den Erkenntnissen, die Sie mit Ihrer Maturaarbeit gewinnen, nur kleine Ausschnitte neu. Das Prinzip bleibt jedoch dasselbe: Sie arbeiten nach einer wissenschaftlichen Methode, Sie stellen eine Behauptung an den Anfang (These/Hypothese), Sie sammeln Argumente und untermauern sie mit Fakten, Sie dokumentieren in präziser Sprache und sind sich der erwarteten Qualitätsstandards immer bewusst, kurz: Sie arbeiten wissenschaftlich.

1.4 Wissenschaftliches Arbeiten

Am Anfang des wissenschaftlichen Denkens steht die Neugier: Man möchte wissen, was die Welt – so lässt es Goethe 1808 seinen Wissenschaftler Faust sagen – «[i]m Innersten zusammenhält» (Goethe 1986, Vers 383).

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren ganz konkrete Fragen oder einen Anforderungskatalog. Um Antworten und Ergebnisse zu finden, verwenden sie eine oder mehrere Vorgehensweisen, die unter dem Begriff «wissenschaftliche Methoden» zusammengefasst werden. Und wenn sie eine These respektive Hypothese begründen wollen, nutzen sie eine Struktur, die man am besten mit dem Begriff der Argumentation beschreiben kann.

1.4.1 Wissenschaftliches Argumentieren

Typische Begrifflichkeiten, die in den Wissenschaften verwendet werden, sind die Begriffe «Aussage», «Definition», «These», «Hypothese», «Argument» und «Schlussfolgerung».

Eine Aussage drückt einen Sachverhalt aus. Ein Aussagesatz kann – anders als ein Ausrufe- oder ein Fragesatz – wahr oder falsch sein. Aussagen über Sachverhalte unserer Erfahrungswelt (die uns umgebende Natur und Kultur) sollen immer auch zeitlich und örtlich definiert werden. Aussagen über Sachverhalte, die aufgrund von Beobachtungen, Experimenten und Befragungen gewonnen wurden, können verifiziert (für wahr erklärt) oder falsifiziert (für falsch erklärt) werden (vgl. Wörterbuch der Philosophie, Stichwort «Aussage», und Prechtl & Burkhard 1999, S. 53).[10]

Eine Definition ist der Form nach eine Aussage. Definitionen erklären einen Begriff (Ausdruck, Terminus) mit einer Kombination von bereits bekannten Begriffen (vgl. Sandberg 2017, S. 22). Definitionen sind beim wissenschaftlichen Arbeiten sehr wichtig, denn oft muss ein Terminus in einen Kontext gestellt werden, damit allen klar wird, was damit gemeint ist. Der Begriff «Freiheit» zum Beispiel kann – situiert in einer bestimmten geschichtlichen Situation – als «Unabhängigkeit von Zwang oder Bevormundung» definiert werden (Wahrig-Burfeind 2005, S. 498). Aber man kann unter Freiheit auch ein «Privileg» verstehen (ebd.), was dann einem deutlich anderen Verständnis entspräche. Es empfiehlt sich deshalb, Schlüsselbegriffe in einer wissenschaftlichen Arbeit zu definieren und diese Definitionen als solche kenntlich zu machen (vgl. Sandberg 2017, S. 23).

Eine These ist eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt es zu beweisen gilt. Der Form nach ist eine These eine Aussage, aber eine spezielle, denn sie bildet den Ausgangspunkt für eine strittige Argumentation (vgl. ebd.). Beispielsweise stellt Andreas Pfister in seiner Dissertation die These auf, dass der Roman «Das Parfum» von Patrick Süskind ein Künstlerroman sei (vgl. Pfister 2005). Pfister begründet diese These, indem er am Text zeigt, dass der Roman zentral zum Konzept des Künstlers als Genie Stellung bezieht (siehe Abschnitt 12.4.3).

Eine Hypothese (wörtlich «Unterstellung») ist der Funktion nach sehr ähnlich wie eine These. Hypothesen sind Annahmen über einen Sachverhalt, den sie zu klären versuchen. Sie beschreiben nicht nur einen Einzelfall, sondern sind generalisierbar. Da sich die meisten Hypothesen auf eine Vermutung über einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen oder Zuständen beziehen, werden sie in der Form eines Bedingungssatzes formuliert: «Wenn …, dann …» (vgl. Voss 2017, S. 36 f.).

Die meisten Forschungsvorhaben im Bereich der Naturwissenschaften, die sich den zu untersuchenden Phänomenen messend oder zählend annähern, also quantitativ arbeiten, sind sehr aufwendig. Um den Aufwand in Grenzen zu halten, untersucht man eine überschaubare Stichprobe. Beispielsweise stellen Sie folgende Hypothese zu einer Untersuchung über Schmetterlinge auf: «Wenn eine Wiese gemäss einer Definition aus der Literatur als Magerwiese gilt, dann halten sich in ihr deutlich mehr Schmetterlinge auf als in einer Fettwiese.» Nun wählen Sie zwei Stichproben aus, das heisst, je eine Fläche von 16 Quadratmetern Magerwiese respektive Fettwiese, die Sie markieren. Sie setzen sich auf eine Bockleiter ausserhalb des Quadrats und machen während einer definierten Beobachtungszeit in regelmässigen Zeitabständen Fotos. Die auf den Fotos ausgezählten Schmetterlinge bestätigen oder widerlegen Ihre Hypothese.

Auch in jenen Wissenschaften, die mehrheitlich nicht mit Zählen und Messen arbeiten, können Hypothesen gute Dienste leisten (vgl. Voss 2017, S. 37). So könnte beispielsweise die Hypothese: «Je weiter Grenouille, die Hauptfigur im Roman ‹Das Parfum› von Patrick Süskind, von der menschlichen Zivilisation entfernt ist, desto wohler fühlt er sich», mit zahlreichen Textstellen aus dem Roman belegt werden (siehe Abschnitt 12.4.1).

Thesen und Hypothesen müssen in einer wissenschaftlichen Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und breit diskutiert werden. Die meisten Forschenden setzen sich zum Ziel, die Gültigkeit ihrer Behauptungen, in welcher Form sie auch immer formuliert seien, unter Beweis zu stellen. Das heisst, sie versuchen in einem sehr eng begrenzten Bereich etwas herauszufinden, was wahr ist.

In der Disziplin der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie wird seit Jahrhunderten diskutiert, ob die Wissenschaft überhaupt «die Wahrheit» finden kann (vgl. Voss 2017, S. 30). Spätestens seit den Ausführungen des Philosophen Karl Popper (1902–1994) hat sich in der Wissenschaftswelt die Vorstellung durchgesetzt, man könne nicht davon ausgehen, dass wissenschaftliche Theorien wahr seien, das heisst, dass sie die Welt so beschreiben würden, wie sie wirklich sei.

Im Bestreben, einen Prüfstein für die Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen und nicht wissenschaftlichen Theorien zu finden, stellte Karl Popper die Forderung auf, eine Theorie sei nur dann wissenschaftlich, wenn sie Voraussagen mache, die empirisch überprüft werden könnten. Wenn ein Fall auftrete, welcher der Theorie widerspreche, dann verliere die Theorie ihre Gültigkeit. Eine solche Widerlegung einer Theorie durch ein Gegenbeispiel nennt man «Falsifikation» (vgl. Prechtl & Burkard 1999, S. 175). Die Falsifizierbarkeit ist laut Popper das wesentliche Kriterium dafür, ob eine Theorie wissenschaftlich ist. Oder in seinen eigenen Worten: «Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können» (Popper 2005, S. 17). Dieses Scheiternkönnen ist überhaupt nicht negativ zu verstehen, denn das Scheitern ermöglicht gerade das, was in der Wissenschaft so eminent wichtig ist: den Fortschritt.

 

Eine Theorie ist also dann wissenschaftlich, wenn folgende Frage beantwortet werden kann: Was muss eintreten, damit die Theorie verworfen wird? Diese Frage kann beispielsweise eine astrologische Theorie nicht beantworten.

Die beiden folgenden Beispiele berichten von zwei Theorien, die zum Zeitpunkt ihrer Ausformulierung zwar nicht überprüft werden konnten, bei denen aber angegeben werden konnte, unter welchen Umständen sie scheitern würden.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts formulierte Galileo Galilei (1564–1642) mit seinen Fallgesetzen eine neue Theorie der Schwerkraft. Sie ersetzte die bis dahin gültige Theorie von Aristoteles (viertes Jahrhundert vor Christus), dass schwere Objekte schneller zu Boden fallen als leichte. Gemäss Galileis neuer Theorie würden im luftleeren Raum alle Objekte den Boden gleich schnell erreichen. Da zur Zeit von Galilei noch keine luftleeren Glasröhren herstellbar waren, konnte er dieses Experiment zwar nicht durchführen, er hatte damit aber eine Möglichkeit der Falsifikation angegeben. Das Experiment konnte erst nach seinem Tod durchgeführt und die Theorie damit verifiziert werden (vgl. Stillwaggon 2015, S. 347 f.).

Albert Einstein beschrieb in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie, die er im November 1915 veröffentlichte, dass das Gravitationsfeld der Sonne das Licht von weit entfernten Sternen ablenkt. Dieses abgelenkte Licht konnte allerdings nicht beobachtet werden, weil es vom Sonnenlicht «überstrahlt» wird. Einstein hatte aber so eine Möglichkeit angegeben, seine Theorie zu falsifizieren. Die Theorie kam im Jahr 1919 auf den Prüfstand, als eine totale Sonnenfinsternis die Beobachtung ermöglichte: Licht wird tatsächlich von der Sonne abgelenkt, und zwar genau in dem Ausmass, wie es Einstein berechnet hatte (vgl. ebd., S. 340 f.).

Die Theorien von Galilei und Einstein waren beide auf ihre Gültigkeit überprüfbar und entsprachen somit der Forderung Poppers nach der Falsifikationsmöglichkeit.

Auch eine Maturaarbeit kann einen Mosaikstein zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen, besonders dann, wenn die Fragestellung sehr eng gefasst ist. Mit welcher Methode auch immer Sie arbeiten und ob Sie Ihrer Untersuchung mit einer These oder einer Hypothese die Richtung vorgeben, das zentrale Moment des wissenschaftlichen Arbeitens ist das Argument.

Ein Argument ist eine Aussage, die eine Behauptung (These oder Hypothese) begründet oder widerlegt. Ein Argument besteht aus einer oder mehreren Prämissen (Voraussetzungen, Annahmen) und aus einer Schlussfolgerung (Konklusion) (vgl. Prechtl & Burkard 1999, S. 92). Wenn die Prämissen wahr sind und ein gültiges Schlussverfahren verwendet wird, dann ist auch die Konklusion wahr. Eine Verknüpfung von mehreren Argumenten nennt man eine Argumentation (vgl. ebd., S. 43).

Wie gut es Ihnen gelingt, die Leserinnen und Leser von einem Argument zum nächsten zu führen und so eine Argumentationskette aufzubauen, hängt nicht nur von der Hieb- und Stichfestigkeit Ihrer Aussagen ab, sondern auch von ihrer formalen Verknüpfung.

1.4.2 Wissenschaftliches Schreiben

Betrachten Sie das Niederschreiben der Forschungsresultate als Prozess und räumen Sie ihm entsprechend Zeit ein. Das fortwährende Niederschreiben der gewonnenen Erkenntnisse bewirkt, dass Sie Ihre Gedanken präzise erfassen, prüfen und miteinander in Beziehung bringen. Erst zu Papier gebrachte Gedanken können überblickt, neu geordnet und mit Brücken von einem Gedanken zum anderen versehen werden (vgl. Kruse 2015, S. 59).

Die Maturaarbeiten richten sich nicht an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer universitären Disziplin, sondern der Adressat ist ein Publikum mit guter Allgemeinbildung. Beim Schreiben dürfen Sie den Stand des Allgemeinwissens voraussetzen, den Ihre Klassenkameradinnen und -kameraden im Lauf der Schulzeit erlangt haben. Fachbegriffe und Konzepte, die über dieses Wissen hinausgehen, sollten erklärt werden.

Das Überarbeiten der Texte ist ein zentrales Merkmal des wissenschaftlichen Schreibens. Falls Sie – wie empfohlen – Ihre Gedanken fortwährend festhalten, ergibt sich das mehrmalige Überarbeiten von selbst, denn Sie wissen ja im Lauf Ihres Forschungsprozesses immer mehr und immer Genaueres (vgl. ebd., S. 60). Zusätzlich sollten Sie Ihre Textteile während des Entstehungsprozesses von anderen Personen (Mitschülerinnen, Betreuern) gegenlesen lassen. Nutzen Sie die Feedbacks dazu, den Text klarer, verständlicher und übersichtlicher zu machen.

In wissenschaftlichen Publikationen liest man anstatt «ich, mein, mir» folgende oder ähnliche Wendungen: «Die Analyse ergibt»; «Das Ergebnis unterstreicht»; «Man kann vermuten»; «Es lässt sich zeigen» und Passivkonstruktionen wie «Es wurde weiter oben dargelegt» (vgl. ebd., S. 143). Damit stellen die Schreibenden die Sache ins Zentrum und nicht sich selbst. Sie vermeiden es, ins Persönliche abzugleiten. Entscheidend ist aber nicht, ob Sie in Ihrem Text das Pronomen «Ich» verwenden, sondern wie Sie es verwenden. Sie dürfen die Leserin oder den Leser im eigenen Namen auf etwas hinweisen wie «Im nächsten Kapitel werde ich auf diese Ergebnisse eingehen» oder eine methodische Anmerkung machen wie «Daher wählte ich dieses Vorgehen». Es darf im Text aber nie um Ihre persönlichen Erfahrungen und Gefühle gehen, beispielsweise «Nach langem Kopfzerbrechen und einigen Gesprächen mit meiner Betreuerin fühlte ich mich mit dieser Methode am wohlsten».

Wenn Sie wissenschaftlich schreiben, nehmen Sie auch Bezug auf andere Texte. Sie bemühen sich, die gewählte Quelle möglichst genau zu verstehen, Sie geben deren Aussage korrekt wieder, und Sie legen ihre Bedeutung für die eigene Arbeit dar. Wie Sie Fachliteratur und andere Quellen ausweisen und korrekt in Ihren Text einbauen, erfahren Sie in Abschnitt 2.3.

1.4.3 Wissenschaftliche Standards erfüllen

Nun haben Sie gelernt, was wissenschaftliches Argumentieren heisst, Sie haben die Grundzüge von Forschung als Wahrheitssuche und Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium für wissenschaftliche Theorien kennengelernt, und Sie haben Tipps erhalten, wie Sie Ihre Gedanken in einer angemessenen Sprache ausdrücken.

Eines bleibt noch zu klären: An der Kick-off-Veranstaltung für Maturaarbeiten wurde höchstwahrscheinlich erwähnt, dass Sie eine eng gefasste Fragestellung einreichen sollen, denn je stärker Sie Ihre Untersuchung fokussieren, desto eher sei es möglich, nach wissenschaftlichen Prinzipien vorzugehen und dabei etwas Neues herauszufinden oder etwas Ungewöhnliches zu konstruieren.

Die Maturaarbeit ist eine Übung auf ansprechendem Niveau, die auf das wissenschaftliche Arbeiten vorbereitet. Es ist dabei erwünscht, dass Sie sich innerhalb der Leitlinien der Wissenschaftlichkeit bewegen. Die folgenden Ausführungen zeigen, dass dies durchaus machbar ist.

Objektivität: Die forschende Person nimmt eine kritische, analysierende Position zum Forschungsgegenstand ein. Sie macht durch sprachliche Mittel klar, welches ihre eigenen Forschungsresultate sind, welche Aussagen sie von anderen Forschenden referiert und welche Schlüsse sie daraus zieht. Subjektive und persönliche Urteile sollen klar als solche erkennbar sein (vgl. Voss 2017, S. 33). Übertragen auf meine Maturaarbeit: Ich stehe meinem Untersuchungsgegenstand kritisch gegenüber (SMART-Analyse, hier), mache, wenn ich fremde Gedanken übernehme, konsequent einen Quellenverweis und trenne klar zwischen den erarbeiteten Fakten und meiner Meinung.

Intersubjektivität: Forschungsresultate sind für die anderen Forschenden erfassbar, sie sind wiederholbar, und die Schlussfolgerungen, die aus dem Sachverhalt abgeleitet werden, sind nachvollziehbar (vgl. Sandberg 2017, S. 15). Die von mir erhobenen Daten, Berechnungen, Argumentationsketten oder technischen Konstruktionen sind für die Leserinnen und Leser verständlich. Ich führe ein Arbeitsjournal und gegebenenfalls ein Versuchs- oder Beobachtungsprotokoll und dokumentiere alle Vorfälle sorgfältig, auch die Misserfolge.

Methodisch begründetes Vorgehen: Die Methode, mit der die Erkenntnisse gewonnen wurden, ist detailliert beschrieben. Es soll klar werden, warum die Methode gewählt und wie sie angewendet wurde (vgl. Kruse 2010, S. 58). Ich erläutere die von mir angewendeten Methoden detailliert und begründe, warum ich welches Verfahren gewählt habe.

Systematik: Jede Wissenschaftsdisziplin hat ihre eigene Systematik. Die eigene Forschung muss an die Wissenssystematik des Fachs angebunden und im Kontext des vorhandenen Wissens dargestellt und eingeordnet werden (vgl. ebd.). Nach einer ausgedehnten Literaturrecherche lese ich mich ins Thema ein. Die Fachwörter, die ich bei der Lektüre antreffe, verwende ich auch in meiner Arbeit, allerdings nicht, ohne sie zu erklären und gegebenenfalls zu definieren.

Die Forderung nach einer klaren Grundhaltung, welche die Forschenden einnehmen sollten, fasste der amerikanische Soziologe Robert K. Merton in einem Fünf-Punkte-Kriterienkatalog für Wissenschaftsethik zusammen. Diese Forderungen seien an den Schluss des Kapitels gestellt – im Wissen, dass sie im heutigen Forschungsbetrieb häufig nicht eingehalten werden.

Merton stellte in den Dreissigerjahren mit einiger Beunruhigung fest, dass viele deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit waren, sich in den Dienst des nationalsozialistischen Regimes zu stellen. Deshalb entwickelte er grundlegende Normen wissenschaftlicher Forschung, die – nach ihren Anfangsbuchstaben benannt – als CUDOS-Kriterien berühmt wurden und die Diskussion in der Wissenschaftsethik bis heute prägen (vgl. Sandberg 2017, S. 16).

Communitarism (hier etwa mit Gemeinschaftssinn zu übersetzen): Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse gehören allen. Sie sollen mit der Gemeinschaft der Forschenden und der Öffentlichkeit geteilt werden.

Universalism (Universalität): Forschungsergebnisse müssen unabhängig von der Person, ihrem Geschlecht, ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Nationalität oder ihrer Religion geprüft und bewertet werden.

Desinterestedness (Uneigennützigkeit): Antriebsfeder für das Forschen soll nicht eigennütziges Interesse sein, sondern die Leidenschaft für die Wahrheitssuche.

Originality (Originalität): Wissenschaft soll einen Erkenntnisgewinn bringen, indem etwa ein neuer methodischer Zugang erarbeitet oder eine neue Theorie entwickelt wird.

Scepticism (Skeptizismus): Alle Erkenntnisse und ihre dazugehörigen Beweise sind einer kritischen Prüfung zu unterziehen, bevor sie anerkannt werden.

Eine weitere unabdingbare Vorbereitung auf Ihre erste wissenschaftliche Arbeit ist die Informationsrecherche. Wir empfehlen Ihnen dringend, Kapitel 2 zu lesen, bevor Sie sich in die Arbeit stürzen.