Absprachen im Strafprozess

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II. Einzelheiten

1. Verfahrensbeteiligte

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Anders als bei § 257c[5] findet sich in den §§ 160b, 202a keine Erwähnung bestimmter Verfahrensbeteiligter (Staatsanwaltschaft, Angeklagter), sondern es ist nur allgemein von „Verfahrensbeteiligten“ die Rede. Die h.M. zieht daraus den Schluss, dass das Gesetz auch andere Personen meint als den Beschuldigten und die Staatsanwaltschaft, und zwar auch schon im Ermittlungsverfahren.[6] Nach einer verbreiteten, allgemeinen und recht weiten Definition des Verfahrensbeteiligten ist jeder verfahrensbeteiligt, dem das Gesetz eine eigene Rolle im Strafverfahren zubilligt, in dem Sinne, dass er durch die Ausübung von Rechten auf das Verfahren Einfluss nehmen kann oder gar muss.[7] Hiernach ist klar, dass etwa Zeugen oder Sachverständige nicht Verfahrensbeteiligte sind, weil sie nicht durch eigene Willenserklärung auf das Verfahren Einfluss nehmen können, und auch, dass die Rolle als Verfahrensbeteiligter vom Verfahrensstadium abhängen kann. Nebenkläger wird man durch Anschluss an die öffentliche Klage, nicht aber schon im Ermittlungsverfahren: Der Anschluss ist zwar nach § 395 Abs. 4 in jeder Lage des Verfahrens zulässig, wird nach dem klaren Gesetzeswortlaut aber erst wirksam, wenn die öffentliche Klage erhoben (§ 396 Abs. 1 Satz 2) oder der Antrag im Sicherungsverfahren gestellt ist (§ 395 Abs. 1).

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Problemlos zu bejahen ist auch die Erforderlichkeit der Einbeziehung


der Finanzbehörde im Steuerstrafverfahren (§§ 403, 407 AO),
der Jugendgerichtshilfe sowie der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten im Jugendstrafverfahren (§§ 38 Abs. 3, 50 Abs. 2 und Abs. 3, 67 Abs. 1 JGG) sowie
der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren auch nach Übernahme durch die Staatsanwaltschaft (§ 63 OWiG).

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Angehörigen der Gerichtshilfe (§ 160 Abs. 3 Satz 2)[8] und der Bewährungshilfe hingegen kommen keine eigene Rechte und Pflichten in diesem Sinne zu. Das bedeutet, dass sie an Erörterungen im Sinne der §§ 160b, 202a, 257b nicht beteiligt werden müssen.

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Im Schrifttum kontrovers diskutiert wird die Frage, ob der nicht nebenklageberechtigte Verletzte in Erörterungen nach §§ 160b usw. einbezogen werden muss.[9] Definitorisch wäre dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn man das für die Position als Verfahrensbeteiligter allgemein anerkannte Kriterium der eigenständigen prozessualen Rechte und Pflichten auch dann im konkreten Fall für gegeben hält, wenn diese im Wesentlichen als Informations- und Abwehrrechte, aber nicht oder nur sehr eingeschränkt als Gestaltungsrechte ausgeformt sind.[10] Die Auffassung, nach der nicht nebenklageberechtigte Verletzte keine Verfahrensbeteiligte im hier interessierenden Sinne sind, kann sich zwar auf die Materialien stützen.[11] Die Gegenauffassung aber zumindest darauf, dass der Wortlaut eine Erstreckung auf alle „Verletzten“ im Sinne der StPO nahelegt. Schließlich haben alle Verletzten – seien sie nun nebenklageberechtigt oder nicht – eigene Rechte, wie beispielsweise das Akteneinsichtsrecht. Den nicht nebenklageberechtigten Verletzten in Erörterungen nach §§ 160b usw. einzubeziehen, kann nach dem Sinn und Zweck der §§ 160b usw. durchaus sinnvoll sein, etwa wenn ein Täter-Opfer-Ausgleich (§ 155a) in Betracht kommt. Wenn im Übrigen mit den neuen gesetzlichen Vorschriften insgesamt bezweckt wird, die Akzeptanz der strafgerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Entscheidung zu erhöhen,[12] so könnte der vermeintlich Geschädigte durchaus auch in die Erörterungen einbezogen und gefragt werden, ob er denn mit dem Ergebnis des Strafverfahrens leben könnte.

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Zeichnet sich im Strafverfahren ab, dass eine (natürliche oder juristische) Person als Verfalls- oder Einziehungsbeteiligter in Betracht kommt, kann es jedenfalls sinnvoll sein, diese Personen in Erörterungen i.S.v. §§ 160b usw. einzubeziehen. Angesichts dessen, dass das Gesetz dem Einziehungs- bzw. Verfallsbeteiligten bereits im Vorverfahren Anhörungs- und Schweigerechte gewährt, die den Vorschriften über die Vernehmung des Beschuldigten entsprechen (§ 444 Abs. 2 i.V.m. § 432 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2), könnte man die Einbeziehung des Nebenbeteiligten auch als zwingend erforderlich ansehen.[13]

2. „Aktenkundig zu machen“

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Tatsächlich neu in die StPO aufgenommen ist bei alldem die Pflicht, den wesentlichen Inhalt der Gespräche aktenkundig zu machen. Aus dieser vermeintlich klaren Bestimmung ist verblüffender weise eine Streitfrage entstanden: Muss ein Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten nur dann aktenkundig gemacht werden, wenn es zu einem (positiven oder negativen) Ergebnis geführt hat[14], oder auch sonst?[15] Die praktische Bedeutung des Problems dürfte sich in Grenzen halten. Eine Einschränkung im Sinne der zuerst genannten Auffassung ist jedenfalls dem Gesetz nicht zu entnehmen, und es ist auch nicht ersichtlich, warum zumindest das „Ob“ einer Unterhaltung über den Stand des Verfahrens nicht durch eine kurze Verfügung in die Akte aufgenommen werden sollte.[16]

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Für die Verteidigung bringt die Dokumentationspflicht im Übrigen möglicherweise eine gewisse Erleichterung insoweit, als Staatsanwälte und Gerichte sich dem Ansinnen, dass auch die Verteidigung durch einen kurzen Schriftsatz das Gesprochene zur Akte gibt, angesichts der ohnehin auf ihrer Seite bestehenden Verpflichtung, die wesentlichen Gesprächsinhalte in der Akte festzuhalten, kaum noch werden verweigern können.

3. Voraussetzungen und Folgen

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Die §§ 160b, 202a, 212, 257b sind insgesamt von bemerkenswert unverbindlichem Charakter: Staatsanwaltschaft bzw. Gericht können, sie sollen oder müssen aber nicht das Gespräch suchen. Eine Begrenzung der denkbaren Gesprächsgegenstände findet sich im Gesetz nicht, und auch das, was konkret bei der Urteilsabsprache als „Bindungswirkung“ bezeichnet wird, ist in diesen allgemeinen Vorschriften keiner gesetzlichen Regelung zugeführt worden. Neben der Pflicht, die Gespräche aktenkundig zu machen, sowie der Verpflichtung, alle Verfahrensbeteiligten hinzuzuziehen,[17] kann sich dennoch weder im Ermittlungsverfahren noch im Zwischenverfahren oder im Hauptverfahren ein rechtsfreier Raum entwickeln, in dem gemachte Ankündigungen oder sogar Zusagen völlig folgenlos bleiben. Relevant wird dies insbesondere dann, wenn nach §§ 160b, 202a oder 212 geführte Gespräche sich um die Vermeidung der Hauptverhandlung drehen und der Beschuldigte sich bereit erklärt hat, an der entsprechenden Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dadurch mitzuwirken, dass er zunächst einmal bestimmte Leistungen erbringt, also etwa Steuern nachzahlt, Schadensersatzansprüche anerkennt oder ähnliches. Hat in einem solchen Fall im Gegenzug die Staatsanwaltschaft oder das Gericht oder beide ein bestimmtes Prozessverhalten, etwa die Einstellung der Tat nach § 153a oder die Einstellung bestimmter Vorwürfe nach §§ 154, 154a[18] zugesagt, so gebietet es schon das fair-trial-Prinzip, dass man sich hieran dann auch hält.[19]

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Die entscheidende Frage ist aber natürlich diejenige, ob es konkrete Folgen hat, wenn dagegen verstoßen wird. Das Gesetz schweigt hierzu – auch nach Einführung des VerstG. Die bisherige Rechtsprechung (an der sich die Rechtspraxis wohl weiterhin orientieren wird) geht dahin, dass solches Fehlverhalten der Justiz strafmildernd wirken soll.[20] Das ist aus vielen Gründen nicht überzeugend. Sehr viel sinnvoller wäre es, wenn schlicht die zugesagten Folgen zwangsläufig einzutreten hätten, wenn also beispielsweise in dem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung zu einer Einstellung nach § 153a nach erbrachter „Schadenswiedergutmachung“ zusagt, sie dann aber doch verweigert, die Einstellung schlicht ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden könnte, oder wenn eben dieser Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens schlicht einen Einstellungsgrund sui generis bilden würde.[21] Hier besteht für die Zukunft noch einiger Klärungsbedarf: Einerseits ist insbesondere der Schutz des Vertrauens des Beschuldigten in Zusagen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts kein von vornherein relevanter Gesichtspunkt, andererseits müssen die Lösungen in konkreten Problemfällen dem Gesetz entnommen werden oder zumindest mit dem Gesetz vereinbar sein. Es wird also beispielsweise nicht eine Bindung des Gerichts an irgendwelche von der Staatsanwaltschaft einseitig im Ermittlungsverfahren abgegebenen Zusagen angenommen werden können, und es wird auch nicht einfach die staatliche Seite in Haftung genommen werden können, wenn z.B. der beteiligte Verletzte später höhere Forderungen stellt als er dies ursprünglich im Strafverfahren zugesagt hatte.[22]

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Für den Verteidiger bedeutet dies praktisch, dass er seinen Mandanten eindringlich über die Risiken eines solchen Vorgehens aufklären muss. Insbesondere soweit eine Vorleistung des Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren im Raume steht – falls eine solche überhaupt in Betracht kommen sollte –, wird der Mandant darüber zu informieren sein, dass die Staatsanwaltschaft im Fall der Fälle nicht an ihrer Zusage, etwa nach § 153 oder § 153a vorzugehen, festgehalten werden kann, selbst wenn diese Zusage im Rahmen einer aktenkundig gemachten Verständigung etwa nach § 160b gemacht wurde.

 

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Sofern schließlich im Schrifttum Versuche unternommen werden, dem neuen § 202a im Hinblick auf die möglichen Gegenstände von Gesprächen zwischen den Verfahrensbeteiligten gegenüber § 160b eigenständige Konturen zu geben,[23] überzeugt dies nicht. § 202a spricht hier ebenso vom „Stand des Verfahrens“ wie § 160b. Dass die zusätzlich erforderliche Eignung, das Verfahren zu fördern, sich im Zwischenverfahren anders darstellen kann als im Ermittlungsverfahren, ist ebenso selbstverständlich wie der Umstand, dass die vorliegende Anklageschrift und die besonderen Vorschriften des Zwischenverfahrens hier – anders als im Ermittlungsverfahren oder später im Hauptverfahren – sinnvoll Thema der Gespräche sein können. Das sind aber Besonderheiten, die sich aus der Natur der Sache, insbesondere aus den für das jeweilige Verfahrensstadium sonst geltenden Vorschriften, nicht aber aus § 160b oder § 202a selbst ergeben.

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Für alle Gespräche nach diesen neu eingeführten Vorschriften gilt also im Prinzip: Es kann, soll oder muss aber nicht gesprochen werden. Wenn ein Gespräch stattfindet, müssen alle einbezogen werden, die als Verfahrensbeteiligte nach der allgemeinen Definition anzusehen sind. Dabei kann über alles gesprochen werden, was überhaupt im jeweiligen Verfahrensstadium als zulässiges Prozessverhalten angesehen werden kann, das Wesentliche ist aktenkundig zu machen und schließlich haben sich alle Beteiligten an das zu halten, was sie besprochen haben.

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Gegenstand solcher Gespräche, insbesondere im Ermittlungsverfahren, aber auch im Zwischenverfahren, werden vielfach und mutmaßlich häufiger als im Hauptverfahren Fragen möglicher Verfahrenseinstellungen nach den §§ 153 ff. bzw. einem Verfahren nach den §§ 407 ff. sein. Auf diese und entsprechende Regelungen aus dem Recht der Ordnungswidrigkeiten, dem Betäubungsmittel- und Jugendstrafrecht wird im Folgenden ein vertiefter Blick geworfen.

Anmerkungen

[1]

Rn. 26 ff.

[2]

Dass das Gericht Einfluss auf eine Nachbesserung der Anklage nehmen kann, kommt bereits in § 202 zum Ausdruck.

[3]

So z.B. Meyer-Goßner/Schmitt § 202a Rn. 3.

[4]

Im ersteren Sinne bspw. Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 10; im letzteren Jahn/Müller NJW 2009, 2625 ff., 2627. Die Kritik von Fischer StraFo 2009, 177 ff., 186, wonach die Dokumentationspflicht voraussichtlich in der Praxis unerwünscht sei und daher zu Umgehungshandlungen führen werde, zeigt einmal mehr exemplarisch das beliebteste Argumentationsmuster der fundamentalistischen Absprachenkritiker und offenbart zugleich seine größte Schwäche: Ist das Gesetz nicht streng genug, so hat der Gesetzgeber versagt, anderenfalls ebenfalls, weil der Glaube, die Normadressaten würden sich an klare und scharfe Vorschriften halten, naiv sei. Der Fehler ist immer derselbe: Ausgehend von einem denkbaren negativen Menschen- (oder eher Juristen-) Bild wird an den Staat (genauer: die Legislative) die Erwartung gerichtet, die Judikative ein für alle Mal zu disziplinieren und jede Form der Absprache im Strafprozess entschlossen und nachhaltig zu unterbinden. Das Argument ist widersprüchlich, weil Personen, die sich an das Gesetz nicht halten, sich auch durch das Gesetz nicht verbieten lassen, das Gesetz zu brechen. Es ist außerdem ersichtlich von einer Art voraufklärerischem Misstrauen gegenüber der menschlichen Vernunft geprägt, das empirischer Bestätigung bedürfte, sich auf solche aber natürlich nicht stützen kann.

[5]

Vgl. zu diesem im Einzelnen unten Teil 3 (Rn. 246 ff.).

[6]

Patzak in Beckʼscher Online-Kommentar StPO, § 160b Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 2.

[7]

In diesem Sinne Meyer-Goßner/Schmitt Einleitung Rn. 71.

[8]

Zu den Aufgaben der Gerichtshilfe m.w.N. KK-Griesbaum, § 160 Rn. 33 und Meyer-Goßner/Schmitt § 160 Rn. 24.

[9]

Vgl. einerseits Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 4; andererseits Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 14.

[10]

So eine verbreitete Meinung im Schrifttum, vgl. etwa Kühne in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einleitung JV, Rn. 122: Der Verletzte als Prozesssubjekt.

[11]

BT-Drucks. 16/12 310, 11.

[12]

Niemöller/Schlothauer/Weider § 160b Rn. 7 unter Verweis auf den Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens (StV 2004, 228, 229).

[13]

A.A. offenbar Niemöller/Schlothauer/Weider § 160b Rn. 13, nach denen die Verfalls- und Einziehungsbeteiligten im Ermittlungsverfahren „noch keine Rolle“ spielen.

[14]

So Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 8.

[15]

So Deiters in SK-StPO, § 212 Rn. 5.

[16]

Von selbst sollte sich verstehen, dass nicht jedweder Kontakt zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft schon in der Akte dokumentiert werden muss, sondern nur solche, bei denen es zumindest überhaupt inhaltlich zu einem Austausch von Meinungen oder Argumenten zum Stand oder weiteren Fortgang des Verfahrens kommt.

[17]

Vgl. zum Begriff des Verfahrensbeteiligten oben Rn. 95 ff.

[18]

Zu diesen näher sogleich unter Rn. 131 ff.

[19]

H.M., siehe nur Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 26; Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 11, jeweils m.w.N.

[20]

BGH Urt. v. 12.3.2008 – 3 StR 433/07 (= BGHSt 52, 165) Rn. 17 f. unter Verweis auf BGH Urt. v. 18.4.1990 – 3 StR 252/88 (= BGHSt 37, 10).

[21]

Die Auffassungen differieren hier etwas, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 11 m.w.N.

[22]

So auch Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 26.

[23]

So Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 202a Rn. 10 ff.

Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B. Die Ausgestaltung des Opportunitätsprinzips in der StPO im Einzelnen: §§ 153 ff.

B. Die Ausgestaltung des Opportunitätsprinzips in der StPO im Einzelnen: §§ 153 ff.[1]

Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B › I. Übersicht

I. Übersicht

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Wie bereits mehrfach erwähnt, spielen die §§ 153 ff. in der Praxis heute eine überaus große Rolle. Dies gilt allerdings nicht für jede der Vorschriften der §§ 153 bis 154e in gleichem Maße.

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Im Vordergrund stehen vielmehr die §§ 153, 153a, mit Einschränkungen auch §§ 154, 154a und schließlich gelegentlich noch § 154d. Deswegen konzentriert sich die folgende Darstellung auf diese Normen. Dabei bietet es sich an, zunächst die §§ 153, 153a, sodann kurz §§ 154, 154a und abschließend die besondere Konstellation des § 154d zu behandeln. Die §§ 154, 154a weisen nämlich u.a. die Gemeinsamkeit auf, dass die Einstellungsmöglichkeiten wegen einer bestimmten Gesetzesverletzung jeweils nur im Hinblick auf eine aus anderem Grund bereits erfolgte oder noch zu erwartende Strafe geschehen kann. Bereits hierin unterscheiden sich diese Vorschriften deutlich von den §§ 153, 153a.

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Auch im Bereich des Strafbefehlsverfahrens, im Privatklageverfahren, im Recht der Ordnungswidrigkeiten sowie im Betäubungsmittel- und Jugendstrafrecht finden sich sodann spezielle Regelungen, die eine konsensuale Beendigung von Strafverfahren ermöglichen und die hier daher ebenfalls in der gebotenen Kürze in den Blick zu nehmen sind.

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Die mit dem Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB) zusammenhängenden §§ 155a und 155b wie auch § 153b werden erst später in dem diesen gewidmeten Abschnitt nochmals erwähnt.[2]

Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B › II. Einstellung wegen Geringfügigkeit oder nach Erfüllung von Auflagen, §§ 153, 153a

II. Einstellung wegen Geringfügigkeit oder nach Erfüllung von Auflagen, §§ 153, 153a
1. Voraussetzungen und Mitwirkungsmöglichkeiten

a) Anwendungsbereich

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Beide Vorschriften sind ausschließlich bei Vergehen anwendbar. Der Begriff „Vergehen“ ist im technischen Sinne des § 12 Abs. 1 StGB zu verstehen. Wo also die Verdachtstat mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe oder darüber bedroht ist und mithin ein Verbrechen darstellt, kommen Verfahrenseinstellungen nach diesen Vorschriften nicht in Betracht.

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Erwähnenswert ist in diesem Kontext die Vorschrift des § 12 Abs. 3 StGB. Danach bleiben für die Bestimmung einer Tat als Vergehen oder Verbrechen Strafzumessungsregeln des Besonderen Teils des StGB außer Betracht. Der Anfangsverdacht beispielsweise eines besonders schweren Falles des Betrugs oder der Untreue, §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 bzw. 266 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. 263 Abs. 3 StGB steht also einer Einstellung des Verfahrens nach diesen Vorschriften nicht generell im Wege. Allerdings existieren bekanntlich auch Qualifikationstatbestände, die der Verdachtstat Verbrechenscharakter verleihen und mithin die Anwendung der §§ 153 ff. hindern können (vgl. z.B. § 263 Abs. 5 StGB). Stehen solche Vorwürfe im Raum, kann daher keiner der Verfahrensbeteiligten einer Einstellung nach § 153 ff. zustimmen, ohne in Konflikt mit dem geltenden Recht zu geraten und sich möglicherweise sogar der Gefahr einer Strafverfolgung wegen (Beihilfe zur) Rechtsbeugung auszusetzen. Anders sieht es nur dann aus, wenn sich vor der Einstellungsentscheidung ergeben hat, dass der ursprünglich bestehende Anfangsverdacht hinsichtlich des Verbrechenstatbestandes weggefallen ist.[3]

 

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Beide Vorschriften schließlich sind nicht nur im Ermittlungsverfahren anwendbar. Vielmehr können Einstellungsentscheidungen nach § 153 in jeder Lage des Verfahrens getroffen werden,[4] § 153a ist immerhin bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz anwendbar.[5] Diese Arten konsensualer Verfahrensbeendigungen stellen mithin auch in der Hauptverhandlung noch Alternativen zur Urteilsabsprache dar.